Ausführungen zur Apostelgeschichte,
dem Bericht über die »Taten der Apostel«
Die
Himmelfahrt Jesu (Apostelgeschichte 1)
Am
Pfingsttag, Teil I (Apostelgeschichte 2:1-31)
Am
Pfingsttag, Teil II (Apostelgeschichte 2:32-47)
Die
Heilung des Lahmen (Apostelgeschichte 3)
In
dem Namen Jesu Christi (Apostelgeschichte 4:1-31)
Sie
hatten alles gemeinsam (Apostelgeschichte 4:32 - 5:16)
Das
zweite Verhör der Apostel (Apostelgeschichte 5:17-42)
Die
Rede des Stephanus, Teil I (Apostelgeschichte 6:1-7:22)
Die
Rede des Stephanus, Teil II (Apostelgeschichte 7:23-60)
Philippus
in Samaria und am Weg nach Gaza (Apostelgeschichte 8)
Saulus
vor Damaskus (Apostelgeschichte 9:1-21)
So
hatte die ganze Gemeinde nun Frieden (Apostelgeschichte 9:22-43)
Petrus
bei Kornelius (Apostelgeschichte 10:1-11:18)
Von
der Gemeinde in Antiochien und König Herodes Agrippa (Apostelgeschichte 11:19-12:25)
Auf
der ersten Missionsreise (Apostelgeschichte 13:1-31)
Die
erste Verkündigung der Rechtfertigung allein durch Glauben (Apostelgeschichte
13:32-52)
In
Ikonium und Lystra (Apostelgeschichte 14)
Die
Apostelversammlung wegen der Frage der Beschneidung (Apostelgeschichte 15:1-35)
Auf
der zweiten Missionsreise (Apostelgeschichte 15:36-16:40)
In
Thessalonich, Beröa und Athen (Apostelgeschichte 17)
In
Korinth und zu Beginn der dritten Missionsreise (Apostelgeschichte 18:1-19:7)
Paulus
in Ephesus (Apostelgeschichte 19:8-41)
Auf
dem Rückweg von der dritten Missionsreise (Apostelgeschichte 20)
Hinauf
nach Jerusalem (Apostelgeschichte 21:1-39)
Die
Rede des Paulus an seine Nation (Apostelgeschichte 21:40-23:11)
Paulus
vor Felix (Apostelgeschichte 23:12-24:27)
Paulus
vor Festus und Agrippa (Apostelgeschichte 25+26)
Die
Seereise nach Rom (Apostelgeschichte 27)
Auf
Melite und in Rom (Apostelgeschichte 28)
(Apostelgeschichte 1)
Der Bericht des Lukas, der gewöhnlich
»Apostelgeschichte« genannt wird, trägt nach den Kodizes Sinaiticus und
Vaticanus den Titel »Die Verfahrensweisen der Apostel«. Lukas, »der geliebte
Arzt« (Kol.4:14), ein nichtjüdischer Mitarbeiter und zeitweiliger Begleiter des
Apostels Paulus, schrieb ihn etwa im Jahre 61 n. Chr. nieder. Die Aufzeichnung
zeigt zum einen die Ausbreitung des Evangeliums während der drei Jahrzehnte von
Jesu Himmelfahrt im Jahre 32 bis zur Freilassung des Paulus aus seiner ersten
römischen Gefangenschaft im Jahre 61 n. Chr. auf, zum andern aber den Unglauben
Israels und im Zusammenhang damit den heilsgeschichtlich bedeutsamen Übergang
der Evangeliumsverkündigung weg von Israel und hin zu den Nationen.
Lukas
schildert die vielfältigen Bemühungen der Apostel im Inland und dann auch des
Apostels Paulus unter den Auslandsjuden, Israel davon zu überzeugen, dass Jesus
der Christus ist, damit das diesem Volk verheißene Königreich anbreche. Im
Laufe der Zeit wird aber immer deutlicher, dass Israel den König und damit auch
das Königreich verwirft.
Das uns, die
Glieder der herausgerufenen Gemeinde, die Christi Körper ist (Eph.1:22,23),
angehende, dem Paulus für die gegenwärtige heilsgeschichtliche Verwaltung der
überströmenden Gnade enthüllte Evangelium (Gal.1:12; Eph.3:2), das der Apostel
der Nationen in seinen Briefen darlegte und erst durch die sogenannten Gefangenschaftsbriefe,
den Epheser-, den Philipper- und den Kolosserbrief, sowie die späteren Briefe
vervollständigte (Kol.1:25), wird kaum berührt. Wir lesen im Grunde nur vom
Dienst des Apostels Paulus für das Königreich Israels, sehr wenig aber von dem
Dienst, den er durch seine Briefe an dem ihm eigens offenbarten Evangelium der
Unbeschnittenheit tat (Gal.2:7). Sein Königreichsdienst schließt die Nationen
insofern ein, als er ihnen den Segen austeilt (vgl. Röm.15:16), wie sie ihn im
tausendjährigen Königreich unter Israels Vorherrschaft erhalten werden.
Wir können die
Apostelgeschichte auch als das Zeugnis des heiligen Geistes bezeichnen. Mit dem
Tod Jesu Christi war Sein Zeugnis abgeschlossen. Es folgte das des Geistes
Gottes, der durch die Worte sowie Zeichen und Wunder der Apostel in
überwältigender Weise Zeugnis dafür ablegte, dass Jesus auferstanden und der
von Gott beglaubigte Messias ist. Wer dieses Zeugnis ablehnte und die Wunder
etwa bösen Geistern zuschrieb, für den gab es keine Vergebung »weder in diesem
Äon noch in dem zukünftigen« (Mat.12:32). - Israel aber lehnte es ab. So wurde
es verworfen. Ihre Verwerfung aber ist der Welt Versöhnung (Röm.11:15).
Lukas schreibt: »Den ersten Bericht, o
Theophilus, habe ich verfasst von allem, was Jesus anfing zu tun und auch zu
lehren bis zu dem Tag, als Er den Aposteln, die Er auserwählt hatte, durch
heiligen Geist Anweisungen gab und dann hinaufgenommen wurde« (Verse 1+2).
Der erste
Bericht des Lukas, den er für den »hochgeehrten Theophilus« (Luk.1:3) verfasst
hatte, wird im Allgemeinen »Das Evangelium nach Lukas« genannt. Das Wort Gottes
aber sagt »Bericht« dazu. Theophilus dürfte ein hochgestellter Gläubiger
gewesen sein.
Lukas knüpft
mit seinem nun zweiten Bericht an den ersten an, in welchem er das Wirken
unseres Herrn Jesus Christus von Anfang an bis zu Seiner Himmelfahrt
geschildert hatte.
Im Folgenden
geht Lukas nochmals auf die letzten Tage und dann auf die letzten Stunden ein.
»Ihnen [den
Aposteln] hatte Er Sich auch nach Seinem Leiden in vielen Beweisen lebendig
dargestellt, indem Er Sich vierzig Tage hindurch unter ihnen sehen ließ und
über Dinge sprach, die das Königreich Gottes betreffen« (Vers 3).
Den
Emmaus-Jüngern zum Beispiel hatte Er, von Mose anfangend und alle Propheten
durchgehend, das aus allen Schriften über Ihn Gesagte erklärt (Luk.24:27).
Wenn auch der
Begriff »das Königreich Gottes« oder »die Regentschaft Gottes« ein sehr
allgemeiner ist, zumal es auch ein überhimmlisches Königreich gibt und wir im Geist
bereits dort niedergesetzt sind (Eph.2:6; Kol.1:13; 2.Tim.4:18), so ist es
dennoch klar, dass hier das Israel verheißene Königreich der Himmel, also das
himmlischen Charakters, gemeint ist. Wie Vers 6 zeigen wird, haben die Apostel
an kein anderes als das irdische Königreich für Israel gedacht. Diese ihre
Erwartung ist nicht die unsere.
Wir lesen weiter: »Als Er mit ihnen
Tischgemeinschaft hatte, wies Er sie an, nicht von Jerusalem zu scheiden,
sondern die Verheißung des Vaters abzuwarten, - die ihr von Mir gehört habt;
denn Johannes hat nur mit Wasser getauft, ihr aber werdet nicht sehr lange nach
diesen Tagen in heiligem Geist getauft werden« (Verse 4+5).
Jesus hatte
Seinen Jüngern den Zusprecher verheißen, den der Vater senden wird, den Geist
der Wahrheit, der in ihnen bleiben und sie alles lehren und an alles erinnern
werde, was Er ihnen gesagt hat (Joh.14:16,17,26; 15:26; siehe auch in Joh.20:22
den nicht mit Kraftwirkungen verbundenen Empfang des heiligen Geistes).
Von der
Verheißung des heiligen Geistes als solcher hatten bereits die Propheten
gesprochen (Jes.32:15; 44:3; Hes.39:29; Joel 3:1; Sach.12:10). Dann aber war es
Johannes der Täufer, der, nur in Wasser taufend, Jesus als denjenigen benannte,
der in heiligem Geist und Feuer taufen werden (Mat.3:11; Mark.1:8; Luk.3:16).
»Die nun zusammengekommen waren, fragten Ihn
daher: Herr, stellst Du in dieser Zeit das Königreich für Israel wieder her? -
Da sagte Er zu ihnen: Euch steht es nicht zu, die Zeiten oder Fristen zu
erfahren, die der Vater in eigener Vollmacht festgesetzt hat« (Verse 6+7).
Da die
Propheten das Kommen des Geistes Jewes mit der Wiederherstellung des
Königreichs Davids verbanden (Jer.23:5; Micha 4:8; Dan.7:27; Ap.3:21), war die
Frage der Apostel folgerichtig.
Jesus gab
ihnen den Zeitpunkt der Aufrichtung des Königreichs nicht an. Seine Antwort
ließ zwar dem Gedanken Raum, dass es nicht in dieser Zeit geschehen werde, was
das Gleichnis von den den Sklaven anvertrauten Minas/Pfunden (Luk.19:11-27)
übrigens schon erkennen ließ, es wäre aber kein Ansporn für die Verkündigung
der Apostel gewesen, wenn ihnen bekräftigt worden wäre, dass ihr Zeugnis nicht
angenommen und das Königreich folglich nicht in absehbarer Zeit kommen würde.
Außerdem wäre der Unglaube Israels nicht so deutlich offenbar geworden, wenn
sie ausgerufen hätten: »Glaubt an das Königreich, aber es kommt noch lange
nicht.«
Die Apostel
mussten somit die sehnsuchtsvolle Frage Jesaias: »Bis wann noch, Jewe?«
(Jes.6:11) weiterhin im Herzen tragen. Erst Paulus durfte sie beantworten
(Röm.11:25).
»Ihr werdet Meine Zeugen sein«
Dies aber verhieß ihnen der Herr: »Doch ihr
werdet Kraft erhalten, wenn der heilige Geist auf euch kommt; und ihr werdet
Meine Zeugen sein: in Jerusalem wie auch im gesamten Judäa und Samaria und bis
zur letzten Grenze des Landes« (Vers 8).
Der heilige
Geist ist voller Kraft, denn er ist die Präsenz Gottes auf der Erde, ja Gott
Selbst, der Geist ist (Joh.4:24). Gottes Geist ist nicht etwas Zweites neben
Ihm, sondern Seine Wesenssubstanz. Mit heiligem Geist angetan zu werden
bedeutet, Kraft aus der Höhe zu empfangen (Luk.24:49), die die Apostel nun zu
ihrem mannigfaltigen Dienst befähigte, insbesondere Jesu Zeugen zu sein, indem sie
Seine Auferstehung durch Worte, Zeichen und Wunder bezeugten.
Und die
Apostel wurden Jesu Zeugen, wie Er es ihnen auch beim letzten Passahmahl
angekündigt hatte: »Der Geist der Wahrheit ... wird für Mich Zeugnis ablegen;
aber auch ihr seid Zeugen, weil ihr von Anfang an mit Mir gewesen seid«
(Joh.15:26,27). Sie bezeugten, was sie gehört und gesehen und betastet hatten:
Jesus, das äonische Leben, das zum Vater hingewandt und ihnen offenbar geworden
war (1.Joh.1:1,2).
Sie dienten
dem Auftrag des Herrn gemäß zunächst in Jerusalem, wie die Kapitel zwei bis
sieben ausweisen, und dann, wie in den Kapiteln acht bis zwölf verzeichnet, in
Judäa und Samaria und in den anderen Gebieten des Landes, zum Beispiel auch in
Galiläa. In Kapitel 9:31 finden wir folgenden Situationsbericht vor: »So hatte
nun die herausgerufene Gemeinde in ganz Judäa, Galiläa und Samaria Frieden.«
Sandte der
Herr Seine Apostel »bis zur letzten Grenze des Landes« oder »der Erde«? - Das
griechische Wort gê bedeutet beides. Da es um die Aufrichtung des Königreichs
Israels ging, wird Er die Grenzen des Landes gemeint haben. Denn zuerst muss
Israel zur Umsinnung aufgerufen und für Jesus gewonnen werden, bevor es zum
Segen für die ganze Erde werden kann. Erst das wiedergezeugte Israel wird bis
zu den Enden der Erde gehen (Jes.43:10; 49:6; Ap.13:47). Man beachte, dass die
Gläubigen, die sich infolge der wegen Stephanus entstandenen Drangsal zerstreut
hatten und bis nach Phönizien, Zypern und Antiochien gezogen waren, das Wort zu
niemand anders als allein zu den Juden gesprochen hatten (Ap.11:19). Erst
danach - Saulus war schon berufen - erging das Wort (nach dem Kodex Vaticanus)
auch an die »Hellenisten« (die griechisch geprägten Juden) oder (nach den
Kodizes Sinaiticus2 und Alexandrinus)
auch an die »Hellenen«, wie alle griechisch sprechenden Nichtjuden genannten
wurden (Ap.11:20). Im Grunde bekamen die Nichtjuden das Evangelium erst von der
Absonderung des Barnabas und Saulus an zu hören (Ap.13:2).
Wir lesen die Verse 9 bis 11: »Nachdem Er
dies gesagt hatte, beobachteten sie, wie Er emporgehoben wurde und eine Wolke
Ihn vor ihren Augen aufnahm. Als sie bei Seinem Fortgehen noch unverwandt zum
Himmel aufsahen, siehe, da standen zwei Männer in weißer Kleidung bei ihnen,
die sagten: Männer, Galiläer, was steht ihr und blickt zum Himmel hinauf?
Dieser Jesus, der von euch fort in den Himmel hinaufgenommen wurde, wird so
wiederkommen, in der Weise, wie ihr Ihn in den Himmel gehend geschaut habt.«
In einer Wolke
war Jewes Herrlichkeit vor Mose und Aaron erschienen (2.Mose 16:10; 40:34,35).
Eine lichte Wolke drückte auf dem Berg der Verklärung die besondere Anwesenheit
Gottes aus (Mat.17:5). Unser Herr wurde vom Himmel aufgenommen, stieg also von
unserer dreidimensionalen in eine höherdimensionale, für uns unsichtbare Welt
auf.
Seitdem Er in
den Himmel ging, sitzt Er zur Rechten Gottes und sind Ihm Boten, Obrigkeiten
und Mächte untergeordnet (1.Pet.3:22). Jesu Fortgang war, wie Er den Jüngern
erklärt hatte, die Voraussetzung dafür, dass Er ihnen den heiligen Geist sende
(Joh.16:17; 14:16,26). Damit würde der Herr Sein Werk auf der Erde in die Hände
Seiner Apostel legen.
Übrigens
werden auch wir von Wolken umhüllt, mithin vor der Welt verhüllt sein, wenn wir
zu unserem Herrn und Haupt hin entrückt werden (1.Thess.4:17).
Die beiden
himmlischen Boten verkündigten den Aposteln die frohe Botschaft der Wiederkunft
Jesu zur Aufrichtung des Königreichs. Sacharja weissagte einst: »Seine Füße
werden an jenem Tag auf dem Ölberg stehen« (Sach.14:4). Jesus Selbst hatte
ebenfalls davon gesprochen: »Dann wird man den Sohn des Menschen in einer Wolke
mit Macht und großer Herrlichkeit kommen sehen« (Luk.21:27; vgl. Mat.24:30).
»Ich komme wieder«, hatte Er Seinen Jüngern verheißen (Joh.14:3). Und Johannes
schreibt im Buch der Enthüllung Jesu Christi: »Siehe, Er kommt mit den Wolken,
und jedes Auge wird Ihn sehen, auch die Ihn durchstochen haben, und wehklagen
werden um Ihn alle Stämme des Landes. Ja, Amen!« (Off.1:7).
Lukas
berichtet weiter: »Dann kehrten sie von dem Berg, der Ölberg heißt, nach
Jerusalem zurück; er liegt nahe bei Jerusalem und ist nur einen Sabbatweg
entfernt« (Vers 12).
Ein Sabbatweg
ist eine Strecke von 2.000 Ellen, einem knappen Kilometer; weiter durfte man
sich nach der Überlieferung der Ältesten an einem Sabbat nicht von seinem
Wohnort entfernen.
»Als sie hineingekommen waren, stiegen sie in
das Obergemach hinauf, wo sie zu weilen pflegten: Petrus wie auch Johannes,
Jakobus und Andreas, Philippus und Thomas, Bartholomäus und Matthäus, Jakobus,
der Sohn des Alphäus, Simon der Eiferer und Judas, der Sohn des Jakobus. Diese
alle hielten einmütig im Gebet an, samt den Frauen und Mirjam, der Mutter Jesu,
und Seinen Brüdern« (Verse 13+14).
Wir vernehmen
mit Freude, dass Jesu Brüder dabei waren; sie, die nicht an Jesus geglaubt
hatten (Joh.7:5), waren nach Seinem Tod und Seiner Auferstehung zum Glauben
gekommen. Jesu Brüder hießen Jakobus, Joseph, Simon und Judas (Mat.13:55).
Alle in dem
Obergemach Versammelten hielten einmütig, mithin gleichgesinnt, gemäß der
Gesinnung Christi Jesu (Röm.15:5), im Gebet an. Was sie wohl gebetet haben
mögen? Sicherlich priesen sie Gott für die Auferweckung Seines Sohnes und dass
Er jetzt beim Vater sein darf (Joh.14:28); gewiss lobten sie Gott in Erwartung
des heiligen Geistes, der Wiederkunft Jesu und des Königreichs Israels.
»Sein Aufseheramt erhalte ein anderer!«
»In diesen Tagen nun stand Petrus in der
Mitte der Brüder auf (es war eine Schar von etwa hundertzwanzig Namen
beieinander) und sagte: Männer, Brüder, es musste das Schriftwort erfüllt
werden, das der Geist, der heilige, durch den Mund Davids über Judas
vorhergesagt hat, der denen, die Jesus ergriffen, als Wegführer diente. Denn er
war uns zugezählt worden, und das Los dieses Dienstes fiel ihm zu. (Dieser
hatte sich nun mit dem Lohn der Ungerechtigkeit einen Freiacker erworben; doch
ist er kopfüber gestürzt und in der Mitte geborsten, sodass alle seine
Eingeweide ausgeschüttet wurden. Dies ist allen, die in Jerusalem wohnten,
bekannt geworden; daher ist jener Freiacker in ihrer eigenen Mundart
Hacheldamach genannt worden, das heißt Freiacker des Blutes.) Denn in der Rolle
der Psalmen steht geschrieben: Seine Behausung soll öde werden, und es sei niemand,
der darin wohne! Sein Aufseheramt erhalte ein anderer!« (Verse 15-20).
Die 120
Menschen, die Petrus ansprach, stellten nicht die gesamte Zahl der Gläubigen
dar, zumal unser Herr ja auch über 500 Brüdern auf einmal erschienen war
(1.Kor.15:6).
Das Judas
Iskariot von Gott zugeteilte Los war, dass er zwar erwählt war, zum Kreis der
Jünger zu gehören und seine böse Tat durchzuführen, er aber nicht zum äonischen
Leben erwählt war (Joh.6:70; 13:128). Er musste Jesus verraten, damit erfüllt
werde, was Psalm 41:10 sagt: »Der mit Mir das Brot isst, erhebt seine Ferse
gegen Mich« (nach Joh.13:18; vgl. Ps.55:13-15).
Er hatte einen
Freiacker erworben. Das Ackerland wurde in Israel jährlich neu verlost. Es gab
aber auch einige Felder, die man kaufen konnte. Dass Judas eines kaufte, zeigt,
dass er nicht an das Königreich glaubte, wo jedem sein Stück Land zugelost
werden wird. Es mag aber auch sein, dass Petrus den Kauf des Freiackers für
dreißig Silberstücke (Sach.11:12) durch die Hohenpriester auf Judas zurückführte
(Mat.27:3-10).
Judas hatte
sich erhängt und war dann gestürzt, wahrscheinlich weil der Ast brach, an dem
er das Seil befestigt hatte, und fiel vielleicht auf einen Felsen.
Mit seiner Rede nahm der Apostel Petrus die
ihm aufgetragene Führung der Gläubigen auf (Mat.16:18). Da bei der
Wiederwerdung, wenn der Sohn des Menschen auf dem Thron Seiner Herrlichkeit
sitzt, zwölf Apostel auf zwölf Thronen sitzen und die zwölf Stämme Israels
richten werden, musste die Zwölfzahl wieder hergestellt werden (Mat.19:28).
Dementsprechend wies Petrus darauf hin, was in den Psalmen 69:26 und 109:8
geschrieben steht: »Lass ihr Zeltlager öde werden; es sei niemand, der in ihren
Zelten wohne« und: »Sein Aufseheramt übernehme ein anderer.«
Petrus fuhr fort: »Es muss daher einer von
den Männern, die mit uns in all der Zeit zusammengekommen sind, in der der Herr
Jesus bei uns ein- und ausging, angefangen von der Taufe des Johannes bis zu
dem Tag, an dem Er von uns fort hinaufgenommen wurde - einer von diesen muss
zusammen mit uns Zeuge Seiner Auferstehung werden« (Verse 21+22).
Paulus hätte
also kein Apostel werden können. Und er wurde ja auch kein Apostel Israels,
sondern der der Nationen (Röm.11:13; Eph.3:1; 1.Tim.2:7).
»So stellten sie zwei auf: Joseph, genannt
Barsabas, der den Beinamen Justus hatte, und Matthias. Dann beteten sie: Du,
Herr, Herzenskenner aller, ernenne von diesen beiden den einen, den Du Dir
erwählt hast, damit er die Stelle in diesem Dienst und Aposteltum erhalte, von
dem Judas abgetreten ist, um an seine eigene Stätte zu gehen. - Darauf gab man
ihnen Lose, und das Los fiel auf Matthias, der fortan den elf Aposteln
zugerechnet wurde« (Verse 23-26).
Sie beteten,
sie wandten sich also an den, der allein weise ist (Röm.16:27), dessen Willen
allein sie geschehen sehen möchten (Mat.6:10) und der alles nach dem Ratschluss
Seines Willens bewirkt (Eph.1:11). Und da es um die Einsetzung eines Menschen
ging, dessen Herzenseinstellung für die Ausübung eines Amtes wichtig ist,
wandten sie sich an Gott als den Herzenskenner. »Der Mensch sieht, was vor
Augen ist, Jewe aber sieht ins Herz« (1.Sam.16:7). »Jewe erforscht die Herzen,
und alles Streben der Gedanken kennt Er« (1.Chron.28:9). Auch unserem Herrn
Jesus Christus ist bekannt, was in jedem einzelnen Menschen ist (Joh.2:25;
Luk.5:22).
Dann warfen
sie das Los. Dies war in Israel ein dem Wort Gottes getreues Tun, das in vielen
Fällen geübt wurde, zum Beispiel bei der Verteilung des Landes an die zwölf
Stämme, bei der jährlichen Verlosung der Felder und in mancherlei anderen
besonderen Situationen. Sie legten die Entscheidung somit in Gottes Hände. In
Sprüche 16:33 steht geschrieben: »Im Gewandbausch schüttelt man das Los, aber
alle seine Entscheidung kommt von Jewe.« Wahrscheinlich hatten sie die Namen
der beiden Männer auf zwei Kieselsteinchen geschrieben, die im Bausch eines
Gewandes geschüttelt wurden; wessen Steinchen als erstes herausfiel, war der
vom Herrn Erwählte.
Das Los fiel auf
Matthias. Dass der Name des Matthias in der Heiligen Schrift nicht wieder
erwähnt wird, hat nichts zu bedeuten, da auch viele andere der zwölf Apostel
nicht mehr angeführt werden.
Nach der
Ausgießung des heiligen Geistes ließen sich die Gläubigen nicht mehr durch das
Losewerfen, sondern durch den Geist Gottes leiten (Ap.4:8,31; 8:29; 13:2;
15:28; 16:6,7).
Auch heute
leitet uns Gottes Geist - sofern wir nicht fleischgemäß, sondern geistgemäß
wandeln (Röm.8:4) -, und alle, die vom Geist Gottes geführt werden, erweisen
sich als Söhne Gottes (Röm.8:14). Wir werfen nicht das Los, sondern entscheiden
wie unser Herr Jesus Christus uns aufgrund des dem Apostel Paulus geoffenbarten
Evangeliums durch Seinen Geist leitet, der ein Geist der Kraft und der Liebe und
der gesunden Vernunft ist (2.Tim.1:7). Mögen wir unsere Körper als ein
lebendiges, heiliges und Gott wohlgefälliges Opfer bereitstellen (als unseren
folgerichtigen Gottesdienst) und uns nicht auf diesen Äon einstellen, sondern
uns umgestalten lassen durch die aus dem Wort erwachsende Erneuerung unseres
Denksinns, damit wir zu prüfen vermögen, was der gute, wohlgefällige und
vollkommene Wille Gottes ist (Röm.12:1,2).
(Apostelgeschichte 2:1-31)
»Als sich der Tag der Pfingsten erfüllte,
waren alle zugleich am selben Ort« (Vers 1).
Das deutsche
Wort »Pfingsten« leitet sich von dem griechischen »pentêkostê« ab, was
»Fünfzigster« bedeutet. Der Tag des Fünfzigsten war nach 3.Mose 23:15-21 das
Fest der Erstlingsernte, an welchem das Brot vom ersten Korn der Ernte vor
Jewe, dem Elohim Israels, während einer heiligen Versammlung geschwungen, Gott
dankbar dargestellt wurde.
Gerechnet
wurde dieser Tag von dem Tag nach dem großen Festsabbat der ungesäuerten Brote,
also vom 16. Nisan an, an welchem man die Erstlingsgarbe vor Jewe schwang. Es
waren 50 Tage zu zählen, in welchen generell sieben Sabbate liegen. Die
Erstlingsgarbe war ein prophetischer Hinweis auf den Erstling Jesus Christus,
der Sich am Auferstehungsmorgen Seinem Gott und Vater darstellte (Joh.20:17).
Das Fest der Erstlingsernte nun entsprach der Erstlingsernte von etwa
dreitausend Seelen aus Israel, die die Apostel an jenem Pfingsttag des Jahres
32 n. Chr. für Gott gewannen (Ap.2:41).
Die Apostel
und die anderen Gläubigen waren in einer Halle der Weihestätte oder einem ihr
nahe gelegenen Haus versammelt, denn kurz darauf hörte sie ja eine große
Menschenmenge, zumal sich jeder jüdische Mann nicht nur zum Fest der
ungesäuerten Brote und zum Laubhüttenfest in Jerusalem einzufinden hatte,
sondern auch zum Pfingstfest (5.Mose 16:16). Das Laubhüttenfest übrigens weist
auf die Rettung ganz Israels, das Israel der Auswahl, hin (Röm.11:26).
»Da geschah plötzlich aus dem Himmel ein
Brausen, wie ein daherfahrendes, gewaltiges Wehen, und erfüllte das ganze Haus,
wo sie saßen. Und es erschienen ihnen Zungen wie von Feuer, die sich
zerteilten, und es setzte sich eine auf jeden von ihnen; und sie wurden alle
mit heiligem Geist erfüllt und fingen an, in anderen Zungen zu reden, wie der
Geist es ihnen eingab, auszusprechen« (Verse 2-4).
Das Kommen des
Geistes vom Himmel her zeigte sich an dem gewaltigen Wehen des Windes. Der Wind
ist das Bild für den Geist. Die Begriffe sind sprachlich verwandt: griechisch
pneõ heißt wehen und geisten, pneuma heißt Geist, Wind allerdings anemos. Im
Hebräischen gibt es für beides nur ein Wort: ruach; es bedeutet Geistwind,
Wind, Geist. Dies wird auch an Johannes 3:8 deutlich: »Der Windhauch weht, wo
er will; du hörst sein Sausen, weißt jedoch nicht, woher er kommt und wohin er
geht. Ebenso ist es mit jedem, der aus dem Geist gezeugt ist.«
Der heilige
Geist ist nichts Zweites neben Gott, sondern Seine Wesenssubstanz, denn Gott
ist Geist (Joh.4:24). Der heilige Geist ist somit die Präsenz Gottes auf der
Erde.
Das das ganze
Haus erfüllende Wehen des Geistes mag uns an die Tempelweihe unter König Salomo
erinnern, als die Wolke und die Herrlichkeit Jewes den ganzen Tempel erfüllte
(1.Kön.8:10,11).
Eine
Feuerzunge, ein Flämmchen setzte sich auf einen jeden der versammelten
Gläubigen. Feuer ist in diesem Zusammenhang ein Zeichen der Anwesenheit Gottes,
so wie Jewe einst dem Mose in der Feuerlohe eines Dornbuschs erschien (2.Mose
3:2), die Feuersäule das Volk Israel bei Nacht auf dem Weg durch die Wildnis
leitete (2.Mose 13:21) und Feuer nachts im Zelt der Zusammenkunft, der
Stiftshütte, war (2.Mose 40:38).
Johannes der
Täufer hatte vorausgesagt: »Er [Jesus] wird euch in heiligem Geist und Feuer
taufen« (Mat.3:11). Dies geschah jetzt. Danach hatte Sich der Herr gesehnt,
denn Er sagte: »Um Feuer auf die Erde zu werfen bin Ich gekommen; und was
wollte Ich lieber, als dass es schon entzündet wäre!« (Luk.12:49). Nun war es
entzündet, und die Gläubigen wurden Feuer und Flamme für ihren Herrn. Nun
geschah, was Jesus angekündigt hatte, dass sie nämlich in heiligem Geist
getauft (Ap.1:5), also ganz hineingetaucht und mithin völlig mit ihm erfüllt
würden, sodass sie ihren Dienst in Kraft tun und Zeugnis unter
außerordentlichen Begleiterscheinungen geben konnten.
Sie wurden
sichtbar mit heiligem Geist erfüllt, was sich ebenso sichtbar daran zeigte,
dass sie in anderen Zungen sprachen, in einer anderen Sprache, nicht er
eigenen. Etwas Ähnliches war geschehen, als der Geist auf die siebzig Mose zum
Beistand gegebenen Männer gelegt wurde; sobald der Geist auf sie gekommen war,
weissagten sie (4.Mose 11:25).
Die Apostel
hatten den heiligen Geist schon früher empfangen, als der Auferstandene sie
angehaucht und gesagt hatte: »Nehmt heiligen Geist« (Joh.20:22). Dieser diente
ihnen zunächst als Zusprecher und Lehrer, zur Erinnerung an Jesu Worte
(Joh.14:26) und bevollmächtigte sie, Sünden zu erlassen (Joh.20:23). Er war in
ihnen (Joh.14:17), nun aber kam er mit großer Kraft (Ap.1:8) sowie Zeichen und
Wunderwirkungen auf sie.
Eine neue
heilsgeschichtliche Verwaltung hatte begonnen, die pfingstliche Haushaltung.
Erst nach einer längeren Übergangszeit sollte dem Apostel Paulus die
gegenwärtige Verwaltung der überströmenden Gnade Gottes gegeben werden
(Eph.2:2; Kol.1:25), in der wir heute leben, die im Glauben besteht
(1.Tim.1:4), in der wir durch Glauben wandeln und nicht durch Wahrnehmung
(2.Kor.5:7), in der wir unsichtbar mit heiligem Geist erfüllt sind (Eph.5:18)
und im Geist wandeln (Gal.5:16; Phil.3:3), der uns innerlich kräftigt, des
Herrn würdig zu handeln (Kol.1:9-11).
Durch die Verse 5 bis 11 erfahren wir: »Es
wohnten damals in Jerusalem Juden, ehrfürchtige Männer, aus jeder Nation unter
dem Himmel. Als nun dieses Rauschen geschah, kam die Menge zusammen und war in
Verwirrung, weil jeder Einzelne sie in seiner eigenen Mundart sprechen hörte.
Sie waren aber alle außer sich vor Erstaunen und sagten: Siehe, sind nicht
diese alle, die hier sprechen, Galiläer? Und wieso hören wir sie, jeder von
uns, in der eigenen Mundart, in der wir geboren sind: Parther, Meder und
Elamiter, Bewohner Mesopotamiens, Judäas wie auch Kappadoziens, von Pontus und
der Provinz Asien, Phrygien wie auch Pamphylien, von Ägypten und den Gebieten Libyens
bei Kyrene, ferner heimgekehrte Römer (Juden wie auch Proselyten), Kreter und
Araber - wir hören sie in unseren Zungen die großen Taten Gottes sprechen.«
Diese in
Jerusalem wohnhaften Juden waren im Ausland geboren und zum Teil Nachkommen der
in die assyrische und die babylonische Gefangenschaft Verschleppten (Jes.11:11;
Esth.2:5,6). Das Siedlungsgebiet der Parther, Meder und Elamiter war der
heutige Iran. Kappadozien, Pontus, die Provinz Asien, Phrygien und Pamphylien
lagen in der heutigen Türkei. Damit kein Missverständnis aufkommt: Auch die als
Römer, Kreter und Araber Bezeichneten waren Juden, die eben dort geboren waren.
Die Volksmenge
hörte die Gläubigen und insbesondere die zwölf Apostel die großen Taten Gottes
preisen, gewiss bis hin zu der größten Tat Gottes, der Auferweckung Jesu
Christi, des Lammes Gottes, das gerade vor Kurzem der Welt Sünde auf Sich
genommen hatte.
Wenn das
wiedergezeugte Israel im tausendjährigen Königreich alle Nationen zu Jüngern
machen wird, werden die Juden ebenfalls in deren Sprachen sprechen.
Lukas berichtet weiter: »Sie waren aber alle
außer sich vor Erstaunen und sagten betroffen zueinander: Was mag das wohl
sein? - Doch andere spöttelten: Mit Most sind sie angefüllt! - Petrus aber, der
mit den Elf dabeistand, sprach mit laut erhobener Stimme zu ihnen: Männer,
Juden, und alle, die ihr in Jerusalem wohnt, dies sei euch bekannt gemacht!
Vernehmt nun meine Rede mit offenen Ohren; denn diese Männer sind nicht
berauscht, wie ihr annehmt, ist es doch erst die dritte Stunde des Tages.
Sondern hier erfüllt sich das, was von dem Propheten Joel angesagt war« (Verse
12-16).
Das
Eingangsargument des Petrus dürfte eingeleuchtet haben: zwischen acht und neun
Uhr morgens ist man nicht betrunken.
Dies war von dem Propheten Joel angesagt
(Joel 3:1,2): »(In den letzten Tagen) wird es geschehen (sagt Gott): Ich werde
von Meinem Geist auf alles Fleisch ausgießen, eure Söhne und eure Töchter
werden prophetisch reden, eure Jünglinge werden Gesichte sehen, und eure
Ältesten werden Träume träumen, und sicher werde Ich auf Meine Sklaven und auf
Meine Sklavinnen in jenen Tagen von Meinem Geist ausgießen, (und sie werden
prophetisch reden)« (Verse 17+18).
Petrus sprach
von den letzten Tagen als gegenwärtigen. Die letzten Tage sind so zu verstehen,
dass nicht mehr viel geschehen muss, bis das Königreich Israels aufgerichtet
wird. 69 Jahrsiebener waren um, es fehlte nur noch der siebzigste
(Dan.9:24,27). Israel brauchte nur noch umzusinnen und zu glauben, dass Jesus
der Messias ist. Zwar wird Gott besonders am Ende der siebenjährigen Endzeit
von Seinem Geist auf alles Fleisch Israels ausgießen (Hes.36:27; 39:29;
Sach.12:10) - von anderen Nationen ist nicht die Rede -, nun aber durfte Israel
gerade den Auftakt dazu erleben, der zugleich den Anfang der
Königreichsgemeinde darstellte.
Mit dem
prophetischen Reden der Apostel und der anderen war die Weissagung Joels zum
Teil eingetreten. Die nur teilweise Erfüllung berührte aber keineswegs die
Tatsache, dass sie nach Joel 2:27 ein Zeichen dafür war, dass Gott in ihrer
Mitte ist.
Des Weiteren
hatte Joel prophezeit (Joel 3:3-5), wie Petrus zitierte: »Ich werde oben im
Himmel Wunder und unten auf der Erde Zeichen geben: Blut, Feuer und Rauchdampf.
Die Sonne wird in Finsternis verwandelt werden und der Mond in Blut, bevor der
Tag des Herrn kommt, der große Tag, der Ihn offenbart. Und es wird geschehen:
Jeder, der den Namen des Herrn anruft, wird gerettet werden« (Verse 19-21).
Statt »der
große und gefürchtete Tag«, wie es bei Joel heißt, sagte Petrus in
apostolischer Vollmacht »der große und [Ihn] offenbarende Tag«; er leitete also
auf die Anwesenheit des Herrn über.
Der Tag des
Herrn umfasst den sieben Jahre dauernden Tag des Zorns und Grimms Jewes der
Heerscharen (Jes.13:9-13; Jer.51:6) und die tausendjährige Regentschaft des
Herrn im Königreich Israels. Bevor aber jener Teil des Tages des Herrn
anbricht, der herrliche Tag, an welchem Er offenbart wird, ergehen die Zornesgerichte
über das abtrünnige Israel und die Welt, wie zum Beispiel in Zephania 1:14-18,
Matthäus 24 und im Buch der Enthüllung Jesu Christi, gewöhnlich Offenbarung des
Johannes genannt, geschildert.
Für Petrus war
entscheidend, dass jeder, der den Namen des Herrn Jesus Christus anruft, und
zwar von jenem Pfingsttag an bis hin zum Ende der Zornesfrist, gerettet werden
wird. Jesus Christus ist anzurufen, denn es gibt keinen anderen Namen unter dem
Himmel, in welchem Rettung ist (Ap.4:12).
An die
gegenwärtige, dem Paulus gegebene heilsgeschichtliche Verwaltung, war im Jahre
32 n. Chr. nicht zu denken, weil sie ein Geheimnis war (Eph.3:9; Kol.1:26).
Heute werden wir allein durch Glauben im Herzen, ohne mit dem Mund bekannt zu
haben, gerettet (Röm.3:24,28; 10:9,13).
»Männer, Israeliten!«
Und dann kam Petrus zum Hauptteil seiner
Rede: »Männer, Israeliten, hört diese Worte: Jesus den Nazarener, unter euch
als ein von Gott gesandter Mann durch Machttaten, Wunder und Zeichen erwiesen,
die Gott durch Ihn in eurer Mitte getan hat, wie ihr selbst wisst, diesen
Jesus, der euch nach dem festgesetzten Ratschluss und der Vorerkenntnis Gottes
ausgeliefert wurde, habt ihr durch die Hand von Gesetzlosen ans Kreuz heften
und hinrichten lassen; den hat Gott auferstehen lassen, indem Er die Wehen des
Todes löste, weil Er unmöglich von ihm gehalten werden konnte« (Verse 22-24).
»Männer,
Israeliten!« - Petrus bezeugte seiner Nation die Auferstehung Jesu; er ist, wie
der Herr den Aposteln verheißen hat (Ap.1:8), Jesu Zeuge, Zeuge des
Auferstandenen und Lebendigen. Die Auferstehung Jesu gehört zu den Grundlagen
der Evangeliumsverkündigung.
Zunächst
erinnerte Petrus, das Gewissen der Israeliten zu wecken suchend, an die Zeichen
und Machttaten, die Jesus unter ihnen getan hatte und ihnen allen bekannt
waren. Jesu Taten, darunter drei Totenauferweckungen (Luk.7:11-15; 8:49-56;
Joh.11:38-44), hatten Ihn als den verheißenen Messias und Sohn Gottes erwiesen
(Jes.35:5,6; 61:1,2; Joh.5:36; Röm.1:4).
Dabei
bekundete Petrus, dass Gott alle diese Wunder durch Jesus gewirkt hatte. Jesus
tat, wie Er Selbst sagte, keine eigenen Werke, sondern die Seines Vaters
(Joh.10:37; 14:10).
Sodann sprach
Petrus im festen Wissen um die Allgewalt und das Allesbewirken Gottes
(Eph.1:11), des alleinigen Verfügers allen Geschehens, davon, dass Jesus den
Juden nach Gottes Vorsatz und Ratschluss ausgeliefert worden war (Luk.22:22).
Es war Gottes Weg und Gottes Handeln an Jesus und an Israel gewesen, wie denn
auch die hebräischen heiligen Schriften angesagt hatten, dass der Christus
leiden müsse (Jes.53; Ps.22; Luk.24:26).
Statt sich an
das Gesetz des Mose zu halten, hatten die Juden Jesus sogar durch die Hand von
Gesetzlosen, also Menschen, die das Gesetz nicht haben, töten lassen. Alle
Beteiligten aber, Herodes wie auch Pontius Pilatus mit den Nationen und den
Völkern Israels, hatten nur alles ausgeführt, was Gottes Hand und Ratschluss
vorherbestimmt hatten, dass es geschehe (Ap.4:28; Luk.22:22). Es musste alles
erfüllt werden, was im Gesetz, in den Propheten und den Psalmen geschrieben
steht (Luk.24:44).
Wieso konnte
Jesus unmöglich vom Tode gehalten werden? Weil ein Gerechter nicht im Tode
gelassen werden kann (vgl. Röm.2:7). Und weil der, der die Gewalt des Todes
hat, die Kraft, jemanden im Tode zu halten, der Satan, durch Jesu Tod, durch
die Liebe, in der Jesus in den Tod gegangen war, überwunden ist (Heb.2:14).
»Du wirst meine Seele nicht im Ungewahrten lassen!«
Jesus konnte des Weiteren nicht vom Tode
gehalten werden, weil Gott es so wollte und vorausgesagt hatte. Diesen
Schriftbeweis führte der Apostel nun an, indem er in den Versen 25 bis 28 nach
Psalm 16:8-11 zitierte:
»David sagt
nämlich von Ihm: Ich sah den Herrn allezeit vor mir und hielt Ihn mir vor
Augen; denn Er ist zu meiner Rechten, damit ich nicht erschüttert werde.
Deshalb wurde mein Herz fröhlich, und meine Zunge frohlockt. So wird auch mein
Fleisch noch zelten in Erwartung, weil Du meine Seele nicht im Ungewahrten
lassen wirst, noch Deinen Huldreichen dahingeben, Verwesung zu gewahren. Du
hast mir Wege des Lebens bekannt gemacht; Du wirst mich mit Frohsinn erfüllen
vor Deinem Angesicht.«
König David
blickte auf Jewe, seinen Elohim; er hatte den Blick des Glaubens. Er wusste,
dass Jewe zu seiner Rechten ist; darum konnte ihn nichts erschüttern. So freute
sich sein Herz; und so hatte er auch für seinen Körper eine Erwartung, und zwar
weil seine Seele nicht im Scheol, im Hades, im Ungewahrbaren gelassen werden
wird.
Die Seele des
Menschen ist sein Bewusstsein. Wenn Gott Seinen Geist zurückzieht (Pred.12:7),
kehrt der Körper zum Erdreich zurück, und die Seele ist nicht mehr; sie ist im
Unwahrnehmbaren; der Mensch ist tot (Pred.9:5,6,10; Ps.104,29; 115:17; 146:4;
Jes.63:16). Der Eintritt des Todes ist die Umkehrung des Schöpfungsprozesses,
wonach ein Körper aus Erdreich und der hinzugegebene Lebensgeist Gottes eine
»lebendige Seele« (1.Mose 2:7) ergibt, einen Menschen mit Bewusstsein.
Alsdann sprach
David in Psalm 16 nicht mehr von sich selbst, sondern von Jewes Huldreichem.
Jener werde keine Verwesung erfahren. Dies war bei Jesus der Fall und traf auf
David nicht zu. Auch existiert Davids Seele bis heute noch nicht wieder. David
musste also prophetisch von Jesus geredet haben, dessen Auferstehung Petrus mit
dieser Schriftstelle bewies. - Und wie David dann noch gesagt hatte (Vers 28):
Wer auf Jewe achtet (beziehungsweise nun auf den Auferstandenen, wie Petrus
sagen will), der ist auf dem Pfad des Lebens und voller Frohsinn vor dem
Angesicht Gottes.
Da jeder wusste, dass der Messias aus dem
Geschlecht Davids stammen werde, hatte Petrus mit seinem Rückgriff auf David
trefflich gehandelt, sodass er nun seinen Zuhörern erklären konnte:
»Männer,
Brüder, es sei mir erlaubt, mit Freimut von unserem Urvater David zu euch zu
reden: Auch er verschied und wurde begraben, und sein Grab ist bis auf diesen
Tag bei uns. Da er nun ein Prophet war und wusste, dass Gott ihm mit einem Eid
geschworen hatte, einen aus der Frucht seiner Lende auf seinen Thron zu setzen,
hat er voraussehend von der Auferstehung des Christus gesprochen: Weder wurde
Er im Ungewahrten gelassen noch gewahrte Sein Fleisch Verwesung« (Verse 29-31).
Petrus hatte
aus Psalm 132:11 zitiert; dort heißt es: »Jewe hat dem David die Wahrheit
geschworen; Er wird Sich nicht abwenden von ihr: Aus der Frucht deines Leibes
werde Ich Einen auf deinen Thron setzen.« Hören wir hierzu auch Psalm 89:4,5:
»Ich schloss einen Bund mit Meinem Erwählten, Ich schwor David, Meinem Diener:
Ich werde deinen Samen fest gründen für den Äon und deinen Thron aufbauen von
Generation zu Generation.« Es war nämlich geschehen, nachdem David König über
ganz Israel geworden war (ca. 1018 v. Chr.) und er die Bundeslade nach
Jerusalem überführt hatte (ca. 1017 v. Chr.), dass er Jewe ein Haus bauen
wollte. Jewe antworte ihm durch den Propheten Nathan, dass sein Nachkomme
(Salomo) den Tempel bauen werde und darüber hinaus, dass Jewe den Thron des
Königtums eines Nachkommen Davids für den Äon festigen werde (2.Sam.7:12,13).
Dass Jesus ein
Nachkomme Davids war, und zwar sowohl nach dem Stammbaum des Joseph
(Mat.1:1-17) als auch nach dem der Maria (Luk.3:23-38; Joseph war der
Schwiegersohn des Heli), dies wiesen die Geschlechtsregister aus. Beim Einritt
Jesu in Jerusalem hatten die Menschen ja denn auch alle ausgerufen: »Hosianna
dem Sohn Davids!« (Mat.21:9).
Dass Jesus nun
aber auch der eine, bestimmte, von der Verheißung gemeinte Nachkomme Davids
war, war daran erkennbar, dass David nicht von sich selbst gesprochen haben
konnte, sondern von dem Christus. Jesus ist der Christus, denn an Ihm war das
Prophezeite geschehen, wie Petrus alsdann verkündigte: »Diesen Jesus hat Gott
auferstehen lassen, dafür sind wir alle Zeugen« (Vers 32). Dieser Jesus, den
ihr gekreuzigt habt, der wurde nicht im Ungewahrten gelassen noch sah Sein
Fleisch Verwesung! So wendet euch nun um und glaubt, dass Er der von Gott
gesandte Messias ist!
(Apostelgeschichte 2:32-47)
Soeben hatte der Apostel Petrus nachgewiesen,
dass die prophetischen Worte des Psalms 16:8-11 nicht von David, sondern von
Christus reden, und dass Jesus der Christus ist, denn nur auf Jesus trifft zu,
dass Seine Seele nicht im Ungewahrten gelassen wurde noch Sein Fleisch
Verwesung gesehen hat (Verse 25-31).
Dies bekräftigte
Petrus nun mit den folgenden bezeugenden Worten, das weitere Beweismittel der
Ausgießung des heiligen Geistes hinzufügend, dessen Wirken die gesamte
Volksmenge ja gerade wahrnahm:
»Diesen Jesus
hat Gott auferstehen lassen, dafür sind wir alle Zeugen. Nachdem Er nun zur
Rechten Gottes erhöht worden ist und die Verheißung des Geistes, des heiligen,
vom Vater erhalten hat, gießt Er das aus, was ihr jetzt erblickt und hört«
(Verse 32+33).
Petrus bezeugte mit Nachdruck, dass Gott
Jesus, diesen Jesus, der bis vor kurzem unter Israel gewirkt hatte und den sie
alle kannten, auferweckt hat. Alle Apostel waren Zeugen der Auferstehung Jesu.
Ein Zeuge ist ein Beweismittel. Der Herr hatte sie ausdrücklich beauftragt zu
bezeugen, was sie gehört und gesehen und betastet haben (Joh.15:27; Ap.1:8;
1.Joh.1:1,2).
Jesus ist
auferstanden! Darin stimmen wir jubelnd ein! Er lebt, Er, der Christus, der
Sohn Gottes, das Wort und das Abbild Gottes, dem der Vater höchste Autorität
verliehen hat. Nun sitzt Er zur Rechten des Thrones des Vaters im Himmel, und
Boten, Obrigkeiten und Mächte sind Ihm untergeordnet (Eph.1:20,21; 1.Pet.3:22).
Dass Er dort
ist, sieht man auch daran - so argumentierte Petrus -, dass Er nun den von den
Propheten verheißenen heiligen Geist (Joel 3:1-5; Hes.36:27; Ap.2:16-21), der
nur von oben her kommen kann, ausgoss, wie alle Anwesenden es gerade erlebten.
Der Vater sandte den heiligen Geist in Jesu Namen, wie der Herr es Seinen
Jüngern gesagt hatte (Joh.14:26).
Jesus ist es, der im Himmel ist; dies
begründete Petrus wie folgt: »Denn nicht David ist in die Himmel
hinaufgestiegen, sagte er doch selbst: Es sprach der Herr zu meinem Herrn:
Setze Dich zu Meiner Rechten, bis Ich Deine Feinde zum Schemel Deiner Füße
lege!« (Verse 34+35).
David ist
nicht im Himmel, denn er verschied und sein Grab ist noch vorhanden (Vers 29).
Petrus
zitierte nach Psalm 110:1; dort heißt es: »Die Erklärung Jewes an meinen Herrn:
Setze Dich zu Meiner Rechten, bis Ich Deine Feinde zum Schemel Deiner Füße
lege.« Gott der Vater also sprach zu dem Herrn Davids - Jesus, der Christus,
ist Davids Herr. Mithin sitzt Jesus zur Rechten des Vaters im Himmel und ist es
der Messias, der die Verheißung des Geistes auf Israel ausgießt. »Niemand ist
in den Himmel hinaufgestiegen außer dem, der aus dem Himmel herabstieg, der
Sohn des Menschen, der jetzt im Himmel ist« (Joh.3:13).
Nur in der
Kraft des Geistes Gottes wird es dem auserwählten Volk möglich sein, Gott
wohlgefällig zu wandeln, wie bei
Hesekiel zu lesen: »Ich werde Meinen Geist in euer Inneres geben und machen,
dass ihr in Meinen Gesetzen wandelt und Meine Rechtsbestimmungen bewahrt und
tut« (36:27); »Und die vom Hause Israel werden Meinen heiligen Namen hinfort
nicht mehr beflecken« (43:7).
Bleibt nur
noch übrig, die Feinde des Messias in der Zeit des Zorns umzubringen, damit
kein Makel in der heiligen Nation ist (Off.6:8; 9:15; 17:8; 19:21). Die
Feindschaft bestand nicht nur zwischen der Schlange und der Eva, sondern besteht
auch zwischen dem Samen der Schlange, also den Menschen, die den Satan nach den
Worten unseres Herrn zum Vater haben (Joh.8:44), und dem Samen der Eva, welcher
der Christus ist (1.Mose 3:15; 22:18; Gal.3:16).
Petrus schloss seine Ansprache sehr
pointiert: »Mit Sicherheit erkenne daher das ganze Haus Israel, dass Gott Ihn
sowohl zum Herrn als auch zum Christus gemacht hat, diesen Jesus, den ihr
gekreuzigt habt« (Vers 36).
Hier halten
wir inne - schweigend, ergriffen und betend, dass Israel erkenne, dass Jesus
der Herr und der Messias ist.
Am Rande sei
darauf hingewiesen, dass ganz Israel diese Verkündigung hörte; alle zwölf
Stämme waren vertreten. Dies begründet sich wie folgt:
1. Nach der
Reichsteilung zogen die Treuen aus dem Nordreich in den Süden
(2.Chron.11:13-17; 15:9).
2. Rehabeam war auch König über die Söhne
Israels, die in den Städten Judas wohnten (1.Kön.12:17).
3. Es war nach der Wegführung in die
assyrische Gefangenschaft ein Überrest von Manasse, Ephraim und dem übrigen
Israel zurückgeblieben (2.Chron.30:5,6,11; 34:9; 35:18).
4. Mithin waren alle zwölf Stämme im Süden
vertreten.
5. Juda und Israel werden heimkehren
(Jer.50:4,33).
6. Die Bücher Esra und Nehemia sprechen
wiederholt von »ganz Israel« bzw. zwölf Stämmen (Esra 2:2,70; 6:17; 8:26,35;
9:1; Neh.7:72; 9:2).
7. Mat.10:6 und 19:28 reden wie
selbstverständlich von allen zwölf Stämmen.
8. Hannah war aus dem Stamm Asser
(Luk.2:36).
9. Aus aller Herren Länder wohnten
heimgekehrte Israeliten in Jerusalem (Ap.2:5-11); Petrus redete sie mit
»Israeliten« und »das ganze Haus Israel« an (Ap.2:22,36).
10. Jakobus schrieb an die
zwölf Stämme (Jak.1:1).
11. Das Zwölf-Stämme-Volk brachte zur Zeit des
Paulus Gott mit
Inbrunst Gottesdienst dar (Ap.26:7).
»Sinnet um!«
Wir wenden uns der Reaktion der Israeliten
auf die Rede des Apostels Petrus zu und dessen Antwort: »Als sie das hörten,
ging ihnen ein Stich durch das Herz, und sie sagten zu Petrus und den übrigen
Aposteln: Was sollen wir tun, Männer, Brüder? - Petrus erklärte ihnen: Sinnet
um, und jeder von euch lasse sich auf den Namen Jesu Christi zur Erlassung
eurer Sünden taufen, so werdet ihr das Geschenk des heiligen Geistes erhalten«
(Verse 37+38).
Die Menschen
wussten, dass Petrus die Wahrheit gesprochen hatte. Ihr Gewissen schlug. Es
traf sie bis ins Innerste. Die Worte des Petrus waren »lebendig und wirksam und
schneidender als jedes zweischneidige Schwert und durchdringend bis zur Teilung
von Seele und Geist sowie von Gelenken als auch Mark; es ist Richter der
Überlegungen und Gedanken des Herzens« (Heb.4:12). Der heilige Geist hatte sie
von ihrer Sünde überführt, dass sie nämlich nicht an Jesus geglaubt hatten
(Joh.16:8,9). Nun ging es darum, wie sie sich zur Wahrheit stellten.
Und dann
fragten die Wahrheitsliebenden die Apostel, ob es für sie noch eine Rettung
gebe, obwohl sie das Undenkbare getan hatten, nämlich Jesus hinrichten zu
lassen.
Ja, es gab
noch eine Rettung für sie. Petrus nannte zwei Bedingungen, denen aber die eine
Grundlage voranging, zu glauben, dass Jesus der Christus ist, denn in keinem
anderen ist die Rettung (Ap.4:12). Er hatte auch für sie gebeten: »Vater,
vergib ihnen! Denn sie wissen nicht, was sie tun« (Luk.23:34).
Den Glauben
vorausgesetzt, lautete die erste Bedingung: Sinnet um! Wörtlich: Denket mit!
Das heißt: Denket um! Ändert euer Denken! Ändert eure Gesinnung! - Johannes der
Täufer und unser Herr hatten ebenfalls dazu aufgerufen: »Sinnet um! Denn das
Königreich der Himmel hat sich genaht!« (Mat.3:2; 4:17). Bei der Umsinnung geht
es nicht nur um den Willen zur Besserung, sondern um ein neu ausgerichtetes
Denken. Wie schreibt Paulus? »Stellt euch nicht auf diesen Äon ein, sondern
lasst euch umgestalten durch die Erneuerung eures Denksinns, damit ihr zu
prüfen vermöget, was der Wille Gottes sei - der gute, wohlgefällige und
vollkommene« (Röm.12:2).
Die zweite
Bedingung war, sich in Wasser taufen zu lassen. Das Untertauchen diente zur
Rettung, insofern es die Bitte des Gläubigen um Abwaschung der Sünden und um
ein gutes Gewissen gegenüber Gott ausdrückte (1.Pet.3:21). Bereits Johannes der
Täufer hatte »die Taufe der Umsinnung zur Erlassung der Sünden« geheroldet
(Luk.3:3). Mit der Taufe wurde die Umsinnung bekundet. Eine Taufe ohne
Umsinnung wäre ein Nichts.
Glaube,
Umsinnung und Wassertaufe (im Grunde als eine Einheit zu verstehen) bewirkten
die Erlassung der Sünden nach dem Evangelium der Beschneidung, das die zwölf
Apostel lehrten (Gal.2:7).
Wir dagegen,
die Glieder der Körpergemeinde (Eph.1:22,23), die wir in der dem Paulus
gegebenen heilsgeschichtlichen Verwaltung der überströmenden Gnade leben
(Eph.3:2; Kol.1:25; Röm.5:20), sind allein durch Glauben und allein in der
Gnade ein für allemal gerechtfertigt von allen Sünden, weit weg von allen
Sünden; an Schuld ist gar nicht mehr zu denken.
Die Erlassung
der Sünden konnte rückgängig gemacht werden (Mat.18:27-34; Heb.6:6; 10:26;
2.Pet.2:20-22); wir aber stehen allezeit in der Gnade (Röm.5:1,2) und sind
sogar unverbrüchlich mit dem heiligen Geist versiegelt (2.Kor.1:22; Eph.1:13).
Ja, die Gott vorherbestimmte, dem Bilde Seines Sohnes gleichgestaltet zu
werden, diese beruft Er auch, und die Er beruft, diese rechtfertigt Er auch;
die Er aber rechtfertigt, diese verherrlicht Er auch (Röm.8:30) - zum Lobpreis
der Herrlichkeit Seiner Gnade!
Wie Petrus
erklärte, werden die Gläubigen das Geschenk des heiligen Geistes erhalten. Der
Geist wird sie belehren und in alle Wahrheit leiten (Joh.16:13; 1.Joh.2:27).
Und sie werden zugerüstet sein, Frucht zu bringen, die ihrer Umsinnung würdig
ist (Mat.3:8).
Wir hingegen
erhielten den Geist Gottes einfach dadurch, dass wir das Wort der Wahrheit, das
Evangelium unserer Rettung, hörten und glaubten (Eph.1:13) - zum Lobpreis der
Herrlichkeit der Gnade!
Das Geschenk des heiligen Geistes im Sinn,
fuhr Petrus fort: »Denn die Verheißung ist euer und eurer Kinder und all derer,
die in der Ferne sind, so viele der Herr, unser Gott, herzurufen wird. - Auch
mit anderen Worten mehr bezeugte er und sprach ihnen zu: Lasst euch aus dieser
verkehrten Generation retten!« (Verse 39+40).
Die Verheißung
des heiligen Geistes, die Verheißung, dass er gegeben werde, war erfüllt. Die
Nahen sowie alle Juden, die in der Ferne waren, konnten nun daran teilhaben und
den Geist Gottes empfangen. Die Fernen waren die Auslandsjuden - mit den Worten
des Propheten Daniel gesagt: die in all den Ländern sind, wohin Jewe sie
vertrieben hat (Dan.9:7).
Man beachte,
dass diejenigen den Geist erhalten sollten, »die Gott herzurufen wird.« Es kann
ja niemand zu Jesus kommen, wenn der Vater ihn nicht zieht (Joh.6:44). »Alles,
was der Vater Mir gibt, wird bei Mir eintreffen« (Joh.6:37). Desgleichen kann
niemand den Vater erkennen außer wem der Sohn es zu enthüllen beschließt (Mat.11:27).
- Übrigens endet der Schriftabschnitt Joel 3:1-5 über die Verheißung des
Geistes mit den Worten: »... die Jewe herzuruft.«
»Lasst euch
aus dieser verkehrten Generation retten!« Die Verkehrtheit jener wie auch
vieler anderer Generationen erkennt man unter anderem daran, dass sie die
Wahrheit auf allen Gebieten in Ungerechtigkeit niederhalten (Röm.1:18). Die
Rettung in Christus Jesus war umfassend, nämlich vor dem Zorn und Gericht
Gottes, aus dem Tode und für das Leben auf der Erde in den kommenden Äonen. Wer
Gott glaubte, hat äonisches Leben im Königreich Israels und kommt nicht in das
Gericht vor dem großen, weißen Thron, sondern ist aus dem Tod in das Leben
hinübergegangen (Joh.5:24).
»Die nun sein Wort willkommen hießen, ließen
sich taufen; so wurden an jenem Tag etwa dreitausend Seelen hinzugefügt« (Vers
41).
Etwa
dreitausend Menschen glaubten Petrus und ließen sich taufen. Sie empfingen den
heiligen Geist und wurden der Jerusalemer herausgerufenen Gemeinde hinzugefügt.
Dies war die Erstlingsernte der Apostel, eingefahren in die Scheune des Herrn
zu Pfingsten, dem Fest der Erstlingsernte (3.Mose 23:15-21). Sie hatten
geerntet, was nicht sie, sondern der Herr durch Sein Leiden und Sterben gesät
hatte (vgl. Joh.4:38).
Welch ein
verheißungsvoller Beginn ihres Dienstes im Hinblick auf den Anbruch des
Königreichs! Wir freuen uns mit ihnen.
Über die Gläubigen der Jerusalemer Gemeinde
lesen wir in Vers 42: »Sie hielten aber fest an der Lehre der Apostel, der
Gemeinschaft, dem Brechen des Brotes und den Gebeten.«
Demnach
bewahrten sie die Lehre der zwölf Apostel, das Evangelium Jesu Christi, die
frohe Botschaft des Königreichs Israels (Luk.4:43), die auch das Evangelium der
Beschneidung genannt wird (Gal.2:7), und ließen sich nicht von anderen Lehren
verführen, etwa von den Überlieferungen der Juden oder vom Sauerteig der
Pharisäer und Schriftgelehrten (Mat.15:6; 16:12).
Sie pflegten
die geschwisterliche Gemeinschaft, denn durch den heiligen Geist waren sie
jetzt in einer herausgerufenen Gemeinde in Liebe vereint. Sie waren ein Herz
und eine Seele, zumal sie Sündenerlassung hatten und wohl kaum noch sündigten
(1.Joh.2:1; 3:6), und sie betrachteten ihren erworbenen Besitz als allen
gemeinsam gehörend, da große Gnade auf ihnen war (Ap.4:32,33).
Sie brachen
das Brot immer wieder in der Gemeinschaft mit anderen Heiligen. »Brotbrechen«
war die Bezeichnung für die Einnahme einer normalen Mahlzeit. Man brach das
Fladenbrot in Stücke, mit denen man anstelle von Löffeln gewisse Speisen zum
Mund führte. Hin und her in den Häusern (Vers 46) nahmen sie ihre Mahlzeiten
zusammen mit weiteren Glaubensbrüdern und -schwestern ein.
Und sie
beteten getreulich. Sicherlich lobten und priesen sie ihren Retter, den Messias
Jesus, und beteten sie für das Zeugnis der Apostel wie auch für ihren eigenen
Dienst unter den Bewohnern Jerusalems.
Lukas berichtet weiter: »Doch kam Furcht über
jede Seele, denn es geschahen durch die Apostel viele Wunder und Zeichen in
Jerusalem. Auch war die Furcht bei allen groß« (Vers 43).
Furcht, den
Gott Israels auf keinen Fall zu kränken, und heilige Scheu überkam alle
Jerusalemiten angesichts der Zeichen und Wunder der Apostel, die jene in den
Kräften des zukünftigen Äons (Heb.6:5) taten. Diese Furcht bot eine große
Chance, wie es denn in Psalm 111:10 und Sprüche 9:10 heißt: »Die Furcht Jewes
ist der Anfang der Weisheit.« - Für die Gläubigen hingegen gilt es, ihre
Heiligkeit in der Furcht Gottes zu vollenden (2.Kor.7:1).
»Alle Gläubigen waren aber beieinander und
hatten alles gemeinsam. Die erworbenen Güter und den Besitz veräußerten sie und
verteilten den Erlös an alle, je nachdem jemand Bedarf hatte« (Verse 44+45).
Alles
gemeinsam zu haben, zeugt von einem gewaltigen Umdenken und Neugewordensein,
was durch den Geist Gottes geschehen war.
Die Gläubigen
veräußerten nicht ihr Losteil, das ihnen von Jewe durch ein Los zugeteilte Land
(3.Mose 25:8 ff; 27:16 ff; 4.Mose 36:4), das ihren Lebensunterhalt sicherte,
sondern den darüber hinausgehenden, gekauften Besitz. Der erworbene Besitz
würde im Jobeljahr ohnehin wieder dem ursprünglichen Besitzer zufallen und erst
recht zu Beginn des Königreichs. Der Verkauf des zusätzlichen Besitzes zeigte,
dass sie an das Kommen des Messiasreiches glaubten, in welchem jeder seine
volle Genüge haben wird. Schließlich hatte ihr Herr gesagt: »Verkauft euren
Besitz und gebt davon Almosen! Macht euch selbst Beutel, die nicht alt werden,
einen unerschöpflichen Schatz in den Himmeln, wo sich kein Dieb naht und keine
Motte etwas verdirbt; denn wo euer Schatz ist, dort wird auch euer Herz sein«
(Luk.12:33,34).
Später durfte
der Apostel Paulus auch uns schreiben: »Steuert zu den Bedürfnissen der
Heiligen bei« (Röm.12:13).
Das Kapitel schließt mit den Versen 46 und
47: »Täglich verharrten sie einmütig in der Weihestätte und brachen Brot zu
Hause. Ihre Nahrung nahmen sie mit Frohlocken und in Herzenseinfalt zu sich,
lobten Gott und hatten Gnade für das ganze Volk. Der Herr aber fügte am selben
Ort tätlich neue hinzu, die gerettet wurden.«
Beständig, Tag
für Tag, hielten sich die Gläubigen gleichgesonnen in der Weihestätte auf. Sie
waren nicht im Tempel, bestehend aus dem Heiligen (Heb.9:2) und dem
Allerheiligsten, dem »Heiligen der Heiligen« (2.Mose 26:33; Heb.9:3), den nur
die Priester betreten durften, sondern in der Weihestätte, die alle den Juden
zugänglichen offenen Höfe, Hallen und Nebengebäude des Tempels umfasste und von
der Soreg, einer Mauer, umgeben war, die alle Nichtjuden ausgrenzte.
Im Tempel und
in der Weihestätte versahen ungläubige Leviten ein nur äußerliches Ritual;
dennoch blieben die Heiligen nicht fern, und zwar deshalb, weil sich an ihrem
Herrn Jesus und an ihnen das mosaische Ritual in Wahrheit erfüllt hatte:
Der
Brandopferaltar: ihre Sünden waren gesühnt;
das
eherne Waschbecken: sie waren getauft und gereinigt;
der
siebenarmige Leuchter: sie waren das Licht der Welt;
der
Schaubrotetisch: auf ihnen ruhte das Angesicht Gottes;
der
Räucheraltar: sie waren die wahren Anbeter;
die
Bundeslade: sie hatten Gemeinschaft mit Gott.
Der Verfasser
des Hebräerbriefs schrieb: »Da wir nun, Brüder, durch das Blut Jesu Freimut
haben zum Eintritt in die heiligen Stätten, den Er uns eingeweiht hat (dazu
wurde Er geschlachtet und ist nun ein lebendiger Weg durch den Vorhang
hindurch, dies ist Sein Fleisch), und da wir einen großen Priester über das
Haus Gottes haben, so lasst uns mit wahrhaftem Herzen herzukommen, in
Vollgewissheit des Glaubens, durch der Herzen Besprengung los vom bösen
Gewissen und den Körper gebadet in reinem Wasser« (Heb.10:19-22).
Mit Frohlocken
und in Herzenseinfalt nahmen die Gläubigen ihre Nahrung in den Häusern ein. Sie
bildeten eine Gemeinde voller Freude und ohne Vorbehalte im Herzen. So wurde
ihnen jede Mahlzeit, ja ihr ganzer Alltag zu einem Dienst und Lobpreis für
Gott.
Sie hatten
Gnade für das ganze Volk. Die Gnade erfüllte sie mithin so sehr, dass sie darin
überflossen und sich von Herzen ihrer Mitmenschen annehmen konnten.
Aufgrund des
Zeugnisses der Apostel über Jesu Auferstehung und des der Gläubigen in ihrer
Freude rettete der Herr Jesus täglich weitere Juden, die der Vater gezogen und
Ihm gegeben hatte (Joh.6:37,44), indem Er sie zum Glauben und zur Umsinnung
führte (Mat.11:27).
So fügte Er
der herausgerufenen Gemeinde in Jerusalem neue hinzu, Psalm 115:14 erfüllend,
wo es heißt: »Jewe mehre euch, euch und eure Söhne« oder: »Jewe füge euch
[viele] hinzu, euch und euren Söhnen.«
Lobpreis, Dank
und Verherrlichung sei dem Herrn Jesus Christus für Sein Rettungswerk!
(Apostelgeschichte 3)
»Petrus und Johannes stiegen nun um die
neunte Stunde (die des Gebets) zur Weihestätte hinauf. Da wurde ein Mann
herbeigetragen, der von seiner Mutter Leib an lahm war und täglich an die Tür
der Weihestätte gesetzt wurde, die man die »Verzierte« nannte, um von denen
Almosen zu erbitten, die in die Weihestätte gingen« (Verse 1+2).
Solange die
Gläubigen nicht verfolgt wurden und aus Jerusalem vertrieben waren, war ihr
Platz in der Weihestätte, zumal sie und nicht die anderen die wahren Anbeter
waren.
Es geschah zur
neunten Stunde, mithin gegen 15 Uhr. Das Ereignis sollte weitreichende Folgen
haben.
Der lahme Mann
darf als ein Gleichnis auf Israel verstanden werden, das Gott gegenüber lahm
war, weil es nicht aus Glauben wandelte.
Die Heilung
des Lahmen war ein Zeichen (Ap.4:16), und zwar dafür, dass Jesus wiederkommen
und Israel heilen werde. Er wird Sein Volk nicht nur bis zur Tür, sondern in
das Haus Seines Vaters hineinbringen und sie mit Freude und Lobpreis erfüllen,
so wie der Geheilte es hernach tat (Ap.3:8).
»Im Namen Jesu Christi: wandle!«
»Als er Petrus und Johannes gewahrte, die
sich anschickten, in die Weihestätte zu gehen, suchte er ein Almosen von ihnen
zu erhalten. Petrus aber, der ihn ebenso wie Johannes fest ansah, sagte zu ihm:
Blicke uns an! - Da hatte er Acht auf sie in der Hoffnung, etwas von ihnen zu
erhalten. Weiter sagte Petrus: Silber und Gold besitze ich nicht; was ich aber
habe, das gebe ich dir. Im Namen Jesu Christi, des Nazareners, wandle! - Dann
nahm er ihn fest bei der rechten Hand und richtete ihn auf. Auf der Stelle
wurden seine Füße im Rist und Knöchel gefestigt; er schnellte hoch, konnte stehen,
ging umher und trat mit ihnen in die Weihestätte ein; dort wandelte er,
schnellte hoch und lobte Gott« (Verse 3-8).
Bei »Silber«
ist an Münzgeld zu denken. Wie herrlich ist es zu wissen, dass unser Gott und
Vater keine Almosen gibt, sondern viel mehr und Besseres, als wir erdenken und
erbitten können.
Ebenso wie
Petrus sind auch die meisten von uns nicht reich (1.Kor.1:26), aber wir machen
viele reich (2.Kor.6:10).
Die Kräfte des
zukünftigen Äons (Heb.6:5) waren jetzt in Israel ansatzweise gegenwärtig und
wirkten durch Petrus, sodass geschah, was Jesaia angesagt hatte: »Dann wird der
Lahme springen wie ein Hirsch« (Jes.35:6). Man konnte annehmen, dass das
Königreich nahe ist. Da Petrus das Wunder im Namen Jesu Christi getan hatte,
sollten dem Sohn Gottes die Herzen aller nun zufallen.
»Nun sah ihn das gesamte Volk wandeln und
Gott loben. Man erkannte ihn auch, dass er jener war, der um Almosen bittend an
dem verzierten Tor der Weihestätte gesessen hatte. Da wurden sie mit heiliger
Scheu und Verwunderung über das erfüllt, was ihm widerfahren war. Weil er sich
aber zu Petrus und Johannes hielt, lief das gesamte Volk bei ihnen in der
sogenannten Halle Salomos zusammen, fassungslos vor Staunen« (Verse 9-11).
Die Halle
Salomos war eine Säulenhalle an der Ostseite der Weihestätte. Dort lief eine
ergriffene Menge zusammen.
»Als Petrus das gewahrte, wandte er sich an
das Volk: Männer, Israeliten, was staunt ihr über diesen Mann, und was starrt
ihr uns an, als ob wir ihn durch eigene Kraft oder Frömmigkeit zum Wandeln
gebracht hätten? Der Gott Abrahams und Gott Isaaks und Gott Jakobs, der Gott
unserer Väter, hat Seinen Knecht Jesus verherrlicht, den ihr, ja ihr, verraten
und vor dem Angesicht des Pilatus verleugnet habt, als jener sich entschieden
hatte, Ihn freizulassen. Da habt ihr den Heiligen und Gerechten verleugnet und
für euch die Begnadigung eines Mannes gefordert, der ein Mörder war« (Verse
12-14).
Petrus ergriff
die Gelegenheit zu einer erneuten Verkündigung. Zuerst wies er von sich weg auf
den alleinigen Verfüger und Allesbewirkenden hin, der Seinen Knecht Jesus durch
diese Heilung verherrlicht hatte. Das Wunder war ja im Namen Jesu geschehen.
Der Prophet Jesaia hatte bereits den Begriff des Knechtes gebraucht, worunter
wir uns einen jungen Mann, einen Knappen, vorzustellen haben, der für
persönliche Dienste bereitsteht. Der Knecht ist der Erwählte Gottes, auf dem
Sein Geist ruht und an dem der Vater Sein Wohlgefallen hat (Jes.42:1; 52:13).
Jesus, den
Gottesknecht, hatten die Juden verleugnet. Mit Ihm hatten sie nichts zu tun
haben wollen. Diese Tatsache verbargen sie in ihren Herzen und wussten nicht so
recht, wie sie damit fertig werden sollten. So mag es für viele eine Befreiung
von einer psychischen Last gewesen sein, dass Petrus ihnen klar sagte, was sie
getan haben: sie haben ihren Messias in Verblendung verraten und verleugnet.
Jetzt stand ihnen ihre Schuld deutlich vor Augen. Den Heiligen und Gerechten,
wie Petrus den Herrn nannte - dies sind messianische Titel (Jes.11:4; 12:6;
29:19; Mark.1:24; Joh.5:29) -, hatten sie umgebracht. Wahrlich, der Gerechte
starb für die Ungerechten (1.Pet.3:18)!
Des Weiteren machte Petrus deutlich: »Den
Urheber des Lebens aber habt ihr getötet! Den hat Gott aus den Toten
auferweckt; dafür sind wir Zeugen! Und auf den Glauben an Seinen Namen hin hat
Sein Name diesen, den ihr anschaut und mit dem ihr vertraut seid, gefestigt.
Und der durch Ihn gewirkte Glaube hat ihm vor euch allen diese völlige
Gesundung gegeben« (Verse 15+16).
Jesus Christus
ist der Urheber des Lebens, denn in Ihm ist das All erschaffen (Kol.1:16), Er
ist das Leben (Joh.1:4; 14:6) und gibt allen Leben (2.Tim.1:10), Er, der in
allem der Erste ist (Kol.1:18). Er war zu Israel gekommen, damit sie äonisches
Leben haben und es überfließend haben sollten (Joh.10:10). - Den habt ihr
getötet!
Und dann
bezeugte Petrus aufs neue, dass Gott Jesus aus den Toten auferweckt hat. Jesu
Auferstehung beweist, dass Er der verheißene Messias, der Sohn des lebendigen
Gottes ist. Die Heilung des Lahmen zeigt nicht nur, dass Jesus lebt, sondern
darüber hinaus, dass Er auch in der Lage ist, alles zu tun und zu vollenden,
was die Propheten gesprochen haben. Er, und nur Er, kann auch die Gesundung des
Volkes Israel herbeiführen.
Die Heilung
geschah durch den Glauben an den Namen Jesu, dass nämlich der, der diesen Namen
trägt, der Retter Israels aus allen Nöten ist. Der Name steht für die Person
und Vollmacht des Namensträgers. Der Name Jesu - er bedeutet »Jewe, der Retter«
- gibt Seine Autorität an, und zwar »Sein Volk von ihren Sünden zu retten«
(Mat.1:21).
Der Glaube des
Lahmen war übrigens von dem Herrn Jesus bewirkt worden, zumal Fleisch nichts
Geistliches hervorbringen kann. Der Glaube ist immer ein Gnadengeschenk Gottes
(Eph.2:8; Phil.1:29). Der Vater hatte den Lahmen gezogen und Seinem Sohn als
Siegespreis gegeben (Joh.6:37,44), wie es bei Jesaia heißt, dass Ihm für die
Mühsal Seiner Seele die Vielen zugeteilt werden (Jes.53:11,12).
Dann stellte Petrus fest: »Nun, Brüder, ich
weiß, dass ihr in Unkenntnis gehandelt habt, ebenso wie auch eure Oberen. Gott
aber hat so erfüllt, was Er durch den Mund aller Propheten vorher verkündigt
hatte: nämlich dass Sein Christus leiden werde« (Verse 17+18).
Trotz aller
Zeichen und Wunder, die Jesus als den Messias auswiesen, hatten sie Ihn nicht
als diesen erkannt. Er hatte es schon kundgetan: »Deshalb spreche Ich in
Gleichnissen zu ihnen, damit sie sehend nicht sehen und hörend nicht hören noch
verstehen. So wird an ihnen das Prophetenwort des Jesaia erfüllt, das besagt:
Mit dem Gehör werdet ihr hören und keinesfalls verstehen. Sehend werdet ihr
sehen und keinesfalls wahrnehmen; denn das Herz dieses Volkes ist verdickt, mit
ihren Ohren hören sie schwer, und ihre Augen schließen sie, damit sie mit den
Augen nicht wahrnehmen, noch mit den Ohren hören, noch mit dem Herzen verstehen
und sich umwenden und Ich sie heilen könnte« (Mat.13:13-15; Jes.6:9,10). Des
Weiteren hatte Er gesagt: »Sie kennen weder den Vater noch Mich« (Joh.16:3) und
am Kreuz schließlich: »Vater, vergib ihnen, denn sie wissen nicht, was sie tun«
(Luk.23:34). Dieses alles musste nach Gottes Vorsatz so sein.
Auf diese
Weise erfüllte Er die Prophetie, dass der Messias leiden müsse (Jes.50:6; 53;
Ps.22) und durch Sein Opfer die Sünden der ganzen Welt gesühnt würden
(Jes.53:5; Ps.22:28; 1.Joh.2:2) - zu ihrer Rettung.
Nach dem
Gesetz des Mose gab es nur für in Unkenntnis, in Unwissenheit, aus Versehen,
aus Irrtum begangene Verfehlungen Vergebung. Wer aber mit erhobener Hand, das
heißt vorsätzlich, überlegt, vollmächtiglich, sündigte, der lästerte gegen Jewe
und war aus dem Volk Israel auszurotten (4.Mose 15:27-31).
Übrigens hatte
auch der Verfolger, Lästerer und Frevler Saulus vor Damaskus nur deshalb
Erbarmen erlangt, weil er es unwissend getan hatte (1.Tim.1:13). Von der Rede
des Paulus im pisidischen Antiochien an aber galt etwas Neues: »Durch diesen
[Jesus] wird euch die Erlassung der Sünden verkündigt; und von allem, von dem
ihr im Gesetz des Mose nicht gerechtfertigt werden konntet, wird in diesem
jeder gerechtfertigt, der glaubt« (Ap.13:39).
Es sei des
Weiteren darauf hingewiesen, dass Israel nach der Ausgießung des heiligen
Geistes und der Heilung des Lahmen nicht länger unwissend war. Sollten sie nun
das Zeugnis des heiligen Geistes, dass Jesus auferstanden und der Christus ist,
ablehnen und die Wunder etwa unreinen Geistern zuschreiben, würde ihnen diese
Sünde des Unglaubens nicht vergeben werden, wie der Herr gesagt hatte: »Wer
etwa ein Wort gegen den Sohn des Menschen sagt, dem wird es erlassen werden;
wer aber gegen den heiligen Geist redet, dem wird es nicht erlassen werden,
weder in diesem Äon noch in dem zukünftigen« (Mat.12:32; Mark.3:29,30;
Luk.12:10). Solche Juden werden nicht in das Königreich Israels eingehen.
Petrus sprach weiter: Daher sinnet um und
wendet euch um, damit eure Sünden ausgelöscht werden, sodass Fristen der
Erfrischung vom Angesicht des Herrn kommen mögen und Er den euch zum Christus
vorbestimmten Jesus sende. Ihn jedoch muss der Himmel aufnehmen bis zu den
Zeiten der Wiederherstellung alles dessen, was Gott durch den Mund Seiner
heiligen Propheten vom Äon an gesprochen hat« (Verse 19-21).
Da die Juden
in Unkenntnis gehandelt hatten, hatten sie die Möglichkeit, umzusinnen und sich
umzuwenden. Umsinnen, mitdenken, umdenken meint nicht nur den Willen zur
Besserung, sondern ein völlig neu ausgerichtetes Denken. Umwenden bedeutet, andere
Schritte zu unternehmen, anders zu handeln. Dann würden sie sich wirklich von
ihren Verfehlungen abgewandt haben und frei von ihren Sünden sein. Der Apostel
Johannes beschreibt dies so: »Wenn wir aber im Licht wandeln, wie Er im Licht
ist, so haben wir Gemeinschaft untereinander, und das Blut Jesu, Seines Sohnes,
reinigt uns von jeder Sünde« (1.Joh.1:7).
Einst hatte
der Prophet Hesekiel ausgerufen: »Kehrt um, kehrt um von euren bösen Wegen«
(Hes.33:11) und in Bezug auf den Umkehrenden versichert: »All seiner Sünden,
die er begangen hat, soll ihm nicht gedacht werden. Recht und Gerechtigkeit tat
er; folglich lebt er, um am Leben zu bleiben« (Hes.33:16).
Die Umsinnung
und Umwendung Israels ist Voraussetzung dafür, dass Jesus wiederkommt und dem
Volk Fristen der Erfrischung, der Erquickung gewährt werden, und zwar im
Paradies, im Königreich Israels; mit den Worten Zacharias’, des Vaters Johannes
des Täufers ausgedrückt: »Gesegnet sei der Herr, der Gott Israels, weil Er Sein
Volk aufsucht, ihm Erlösung verschafft und uns ein Horn der Rettung im Hause
Davids, Seines Knechtes, aufrichtet, so wie Er durch den Mund Seiner heiligen
Propheten gesprochen hat, die vom Äon an waren. Rettung von unseren Feinden und
Bergung aus der Hand aller, die uns hassen; um Barmherzigkeit an unseren Vätern
zu erweisen und Seines heiligen Bundes zu gedenken und des Eides, den Er
Abraham, unserem Vater, geschworen hat; uns zu geben, dass wir aus der Hand
unserer Feinde geborgen werden und Ihm furchtlos Gottesdienst darbringen in huldvoller
Heiligkeit und Gerechtigkeit vor Seinen Augen alle unsere Tage« (Luk.1:68-75).
Dann wird dem
Volk Israel alles wiederhergestellt, was es unter Mose, den Richtern und König
David ansatzweise schon einmal hatte, nun aber in einer viel besseren und
vollkommenen Weise haben wird. Israel wird - vom Geist Gottes geleitet und vom
Herrn Jesus regiert - als königliches und priesterliches Volk über alle
Nationen herrschen, zum Segen für die ganze Erde. Jesus hatte Seinen Jüngern
kundgetan: »Die ihr Mir gefolgt seid, in der Wiederwerdung, wenn der Sohn des
Menschen auf dem Thron Seiner Herrlichkeit sitzt, werdet auch ihr auf zwölf
Thronen sitzen und die zwölf Stämme Israels richten« (Mat.19:238). Und Jesaia
hatte prophezeit: »Ich lasse deine Richter zurückkehren wie am Anfang und deine
Berater wie zu Beginn. Danach wird man dich nennen: Stadt der Gerechtigkeit,
treue Burgstadt« (Jes.1:26).
Und vieles
andere wird Israel zuteil werden, was Gott durch all Seine Propheten vom Äon an
gesprochen hat. Dieser unser Äon begann nach der großen Flut zur Zeit Noahs und
endet mit den Gerichten der Endzeit, die der Wiederherstellung allerdings
vorausgehen, um jede Ungerechtigkeit auf der Erde auszumerzen. Und dann wird
Israel als Gesamtheit gerettet werden. Nur die gläubigen Israeliten bilden das
auserwählte Volk, nicht die Gesetzesübertreter, nicht die mit erhobener Hand
Sündigenden, nicht die wider den heiligen Geist Lästernden. »Denn nicht der ist
Jude, der es sichtbar ist; sondern der ist Jude, der es innerlich, im Verborgenen,
ist; und Beschneidung des Herzens ist im Geist, nicht im Buchstaben; dem wird
Lobpreis zuteil, zwar nicht von Menschen, sondern von Gott« (Röm.2:28,29). Und:
»Nicht die Kinder des Fleisches, nicht diese sind Kinder Gottes, sondern die
Kinder der Verheißung rechnet Er als Samen« (Röm.9:8). »Viele sind berufen,
wenige aber auserwählt« (Mat.22:14). Ganz Israel ist gerufen, aber nur wenige
wird der Vater ziehen (Joh.6:44). Welch eine Gnade ist es doch, wenn Gott durch
Christus den Glauben bei einem Menschen wirkt (Ap.3:16)!
Dann verwies Petrus auf den von Mose
angekündigten besonderen Propheten, von dem die Juden wussten (Joh.1:21; 6:14;
7:40; Ap.7:37), dass der Messias damit gemeint war:
»Mose sagte
bereits: Einen Propheten wie mich wird euch der Herr, euer Gott, aus euren
Brüdern aufstehen lassen; auf Ihn sollt ihr in allem hören, was immer Er auch
zu euch sprechen wird. Es wird aber so sein: Jede Seele, die etwa auf jenen
Propheten nicht hören wird, soll aus dem Volk ausgerottet werden« (Verse
22+23).
Wir hören
diese Worte nochmals, und zwar nach dem hebräischen Text: »Einen Propheten wie
mich wird Jewe, dein Elohim, aus deiner Mitte, aus deinen Brüdern, dir erstehen
lassen. Auf Ihn sollt ihr hören« (5.Mose 18:15). »Und es wird geschehen: Der
Mann, der nicht auf Meine Worte hört, die Er in Meinem Namen reden wird, von
dem werde Ich, ja Ich es abfordern« (5.Mose 18:19). Die Septuaginta schreibt
für »abfordern«: »rächen«. Petrus sprach in apostolischer Vollmacht von der Ausrottung
oder Austilgung aus dem Volk.
Mit dieser
ernsten Warnung unterstrich der Apostel Petrus die elementare Notwendigkeit, an
Jesus als den Christus zu glauben. Andernfalls wird man auf keinen Fall an dem
äonischen Leben, am Leben im Königreich Israels in den kommenden Äonen,
teilhaben, sondern umkommen. Darum auch hatte der Vater bei der Verklärung Jesu
gesagt: »Dies ist Mein geliebter Sohn, an dem Ich Mein Wohlgefallen habe; hört
auf Ihn« (Mat.17:5; Mark.9:7; Luk.9:35). - Hört auf Ihn, damit ihr gerettet
werdet!
Einst hatte
der Herr festgestellt: »Wenn ihr Mose glaubtet, würdet ihr auch Mir glauben.
Wenn ihr aber den Schriften jenes Mannes nicht glaubt, wie werdet ihr Meinen
Worten glauben?« (Joh.5:46,47). Es stand somit zu befürchten, dass die Israeliten,
ebenso wie sie nicht auf Mose hörten und deshalb in der Wildnis umkamen und
nicht in das verheißene Land gelangten, nun auch auf Jesus nicht hören würden,
der größer ist als Mose, sondern aus der Rolle des Lebens gestrichen und nach
der Zeit ihres ersten Todes in den zweiten Tod gestoßen würden (2.Mose 32:32;
Ps.69:29; Dan.12:1; Luk.10:20; Off.3:5; 20:15; 21:27).
Möge Israel
aber nun auf Jesus hören!
»Ihr seid die Söhne der Propheten«
Petrus fuhr fort: »Aber auch alle anderen
Propheten, die von Samuel an nacheinander gesprochen haben, verkündigten
gleichfalls diese Tage. Ihr seid die Söhne der Propheten und des Bundes, den
Gott mit euren Vätern geschlossen hat, als Er zu Abraham sagte: In deinem Samen
sollen alle Familien der Erde gesegnet werden« (Verse 24+25).
Ja, diese Tage
des Segens, der Heilung, der Erquickung und Wiederherstellung, diese Tage des
messianischen Königreichs hatten im Grunde alle Propheten verheißen. Und da ihr
Juden die Söhne des Bundes seid, wird euch dies alles auch zuteil werden,
insbesondere dass ihr im Samen Abrahams - dieser ist Jesus (Gal.3:16) -
gesegnet werdet (1.Mose 12:3; 18:18; 22:18; 26:4). Und nicht nur ihr, sondern
durch eure Vermittlung wird dieser Segen allen Nationen zufließen. Schließlich
werdet ihr alle Nationen zu Jüngern machen (Mat.28:19).
Von dieser dem
Volk Israel jetzt dargebotenen Gnade hatten die Propheten geredet und dabei
ernstlich gesucht und geforscht, in welcher Frist es denn geschehe
(1.Pet.1:10). - Jetzt ist die Zeit gekommen!
Petrus schloss seine Rede: »Für euch zuerst
hat Gott Seinen Knecht auferstehen lassen und Ihn gesandt, um euch zu segnen,
wenn ein jeder unter euch sich von eurer Bosheit abwendet« (Vers 26).
Die übelste
Bosheit wäre, nicht zu glauben, dass der auferstandene Jesus den Lahmen heilte,
sondern dies etwa bösen Geistern zuzuschreiben (Mat.12:24,32; Mark.3:30).
Den Juden
zuerst hat Petrus das Evangelium von der Rettung durch Jesus, den Christus,
verkündigt. Auch Paulus betonte: »Ich schäme mich des Evangeliums nicht, denn
es ist eine Gotteskraft zur Rettung für jeden Glaubenden, dem Juden zuerst wie
auch dem Griechen« (Röm.1:16). Dann führte er noch aus: »Ich sage, Christus ist
der Diener der Beschneidung geworden für die Wahrhaftigkeit Gottes, um die
Verheißungen der Väter zu bestätigen. Die Nationen aber werden Gott für Sein
Erbarmen verherrlichen« (Röm.15:8,9).
Lobpreis, Dank
und Verherrlichung sei dem Gott und Vater unseres Herrn Jesus Christus!
(Apostelgeschichte 4:1-31)
Unser Herr Jesus Christus hatte durch die
Apostel Petrus und Johannes einen Lahmen in der Weihestätte geheilt. Nachdem
die Menschen angesichts dieses Wunders zusammengelaufen waren, hatte Petrus die
Gelegenheit wahrgenommen und dem Volk bezeugt, dass der auferstandene Jesus,
der ihnen verheißene Messias, dies getan hatte, und zwar auf den durch Ihn in
dem Lahmen bewirkten Glauben an Seinen Namen hin (Ap.3).
»Während sie noch zum Volk sprachen, traten
die Priester, der Hauptmann der Weihestätte und die Sadduzäer zu ihnen,
aufgebracht darüber, dass sie das Volk lehrten und die in Jesus verbürgte
Auferstehung verkündigten. Man legte daher die Hände an sie und setzte sie bis
zum Morgen in Gewahrsam; denn es war bereits Abenddämmerung« (Verse 1-3).
Petrus und
Johannes waren um die neunte Stunde, also gegen 15 Uhr, zur Weihestätte
hinaufgestiegen (Ap. 3:1). Während der gesamten Zeit von etwa drei Stunden bis
zur Abenddämmerung konnten sie das Volk ausführlich belehren. Gott hatte Gnade
dazu gegeben!
Die Priester
allerdings, die zum größten Teil Sadduzäer waren, der Hauptmann der Wache, die
für Ruhe und Ordnung in der Weihestätte zu sorgen hatte, und die Sadduzäer
waren entrüstet. Zum einen waren sie eifersüchtig auf die Apostel, weil sie es
als das Privileg der Priester und Schriftgelehrten, der Pharisäer und der
Sadduzäer ansahen, das Volk zu lehren, und zum anderen fühlten sich besonders
die Sadduzäer, die die Auferstehung überhaupt leugneten (Mat.22:23), bis ins
Mark getroffen, weil die Apostel die Auferstehung am Beispiel Jesu bewiesen
hatten.
Da eine solche
Verkündigung somit unterbunden werden musste, setzte man sie fest.
»Viele von denen aber, die das Wort hörten,
kamen zum Glauben, sodass sich die Zahl der gläubigen Männer auf etwa
fünftausend belief« (Vers 4).
Das Wort
Gottes ist lebendig und wirksam (Heb.4:12); es war nicht aufzuhalten. Und der
Herr schenkte vielen den Glauben an Ihn als den Messias. Wir dürfen sicherlich
noch einmal die gleiche Zahl von Frauen hinzurechnen, sodass die Herausgerufene
in Jerusalem etwa zehntausend Menschen umfasste.
»Am anderen Morgen versammelten sich ihre
Oberen, die Ältesten und Schriftgelehrten in Jerusalem, ferner der Hohepriester
Hannas sowie Kaiphas, Johannes, Alexander und alle, die zu einem
hohenpriesterlichen Geschlecht gehörten. Sie stellten sie in ihre Mitte und
erkundigten sich: Durch welche Kraft oder in welchem Namen tut ihr dieses?«
(Verse 5-7).
Die Sache war
so wichtig, dass sich das ganze Synedrium, der Hohe Rat der Juden mit 71
Mitgliedern, darunter auch die Leiter der 24 priesterlichen Dienstabteilungen
(1.Chron.24), versammelten. Hannas war Hoherpriester von 6 bis 15 n. Chr., sein
Schwiegersohn Kaiphas von 18 bis 36 n. Chr. Johannes und Alexander sind uns
unbekannt.
Durch welche
Kraft die Apostel den Lahmen geheilt haben, wollten sie wissen. Durch welche
Kraft Jesus gewirkt habe, hatten sie Ihn schon gefragt (Mat.21:23; Luk.20:2).
Und in welchem Namen. Bestimmt wussten sie, dass der Lahme im Namen Jesu
Christi, des Nazareners, aufgerichtet worden war (Ap.3:6); sie wollten es
jedoch, um sicher zu gehen, persönlich hören.
Und nun
standen Petrus und Johannes vor hohen Herren, die Jesus als solche beschrieben
hatte, die anders handeln als sie lehren, die von den Menschen angeschaut und
geehrt werden wollen, die nicht in das Königreich der Himmel hineingehen noch
andere hineingehen lassen und die blinde Blindenleiter sind (Mat.23:3,5,13,16).
Das Ansehen
des Synedriums stand auf dem Spiel, falls sie sich mit der Kreuzigung Jesu
geirrt haben sollten. Oder werden sie jetzt Jesus doch als den Messias
anerkennen?
»Dann sagte Petrus, mit heiligem Geist
erfüllt, zu ihnen: Obere des Volkes und Älteste! Wenn wir heute wegen der
Wohltat an einem kranken und schwachen Menschen ausgeforscht werden, wodurch
dieser gerettet wurde, so sei euch allen und dem gesamten Volk Israel bekannt:
In dem Namen Jesu Christi, des Nazareners, den ihr kreuzigtet, den Gott aber
aus den Toten auferweckt hat, in diesem Namen steht dieser Mann gesund vor
euren Augen. Dieser Jesus ist der Stein, der von euch, den Bauleuten,
verschmäht wird; der ist zum Hauptstein der Ecke geworden! Und in keinem anderen
ist die Rettung; denn es ist auch kein anderer Name unter dem Himmel, der unter
Menschen gegeben worden ist, in welchem wir gerettet werden müssen« (Verse
8-12).
Jetzt wird
sich entscheiden, ob das Volk Israel an Jesus glauben wird, wenn nämlich seine
Oberen nach diesem Zeugnis des Petrus Ja zu Jesus sagen. Jetzt sollte sich
entscheiden, ob das Königreich »in dieser Zeit« (Ap.1:6) kommt oder die
äonische Folge der Lästerung des Geistes über Israel hereinbricht - ihre
Verwerfung wäre die Folge dieser Sünde (Mark.3:29).
Mit heiligem
Geist erfüllt, mithin freimütig, vollgewiss und freudig, sprach Petrus. Er
sorgte sich nicht, wie oder was er reden sollte, wurde es ihm doch gegeben,
»denn nicht ihr seid die Redenden«, hatte ihr Herr den Jüngern verheißen,
»sondern der Geist eures Vaters ist es, der durch euch spricht« (Mat.10:20).
Petrus
verkündigte den Oberen, in wessen Namen der Lahme geheilt worden war, nämlich
in dem Namen Jesu Christi aus Nazareth, den sie gekreuzigt hatten, den Gott
aber auferweckte. Dies wussten sie alle nur zu genau, zumal sie bei Pilatus
vorstellig geworden waren: »Herr, wir erinnern uns, dass jener Irreführer
gesagt hatte, als Er noch lebte: Nach drei Tagen werde Ich auferweckt. Befiehl
daher, die Gruft bis zum dritten Tag zu sichern« (Mat.27:63). Und nach der
Auferstehung Jesu hatten ihnen die Krieger der Wache alles eingehend berichtet,
was am Grab geschehen war (Mat.28:11). Somit war den Oberen klar, dass Jesus
auferweckt worden war und der Auferstandene und Lebendige den Mann geheilt
hatte, woraus folgte, dass Er der Messias ist.
Jesus und kein
anderer ist der verheißene Eckstein, auf dem das Königreich erbaut wird. Die
Bauleute, die Ältesten Israels, hätten das ganze Volk auf diesen Stein gründen
sollen; aber sie hatten Ihn längst verworfen, zweimal sogar, das erste Mal, als
sie Ihn hinrichten ließen, und jetzt angesichts der Heilung des Gelähmten
wieder. Psalm 118:22 weissagte dies bereits: »Der Stein, den die Bauleute
verworfen haben, der wurde zum Hauptstein der Ecke«. (Für »wurde« steht im
Hebräischen übrigens dasselbe Wort wie in 1.Mose 1:2, wo es heißt: »Und die
Erde wurde ein Chaos.«)
Eben diese
Psalmstelle hatte unser Herr Jesus Christus den Pharisäern und Schriftgelehrten
ebenfalls schon vorgehalten (Mat.21:42; Mark.12:10; Luk.20:17). In seinem
ersten Brief kommt Petrus wieder darauf zurück: »Der Stein, den die Bauleute
verworfen haben, der wurde zum Hauptstein der Ecke und damit ein Stein des
Anstoßes und ein Fels des Strauchelns denen, die sich auch an dem Wort stoßen,
weil sie widerspenstig sind, wozu sie auch gesetzt wurden« (1.Pet.2:7,8). Und
Paulus schreibt: »Da es nicht aus Glauben, sondern aus Gesetzeswerken
geschieht, stoßen sie sich an dem Stein des Anstoßes, so wie geschrieben steht:
Siehe, Ich lege in Zion einen Stein des Anstoßes und einen Felsen des
Strauchelns; und wer an Ihn glaubt, wird nicht zuschanden werden« (Röm.9:32,33;
Jes.8:14; 28:16).
»Jesus« - dies
ist der einzige Name unter dem Himmel, der anzurufen ist, um gerettet zu werden
(Joel 3:5; Ap.2:21; Röm.10:13). Jesus ist der einzige Mittler zwischen Gott und
den Menschen (1.Tim.2:5). Niemand kommt zum Vater außer durch Ihn (Joh.14:6).
»Gott hat Ihn überaus hoch erhöht und Ihn mit dem Namen begnadet, der über
jedem Namen ist, damit in dem Namen Jesu sich jedes Knie beuge, der
Überhimmlischen, Irdischen und Unterirdischen, und jede Zunge huldige: Herr ist
Jesus Christus, zur Verherrlichung Gottes, des Vaters« (Phil.2:9-11).
Lukas berichtet uns nun von der Reaktion der
Ältesten: »Als sie den Freimut des Petrus und Johannes schauten und es
erfassten, dass sie ungeschulte und ungelehrte Menschen seien, waren sie
erstaunt. Sie erkannten sie auch als solche, die mit Jesus zusammen gewesen
waren. Da sie den Mann, der geheilt worden war, bei ihnen stehen sahen, hatten
sie nichts zu widersprechen« (Verse 13+14).
Die
freimütigen, das heißt durch keinerlei Bedenken gehemmten Worte des Petrus und
der Sachverhalt waren so klar, dass sie nichts zu antworten, geschweige denn zu
entgegnen hatten. So wurde der Zuspruch des Herrn wahr: »Ich werde euch Worte
in den Mund und Weisheit geben, denen alle, die euch widerstreben, nicht werden
widerstehen oder widersprechen können« (Luk.21:15).
Im Übrigen
waren die Apostel vom Herrn geschulte und gelehrte Männer, nur eben nicht nach
den Maßstäben der Welt, hier: der Rabbiner.
»Dann befahl man ihnen, aus dem Synedrium
hinauszugehen, und beriet miteinander die Frage: Was sollen wir mit diesen
Menschen machen? Denn dass ein klar erkennbares Zeichen durch sie geschehen
ist, das ist allen, die in Jerusalem wohnen, offenbar geworden, und wir können
es nicht leugnen. Damit es sich jedoch nicht noch mehr unter dem Volk
verbreite, sollten wir ihnen drohen, damit sie nicht mehr aufgrund dieses
Namens zu irgendeinem Menschen sprechen. - Dann ließ man sie rufen und wies sie
an, aufgrund des Namens Jesu durchaus nichts mehr verlauten zu lassen noch zu
lehren« (Verse 15-18).
Dies ist die
Weisheit dieser Welt. »Die Weisheit dieser Welt ist bei Gott Torheit. Denn es
steht geschrieben: Er erhascht die Weisen in ihrer List. Und wiederum: Der Herr
kennt die Schlussfolgerungen der Weisen, dass sie nichtig sind«
(1.Kor.3:19,20); Hiob 5:13; Ps.94:11),
Die Beratung
des Synedriums war die Krisis Israels, der entscheidende Wendepunkt in seiner
Geschichte.
»Petrus und Johannes aber antworteten ihnen:
Urteilt selbst, ob es vor Gottes Augen gerecht ist, auf euch eher als auf Gott
zu hören. Denn für uns ist es unmöglich, nicht von dem zu sprechen, was wir
gewahrt und gehört haben!« (Verse 19+20).
So geht es
auch uns: Wir glauben - darum sprechen wir auch (2.Kor.4:13; Ps.116:10). Und
sollten wir Gottes Wort zurückhalten wollen, so würde es uns wie dem Propheten
Jeremia ergehen, der einst erfuhr: »Sprach ich: Ich will nicht mehr an Ihn
denken und nicht mehr in Seinem Namen reden, dann würde es in meinem Herzen wie
ein verzehrendes Feuer, eingeschlossen in meinen Gebeinen« (Jer.20:9).
Mit den Worten
der Apostel wird übrigens nicht unser Gehorsam gegenüber der weltlichen
Obrigkeit aufgekündigt; wir haben unserer Regierung zu gehorchen (Röm.13:1-7).
Sollte aber - um eine Parallele zum Synedrium zu ziehen - etwa eine Kirche uns
etwas verbieten - nein, wir hören auf Gott!
»Jene ließen
sie dann unter Drohungen frei, da sie nichts fanden, wie sie sie strafen
sollten; dies auch um des Volkes willen, weil alle Gott über das geschehene
Zeichen verherrlichten; denn der Mann, an dem dieses Zeichen der Heilung geschah,
war mehr als vierzig Jahre alt« (Verse 21+22).
»Als sie freigelassen waren, gingen sie zu
den Ihren und berichteten alles, was die Hohenpriester und Ältesten zu ihnen
gesagt hatten. Als sie das hörten, erhoben sie einmütig ihre Stimme zu Gott und
beteten: Du unser Eigner, der den Himmel und die Erde, das Meer und alles, was
in ihnen ist, geschaffen hat ...« (Verse 23+24).
Der Bruch war
vollzogen, die Oberen des Volkes hatten sich gegen Jesus und Seine Apostel
gestellt. Von nun an standen sie in Opposition zueinander. Wie sollten die
Gläubigen in dieser Situation leben? - Ihr Gebet gibt die Antwort darauf:
Zuerst gaben sie Gott die Ehre (Vers 24), sodann nahmen sie die Gegnerschaft
aus Gottes Hand (Verse 25-28) und abschließend baten sie darum, dass Er ihnen
auch weiterhin Freimut für ihre Wortverkündigung gebe (Verse 29+30).
In Anlehnung
an Psalm 95:6: »Kommt, lasst uns anbeten und uns beugen, lasst uns niederknien
vor Jewe, der uns gemacht hat« wandte sich die gesamte Jerusalemer
Herausgerufene einmütig, von gemeinsamer Überzeugung getragen, an ihren Eigner
und Verfüger, an Gott, der alles erschaffen hat und alles bewirkt (Eph.1:121).
Er ist der unumschränkte Souverän des Alls; »alles, was Jewe gefällt, tut Er in
den Himmeln und auf der Erde (Ps.135:6; 115:3). Dies war auch dem König
Nebukadnezar klar geworden, der einst betete: »Alle, die auf Erden weilen, sind
wie nichts zu rechnen. Seinem Willen gemäß verfährt Er mit der Heerschar der
Himmel und mit denen, die auf Erden weilen. Tatsächlich kann niemand Seiner
Hand wehren und zu Ihm sagen: Was tust Du?« (Dan.4:32; Jes.14:24; 46:19).
Es war Gottes Ratschluss
Es folgt der unter dem Akzent der Feindschaft
gegen Christus stehende zweite Teil des Gebets:
»... der Du
durch heiligen Geist, durch den Mund unseres Vaters, Deines Knechtes David,
gesagt hast: Warum schnauben die Nationen und kümmern die Völker sich um
Vergebliches? Die Könige der Erde stehen dabei, und die Fürsten versammeln sich
miteinander gegen den Herrn und Seinen Christus! - Denn sie haben sich in
dieser Stadt in Wahrheit gegen Deinen heiligen Knecht Jesus versammelt, den Du
gesalbt hast: Herodes wie auch Pontius Pilatus mit den Nationen und Völkern
Israels, um alles auszuführen, was Deine Hand und Dein Ratschluss
vorherbestimmt hatten, dass es geschehe« (Verse 25-28).
Von seiner
Salbung mit Öl durch den Propheten Samuel an lag der Geist Jewes auf König
David (1.Sam.16:13). Er selbst bezeugte: »Der Geist Jewes redete durch mich,
und Sein zu erfüllendes Wort war auf meiner Zunge« (2.Sam.23:2).
Die
prophetischen Worte Davids stehen in Psalm 2:1,2 und lauten dort fast gleich:
»Warum schnauben die Nationen und kümmern die Völkerstämme sich um
Vergebliches? Die Könige der Erde stehen dabei, und die Oberen versammeln sich
am selben Ort gegen Jewe und gegen Seinen Gesalbten.«
Es fällt auf,
dass die Betenden das Synedrium mit den christusfeindlichen Nationen
gleichsetzten und dann den König Herodes Antipas und den römischen Prokurator
Pontius Pilatus mit einbezogen, ebenso wie die Völkerschaften Israels. Sie alle
hatten gegen Jesus, den Gesalbten, den Messias, griechisch: den Christos,
gehandelt. In der Synagoge zu Nazareth hatte Jesus aus Jesaia 61:1 vorgelesen:
»Der Geist Jewes, Meines Herrn, ist auf Mir, weil Jewe Mich gesalbt hat.« Die
Salbung ist die Ausrüstung mit dem Geist Gottes.
Alles, was die
Gegner Jesu Christi und damit Gottes taten, war von Gott vorherbestimmt und
somit Gottes Tat. Jesus war vor dem Niederwurf der Welt (als die Erde ein Chaos
wurde; 1.Mose 1:2) von Gott als ein makelloses und fleckenloses Lamm, das die
Sünde der Welt auf Sich nimmt, vorhererkannt worden (1.Pet.1:20). »Es gefiel
Jewe, Ihn zu zerschlagen; Er hat Ihn leiden lassen« (Jes.53:10) - auf Golgatha.
Nach Seiner Auferstehung belehrte der Herr Seine Jünger: »O wie seid ihr doch
ohne Verständnis und so säumig im Herzen, um an alles zu glauben, was die
Propheten ausgesprochen haben! Musste Christus dies nicht leiden und dann erst
in Seine Herrlichkeit eingehen? - Und mit Mose anfangend, ging Er alle
Propheten durch und legte ihnen aus allen Schriften das über Ihn Selbst Gesagte
aus. ... Alles muss erfüllt werden, was im Gesetz des Mose, in den Propheten
und Psalmen von Mir geschrieben steht« (Luk.24:25-27+44).
Gott bestimmt
im Übrigen nicht nur alles vorher, sondern sagt es den Seinen auch an, wie bei
Jesaia zu lesen: »Ich bin El! Und da ist sonst kein Elohim! Und da ist niemand
gleichwie ich! Der Ich kundtue von Anfang an den Ausgang und vor alters, was
noch nicht getan; der Ich sage: Mein gesamter Ratschluss soll bestätigt werden,
und alles, was Mir wohlgefällt, will Ich tun. ... So habe Ich gesprochen! So
will Ich es kommen lassen! Wie Ich geplant, so will Ich es tun« (Jes.46:9-11).
Welch eine
Freude ist es für uns doch zu wissen, dass der Gott und Vater unseres Herrn
Jesus Christus alles nach dem Ratschluss Seines Willens bewirkt (Eph.1:11),
jeden Gedanken und jedes Ereignis hervorruft und alles für Seine herrlichen
Vollendungszeile gebraucht! Wahrhaftig: Aus Gott ist das All und durch Ihn und
zu Ihm hin (Röm.11:36)!
Wir kommen zum dritten Teil des Gebets:
»Und nun,
Herr, sieh ihre Drohungen an und gib Deinen Sklaven, Dein Wort mit allem
Freimut zu sprechen, indem Du Deine Hand zu Heilungen ausstreckst und Zeichen
und Wunder durch den Namen Deines heiligen Knechtes Jesus geschehen lässt!«
(Verse 29+30).
Das Synedrium
hatte den Aposteln Petrus und Johannes gedroht, absolut nichts mehr aufgrund
des Namens Jesu verlauten zu lassen (Vers 18). So baten die Gläubigen nun
darum, aber auch angesichts dieser Drohung Jesus als den Auferstandenen und
Christus in Freimut verkündigen zu können, wobei Gott ihren Dienst durch
begleitende Zeichen und Wunder mitbezeugen möchte (Heb.2:4).
Die Zeichen
und Wunder waren Ausdruck der Kräfte des kommenden Äons (Heb.6:5), des Äons des
tausendjährigen Königreichs Israels, der hier schon seinen zukünftigen Anbruch
aufleuchten ließ. Der Mittler all dieser Kräfte ist Gottes Sohn und Knecht
Jesus Christus.
Gott antwortete sofort auf das Gebet: »Als
sie so gefleht hatten, wurde die Stätte erschüttert, an der sie versammelt
waren; und sie alle wurden mit heiligem Geist erfüllt und sprachen das Wort
Gottes mit Freimut« (Vers 31).
Gott der Vater
erhörte ihr Gebet mit dem Zeichen eines Bebens, mit der völligen Erfüllung der
Gläubigen mit Seinem Geist und mit dem Geschenk des Freimuts für die
Verkündigung des Wortes des Lebens. Solchermaßen ausgerüstet, wirkten sie
weiterhin in Jerusalem und werden sie dann auch im Königreich alle Nationen
belehren und zu Jüngern Jesu machen (Mat.28:19).
Aber auch wir,
die Glieder der Körpergemeinde (Eph.1:22,23), die wir eine ganz andere
Bestimmung haben, nämlich im überhimmlischen Königreich Christi zu wirken
(Eph.2:6,7; 2.Tim.4:18), und die wir, solange wir noch auf der Erde sind,
allein durch Glauben und nicht durch Wahrnehmung wandeln, mithin ohne Zeichen
und Wunder (2.Kor.5:7), auch wir werden - erfüllt mit heiligem Geist (Eph.5:18)
- unserem Herrn und Haupt hingebungsvoll dienen wollen und deshalb darum
flehen, dass Er uns beim Auftun unseres Mundes den rechten Ausdruck gebe, um
das Geheimnis des Evangeliums - dies ist die Versöhnung Gottes mit der Welt
(2.Kor.5:19) - in Freimut bekannt zu machen (Eph.6:19).
(Apostelgeschichte 4:32 - 5:16)
Des Weiteren berichtet Lukas über die
Anfangszeit der Jerusalemer herausgerufenen Gemeinde:
»Die Menge der
Gläubigen war ein Herz und eine Seele, und auch nicht einer sagte, dass etwas
von seinem erworbenen Besitz sein eigen sei, sondern sie hatten alles
gemeinsam« (Vers 32).
Im Grunde ist es normal, dass die Heiligen
ein Herz und eine Seele sind, herzliche Gemeinschaft pflegen und in der
Ehrerbietung einander höher achten, weil Gottes Geist in ihnen ist und sie
mithin eins mit Gott wie auch mit jedem sind, in welchem Gottes Geist ist. Die
Liebe des Christus leitete die Gläubigen in ihrer Liebe zueinander. Sie waren
so sehr mit heiligem Geist erfüllt (Vers 31), dass wohl kaum einer fleischgemäß
wandelte, sondern sie sich allesamt geistgemäß verhielten.
Bei der
Gemeinde zu Philippi unterstellt der Apostel Paulus, dass sie würdig des
Evangeliums des Christus wandeln, in einem Geist feststehen und wie aus einer
Seele gemeinsam im Glauben des Evangeliums wettkämpfen (Phil.1:27).
Was den Besitz anbelangt, so muss man wissen,
dass hier nicht von dem ihnen durch das Gesetz des Mose gegebenen Losteil die
Rede ist, das jedem einen Anteil am Grund und Boden garantiert und damit den
Lebensunterhalt sichert (3.Mose 25:8 ff., 27:16 ff., 4.Mose 36:4), sondern von
dem über dieses hinaus erworbenen Besitz sowie von anderen Vermögenswerten, wie
Geld und Wertgegenständen.
Gott war
Eigentümer des Landes, die Israeliten waren nur Besitzer eines ihnen durch das
Los zugefallenen Anteils. Das zusätzlich in Besitz genommene Losteil eines
anderen Juden, der es wegen einer Notlage verpfänden musste, fiel im Jobeljahr
ohnehin an den ursprünglichen Besitzer zurück. Und im Königreich Israels, auf
das hin die Gläubigen damals lebten, wird jeder sowieso sein auskömmliches
Losteil an Land besitzen (Mat.5:5), sodass es für die Gläubigen in Jerusalem
nicht nötig war, jetzt daran festzuhalten. Sie hatten ja eine herrliche
Erwartung.
»Dazu legten die Apostel mit großer Kraft das
Zeugnis von der Auferstehung des Herrn Jesus Christus ab, auch war große Gnade
auf ihnen allen; denn es war kein Darbender unter ihnen. Alle nämlich, die
Freiäcker oder Häuser erworben hatten, verkauften diese, brachten den Erlös des
Veräußerten und legten ihn zu Füßen der Apostel. Davon wurde jedem zugeteilt,
je nachdem einer Bedarf hatte« (Verse 33-35).
Der Dienst der
Apostel bestand in erster Linie in der Verkündigung der Auferstehung Jesu
Christi. Das ist die grundlegende und zentrale Botschaft. So erfüllte sich, was
der Herr ihnen verheißen hatte: »Ihr werdet Kraft erhalten, wenn der heilige
Geist auf euch kommt; und ihr werdet Meine Zeugen sein: [zunächst] in Jerusalem
...« (Ap.1:7).
Große Gnade
war auf ihnen allen, Gnade zum Verkündigen, dazu auch Gnade zum freudigen
Geben. So war kein Darbender unter ihnen. Später musste der Apostel Johannes
allerdings ermahnend schreiben: »Wer aber seinen Lebensunterhalt in der Welt
hat und dabei zuschaut, wie sein Bruder Bedarf hat, und dann sein Innerstes vor
ihm verschließt - wie bleibt da die Liebe Gottes in ihm?« (1.Joh.3:17).
Es gab
übrigens auch Freiäcker; sie gehörten nicht zum Losland, sondern waren frei
verfügbar. Sie wird es im Königreich nicht mehr geben.
Inwieweit
lässt sich dies alles auf uns heute übertragen? Wir haben ja keine Losteile. -
Mögen wir mit unserem Eigentum so umgehen, als behielten wir nichts, denn die
Art und Weise dieser Welt vergeht (1.Kor.7:30,31). Uns ist durch den Apostel
Paulus gesagt, dass wir geben sollen »nach dem Maß, was jeder hat, und nicht
nach dem, was er nicht hat. Also denn nicht so, dass andere Entspannung haben,
ihr aber Bedrängnis, sondern zum Ausgleich soll bei der jetzigen Gelegenheit
eure Überfülle den Mangel jener ausgleichen, sodass ein andermal die Überfülle
jener eine Hilfe für euren Mangel werde« (2.Kor.8:12-14). Des Weiteren: »Dies
aber sage ich euch: Wer kärglich sät, wird auch kärglich ernten. ... Mächtig
aber ist Gott, jede Gnade in euch überfließen zu lassen, damit ihr in allem
allezeit alle Genüge habt, ja Überfluss habt für jedes gute Werk«
(2.Kor.9:6,8).
Joseph Barnabas
»Auch Joseph, der von den Aposteln den
Beinamen Barnabas (das ist verdolmetscht: Sohn des Zuspruchs) erhalten hatte,
ein Levit und Cyprier von Herkunft, dem ein Feld gehörte, verkaufte dieses,
brachte das Geld und legte es zu Füßen der Apostel« (Verse 36+37).
Hier hören wir
erstmals etwas von Barnabas, einem Reisegefährten des Apostels Paulus. Sein
Name bedeutet auf Aramäisch »Sohn des Prophezeiens« und darf als »Sohn des Zuspruchs« verstanden werden, denn »wer
prophetisch redet, spricht zu Menschen zur Auferbauung, zum Zuspruch und zum
Trost« (1.Kor.14:3).
Das Losteil
eines Leviten konnte nicht veräußert werden (3.Mose 25:34); dieses Feld muss
daher ein erworbenes gewesen sein (3.Mose 25:33). Im Königreich wird Barnabas
einen Anteil im Losteil der Leviten besitzen (Hes.48:13,14). Er hatte gemäß
Sprüche 3:9 gehandelt: »Verherrliche Jewe aus deinem Vermögen und aus dem
Besten all deines Einkommens.«
Leider gab es
unter den Gläubigen in Jerusalem aber auch solche, die dem Herrn keine Ehre
machten. Ein Ehepaar spendete einen Teil des Erlöses aus seinem Freiacker, gab
aber vor, den ganzen Verkaufserlös zu geben. Das war eine vorsätzliche Lüge.
Wir lesen
davon in Kapitel 5:1-4:
»Aber ein Mann
namens Ananias mit seiner Frau Sapphira verkaufte erworbenes Gut und
unterschlug etwas vom Erlös mit Wissen der Frau. Er brachte also nur einen Teil
und legte ihn zu Füßen der Apostel. Da sagte Petrus: Ananias, warum hat Satan
dein Herz erfüllt, dass du den Geist, den heiligen, belogen und von dem Erlös
des Freiackers etwas unterschlagen hast? Blieb er nicht dein, wenn er unverkauft
blieb? Und veräußert, gehörte er nicht unter deine Vollmacht? Wieso hast du dir
diese Sache in deinem Herzen vorgenommen? Du belügst nicht Menschen, sondern
Gott!« (Verse 1-4).
Ananias und
Sapphira hatten so getan, als ob sie den ganzen Erlös gäben. Der Geist Gottes
aber hatte Petrus den wahren Sachverhalt offenbart; auch unser Herr Jesus
Christus wusste ja, ohne dass er ein Zeugnis brauchte, was in einem jeden
Menschen ist (Joh.2:25).
Petrus nannte
auch den Anstifter: der Satan. Wer Sünde tut, ist vom Satan (1.Joh.3:8). Wer
lügt, hat den Satan, den Vater der Lüge, zum Vater (Joh.8:44). Jeder aber, der
aus Gott gezeugt ist, tut Gerechtigkeit, sündigt nicht und bewahrt sich selbst,
und der Böse rührt ihn nicht an (1.Joh.2:29; 5:18). - Wie wir uns vor dem Satan
zu bewahren haben, ist uns aus Epheser 6:10-17 bekannt.
Ananias und
Sapphira hatten nicht nur die Gemeinde belogen, sondern in erster Linie Gott,
der durch Seinen Geist anwesend war.
Nachdem Petrus
gesprochen hatte, geschah Folgendes:
»Als Ananias
diese Worte hörte, fiel er um und war entseelt. Da kam große Furcht über alle,
die dies hörten. Die Jüngeren aber standen auf, hüllten ihn in Tücher, brachten
ihn hinaus und begruben ihn« (Verse 5+6).
Der Zeitpunkt
war gekommen, dass das Urteil beim Hause Gottes, das heißt hier: bei der
herausgerufenen Gemeinde, anfange (1.Pet.4:17). In der pfingstlichen
heilsgeschichtlichen Verwaltung, in der die Kräfte des zukünftigen Äons wirkten
(Heb.6:5), wurden Sünden recht bald und streng geahndet, um die Gemeinden rein
zu erhalten. Im Königreich herrscht Gerechtigkeit; Sünden werden nicht
geduldet. Die Lügner und alle Falschen werden die zwei noch kommenden Äonen im
zweiten Tod verbringen (Off.21:8; 22:15), denn »wer Betrug verübt inmitten
meines Hauses, wer Falschheit redet, soll nicht befestigt werden vor meinen
Augen«, sagte König David (Ps.101:7). Ananias verlor seinen Platz im Königreich
Israels und das äonische Leben. Er hatte seine Berufung und Auserwählung nicht
durch edle Werke befestigt, sodass er hätte da hineingelangen können
(2.Pet.1:10,11).
Ananias hatte
eine Sünde zum Tode begangen, für die man nicht bitten soll (1.Joh.5:16). Er
hatte freiwillig, vorsätzlich, vollmächtiglich gehandelt, nachdem er die
Wahrheit hatte erkennen dürfen; mithin blieb für ihn kein Opfer mehr übrig, es
gab keine Möglichkeit der Vergebung mehr, sondern nur ein furchtbares Abwarten
des Gerichts (Heb.10:26,27). Dies entsprach dem Gesetz des Mose, wonach jemand,
der mit hoher Hand, also wissentlich und willentlich, sündigte und somit das
Wort Jewes verachtete und Seine Gebote unterhöhlte, Jewe lästerte und aus dem
Volk auszurotten war (4.Mose 15:30,31).
»Nach Verlauf
von etwa drei Stunden aber trat auch seine Frau herein, die nichts von dem
Geschehenen wusste. Da wandte sich Petrus mit der Frage an sie: Sage mir, ob
ihr den Freiacker für so viel weggabt? - Und sie erwiderte: Ja, für so viel. -
Darauf sagte Petrus zu ihr: Wieso habt ihr vereinbart, den Geist des Herrn zu
versuchen? Siehe, die Füße derer, die deinen Mann begruben, stehen vor der Tür
und werden auch dich hinausbringen!« (Verse 7-9).
Petrus sprach
gegenüber Sapphira von der Versuchung des Geistes Jesu, mit anderen Worten: von
einem Auf-die-Probe-stellen Jesu. Dies war dem Ehepaar wahrscheinlich gar nicht
klar gewesen; es war aber Tatsache, dass sie Gott praktisch herausforderten,
wie weit man gegen Ihn handeln könne oder wie viel Er Sich gefallen ließe, bis
Er richtend reagiert.
»Und auf der
Stelle fiel sie zu seinen Füßen nieder und war entseelt. Als die jungen Männer
hereinkamen, fanden sie sie tot; sie brachten sie hinaus und begruben sie neben
ihrem Mann. Da kam große Furcht über die ganze herausgerufene Versammlung und
über alle, die dies hörten« (Verse 10+11).
Mögen wir
ebenfalls Gott fürchten, nicht etwa, weil wir tot umfallen, sondern weil wir
Ihn kränken, mit einer Sünde verletzen könnten. So sind uns Ananias und
Sapphira warnende Vorbilder geworden (1.Kor.10:6). Diese beiden Gläubigen
hatten also das äonische Leben nicht bleibend in sich (1.Joh.3:15).
Nach dem
Evangelium der überströmenden Gnade, das dem Apostel Paulus für uns, die
Glieder der Gemeinde, die Christi Körper ist, und für die gegenwärtige
heilsgeschichtliche Verwaltung enthüllt wurde (Gal.1:12; Eph.1:22,23; 3:2;
Kol.1:25), verhält es sich ganz anders. Wir sind mit heiligem Geist versiegelt
(2.Kor.1:22; Eph.1:13) und können unsere Rettung zum Leben in den beiden
zukünftigen Äonen nicht verlieren - zum Lobpreis der Herrlichkeit Seiner Gnade!
Im Übrigen: »Die Er aber vorherbestimmte [dem Bilde Seines Sohnes
gleichgestaltet zu werden], diese beruft Er auch; und die Er beruft, diese
rechtfertigt Er auch; die Er aber rechtfertigt, diese verherrlicht Er auch«
(Röm.8:30).
Wir werden vor
der Bühne des Christus, vor Seiner Preisrichterbühne, offenbar gemacht werden,
und jeder von uns wird wiederbekommen, was er im Körper verübte, sei es gut
oder schlecht (2.Kor.5:10; Röm.14:10; Eph.5:5), also Lob und Lohn erhalten oder
Verlust an Lob und Lohn hinnehmen müssen (1.Kor.3:8,14; 4:5). Als Gerettete
erfahren wir diesen Gnadenerweis zum Zweck unserer völligen Zurechtbringung.
Die folgenden Verse 12 bis 16 berichten nicht
von einem besonderen Ereignis, sondern vom allgemeinen, alltäglichen Geschehen
in der Gemeinde und ihrem Umfeld.
»Durch die
Hände der Apostel geschahen viele Zeichen und Wunder unter dem Volk. Alle
Gläubigen waren einmütig in der Halle Salomos zusammen« (Vers 12).
Was die
Gemeinde erbeten hatte, nämlich trotz der Drohungen des Synedriums (Ap.4:21)
Freimut zur Verkündigung zu haben, begleitet von durch den Namen Jesu
geschehenden Zeichen und Wundern (Ap.4:29,30), war ihr gewährt worden. Das
Zeugnis der Apostel, dass Jesus der Auferstandene und der Messias ist,
bestätigte der Herr durch sichtbare Ereignisse (Heb.2:4). Das Königreich
Israels wurde somit in idealer Weise durch jene dereinst darin wirkenden Kräfte
(Heb.6:5) verkündigt. Man konnte ansatzweise einen Blick in das Königreich tun.
Glückselig
ist, wer glaubt, ohne zu schauen (Joh.20:29); generell aber war es Gottes Weg
mit Israel, es durch Schauen zum Glauben zu führen. - Heute wandeln wir hier
auf Erden nur durch Glauben und nicht durch Wahrnehmung (2.Kor.5:7). Wir leben
in der heilsgeschichtlichen Verwaltung, die im Glauben besteht (1.Tim.1:4).
Die Gläubigen
in Jerusalem trafen sich natürlich auch hin und her in den Häusern (Ap.2:46;
5:42), ihr allgemeiner Treffpunkt aber war die Halle Salomos, ein Wandelgang in
der Weihestätte. Wieder wird die Einmütigkeit der Heiligen betont (Ap.2:46);
sie waren eines Sinnes auf den Lobpreis Gottes ausgerichtet.
»Aber von den Übrigen dort wagte niemand,
sich ihnen anzuschließen; doch das Volk erhob sie hoch. Immer mehr glaubten an
den Herrn, und so wurde eine Menge Männer wie auch Frauen hinzugefügt« (Verse
13+14).
Unter den
Übrigen dort dürften die zu verstehen sein, die regelmäßig in der Weihestätte
zu tun hatten und es ihres Ansehens wegen nicht wagten, sich den Gläubigen
anzuschließen, wahrscheinlich aber auch viele aus dem Volk, die die Apostel und
die Gläubigen zwar hoch schätzten, sich ihnen aber deshalb nicht angliedern
wollten, weil seit dem Tod von Ananias und Sapphira große Furcht vor Gott auf
ihnen lag, der keine Sünde duldete (Ap.4:11). Die dem Königreich Israels
eigene, absolute Gerechtigkeit Jesu Christi würde absichtlich begangene Sünden
nicht ungestraft lassen. Es war also ein Wagnis, das man ohne entschiedene
Umsinnung nicht eingehen konnte.
Im Königreich
wird die Furcht vor der Herrlichkeit des Königs nicht nur zur Folge haben, dass
die Sünde eingedämmt wird, sondern auch, dass manche ihre Unterwerfung heucheln
(Ps.66:3; 81:16).
Nun, viele aus
dem Volk glaubten und gesellten sich zu den Gläubigen; so wuchs die
Herausgerufene.
Am Rande sei
angemerkt, dass es bei uns Gläubigen heute nicht die Furcht, sondern die Gnade
ist, die uns erzieht, die Unfrömmigkeit und die weltlichen Begierden abzulegen
und vernünftig, gerecht und fromm in dem jetzigen Äon zu leben (Tit.2:11,12).
Und wenn wir unsere Heiligkeit auch in der Furcht Gottes vollenden (2.Kor.7:1),
so ist es doch die Gnade, die uns dazu kräftigt (2.Tim.2:1).
Viele wurden geheilt
Es schließen sich die Verse 15 und 16 an:
»Daher brachte man auch die Kranken und Schwachen auf die breiten Straßen hinaus
und legte sie auf Tragbetten und Matten, damit, wenn Petrus käme, wenigstens
sein Schatten einen von ihnen beschattete. Es kam aber auch die Bevölkerung der
um Jerusalem gelegenen Städte zusammen und bracht Kranke und Schwache sowie von
unreinen Geistern Belästigte, die sämtlich geheilt wurden.«
Dies erinnert
uns an Matthäus 10:1-8: »Dann rief Er Seine zwölf Jünger zu Sich und gab ihnen
Vollmacht, unreine Geister auszutreiben und jede Krankheit und jede
Gebrechlichkeit zu heilen. ... Jesus wies sie an: Geht nicht auf den Weg zu den
Nationen hin und geht nicht in eine Stadt der Samariter hinein! Geht vielmehr
zu den verlorenen Schafen des Hauses Israel! Wo ihr geht, da heroldet: Das
Königreich der Himmel hat sich genaht! - Heilt Kranke und Schwache, erweckt
Tote, reinigt Aussätzige, treibt Dämonen aus! Umsonst habt ihr es erhalten,
umsonst gebt es weiter!«
Was den
Schatten des Petrus betrifft: nicht der Schatten hatte Heilkraft, sondern sogar
ohne aktive menschliche Betätigung sollte der vom Schatten Getroffene nach
Gottes Willen und Kraft geheilt werden - zum Lobpreis Seines Herrlichkeit.
Niemand konnte auf den Gedanken kommen, dass die Heilung des Petrus Werk
gewesen wäre; es war allein des Herrn Werk. Wie heißt es in Jesaia 26:12? »All
unser Tun wirktest Du, Jewe, uns.« Gott tut Seine Werke - auch durch uns.
Des Petrus
Schatten darf den Schatten Jewes in uns anklingen lassen, wovon wir in Psalm
36:8 lesen: »Wie kostbar ist Deine Huld, Elohim! Die Menschensöhne nehmen
Zuflucht in dem Schatten Deiner Flügel«; und in Psalm 63:1+8: »Elohim, mein El
bist Du. ... Im Schatten Deiner Flügel darf ich jubeln.«
Die Kranken
mögen durchaus geglaubt haben, dass Jesus Christus sie heilen werde und sie
geheilt hat, und viele werden darüber auch wirklich zum Glauben gekommen sein;
gleichwohl steht hier aber das Zeichen auf das kommende Königreich im
Vordergrund. Dem Volk Israel sollte dieses deutliche Zeichen seines Messias
gegeben werden.
Der Anbruch
des Königreichs schien nahe bevorzustehen! Möge doch ganz Israel glauben, dass
Jesus der Messias ist!
(Apostelgeschichte 5:17-42)
Viele Zeichen und Wunder geschahen durch die
Hände der Apostel unter dem Volk, darunter auch viele Krankenheilungen.
»Dagegen trat nun der Hohepriester auf samt
allen, die es mit ihm hielten (das war die Sekte der Sadduzäer). Sie wurden von
Eifersucht erfüllt, legten die Hände an die Apostel und setzten sie in
öffentlichen Gewahrsam« (Verse 17+18).
Es muss für
die Sadduzäer, die jede Auferstehung und die Existenz von Geistern leugneten,
unerträglich gewesen sein, dass Jesus auferstanden sein und Wunder tun solle
sowie in Seinem Namen böse Geister ausgetrieben wurden. Aber auch alle anderen
Oberen mussten dringend eingreifen, damit die neue Bewegung nicht ihrer
Kontrolle entgleite. Ihre Eifersucht, die Wegbereiterin weiterer Sünden bis hin
zum Mord, war nicht mehr zu bremsen, wie es auch in den Sprüchen 27:4
geschrieben steht: »Grausam ist der Grimm und überflutend der Zorn, die
Eifersucht aber - wer kann vor ihr bestehen?« Die Eifersucht walzt alle
Hemmungen nieder.
Die Apostel -
vermutlich alle zwölf - widersetzten sich ihrer Festnahme nicht. Eingedenk von
2.Mose 14:14: »Jewe wird für euch streiten, und ihr, ihr sollt stille
schweigen«, vertrauten sie ihrem Herrn und überließen Ihm ihr weiteres Ergehen.
»Doch während der Nacht öffnete ein Bote des
Herrn die Türen des Gefängnisses, führte sie hinaus und sagte: Geht hin, tretet
in der Weihestätte auf und sprecht zu dem Volk alle diese Lebensworte. - Als
sie das gehört hatten, gingen sie in der Frühe in die Weihestätte und lehrten«
(Verse 19-21 a).
Bei Gott sind
alle Dinge möglich (Mat.19:26). Es erfüllte sich Psalm 34:8: »Der Bote Jewes
lagert sich ringsum die, welche Ihn fürchten, und Er wird sie befreien.« Boten
sind ein Amt versehende Geister, zum Dienst ausgeschickt um derer willen, denen
die Rettung zugelost werden soll (Heb.1:14).
Und dann
sprachen die Apostel weiterhin alle die Lebensworte, die Worte des
Auferstandenen und Lebendigen, die zum Leben zeugen. Jesus hat Worte äonischen
Lebens (Joh.6:68). Wer Jesus hat, hat das äonische Leben (1.Joh.5:11,12), wird
also in den kommenden Äonen leben.
Bei der ersten
Gefangennahme, und zwar der Apostel Petrus und Johannes, wurden sie nicht aus
dem Gefängnis befreit (Ap.4:3-7). Das Zeugnis des geheilten Gelähmten war schon
eindrücklich genug. Nun aber bekamen die Oberen Israels ein weiteres, noch
gewaltigeres Zeugnis der Kraft Jesu Christi und zugleich der Schwachheit des
Synedriums. Damit sollte allen eigentlich klar sein, dass jede Gegnerschaft
gegen den Herrn und die Seinen Unsinn ist.
Das Zeugnis
der wunderbaren Befreiung wird noch übertroffen von dem Freimut der Apostel,
wieder in die Weihestätte zu gehen und zu lehren.
Was den Dienst
der Boten anbelangt, ist es in der gegenwärtigen, dem Paulus gegebenen
heilsgeschichtlichen Verwaltung (Eph.3:2) anders. Da sind wir es, die den Boten
dienen. Heute macht Gott Seine mannigfaltige Weisheit durch uns den
Fürstlichkeiten und Obrigkeiten inmitten der überhimmlischen Geschöpfe bekannt
(Eph.3:10). Nirgendwo steht geschrieben, dass Boten uns dienen. Wir, die
Körpergemeinde, sind Glieder Christi, unseres Hauptes (Kol.1:18). Wir sind
nicht mit den Boten verbunden, sondern mit dem Haupt der Boten
(Kol.2:10,18,19). Seiner Braut, dem wiedergezeugten Israel, lässt Er
Botendienste angedeihen, für die Glieder Seines Körpers aber sorgt unser Haupt
unmittelbar.
»Wir fanden niemand darinnen!«
Sodann begab es sich an jenem Morgen:
»Nachdem der Hohepriester und die mit ihm herzugekommen waren, riefen sie das
Synedrium und den gesamten Greisenrat der Söhne Israels zusammen und schickten
ins Gefängnis, um sie vorführen zu lassen. Als die Gerichtsdiener dort ankamen,
fanden sie sie im Gefängnis nicht vor. Da kehrten sie um und berichteten: Wir
fanden das Gefängnis mit aller Sorgfalt verschlossen und die Wächter an den
Türen stehen; doch als wir diese öffneten, fanden wir niemand darinnen. - Als
der Hauptmann die Weihestätte wie auch die Hohenpriester diese Worte hörten,
waren sie ihretwegen betroffen und wussten nicht, was wohl daraus werden
möchte« (Verse 21 b-24).
Die
Gerichtsdiener müssen an ihrem Verstand gezweifelt haben, und dem Hohen Rat
hatte es die Sprache verschlagen. Es musste ihnen bewusst geworden sein, dass
sie es mit einer höheren Macht zu tun hatten. Ob sie jetzt Jesus als den
Messias anerkennen? Ihre Entscheidung wäre für das ganze Volk maßgebend.
»Da kam jemand
herzu und berichtete ihnen: Siehe, die Männer, die ihr ins Gefängnis legtet,
sind in der Weihestätte; dort stehen sie und lehren das Volk! - Dann ging der
Hauptmann mit den Gerichtsdienern hin und ließ sie abführen, doch nicht mit
Gewalt, um nicht etwa gesteinigt zu werden; denn sie fürchteten das Volk. So
führte man sie herbei und stellte sie vor das Synedrium. Darauf befragte der
Hohepriester sie und sagte: Mit strenger Anweisung hatten wir euch geheißen,
nicht aufgrund dieses Namens zu lehren. Und siehe, ihr habt Jerusalem mit eurer
Lehre erfüllt in der Absicht, das Blut dieses Menschen über uns zu bringen!«
(Verse 25-28).
Der
Hohepriester fragte sie nichts; er wollte nichts wissen, noch nicht einmal, wie
sie aus dem Gefängnis herausgekommen waren, denn das Wunder war zu deutlich,
und die Antwort der Apostel hätte ihn nur noch mehr in Verlegenheit gebracht.
So warf er ihnen vor, gegen seine Anweisung, aufgrund des Namens Jesu nichts
mehr verlauten zu lassen, gehandelt zu haben (Ap.4:18). Den Aposteln war es
aber unmöglich, nicht von dem zu sprechen, was sie gewahrt und gehört hatten
(Ap.4:20).
Der
Hohepriester unterstellte den Aposteln die böse Absicht, das Blut Jesu über sie
bringen zu wollen. Diese Redewendung bedeutet, dass die Strafe für den Tod
eines Menschen auf jemanden komme oder dass man für das vergossene Blut eines
Menschen zur Rechenschaft gezogen werde. Als Pilatus sagte: »Ich bin unschuldig
am Blut dieses Gerechten; seht ihr zu!«, antwortete das gesamte Volk: »Sein
Blut komme über uns und über unsere Kinder!« (Mat.27:24,25); das heißt wir sind
bereit, die Strafe zu tragen, falls es Unrecht sein sollte, oder wir werden
Rechenschaft ablegen, wobei sich unsere Unschuld erweisen wird.
Die Entgegnung beginnt mit Vers 29: »Petrus
und die [anderen] Apostel antworteten: Man muss sich Gott eher fügen als den
Menschen!«
Die Apostel
wiederholten im Grunde das beim ersten Verhör bereits Klargestellte: »Urteilt
selbst, ob es vor Gottes Augen gerecht ist, auf euch eher als auf Gott zu
hören« (Ap.4:19). Damit verkündigten sie mit aller Entschlossenheit, dass sie
Gott gehorchen werden und nicht dem Synedrium.
Jesus Christus
hatte die Apostel beauftragt, Seine Zeugen zu sein, Zeugen Seiner Auferstehung
(Ap.1:8). Und da sie ihren Herrn liebten, hielten sie Seine Gebote (Joh.14:15).
Hätten die Ältesten Israels doch ebenfalls
Gott gehorcht, wie der Prophet Samuel einst gesagt hatte: »Hat Jewe denn mehr
Gefallen an Brandopfern und Schlachtopfern als daran, der Stimme Jewes zu
gehorchen? Siehe, gehorchen ist gut, besser als Schlachtopfer, aufzumerken
besser als das Fett der Widder!« (1.Sam.15:22).
Der erklärte
Ungehorsam der Apostel gegenüber ihrer ungläubigen, religiösen Obrigkeit war
genau richtig und Gott wohlgefällig. Unser Verhältnis zur politischen Obrigkeit
ist davon nicht berührt. Wir gehorchen ihr (Röm.13:1-7). Sollte die Regierung
uns aber vorschreiben wollen, was wir zu glauben hätten oder wie wir unseren
Glauben auszuüben hätten, werden wir ihr allerdings nicht folgen können. Über
die normalen Rechtsmittel hinaus haben wir kein Widerstandsrecht, sondern
werden uns dann zum Leiden anschicken müssen.
Nicht nur
Paulus, sondern auch Petrus schrieb klar: »Ordnet euch jeder menschlichen
Ordnung unter um des Herrn willen, sei es dem König als dem über allen
Stehenden oder den Regierenden als den von ihm Gesandten. ... Ehret alle
Menschen, liebt die Bruderschaft, fürchtet Gott und ehret den König«
(1.Pet.2:13-17).
Für den Fall,
dass die politische Obrigkeit die Grenzen ihres Regierungsauftrags
überschreitet und sich in Glaubensdinge einmischt, haben wir in Daniel 3:16-18
ein gutes Beispiel für unser Verhalten: »Sadrach, Mesach und Abednego gaben dem
König zur Antwort: Nebukadnezar, es ist wohl nicht notwendig, dass wir dir auf
diesen Bescheid etwas erwidern. Sollte es tatsächlich geschehen, unser Elah in
den Himmeln, dem wir dienen, vermag uns aus dem glühenden Feuerofen zu
erretten. Sollte Er es aber nicht tun, so sei dir kundgetan, o König, dass wir
tatsächlich deinen Göttern nicht dienen und die goldene Bildsäule, die du
aufgestellt hast, nicht anbeten werden.«
Sodann bezeugten die Apostel: »Der Gott
unserer Väter hat Jesus auferweckt, an den ihr die Hand gelegt und Ihn ans Holz
gehängt habt« (Vers 30).
Hiermit
brachten die Apostel deutlich zum Ausdruck, dass die Ältesten des Volkes die
Mörder des Messias waren. Jene werden es zähneknirschend vernommen haben.
Wenn der »Gott
der Väter«, also Jewe, der Elohim Abrahams, Isaaks und Jakobs (2.Mose 3:15),
auf den das Synedrium so stolz war, Jesus auferweckt hatte, dann hat Er Ihn als
den Messias bestätigt, und dann galt es allen, sich Ihm zuzuwenden und Ihm zu
gehorchen.
Die
Formulierung »ans Holz gehängt« wird die Oberen an 5.Mose 21:23 erinnert haben,
wonach ein ans Holz Gehängter ein Fluch Gottes für das Land ist. Nun aber war
Er auferweckt worden und lebte. Es wäre zuviel verlangt, dass das Synedrium
hätte erkennen sollen, dass der, der den Fluch der Sünde trug und aus dem Land
wegtrug, dem Land nunmehr nur noch Segen bringen kann. Christus hatte die Juden
aus dem Fluch des Gesetzes erkauft (Gal.3:13). Und des Weiteren wurde Er zum
Träger des Fluchs, »damit der Segen Abrahams in Jesus Christus unter die
Nationen gebracht werde, sodass wir« - so schreibt der Apostel Paulus in
Galater 3:14 - »die Verheißung des Geistes durch den Glauben erhalten mögen.«
Zum Retter erhöht
Und dann durften die Apostel den Ältesten das
herrliche Evangelium verkündigen: »Diesen hat Gott zum Urheber und Retter zu
Seiner Rechten erhöht, um Israel Umsinnung und Sündenerlass zu geben« (Vers
31).
Gott hat den
Christus - Jesus ist der Christus - zu Seiner rechten Hand erhöht. Nachdem
Jesus die Reinigung von den Sünden vollbracht hatte, hat Er Sich zur Rechten der
Majestät in den Himmeln niedergesetzt (Eph.1:20; Heb.1:3; 8:1; 1.Pet.3:22). Um
Seines Gehorsams bis zum Tode willen hat Gott Ihn so überaus hoch erhöht
(Phil.2:9).
Da Jesus die
Sünden in Seinem Körper an das Holz hinaufgetragen hat, damit Israel von den
Sünden abkomme und - durch dessen Striemen geheilt - der Gerechtigkeit lebe
(1.Pet.2:24), ist Er nun zum Urheber ihrer Rettung geworden (Heb.2:10). Er ist
übrigens auch der Urheber des Glaubens (Heb.12:2) und der Urheber des Lebens
(Ap.3:15).
Er war auf die
Erde gekommen, um Sein Volk von ihren Sünden zu retten (Mat.1:21). Dies
geschieht dadurch, dass Er ihnen ihre Sünden erlässt, und zwar aufgrund der
Tatsache, dass Er ihre Vergehungen auf Sich nahm, wie bereits in Jesaia 53:11
zu lesen.
Der Sündenerlass
wird denen zuteil, die Jesus glauben und umsinnen. Er Selbst gibt Israel
Umsinnung (oder: Sinnesänderung), indem Seine Auserwählten Seine Stimme hören,
die sie zur Umsinnung führt.
Umsinnung und
Sündenerlass (oder: Sündenvergebung) sind zwei eng zusammenhängende Begriffe:
der eine nennt die Bedingung, der andere die Folge. Dies geht auch aus Lukas
3:3 hervor, wo es von Johannes dem Täufer heißt: »Daraufhin zog er durch die
gesamte Gegend um den Jordan und heroldete die Taufe der Umsinnung zur Erlassung
der Sünden.« Ebenso hatte es auch Petrus zu Pfingsten verkündigt: »Sinnet um,
und jeder von euch lasse sich auf den Namen Jesu Christi zur Erlassung eurer
Sünden taufen, so werdet ihr das Geschenk des heiligen Geistes erhalten«
(Ap.2:38). Die Wassertaufe war das Zeichen der Umsinnung.
Wir dagegen,
die Glieder der Körpergemeinde (Eph.1:22,23), werden nach dem Evangelium des
Apostels Paulus in der gegenwärtigen heilsgeschichtlichen Verwaltung der
überströmenden Gnade (Eph.3:2; Kol.1:25) allein durch Glauben von allen Sünden
gerechtfertigt - weit weg von allen Sünden; an Schuld ist nicht mehr zu denken.
Wir sind übrigens nicht nur frei von den Sünden, sondern darüber hinaus sogar
gerechtfertigt, für gerecht erklärt.
Wir sind Zeugen!
Die Apostel schlossen ihre Rede mit den
Worten: »Für diese Dinge sind sowohl wir Zeugen als auch der Geist, der
heilige, den Gott denen gibt, die sich Ihm fügen« (Vers 32).
Dieses Wort
räumte den Mitgliedern des Synedriums die Möglichkeit ein, sich zu fügen, also
an Jesus zu glauben und umzusinnen, sich Ihm unterzuordnen und Ihm zu
gehorchen. Dann würden sie den Geist Gottes erhalten (Joh.7:39).
Die Apostel
waren Zeugen, weil sie den Auferstandenen gesehen haben, und der Geist war
Zeuge, weil er ihr Zeugnis durch Zeichen und Wunder bestätigte (Joh.15:26;
Heb.2:4). - Leider wird Israel die Sünde wider den heiligen Geist begehen
(Mat.12:31,32), indem es dieses Zeugnis des Geistes ablehnt.
Wie wird das Synedrium reagieren? Lukas
berichtet: »Als jene das hörten, waren sie zutiefst verletzt und hatten die
Absicht, sie hinrichten zu lassen« (Vers 33).
Der Hohe Rat
verbohrte sich immer tiefer in seinen Hass gegen Jesus. Hatten sie nicht
gezögert, den Gesalbten Gottes kreuzigen zu lassen, so waren sie auch jetzt
entschlossen, Seine Apostel zu töten. Es ist in dieser Welt nun einmal so, dass
man Sünden dadurch zu vertuschen sucht, dass man diejenigen, die sie
offenlegen, beseitigt.
»Da stand ein gewisser Pharisäer namens Gamaliel
im Synedrium auf, ein vom gesamten Volk geehrter Gesetzeslehrer, und befahl,
die Menschen kurze Zeit hinausgehen zu lassen. Dann sagte er zu den
Versammelten: Männer, Israeliten, nehmt euch selbst bei eurem Vorhaben in Acht,
was ihr diesen Menschen antun wollt! Denn vor diesen Tagen stand Theudas auf
und behauptete, er sei etwas Besonderes; und ihm war eine Anzahl Männer, etwa
vierhundert, zugeneigt; doch er wurde hingerichtet, alle, die sich von ihm
hatten überreden lassen, wurden völlig aufgelöst und sind zunichte geworden.
Nach diesem stand in den Tagen der Eintragung der Galiläer Judas auf und
brachte das Volk, das ihm nachfolgte, zum Abfall. Jener kam ebenfalls um, und
alle, die sich von ihm hatten überreden lassen, wurden versprengt« (Verse 34-37).
Bei Gamaliel
dürfte es sich um denselben Mann handeln, zu dessen Füßen der Pharisäer Saulus
von Tarsus in Jerusalem in der genauen Auslegung des väterlichen Gesetzes
unterwiesen wurde (Ap.22:3). Gamaliel soll der Sprecher der Partei der
Pharisäer im Synedrium gewesen sein. Er riet von einem unüberlegten und
voreiligen Handeln ab.
Über Theudas
wissen wir weiter nichts.
Der Galiläer
Judas war von der Zeit der Eintragung im Jahre 3 v. Chr. unter Kaiser Augustus
an aktiv (Luk.2:1). Der jüdische Geschichtsschreiber Josephus Flavius berichtet
über ihn in seinen Büchern »Jüdische Altertümer« (18,1,1) und »Geschichte des
Jüdischen Krieges« (2,8,1).
Gamaliel fuhr fort: »Und nun sage ich euch:
Steht von diesen Menschen ab und lasst sie frei; denn wenn dieser Ratschluss
oder dieses Werk von Menschen ausgeht, wird es zerstört werden. Wenn es aber
aus Gott ist, werdet ihr sie nicht zerstören können - damit ihr nicht gar als
gegen Gott kämpfend erfunden werdet!« (Verse 38+39 a).
Der Rat des
Gamaliel war ernst zu nehmen, damit der Hohe Rat nicht gar als Gegner Gottes
erfunden werde! Zwar kämpften sie längst ständig gegen Gott, von ihrer
Feindschaft gegen Jesus an, in diesem Falle aber - nach der wunderbaren
Befreiung der Apostel aus dem Gefängnis und da sie nicht wie der Galiläer Judas
zum Abfall vom Gesetz aufriefen - sollten sie auf Gott vertrauen, der es in der
Hand hat, ob die Lehre Jesu untergehe oder Bestand habe.
Im Grunde wich
Gamaliel der Entscheidung, den Aposteln zu glauben oder nicht, feige aus;
gleichwohl gebrauchte Gott dessen Rat, um die Apostel vor der Hinrichtung zu
retten. Außerdem war seine Annahme, dass ein von Menschen ausgehendes Werk
zerstört würde, falsch; sie stimmt nur im Hinblick auf die Zukunft, noch aber
hat Jesus Christus die Werke des Satans nicht niedergerissen (1.Joh.3:8).
Hören wir
hierzu drei Bibelworte: »Wenn Jewe nicht das Haus baut, so mühen sich seine
Erbauer an ihm mit Nichtigkeit« (Ps.127:1). »Es gibt keine Weisheit und kein
Verständnis und keinen Ratschluss von Bestand, wenn gegen Jewe gerichtet«
(Spr.21:30; vgl. Jes.8:10). Und unser Herr Jesus bestätigte dies mit den
Worten: »Jede Pflanze, die Mein himmlischer Vater nicht gepflanzt hat, wird
entwurzelt werden« (Mat.15:13).
Nun, das Werk
der Apostel war aus Gott, mit den Worten von Jesaia 26:12 gesagt: »Jewe, ...
all unser Tun wirktest Du uns.«
Im Übrigen
wird auch das dem Apostel Paulus eigens für uns enthüllte (Gal.1:12; 2:7) und
ihm anvertraute Evangelium der überströmenden Gnade bis zum Tag Christi nicht
mundtot gemacht werden können (2.Tim.1:12). Auch die herausgerufene Gemeinde,
die Christi Körper ist (Eph.1:22,23), wird bis zum Tag Christi auf der Erde
bestehen, zumal wir zwar alle verwandelt, aber nicht alle entschlafen werden
(1.Kor.15:51; 1.Thess.4:15-17).
Das Ergebnis der Beratung des Synedriums war:
»Da ließen sie sich von ihm überzeugen. Man rief die Apostel herein, peitschte
sie aus und wies sie an, nicht mehr aufgrund des Namens Jesu zu sprechen; dann
ließ man sie frei. Nun gingen sie freudevoll vom Angesicht des Synedriums fort,
weil sie gewürdigt worden waren, um Seines Namens willen entehrt zu werden«
(Verse 39 b-41).
Die
Auspeitschung war wohl als Strafe für den Verstoß gegen das frühere Verbot,
aufgrund des Namens Jesu zu lehren, gedacht (Ap.4:18; 5:28).
Ja, es ist
eine Ehre, die Gott den Seinen zuteil werden lässt, ihre Liebe zum Herrn auch
unter Drangsalen erweisen zu dürfen. In diesem bösen Äon (Gal.1:4) muss man um
des Namens Jesu willen leiden (Ap.9:16). »Aber auch alle, die fromm leben
wollen in Christus Jesus, werden verfolgt werden« (2.Tim.3:12). Paulus schrieb:
»In Gnaden ist euch für Christus gewährt: nicht allein an Ihn zu glauben,
sondern auch für Ihn zu leiden, indem ihr denselben Ringkampf habt, derart wie
ihr ihn an mir gewahrt und nun von mir hört« (Phil.1:29,30). Petrus führte aus:
»Geliebte, lasst euch die unter euch zur Probe entstandene Feuersbrunst der
Leiden nicht befremdlich sein, als ob euch etwas Fremdes widerführe, sondern in
dem Maße, wie ihr an den Leiden des Christus teilnehmt, freut euch, damit ihr
auch bei der Enthüllung Seiner Herrlichkeit frohlocken und euch freuen mögt.
Wenn ihr wegen des Namens Christi geschmäht werdet, seid ihr glückselig, da der
Geist der Herrlichkeit und der Kraft und der Geist Gottes auf euch ruht«
(1.Pet.4:12-14). Und unser Herr Jesus Christus sagte: »Glückselig seid ihr,
wenn man euch Meinetwegen schmäht und verfolgt« (Mat.5:11).
Am Ende unseres Kapitels vernehmen wir mit
Freude: »Sie hörten nicht auf, jeden Tag in der Weihestätte und in Häusern zu
lehren und als Evangelium zu verkündigen: Jesus ist der Christus!« (Vers 42).
Die Apostel
hatten trotz der erbitterten Feindschaft des Synedriums in der Kraft heiligen
Geistes weiterhin den Freimut, das Wort Jesu zu lehren. Das Evangelium vom
Königreich Israels, das sie verkündigten, hatte die Aussage zum Kern, dass
Jesus der Christus ist. Jesus von Nazareth und kein anderer ist der verheißene
Messias!
Es lässt sich
auch übersetzen: Sie verkündigten den Christus Jesus oder: den Gesalbten:
Jesus!
Auch wir
bezeugen und verkündigen freudigen Herzens: Jesus ist der Christus, Er ist der
Retter aus Sünde und Tod, Er hat alles vollbracht! In Seinem Blut sind wir
gerechtfertigt, durch Seinen Tod mit dem Vater ausgesöhnt (Röm.5:9,10).
Ihm sei
Lobpreis, Dank und Verherrlichung dargebracht!
Die Rede des
Stephanus, Teil I
(Apostelgeschichte 6:1-7:22)
»In jenen Tagen, als die Zahl der Jünger sich
mehrte, entstand ein Murren unter den Hellenisten gegen die Hebräer, weil ihre
Witwen bei der täglichen Handreichung übersehen wurden« (Ap.6:1).
Zwei Kapitel
vorher, in Apostelgeschichte 4:32-34, hatten wir gelesen, dass die Gläubigen in
Jerusalem ein Herz und eine Seele waren; auch nicht einer von ihnen sagte, dass
etwas von seinem erworbenen Besitz sein eigen sei, sondern sie hatten alles
gemeinsam, und kein Darbender war unter ihnen - dies alles aufgrund der Gnade,
die auf ihnen allen war.
Einige Zeit
später aber, etwa Ende des Jahres 32 oder Anfang des Jahres 33 n. Chr., hatte
sich eine Ungerechtigkeit eingeschlichen. Bei der täglichen Versorgung der
Witwen mit Gaben der Gemeinde wurden die Witwen der Hellenisten gegenüber denen
der Hebräer benachteiligt.
Hellenisten
waren Juden, die die Sitten und die Kultur der Griechen angenommen hatten und
die jüdischen Überlieferungen nicht mehr sonderlich beachteten. Hebräer waren
Juden, die die Traditionen des Judentums ernsthaft pflegten (Mat.15:2). Die
Hebräer schauten auf die Hellenisten herab.
»Darauf riefen die Zwölf die Menge der Jünger
zu sich und erklärten: Es ist nicht wohlgefällig, dass wir das Wort Gottes
vernachlässigen müssen, um die Tische zu bedienen. Daher, meine Brüder, seht
euch nach sieben Männern voll Geist und Weisheit unter euch um, denen ein guter
Ruf bezeugt wird; die wollen wir für dieses Bedürfnis einsetzen. Wir aber
werden im Gebet und dem Dienst am Wort anhalten« (Verse 2-4).
Beachten wir,
dass die Aufgaben in der Gemeinde, und seien sie von noch so praktischer Art,
nur von Gläubigen voll Geist und Weisheit und mit gutem Ruf ausgeübt werden
dürfen, weil jeder Dienst Gottesdienst ist und nach Gottes Willen zur
Auferbauung der Heiligen und zu Seiner Verherrlichung dienen soll.
Den Geist
hatten alle Gemeindeglieder aufgrund ihres Glaubens, ihrer Umsinnung und der
Wassertaufe (Ap.2:38), erfüllt damit waren aber nur die dem Herrn von ganzem
Herzen Treuen. Die Weisheit ist eine Gabe Gottes, um die man bitten möge
(Jak.1:3). Und ein guter Ruf - Paulus schreibt sogar: auch vor denen draußen;
1.Tim.3:7,8) - gehört auch dazu, um mit einer Aufgabe betraut zu werden.
Mit dieser
Aufteilung der Dienste nehmen wir Einblick in die Anfänge einer
Gemeindeordnung.
»Dieses Wort
war wohlgefällig in den Augen der gesamten Menge, und sie erwählten Stephanus,
einen Mann voll Glauben und heiligem Geist, ferner Philippus und Prochoros,
Nikanor und Timon, Parmenas und Nikolaus, einen Proselyten aus Antiochien.
Diese stellten sie vor die Augen der Apostel, die ihnen betend die Hände
auflegten« (Verse 5+6).
Die
Handauflegung unter Gebet war nicht nur ein Zeichen der Beauftragung unter der
Bitte um die Leitung durch den heiligen Geist, sondern damals auch die
definitive Ausrüstung mit geistgetragener Vollmacht und Kraft, einer Kraft, die
auch einschloss, Wunder zu tun (vgl. 5.Mose 34:9).
Die sieben uns
namentlich genannten Diakone nahmen nicht nur diese eine Aufgabe wahr. Über
fünf von ihnen wissen wir nichts Weiteres. Über Stephanus werden wir sogleich
Näheres hören. Über Philippus wird berichtet, dass er alsdann Christus in
Samaria verkündigte (Ap.8:5). Er durfte auch dem Kämmerer der äthiopischen
Königin auf der Straße nach Gaza dienen (Ap.8:26). Später wohnte er in Cäsarea
und wirkte dort als Evangelist (Ap.21:8).
Vers 7 unterrichtet uns über die allgemeine
Situation: »Das Wort Gottes breitete sich aus, und die Zahl der Jünger in
Jerusalem mehrte sich überaus. Auch eine große Schar von Priestern gehorchte
dem Glauben.«
Die von
Wundern begleitete Verkündigung des Wortes, das Zeugnis der Apostel und ihr
Freimut hatten viel Frucht gebracht. Sogar Priester ordneten sich von Herzen
der Lehre der Apostel unter.
»Stephanus aber, voll Gnade und Kraft, tat
große Wunder und Zeichen unter dem Volk. Da standen einige aus der Synagoge der
sogenannten Libertiner, Kyrenäer und Alexandriner auf sowie derer von Cilicien
und der Provinz Asien. Diese führten mit Stephanus Streitgespräche; doch
vermochten sie der Weisheit und dem Geist, mit dem er sprach, nicht zu
widerstehen« (Verse 8-10).
Es gab sehr
viele Synagogen in Jerusalem und auch viele Gruppierungen von Anhängern
bestimmter Synagogen, großenteils nach ihrer Herkunft. Vielleicht gehörte
Saulus von Tarsus der cilicischen Synagoge an, weil er von dort stammte. Die
Libertiner waren Freigelassene, wahrscheinlich die von Pompeius 63 v. Chr. nach
Rom verschleppten Juden, die später freigelassen wurden und nach Judäa
zurückgekehrt waren.
Keiner der
mosaisch-gläubigen Juden vermochte dem Stephanus zu widerstehen, weil sie den
Sohn und damit auch den Vater ablehnten (Luk.10:16) und sie somit in
Wirklichkeit Ungläubige waren. Auch unserer Weisheit und unserem Geist wird man
nicht sachgerecht widersprechen können, wenn Jesus Christus, und dieser als
gekreuzigt, unsere Weisheit ist (1.Kor.1:30; 2:2) und wenn wir unsere Lenden
mit dem Wort der Wahrheit umgürtet, ja die gesamte Waffenrüstung Gottes
angezogen haben (Eph.6:10-17).
Es dauerte nicht lange bis man Stephanus
anfeindete. Lukas berichtet: »Dann stifteten sie Männer an, die behaupteten:
Wir haben ihn lästernde Reden gegen Mose und Gott aussprechen hören! - So
wiegelten sie das Volk samt den Ältesten und Schriftgelehrten auf, traten ihm
dann entgegen, packten ihn und führten ihn vor das Synedrium. Dort stellten sie
falsche Zeugen auf, die aussagten: Dieser Mensch hört nicht auf, in seinen
Reden gegen die heilige Stätte und gegen das Gesetz zu sprechen. Wir haben ihn
nämlich sagen hören: Dieser Jesus, der Nazarener, wird diese Stätte zerstören
und die Sitten verändern, die Mose uns überliefert hat« (Verse 11-14).
Die Anklagen
trafen den Nerv des Judentums: das Gesetz des Mose und die heilige Stätte. Wer
etwas dagegen sagte, war des Todes.
Niemals hatte
unser Herr etwas gegen Mose und das Gesetz gesagt; Er hatte aber geäußert: »Das
Gesetz und die Propheten reichen bis auf Johannes [den Täufer]; von da an wird
das Königreich als Evangelium verkündigt« (Luk.16:16); und: »Nicht Mose hat
euch das Brot aus dem Himmel gegeben, sondern Mein Vater gibt euch das
wahrhafte Brot aus dem Himmel« (Joh.6:32); und: »Mose gestattet euch wegen
eurer Hartherzigkeit, eure Frauen zu entlassen; aber von Anfang an ist es nicht
so gewesen« (Mat.19:8); sowie: »Ihr habt gehört, dass geboten worden ist: Du
sollst deinen Nächsten lieben und deinen Feind hassen (3.Mose 19:18;
Ps.139:21,22); Ich aber sage euch: Liebet eure Feinde und betet für die, die
euch verfolgen« (Mat.5:43,44). - Mithin kann auch Stephanus nur gesagt haben,
dass Jesus nicht etwa kam, um das Gesetz und die Propheten aufzulösen, sondern
um sie zu erfüllen (Mat.5:17).
Stephanus hat
auch nichts gegen den Tempel gesagt. Schon unserem Herrn hatte man vorgeworfen,
Er habe gesagt, dass Er den Tempel abbrechen könne (Mat.26:61). Dies aber hatte
Jesus gesprochen: »Reißt diesen Tempel nieder, und in drei Tagen werde Ich ihn
aufrichten! - Nun sagten die Juden: Sechsundvierzig Jahre wird an diesem Tempel
gebaut, und Du willst ihn in drei Tagen aufrichten? - Er aber hatte von dem
Tempel Seines Körpers gesprochen« (Joh.2:19-21). Im Übrigen hatte Er nicht
behauptet, dass Er diesen Tempel niederreiße, sondern dass sie dies tun
würden. - Vielleicht hatte Stephanus auch davon gesprochen, dass die Jünger dem
Herrn einst die Weihestätte bewundernd zeigten und Er ihnen geantwortet hatte:
»Seht ihr nicht dies alles? Wahrlich, Ich sage euch: Keinesfalls wird hier
Stein auf Stein gelassen werden, den man nicht abbrechen wird« (Mat.24:2) - wie
dann im Jahre 70 n. Chr. geschehen.
»Als alle, die im Synedrium saßen, unverwandt
auf ihn [Stephanus] sahen, gewahrten sie sein Angesicht, als wäre es das
Angesicht eines Boten« (Vers 15).
Die
Herrlichkeit der Gegenwart Gottes erleuchtete das Angesicht des Stephanus, der
jetzt wie ein Bote Gottes für sie wurde. Schließlich sprach er nicht seine
eigenen Worte, wie der Herr verheißen hatte: »Wenn man euch überantwortet, so
sorgt euch nicht, wie oder was ihr sagen sollt; denn in jener Stunde wird euch
gegeben werden, was ihr sagen sollt; denn nicht ihr seid die Redenden, sondern
der Geist eures Vaters ist es, der durch euch spricht« (Mat.10:19,20).
»Hört mich an!«
»Der Hohepriester aber fragte ihn: Verhält
sich dies so? - Da erklärte er mit Nachdruck: Männer, Brüder und Väter, hört
mich an!« (Ap.7:1+2 a).
Des Stephanus’ Ansprache war keine
Verteidigungsrede, sondern eine Verkündigung Jesu Christi auf dem Hintergrund
Seiner Vorschattungen, die ebenso wie Jesus Absonderung erfuhren oder von den
Urvätern und dann vom Volk Israel zunächst verworfen wurden. Die großen Männer
der Geschichte Israels waren vorausweisende Bilder auf den Messias. Stephanus
bewies den Juden, dass sie schon immer gegen den von Gott gesandten Träger der
Verheißung gehandelt haben, zuletzt gegen den Gerechten, dessen Mörder sie
geworden waren ebenso wie sie auch die Propheten verfolgt hatten. Im Verlauf
der Rede wurde immer zwingender deutlich, dass Jesus der Messias ist.
Stephanus sprach: »Der Gott der Herrlichkeit
erschien unserem Vater Abraham, als er noch in Mesopotamien war, ehe er in
Haran wohnte, und sagte zu ihm: Zieh aus deinem Land hinaus und aus deiner
Verwandtschaft und komm herzu in das Land, das Ich dir zeigen werde. - Da zog
er aus dem Land der Chaldäer und wohnte in Haran« (Verse 2 b-4 a).
Stephanus
bezeichnete Gott in rechter Erkenntnis und in verehrender Weise als Gott der
Herrlichkeit, der Abraham bereits in Ur in Chaldäa erschienen war (1.Mose
11:31; 15:7; Neh.9:7); dort schon erhielt er die göttliche Weisung, in das Land
Kanaan auszuziehen, die der in 1.Mose 12:1-3 niedergeschriebenen entsprach.
Dass Abraham
seinen Zug in Haran unterbrach und er bis zum Tode seines Vaters Terach einige
Jahre dort wohnte, dürfte mit der Altersgebrechlichkeit Terachs zusammenhängen
- er starb mit 205 Jahren -, gewiss aber mit dem heilsgeschichtlich begründeten
Willen Gottes, dass nicht Terach, sondern Abraham in das Land Kanaan einziehen
sollte.
So zog Abraham
etwa im Jahre 1890 v. Chr. im Alter von 75 Jahren von Haran weiter nach Kanaan
(1.Mose 12:4).
»Von dort ließ
Gott ihn nach dem Sterben seines Vaters in dieses Land übersiedeln, in dem ihr
nun wohnt. Er gab ihm aber kein Losteil darin, auch nicht einen Fußbreit als
festen Standort. Doch verhieß Er, es ihm und seinem Samen nach ihm zum
Innehaben zu geben, als er noch kein Kind hatte« (Verse 4 b+5).
Es ist
prophetisch bezeichnend, dass Abraham nicht das geringste Stück Land in Kanaan
bekam außer einer Grabstelle (1.Mose 23). Ebenso war auch Jesus in Sein
Eigentum gekommen, zu Seinem Eigentumsvolk und -land, sie aber nahmen Ihn nicht
an (Joh.1:11), sondern brachten Ihn ins Grab.
Die Versklavung des Samens Abrahams
Und nun zitierte Stephanus nach 1.Mose
15:13+14 (sowie 2.Mose 3:12): »So aber sprach Gott: Sein Same wird ein in einem
fremden Land Verweilender sein, und man wird ihn vierhundert Jahre lang
versklaven und übel behandeln. Doch die Nation, der sie versklavt sein werden,
will Ich richten, sagte Gott; und danach werden sie ausziehen und Mir an dieser
Stätte Gottesdienst darbringen« (Verse 6+7).
Stephanus
bezog sich auf den Tag, als das Grauen einer großen Finsternis auf Abraham fiel
und Jewe mit ihm über zerteilten Tierkadavern den Bund schloss, ihm das Land zu
geben (1.Mose 15:7-20).
Die
vierhundert Jahre der »Demütigung«, wie es 1.Mose 15:13 heißt, rechnen von 1860
bis 1460 v. Chr., von der Entwöhnung Isaaks an, als Ismael sich über ihn lustig
machte (1.Mose 21:9), bis zum Auszug aus Ägypten.
»Dann gab Er
ihm den Bund der Beschneidung; und so zeugte er Isaak und beschnitt ihn am
achten Tag, desgleichen Isaak den Jakob und Jakob die zwölf Urväter« (Vers 8).
Der Bund der
Beschneidung weist auf die Notwendigkeit des Abtuns des Fleisches und in Bezug
auf Jesus insbesondere darauf hin, dass dessen Fleisch am Kreuz völlig
abgeschnitten wurde (Kol.2:11).
Dann wandte sich Stephanus der Zeit des
Joseph zu: »Da aber die Urväter auf Joseph eifersüchtig waren, gaben sie ihn
nach Ägypten weg. Doch Gott war mit ihm: Er nahm ihn aus allen seinen
Drangsalen heraus und gab ihm Gnade und Weisheit vor Pharao, dem König von
Ägypten, der ihn als regierenden Bevollmächtigten über Ägypten und über sein
ganzes Haus einsetzte« (Verse 9+10).
Joseph ist ein
markanter Typus auf Jesus, den zunächst leidenden und sodann verherrlichten
Messias. Josephs Brüder waren eifersüchtig auf ihn und hassten ihn (1.Mose
37:4,8,11), sie verkauften ihn nach Ägypten, wo er ins Gefängnis kam. Aber Jewe
war mit ihm und setzte ihn über Ägypten, auf den höchsten Platz auf der Erde
nach dem Pharao (1.Mose 41:41; Ps.105:21).
Die Mitglieder
des Synedriums verstanden sehr genau, was Stephanus sagte, und müssen von der
Wucht der Wahrheit seiner Worte tief getroffen worden sein. Sie, ja sie waren
wie die Brüder Josephs, sie waren die Brüder des mit Joseph gleichgesetzten
Messias. Sie waren auf Jesus eifersüchtig und neidisch (Mat.27:18) und hatten
sich Seiner entledigt. Aber ebenso wie Joseph während der Hungersnot der Retter
ihrer Urväter, ja der Retter der Welt wurde, so ist Jesus Christus der Retter
und Erlöser der Welt.
»Da kam eine Hungersnot und große Drangsal
über ganz Ägypten und Kanaan, und unsere Väter fanden nichts für ihren
Unterhalt. Als Jakob hörte, dass in Ägypten Getreide vorhanden sei, schickte er
unsere Väter das erste Mal aus. Beim zweiten Mal gab Joseph sich seinen Brüdern
zu erkennen. So wurde für Pharao Josephs Herkunft offenbar« (Verse 11-13).
Als die Brüder
das erste Mal nach Ägypten zogen, um Getreide zu kaufen, erkannten sie Joseph
nicht (1.Mose 42:5,6); ebenso erkannte Israel den Messias bei Seinem ersten
Erscheinen nicht (Ap.2:36; 3:17). Beim zweiten Mal erst gab Joseph sich seinen
Brüdern zu erkennen (1.Mose 45:3); so wird auch Israel Jesus erst bei Seinem
zweiten Kommen erkennen. »Siehe, Er kommt mit den Wolken, und jedes Auge wird
Ihn sehen, auch die Ihn durchstochen haben, und wehklagen werden um Ihn alle
Stämme des Landes« (Off.1:7). Weinen wird Israel wie einst Benjamin und gewiss auch
die anderen Brüder (1.Mose 45:14).
In der
Hungersnot (ca. 1676-1670 v. Chr.) erkannten sie Joseph; dementsprechend wird
Israel Jesus in der Zeit der Heimsuchung, der des Endes dieses Äons und der
großen Drangsal, als seinen Messias annehmen.
»Dann schickte Joseph hin und ließ seinen
Vater Jakob und die gesamte Verwandtschaft herbeirufen, im ganzen
fünfundsiebzig Seelen. Und Jakob zog nach Ägypten hinab, wo er verschied - er
und unsere Väter. Sie wurden nach Sichem übergeführt und in das Grab gelegt,
das Abraham für einen Preis in Silber von den Söhnen Hemors in Sichem erstanden
hatte« (Verse 14-16).
Nach dem
hebräischen Text von 1.Mose 46:8-27 bestand das ganze Haus Jakobs aus siebzig
Seelen. Da die Septuaginta fünf Söhne und Enkel Ephraims und Manasses hinzufügt
(1.Mose 46:20; 4.Mose 26:20; 1.Chron.7:14,15,20-25), sprach Stephanus von
fünfundsiebzig Seelen.
Die
prophetische Bedeutung der Zahl 70 (Buchstabe Ajin = o) ist »Übergang«.
Was die
Grabstellen anbelangt: Abraham hatte dem Hethiter Ephron das Feld und die Höhle
Machpela bei Mamre, heute Hebron, abgekauft (1.Mose 23:16); dort sind Abraham
und Sara, Isaak und Rebekka sowie Jakob und Lea begraben (1.Mose 49:31; 50:13).
Jakob hatte von den Söhnen Hemors in Sichem ein Feld erworben (1.Mose 33:19);
dort liegen Joseph und - wie Josephus Flavius in »Jüdische Altertümer«
berichtet - auch seine Brüder begraben (Jos.24:32).
Stephanus
fasst die Grabstellen und ihre Käufer aufs Kürzeste zusammen und erlaubt sich,
das Handeln Jakobs als im Sinne Abrahams geschehen jenem zuzuschreiben.
Da Joseph
Anweisungen bezüglich seiner Gebeine gegeben hatte, sie nämlich nach Israel zu
bringen (1.Mose 50:25; 2.Mose 13:19), was nur im Glauben an die Auferstehung
sinnvoll ist (Heb.11:22), wurde das Synedrium durch Stephanus auch an die
Auferstehung Jesu erinnert.
Im Folgenden kam Stephanus auf die Zeit des
Mose zu sprechen.
»So wie sich
die Zeit der Verheißung nahte, zu der Gott Sich dem Abraham bekannt hatte,
wuchs das Volk in Ägypten an und mehrte sich, bis ein anderer König über
Ägypten auftrat, der nichts von Joseph wusste. Dieser verfuhr berechnend gegen
unser Geschlecht, behandelte die Väter übel und zwang sie, ihre neugeborenen
Kinder auszusetzen, damit sie nicht zum Leben gezeugt würden« (Verse 17-19).
Näheres hierzu
ist in 2.Mose 1 nachzulesen.
Joseph starb
etwa im Jahre 1604 v. Chr. Der Name des Pharaos der XIII. Dynastie (die von ca.
1640 bis in die Zeit des Mose hinein dauerte), der nichts von Joseph wusste,
konnte bisher nicht festgestellt werden.
Die an Abraham
ergangene Verheißung war, dass seine Nachkommen in der vierten Generation ihres
Aufenthalts in Ägypten, gerechnet vom Kommen Levis an (erste Generation) über
Jochebed (zweite Generation) und Mose (dritte Generation) (4.Mose 26:58,59;
2.Mose 6:20), nach Kanaan zurückkehren werden (1.Mose 15:16). Das Verweilen
Jakobs und seiner Nachkommen in Ägypten währte von 1675 bis 1460 v. Chr., also
215 Jahre.
»Zur rechten Zeit wurde Mose geboren; er war
hold auch vor Gott und wurde drei Monate im Haus des Vaters aufgezogen. Nach
seiner Aussetzung aber nahm ihn die Tochter Pharaos zu sich und zog ihn als
ihren eigenen Sohn auf. So wurde Mose in aller Weisheit der Ägypter erzogen,
und er war mächtig in seinen Worten und Werken« (Verse 20-22).
Die hebräische
Redewendung »Mose war hold dem Gott« (so wörtlich in Vers 20) bedeutet, dass er
durch Gottes Segen überaus hold war. Die Eltern des Mose fürchteten aufgrund
ihres Glaubens die Anordnung des Pharaos nicht (Heb.11:23).
Zur rechten
Zeit wurde nicht nur Mose geboren, sondern zur rechten Zeit geschieht aber auch
alles, da der Gott und Vater unseres Herrn Jesus Christus der Allgewaltige ist,
der alles nach Seinem in Christus gefassten Vorsatz für den Ablauf der Äonen
(Eph.3:11) und nach dem Ratschluss Seines Willens bewirkt und hervorruft
(Eph.1:11). Außerdem machte Gott nicht nur die Weisheit des Pharao zunichte,
der die Ausrottung der Hebräer geplant hatte und dennoch ihren Befreier erzog und
in aller Gelehrsamkeit ausbildete, sondern Gott wird auch offenbar machen, dass
die Weisheit aller Weisen dieser Welt Torheit ist (1.Kor.3:19).
Mögen
wenigstens die Gläubigen die wahre Weisheit erkennen, nämlich Jesus Christus,
und diesen als gekreuzigt, der uns von Gott zur Weisheit gemacht worden ist
(1.Kor.1:24,30; 2:2). »Weisheit aber sprechen wir unter den Gereiften, jedoch
nicht Weisheit dieses Äons noch der Oberen dieses Äons, die abgetan werden.
Sondern wir reden von Gottes Weisheit in einem Geheimnis, von der verborgen
gewesenen [Weisheit], die Gott vor den Äonen zu unserer Herrlichkeit
vorherbestimmt hatte. Diese Weisheit hat keiner der Oberen dieses Äons erkannt.
Denn hätten sie sie erkannt, so hätten sie den Herrn der Herrlichkeit nicht gekreuzigt.
Es ist doch so, wie es geschrieben steht: Was kein Auge gewahrt und kein Ohr
gehört hat und wozu kein Menschenherz hinaufgestiegen ist, all das hat Gott
denen bereitet, die Ihn lieben. Uns aber enthüllt es Gott - durch Seinen Geist;
denn der Geist erforscht alles, auch die Tiefen Gottes« (1.Kor.2:6-10).
Die Rede des Stephanus, Teil II
(Apostelgeschichte 7:23-60)
Lukas zitiert weiterhin, was Stephanus dem
Synedrium vortrug:
»Als er [Mose]
nun volle vierzig Jahre alt wurde, stieg der Gedanke in seinem Herzen auf, sich
nach seinen Brüdern, den Söhnen Israels, umzusehen. Als er gewahrte, wie einem
von ihnen Unrecht zugefügt wurde, stand er ihm bei und rächte den, der
gepeinigt wurde, indem er den Ägypter erschlug. Er meinte aber, seine Brüder würden
verstehen, dass Gott ihnen durch seine Hand Rettung gebe; doch sie verstanden
es nicht« (Verse 23-25).
Die Erwähnung
des Mose und dieser Begebenheit (2.Mose 2:11,12) wird von den Oberen des Volkes
zunächst gelassen aufgenommen worden sein, zumal sie sich als Jünger des Mose
verstanden (Joh.9:28). Zugleich wussten sie aber auch, dass zwischen Mose und
dem Messias viele Parallelen bestehen würden, weil Mose verheißen hatte, dass
Jewe einen Propheten wie ihn aus ihrer Mitte erstehen lassen werde (5.Mose
18:15). Deshalb muss es sie sehr betroffen gemacht haben, als Stephanus
herausstellte, dass ihre Vorväter die ihnen durch Mose angebotene Rettung nicht
verstanden hatten. Genau das, was sie in ihrer Verbissenheit verdrängen
wollten, dass sie nämlich der ihnen durch Jesus nahe gebrachten Rettung mit
Unverständnis begegnet waren, hatte Stephanus ihnen vorgehalten.
»Am folgenden Tag erschien er bei ihnen,
während sie sich zankten. Da wollte er ihren Streit schlichten und Frieden stiften,
indem er sagte: Männer, ihr seid doch Brüder! Warum tut ihr einander Unrecht? -
Der aber seinem Nächsten Unrecht tat, stieß ihn von sich und erwiderte: Wer hat
dich zum Fürsten und Richter über uns eingesetzt? Willst du mich etwa ermorden,
auf dieselbe Weise, wie du gestern den Ägypter ermordet hast? - Bei diesem Wort
floh Mose und wurde ein Verweilender im Land Midian, wo er zwei Söhne zeugte«
(Verse 26.29).
Die Flucht des
Mose wird in 2.Mose 2:14,15 berichtet. Seine zwei Söhne waren Gersom und Eliezer
(2.Mose 2:22; 18:3,4).
Mose erlitt
die Schmach des Christus, als die Vorväter den für’s Erste zurückwiesen, den
sie später als ihren Retter hoch verehrten. Ebenso hatten die Oberen gerade vor
Kurzem Jesus verstoßen - was aber, wenn Gott Ihn als ihren Retter eingesetzt
hat?
Hören wir
hierzu Hebräer 11:24-26: »Durch Glauben verweigerte Mose, als er groß geworden
war, Sohn der Tochter Pharaos genannt zu werden, und zog es vielmehr vor,
gemeinsam mit dem Volk Gottes Übles zu erdulden, als eine befristete
Annehmlichkeit in der Sünde zu haben, da er die Schmach des Christus für
größeren Reichtum erachtete als die Schätze Ägyptens; denn er blickte (davon
fort) auf die Belohnung hin.«
Ebenso wie
Mose einst zurückkam und Israel aus Ägypten herausführte, so wird auch Jesus
wiederkommen und sie in den Segen des Königreichs hineinbringen.
Stephanus fuhr fort, 2.Mose drei ansprechend:
»Nachdem weitere vierzig Jahre verflossen waren, erschien ihm in der Wildnis
des Berges Sinai ein Bote in der Feuerflamme eines Dornbuschs. Als Mose das
Gesicht gewahrte, war er darüber erstaunt. Während er hinzutrat, um es zu
betrachten, erscholl die Stimme des Herrn: Ich bin der Gott deiner Väter, der
Gott Abrahams, Isaaks und Jakobs. - Da begann Mose zu zittern und wagte nicht,
es näher zu betrachten« (Verse 30-32).
Die Zahl
vierzig (im Hebräischen der Buchstabe Mem=m) steht für eine bemessene Zeit
eines Durchgangs, insbesondere durch ein Gericht hindurch.
Jewe, der
Elohim Abrahams, Isaaks und Jakobs, erschien und sprach damals durch Boten
(2.Mose 3:2; Heb.2:2).
Da Feuer ein
Symbol für Drangsale ist, steht der brennende Dornbusch für die Nation Israel
in ihren Drangsalen und Verfolgungen. Doch Israel wird, ebenso wenig wie der
Dornbusch, vom Feuer nicht verzehrt, sondern wird für diesen wie auch für die
weiteren Äonen bestehen.
Von dem
Ereignis am Dornbusch rief Stephanus noch das Folgende in Erinnerung: »Der Herr
aber sagte zu ihm: Löse die Sandalen von deinen Füßen; denn die Stätte, auf der
du stehst, ist heiliges Land. Aufmerkend gewahrte Ich die üble Behandlung
Meines Volkes in Ägypten und habe sein Ächzen gehört. Deshalb bin Ich
herabgestiegen, um sie herauszureißen. Und nun komm herzu, Ich will dich nach
Ägypten senden« (Verse 33+34).
»Diesen, diesen, diesen!«
Dann kam Stephanus zum Schwerpunkt seiner
Rede. Fünfmal gebrauchte er hierbei mit nicht zu überbietender Schärfe den
Ausdruck: »Diesen Mose!«
»Diesen Mose,
den sie verleugneten, als sie sagten: Wer hat dich zum Fürsten und Richter über
uns eingesetzt? (2.Mose 2:14), diesen hat Gott als Fürsten, Erlöser und Richter
ausgesandt durch die Hand des Boten, der ihm im Dornbusch erschienen war.
Dieser führte sie hinaus und tat Wunder und Zeichen im Land Ägypten, im Roten
Meer und vierzig Jahre lang in der Wildnis. Dieser Mose ist es, der den Söhnen
Israels sagte: Einen Propheten wie mich wird euch Gott aus euren Brüdern
aufstehen lassen (5.Mose 18:15). Dieser ist es, der sich in der herausgerufenen
Schar in der Wildnis befand, sowohl bei dem Boten, der auf dem Berg Sinai zu
ihm sprach, als auch bei unseren Vätern, der lebendige Aussagen empfing, um sie
euch zu geben. Dem wollten unsere Väter nicht gehorsam sein, sondern sie
stießen ihn von sich, wandten sich in ihren Herzen nach Ägypten um und sagten
zu Aaron: Mache uns Götter, die vor uns hergehen werden; denn von diesem Mose,
der uns aus dem Land Ägypten herausführte, wissen wir nicht, was mit ihm
geschehen ist« (Verse 35-40).
Das heißt:
Diesen Jesus, den Gott zu euch gesandt hatte, um Israel von seinen Sünden zu
retten (Mat.1:21), diesen habt ihr verleugnet! Diesen Jesus hat Gott zum
Messias, Erlöser und König über euch eingesetzt! - Das Synedrium wusste sehr
wohl, dass Stephanus als ein an Jesus Gläubiger von niemand anderem sprach als
von Jesus, dem es genau so erging wie Mose. - Dieser Jesus, der dreieinhalb
Jahre lang Zeichen und Wunder unter euch tat, dieser ist dadurch als der
Messias ausgewiesen! Dieser Jesus ist der von Mose angesagte Prophet, auf den
sie - wie Mose ausdrücklich sagte - hören sollten (5.Mose 18:15). Dieser Jesus
empfing lebendige Aussagen von Gott, Seinem Vater. Er hatte nur die Worte
gesprochen, die Er vom Vater gehört hatte (Joh.8:26; 12:49; 15:15). Jesus ist
das Wort des Lebens, das Leben vermittelnde Wort. Diesem Jesus wolltet ihr
nicht gehorchen, sondern stießt Ihn von euch. Eure Herzen sind ebenso wie die
eurer Väter auf Ägypten und auf Götzen ausgerichtet!
Stephanus hielt nicht mit der Anklage Israels
zurück: »In jenen Tagen machten sie ein Kalb, führten zum Altar dieses Götzen
ein Opfer hinauf und waren fröhlich über die Werke ihrer Hände. Da wandte Sich
Gott von ihnen und gab sie dahin, dem Heer des Himmels Gottesdienst
darzubringen, so wie es in der Rolle der Propheten geschrieben steht: O Haus
Israel, habt ihr Mir etwa vierzig Jahre in der Wildnis Schlachttiere und andere
Opfer dargebracht? Nein, ihr nahmt das Zelt des Moloch und das Sternbild eures
Gottes Raiphan mit, die Bildwerke, die ihr gemacht hattet, um sie anzubeten. Deshalb
werde Ich euch noch über Babylon hinaus verbannen« (Verse 41-43).
Stephanus nahm
zunächst Bezug auf das goldene Kalb, das sich das Volk in der Wildnis gemacht
hatte, als Mose verzog, vom Berg Horeb herabzusteigen (2.Mose 32:1-6+23; 5.Mose
9:16; Ps.106:19,20). Dieser Götzendienst war eine unsagbare Kränkung Jewes,
ihres Elohims.
Ein Götze oder
ein Idol (griech. eidõlon), ein Trugbild, ein falsches Ideal, ist von der
Wortbedeutung her etwas Ganzgewahrbares. Gott aber ist unsichtbar und will kein
Abbild Seiner Selbst außer einem - Seinem geliebten Sohn. Jesus Christus ist
das Abbild des unsichtbaren Gottes (Kol.1:15), Er ist die Ausstrahlung Seiner
Herrlichkeit und das Gepräge Seines Wesens (Heb.1:3). Jeder Dienst aber an
sichtbaren Dingen, an Idolen, die Gott repräsentieren sollen, ist Götzendienst.
Stephanus
hatte zwar nur ein Beispiel des Götzendienstes Israels angeführt, den sie aber
all die Jahrhunderte bis zur Babylonischen Gefangenschaft verübten und der
ihrer Herzenseinstellung entsprach; mithin konnte er jetzt die den gesamten
Zeitraum umfassende Aussage machen, dass Gott sie dahingegeben hatte, dem Heer
des Himmels, den Gestirnen also, Götzendienst darzubringen. Diese Dahingabe,
diese Preisgabe an einen dämonischen Dienst (1.Kor.10:20), ist eine zerrüttende
Plage Gottes.
In Psalm
81:12,13 lesen wir hierzu: »Mein Volk hat nicht auf Meine Stimme gehört, und
Israel wollte Mir nicht zu Willen sein. So gab Ich sie preis in die
Verstocktheit ihres Herzens: sie gingen in ihren eigenen Ratschlüssen dahin.«
Auch der Apostel Paulus schreibt, und zwar in Bezug auf die Menschen im
Allgemeinen: Darum, weil sie den Schöpfer an der Schöpfung erkennen, die
Wahrheit aber in Ungerechtigkeit niederhalten, und weil sie. Gott kennend, Ihn
nicht als Gott verherrlichen noch Ihm danken, darum hat Gott sie in den
Begierden ihrer Herzen dahingegeben, in Unreinheit ihre Körper unter sich zu
verunehren; Er hat sie in ehrlose Leidenschaften dahingegeben und in ihren
unbewährten Denksinn (Röm.1:18-23,24,26,28). Und die Endzeit unter dem Menschen
der Gesetzlosigkeit im Blick, weissagt Paulus: »Gott wird ihnen eine
Wirksamkeit des Irrtums senden, damit sie der Lüge glauben« (2.Thess.2:11).
Neben der
Stiftshütte, dem Zelt der Zusammenkunft, dem Zelt des Zeugnisses, führten die
Israeliten auch das Zelt des Moloch mit sich. Moloch ist das Scheusal der
Ammoniter, dem man sogar Kinder opferte (1.Kön.11:7). Raiphan ist eine
Gestirnsgottheit. Mose hatte ihnen ausdrücklich verboten, sich vor Sonne, Mond
oder Sternen niederzuwerfen und sie anzubeten (5.Mose 4:19; 2.Kön.17:16;
Jer.7:18).
Stephanus
zitierte nach Amos 5:25-27. In Amos 5:27 steht zwar:»So werde Ich euch bis
Damaskus verschleppen, ja noch weiter hinaus, spricht Jewe; Elohim der Heere
ist Sein Name«, doch Stephanus darf diese Aussage in prophetischer Vollmacht
erweitern und sagen, wie es ja auch in Jeremia 25:11 angekündigt und ohnehin
längst geschehen war, dass sie über Babylon hinaus verbannt würden.
»Der Himmel ist Mein Thron«
In den folgenden Versen 44 bis 50 ging
Stephanus auf den Vorwurf der falschen Zeugen ein, er habe gesagt, dass Jesus
den Tempel zerstören werde (Ap.6:13,14). Der Herr hatte aber von dem Tempel
Seines Körpers gesprochen, den die Juden, nicht Er, niederreißen würden
(Joh.2:19-21).
Nun war der
Tempel der Gegenstand höchster Verehrung, da die Juden meinten, dass Gott darin
wohne. Darüber trat die wahre Verherrlichung Gottes mehr oder weniger in den
Hintergrund.
Deshalb sprach
Stephanus: »Das Zelt des Zeugnisses war bei unseren Vätern in der Wildnis (so
wie Er es angeordnet hatte, als Er dem Mose sagte, es nach dem Vorbild
anzufertigen, das er gesehen hatte); das haben auch unsere Väter, die auf ihn
folgten, unter Josua in das Land gebracht, das die Nationen innehatten, die
Gott vor dem Angesicht unserer Väter ausstieß, bis in die Tage Davids. Er fand
Gnade vor den Augen Gottes und erbat sich, für den Gott Jakobs ein Zelt zu
finden (2.Sam.7:2; Ps.132:5)« (Verse 44-46).
Stephanus
erkannte die Stiftshütte durchaus an, die er hier »Zelt des Zeugnisses« nannte,
weil die Lade des Zeugnisses darin stand (2.Mose 25:22; 27:21). Die beiden
Gesetzestafeln bezeugten den Bund und die verpflichtende Ordnung für Israel.
Mose hatte das Zelt nach dem Vorbild bauen lassen, das Jewe ihm auf dem Berg
gezeigt hatte (2.Mose 25:40; Heb.8:5).
Die
Stiftshütte war nicht die Wohnung Gottes, sondern der Ort der Zusammenkunft
Jewes mit Mose (2.Mose 33:7-11), und die Herrlichkeit Jewes erfüllte sie, »denn
die Wolke Jewes war bei Tag über der Stiftshütte, und bei Nacht war es in ihr
wie Feuer für die Augen des ganzen Hauses Israel auf all ihren Zügen« (2.Mose
40:38).
Fortfahrend
kam Stephanus auf den Punkt, dabei Jesaia 66:1+2 zitierend:
»Salomo baute
Ihm dann ein Haus (1.Kön.6:1). Jedoch wohnt der Höchste nicht in einem von
Menschenhänden gemachten Haus, wie der Prophet sagt: Der Himmel ist Mein Thron
und die Erde Meiner Füße Schemel. Was für ein Haus wollt ihr Mir bauen?, sagt
der Herr, oder welches ist die Stätte Meines Feierns: Hat nicht Meine Hand dies
alles geschaffen?« (Verse 47-50).
Der Tempel
Salomos war wiederum nicht der Aufenthaltsort Jewes, wenngleich Sein Name dort
wohnte (1.Kön.8:29), den man anrufen sollte, denn der Tempel war ein Haus des
Gebets; die Gebete wollte Jewe im Himmel erhören (1.Kön.8:30,34,43; Mat.21:13).
Außerdem hatte Salomo gebetet: »Siehe, die Himmel und die Himmel der Himmel
können Dich nicht fassen, wie viel weniger dieses Haus, das ich gebaut habe«
(1.Kön.8:27).
Im Übrigen
hatte die Herrlichkeit Jewes den Tempel zur Zeit Hesekiels etwa im Jahre 592 v.
Chr. verlassen (Hes.9:3; 10:4,18; 11:23).
Hatten die
Oberen des Volkes nicht gelesen, was in Jesaia 66:1 geschrieben steht: »Die
Himmel sind Mein Thron, und die Erde ist der Schemel Meiner Füße«? Es muss den
Mitgliedern des Synedriums die Zornesglut in die Schläfen getrieben haben, als
sie Jesaias Worte vorgehalten bekamen: »Was für ein Haus wollt ihr Mir bauen?«
- Dann war ja der Tempel kaum noch etwas wert!
Der Tempel war
jetzt kaum noch etwas wert, weil Gott in Seinem Sohn wohnt. Wer Ihn sah, der
sah den Vater (Joh.14:9). Gott hatte den von den Juden niedergerissenen Tempel
Jesus Christus wieder aufgerichtet, indem Er Ihn auferweckt hatte!
Und des
Weiteren sah das Synedrium gerade die Herrlichkeit Gottes auf dem Angesicht des
Stephanus (Ap.6:15).
Nebenbei
gesagt: Heute, in der dem Paulus gegebenen heilsgeschichtlichen Verwaltung
(Eph.3:2; Kol.1:25), sind wir, die Glieder der Körpergemeinde (Eph.1:22,23),
der Tempel Gottes und die Wohnstätte Seines Geistes (1.Kor.3:16; 6:19).
Zurück zum
Synedrium: Wütende Blicke müssen dem Stephanus entgegengeschleudert worden sein
und zischende Zwischenrufe des Missfallens.
»Ihr Halsstarrigen!«
Stephanus schloss seine Rede mit den
gewaltigen Worten der Wahrheit:
»Ihr
Halsstarrigen, ihr an Herzen und Ohren Unbeschnittenen, stets prallt ihr mit
dem Geist, dem heiligen zusammen! Wie eure Väter, so auch ihr. Welchen der
Propheten haben eure Väter nicht verfolgt? So töteten sie auch die, die das
Kommen des Gerechten vorherverkündigten; dessen Verräter und Mörder seid ihr
nun geworden, die ihr das Gesetz zur Anordnung durch Boten erhalten und doch
nicht bewahrt habt! -
Als sie das
hörten, waren sie in ihren Herzen zutiefst verletzt und knirschten mit den
Zähnen über ihn« (Verse 51-54).
Überaus
halsstarrig war das Synedrium, denn sie wandten sich trotz der eindeutigen
Beweisführung des Stephanus nicht zu Jesus um. Schon Mose hatte die Israeliten
als halsstarrig bezeichnet (2.Mose 32:9; 33:3).
Dies war die
Krisis Israels, der entscheidende Wendepunkt seiner Geschichte. Denn jetzt
hatten sie in Jerusalem und in Judäa das Zeugnis des heiligen Geistes, dass
Jesus der Christus ist, verworfen. Diese Sünde wird ihnen weder in diesem Äon
noch in dem zukünftigen erlassen werden (Mat.12:32). Damit ist Israel verworfen
(Röm.11:15).
Die Frage des
Apostels: »Herr, stellst Du in dieser Zeit das Königreich für Israel wieder
her?« (Ap.1:6) beantwortete sich schon jetzt mit: »Nein, nicht zu dieser
Zeit!«, wenngleich das Evangelium noch nicht »in Samaria und bis zur letzten
Grenze des Landes« (Ap.1:8) sowie durch Paulus unter den Auslandsjuden
verkündigt worden war.
An Ohren und
Herzen unbeschnitten waren die Söhne Jakobs, obwohl Mose sie aufgerufen hatte:
»Beschneidet die Vorhaut eures Herzens und verhärtet euren Nacken nicht«
(5.Mose 10:16; Jer.6:10). Sie hatten das Fleisch, die alte, selbstbezogene
Menschheit, nicht abgeschnitten und weggeworfen, sondern an ihrem Eigensinn
festgehalten. Stets waren sie widerspenstig; Gott hatte sie darin
eingeschlossen, damit auch sie dereinst Erbarmen erlangen können
(Röm.11:28-32).
Wie der
geschichtliche Rückblick des Stephanus gezeigt hatte, stand Israel immer wieder
gegen Gott. Stets prallten sie mit Seinem Geist zusammen; mit den Worten
Jesaias gesagt: »Sie verlassen Jewe, missachten den Heiligen Israels;
entfremdet sind sie, sind rückwärts gewichen«; »Sie empörten sich und betrübten
Seinen heiligen Geist« (Jes.1:4; 63:10). Und darunter hatten alle Männer Gottes
zu leiden. Aber so wie ihre Väter gehandelt hatten, so wird auch das Synedrium
jetzt sogleich wieder tun.
Welchen
Propheten haben sie nicht verfolgt? Stets hatten sie die Boten Gottes verhöhnt,
Seine Worte verachtend, und Seine Propheten verspottet oder mit dem Schwert
umgebracht, wie die hebräischen heiligen Schriften es viele Male bezeugen
(1.Kön.19:10; 2.Chron.36:16; Neh.9:26) und unser Herr mit den traurig-mahnenden
Worten bestätigte: »Jerusalem, Jerusalem, das die Propheten tötet und die
steinigt, die zu ihm geschickt werden!« (Luk.13:34).
Nach alldem hat
Israel das Gesetz des Mose, das vom Kommen des Gerechten, nämlich Jesus, dem
Messias, spricht, nicht bewahrt, nicht in Treue beachtet und befolgt. Das
Gesetz war ihnen - um auf Vers 33 einzugehen - als Anordnungen, in Form von
Anordnungen, gegeben worden, und zwar durch Boten. Hier sind nicht Engel
gemeint, sondern die siebzig Ältesten, die als Boten dienten und die
Anordnungen an die Sippen des Volkes weitergaben (2.Mose 19:7; 24:9; 34:31).
Diese Boten waren in der Hand des Mittlers Mose; der Mittler vermittelte
zwischen Gott, dem Einen, und Israel, den Vielen (Gal.3:19; 3.Mose 26:46;
5.Mose 5:5). Übrigens wurden dementsprechend die die Botschaft weitergebenden
Vorleser in den Synagogen »Boten« genannt (Off.2:1,8 usw.).
Als Stephanus
seine Rede beendet hatte, erfüllte sich erneut, was in Psalm 37:12 geschrieben
steht: »Der Frevler plant Böses gegen den Gerechten und knirscht mit seinen
Zähnen über ihn.« Die Oberen Israels waren zutiefst verletzt.
»Er [Stephanus] aber, voll Glauben und
heiligem Geist unverwandt in den Himmel sehend, gewahrte Gottes Herrlichkeit
und Jesus zur Rechten Gottes stehen und sagte: Siehe, ich schaue die Himmel
aufgetan und den Sohn des Menschen zur Rechten Gottes stehen! - Da schrien sie
mit lauter Stimme, hielten sich die Ohren zu und stürmten einmütig gegen ihn
an. Dann stießen sie ihn aus der Stadt hinaus und steinigten ihn; die Zeugen
legten dazu ihre Obergewänder zu Füßen eines jungen Mannes ab, der Saulus hieß«
(Verse 55-58).
Stephanus
konnte in den Himmel schauen, wie es einst dem Propheten Hesekiel gewährt
worden war (Hes.1:1) und der Herr den Gläubigen Israels verheißen hatte:
»Wahrlich, wahrlich, Ich sage euch: Von jetzt an werdet ihr den Himmel offen
sehen und die Boten Gottes über dem Sohn des Menschen hinaufsteigen und
herabsteigen« (Joh.1:51).
Da die
gegenwärtige heilsgeschichtliche Verwaltung im Glauben besteht (1.Tim.1:4),
wandeln wir hier durch Glauben und nicht durch Wahrnehmung (2.Kor.5:7).
Stephanus
hatte seine Rede mit den Worten »der Gott der Herrlichkeit« (Ap.7:2) begonnen,
und nun durfte er die Herrlichkeit Gottes schauen. Er sah den Lichtglanz der
Herrlichkeit Gottes und den Herrn Jesus Christus zur Rechten.
Stephanus
nannte Jesus den »Sohn des Menschen«; dies ist nach Daniel 7:13 der
bezeichnende Ausdruck für den Messias. Das war eine Gotteslästerung in den
Augen der Oberen.
Und dass Jesus
im Himmel sei - das hieß für das Synedrium: Dann war Er auferstanden, und dann
war Er Gottes Sohn und der Messias. Da dies aber nicht sein durfte, war diese
Behauptung für sie wiederum eine Gotteslästerung.
Und zur
Rechten Gottes stehe Er, beanspruche also, was nach Psalm 110:1 nur dem Messias
zusteht - wieder hatte Stephanus Gott gelästert, wie sie meinten (vgl.
Mark.14:62-64). Psalm 110:1 lautet: »Die Erklärung Jewes an meinen Herrn: Setze
Dich zu Meiner Rechten, bis Ich Deine Feinde zum Schemel Deiner Füße lege.«
Auf
Gotteslästerung stand nach dem Gesetz die Todesstrafe, die außerhalb des Lagers
zu vollstrecken war (3.Mose 24:14; 4.Mose 15:35). Dabei hatten die Zeugen der
bösen Tat - hier das Synedrium - die ersten Steine zu werfen (5.Mose 17:7).
So steinigten
sie Stephanus, der aber sicherlich den folgenden Zuspruch des Herrn im Herzen
hatte: »Glückselig seid ihr, wenn man euch Meinetwegen schmäht und verfolgt und
euch lügnerisch alles Böse nachsagt. Freuet euch und frohlockt, weil euer Lohn
in den Himmeln groß ist. Denn ebenso verfolgte man die Propheten, die vor euch
waren« (Mat.5:11,12).
Mit einer
Nebenbemerkung führt Lukas den Namen des jungen Pharisäers Saulus ein.
»Herr Jesus, nimm meinen Geist auf!«
»Als sie Stephanus steinigten, rief er betend
aus: Herr Jesus, nimm meinen Geist auf!« (Vers 59).
Stephanus bat
nicht um das Aufnehmen seiner Seele, seines Bewusstseins, sondern seines
Geistes, weil er das Wort Gottes über den Todeszustand kannte.
Der Eintritt
des Todes ist die Umkehrung des Schöpfungsprozesses, von welchem wir in 1.Mose
2:7 lesen: »Dann formte Jewe Elohim den Menschen aus Erdreich vom Boden und
hauchte Lebensodem in seine Nase; und der Mensch wurde eine lebende Seele.« Der
Mensch stirbt, wenn Gott Seinen Odem, den Lebensgeist (1.Mose 6:17), zu Sich
zurückzieht (Ps.104:29; Pred.12:7; Hiob 34:15). Der Körper kehrt wieder zum
Erdreich zurück. Und die Seele - sie ist nicht mehr. Im Todeszustand gibt es
kein Bewusstsein (Pred.9:5,6,10; Ps.115:17; 146:4; Jes.63:16).
Einst sprach
Jesus: »Mädchen, erwache!« - »Und ihr Geist kehrte zurück, und sie stand auf
der Stelle auf« (Luk.8:54,55). Tote sind nicht wach, sondern schlafen - eine
treffliche Verdeutlichung des Todeszustands.
Auch unser
Herr Jesus Christus hatte gerufen: »Vater, in Deine Hände befehle Ich Meinen
Geist!« (Luk.23:46; Ps.31:6).
»Dann kniete er nieder und schrie mit lauter
Stimme: Herr, stelle diese Sünde nicht gegen sie! - Als er dies gesagt hatte,
entschlief er« (Vers 60).
Stephanus war
ein wahrer Jünger seines Herrn, der ebenfalls keinen Hass auf Seine Feinde
gehabt, sondern gebetet hatte: »Vater, vergib ihnen! Denn sie wissen nicht, was
sie tun« (Luk.23:34). Stephanus handelte getreu gemäß dem Wort Jesu: »Liebet
eure Feinde und betet für die, die euch verfolgen« (Mat.5:44).
Secharja, der
Sohn des Priesters Jojada, der wegen seines Bußrufs auf Befehl des Königs
Joasch von Juda etwa im Jahre 825 v. Chr. gesteinigt wurde, hatte in einer
Zeit, in der die durch Jesus gewordene Gnade und Wahrheit noch nicht verkündigt
wurde, dem Gesetz gemäß ganz anders als Stephanus gesprochen, nämlich: »Jewe
möge es sehen und von euch fordern« (2.Chron.24:22).
Zurück zur
Apostelgeschichte: »Saulus aber hatte mit den anderen Wohlgefallen an seiner
Ermordung« (Ap.8:1a).
Philippus in Samaria und am Weg nach
Gaza
(Apostelgeschichte 8)
Der Widerstand in Jerusalem und Judäa gegen
die an Jesus Christus Gläubigen war im Jahre 33 n. Chr., ein Jahr nach Jesu
Kreuzigung und Auferstehung, gewachsen. Und gerade eben hatte das Synedrium
Stephanus, einen der sieben Diakone (Ap.6:5), gesteinigt; die Zeugen seiner
vermeintlichen Gotteslästerung hatten ihre Obergewänder zu Füßen eines jungen
Mannes abgelegt, der Saulus hieß (Ap.7:58).
»Saulus aber hatte mit den anderen
Wohlgefallen an seiner Ermordung« (Ap.8:1a).
Dieser junge,
vielversprechende Pharisäer, dem vielleicht zum ersten Mal die Ehre zuteil
geworden war, einer Sitzung des Synedriums beizuwohnen, war ganz und gar mit
dem Urteil einverstanden.
»An jenem Tag brach eine große Verfolgung
über die herausgerufene Gemeinde in Jerusalem herein; alle außer den Aposteln
wurden in die Gegend von Judäa und Samaria zerstreut. Ehrfürchtige Männer aber
trugen Stephanus zu Grabe und hielten eine große Wehklage um ihn« (Verse 1b+2).
Jetzt nach der
von vielen für gerecht gehaltenen Steinigung des Stephanus gab es keine
Zurückhaltung mehr; diese neue Sekte, die nur Unruhe brachte, musste vernichtet
werden. - Damit war die Hoffnung auf den baldigen Anbruch des Königreichs
Israels (Ap.1:6) zunichte. Gott aber eröffnete mit Saulus einen neuen Weg der
Rettung, nicht einen der Umsinnung, sondern den der bedingungslosen Gnade für
alle Sünder und Feinde, sogar die größten Hasser.
Die Apostel
harrten wohl deshalb in Jerusalem aus, weil diese Stadt ihr Platz war, sollten
sie doch im Königreich auf zwölf Thronen sitzen und über Israel herrschen
(Mat.19:28). Gleichwohl wurden sie Jesu Zeugen auch in Judäa und Samaria sowie
bis zur letzten Grenze des Landes, wie der Herr ihnen verheißen hatte (Ap.1:8),
und zwar zunächst durch die Gläubigen, die dorthin kamen, zwar anders als
ursprünglich gedacht, aber getreu dem Wort des Herrn: »Wenn man euch in dieser
Stadt verfolgt, so flieht in die andere« (Mat.10:23).
»Saulus wütete maßlos gegen die
herausgerufene Gemeinde; er ging der Reihe nach in ihre Häuser, schleppte
Männer wie auch Frauen fort und überantworte sie ins Gefängnis. Die Zerstreuten
nun zogen umher und verkündigten das Wort als Evangelium« (Verse 3+4).
Saulus ließ
die Gläubigen einkerkern und auspeitschen; er verfolgte sie außerordentlich, ja
bis in den Tod (Ap.22:4,19; 26;10; Gal.1:13; Phil.3:6; 1.Tim.1:13). Die
Zerstreuten kamen bis nach Phönizien, Cypern und Antiochien in Syrien und
sprachen das Wort zu niemand anders als allein zu den Juden (Ap.11:19), weil
die Verheißung des Königreichs Israel galt und niemandem anders und weil
zuerst Israel gewonnen und gläubig werden muss, denn nur das wiedergeborene
Israel kann alle Nationen zu Jüngern Jesu machen (Mat.28:19).
Statt »die
Zerstreuten« kann man nach dem griechischen Wortstamm auch »die Ausgesäten«
sagen; schließlich wurden sie unter die Menschen in anderen Gebieten gesät,
ausgesät, um Frucht zu bringen. So bewirkte die Verfolgung eine Ausbreitung des
Evangeliums.
»So kam Philippus in die Stadt Samarias hinab
und heroldete ihnen den Christus. Die Volksmenge achtete einmütig auf die von
Philippus gesprochenen Worte, als sie ihm zuhörte und die Zeichen erblickte,
die er tat; denn aus vielen von denen, die unreine Geister hatten, fuhren diese
mit lauter Stimme schreiend aus. Auch wurden viele Lahme und Hinkende geheilt.
Hierüber herrschte viel Freude in jener Stadt« (Verse 5-8).
Philippus war
einer der sieben Diakone (Ap.6:5).
Da Lukas
schreibt: »... die Stadt Samarias«, dessen gewiss, dass die Leser wissen,
welche gemeint ist, handelt es sich sehr wahrscheinlich nicht um die von
griechischer Kultur geprägte Hauptstadt Samaria, von Herodes d. Gr. in Sebaste
umbenannt, sondern um Sichem, die mit der Geschichte Israels aufs Engste
verbundene Stadt.
Die Zerstreuten
verkündigten das Wort - wie bereits gesagt - nur den Juden (Ap.11:19); demnach
muss Philippus die Samariter, das Mischvolk aus Israeliten und von Assur
Angesiedelten aus anderen Nationen, mit dem die Juden keine Gemeinschaft
pflegten, entgegen der Tradition doch als Juden im weitesten Sinne angesehen
haben. Viele Jahre später, im Jahr 49, als Paulus nach Jerusalem reiste und
durch Samaria kam, berichtete er dort von der Umkehr derer aus den Nationen,
was besagt, dass die Gläubigen in Samaria nicht aus den Nationen, sondern
gewissermaßen Israeliten waren (Ap.15:3). Sprach nicht auch unser Herr Jesus
Christus, der nur zu den verlorenen Schafen vom Hause Israel gesandt war
(Mat.15:24), mit der Samariterin (Joh.4:9)? Gewiss dienten die Samariter mancherlei
Göttern, waren aber auch (oder zumindest Teile von ihnen) bemüht, nach dem
Gesetz des Mose zu leben. Sie beteten auf dem Berg Garizim bei Sichem an und
erwarteten den Messias (Joh.4:20,25).
Dann begab sich Folgendes (Verse 9 bis 13):
»Ein Mann namens Simon aber war schon vorher da und hatte in der Stadt schwarze
Magie betrieben und die samaritische Nation außer Fassung gebracht, indem er
von sich behauptete, ein Großer zu sein. Auf den achteten alle, vom Kleinen bis
zum Großen, und sagten: Dieser ist die Kraft Gottes, die man die »große« nennt.
- Sie achteten deshalb auf ihn, weil er sie geraume Zeit mit Zaubereien außer
Fassung gebracht hatte. Als sie aber dem von Philippus verkündigten Evangelium
vom Königreich Gottes und vom Namen Jesu Christi glaubten, ließen sie sich
taufen, Männer wie auch Frauen. Und auch Simon selbst glaubte; und nachdem er
getauft war, hielt er sich zu Philippus und war außer sich vor Verwunderung,
als er die Zeichen und die großen Machttaten schaute, die geschahen.«
Der Zauberer
Simon war sicherlich ein Jude, da es heißt, dass er »schon vorher da war.«
Philippus verkündigte das Evangelium vom Königreich Gottes, dem Königreich
Israels himmlischen Charakters auf der Erde, das Jesus, den verheißenen Messias,
zum Mittelpunkt hat. Und die Samariter glaubten - durchaus auch aufgrund der
Zeichen und Wunder. Auch Simon glaubte, wahrscheinlich vorwiegend angesichts
der Zeichen und Machttaten und weniger aufgrund des Wortes.
»Als die Apostel in Jerusalem hörten, dass
Samaria das Wort Gottes angenommen habe, sandten sie Petrus und Johannes zu
ihnen aus. Die zogen hinab und beteten für sie, damit sie heiligen Geist
erhalten möchten; denn bisher war er noch auf keinen von ihnen gefallen,
sondern sie waren nur in den Namen des Herrn Jesus getauft. Dann legten sie
ihnen die Hände auf, und sie erhielten heiligen Geist« (Verse 14-17).
Warum
erhielten die Samariter den Geist Gottes nicht gemäß Apostelgeschichte 2:38
durch Glauben, Umsinnung und Wassertaufe, sondern erst durch die Handauflegung
der Apostel? - Weil es zur Aufhebung der Trennung zwischen den Juden und den
Samaritern notwendig war, dass die gläubigen Samariter anerkannten, dass die
Rettung von den Juden kommt und nicht an der Anbetung auf dem Berg Garizim
festzuhalten ist (Joh.4:20-23), indem sie sich der Oberhoheit Israels
unterordneten und dies, indem sie ihre Abhängigkeit von den Aposteln Israels
erfuhren.
Die Taufe in
den Namen Jesu Christi hatte sie mit dem Namensträger verbunden, aber erst
durch die Handauflegung der Apostel, die Vollmacht über das ganze Land
einschließlich Samarias hatten (Ap.1:8), waren die gläubigen Samariter eins mit
der jüdischen Gemeinde, die nach dem Evangelium der Beschneidung in der Erwartung
des Königreichs Israels wandelte.
Wir, die
Glieder der Gemeinde, die Christi Körper ist (Eph.1:22,23), die wir in der dem
Paulus gegebenen heilsgeschichtlichen Verwaltung der überströmenden Gnade leben
(Eph.3:3; Kol.1:25), erhielten den Geist allein durch Glauben, als wir zu
glauben begannen, ja sind sogar mit ihm versiegelt (2.Kor.1:22; Gal.3:3;
Eph.1:13).
»Als Simon gewahrte, dass der Geist durch
Handauflegung der Apostel gegeben wurde, brachte er ihnen Geld und sagte: Gebt
auch mir diese Vollmacht, damit jeder, dem ich die Hände auflege, heiligen
Geist erhalte. - Petrus aber sagte zu ihm: Dein Silber sei mit dir zum
Untergang, da du meinst, das Geschenk Gottes durch Geld zu erwerben! Dir ist
kein Anteil und kein Los an diesem Wort beschieden; denn dein Herz ist nicht
aufrichtig gegenüber Gott. Daher sinne um von diesem deinen üblen Wesen und
flehe zum Herrn, ob dir wohl der Einfall deines Herzens vergeben werden wird;
denn ich sehe, dass du in »Galle der Bitterkeit« und »Fesseln der
Ungerechtigkeit« geraten bist« (Verse 18-23).
Simon war in
eine Falle Satans geraten, sodass sein Ansinnen eines von bitterer Galle und
Ungerechtigkeit war (vgl. 5.Mose 29:17). Er hatte das Wesen des Handelns Gottes
nicht erkannt: Gott gibt doch nicht für Geld, sondern nach Seinem Erbarmen und
konstruktiven Willen; gern beschenkt Er die Seinen, großmütig rüstet Er sie
aus.
Deutlich sagte
Petrus, dass das Geschenk Gottes nicht für Geld zu haben ist. Petrus wird auch
persönlich nicht in Versuchung geraten sein, da das Wort seines Herrn: »Umsonst
habt ihr es erhalten, umsonst gebt es weiter« (Mat.10:8) ihn festigte.
Sollte Simon
umsinnen, so soll ihm vergeben werden, wie es auch in Jesaia 55:7 heißt: »[Der
Frevler] kehre um zu Jewe, und Er wird Sich seiner erbarmen, und zu unserem
Elohim, denn Er ist reich an Vergebung.«
Die Worte des
Petrus brachten Simon wieder auf den rechten Weg, wie man aus dessen Antwort
ersieht.
»Da antwortete
Simon: Fleht ihr für mich zum Herrn, damit nichts von dem, was ihr angesagt
habt, über mich komme!« (Vers 24).
Es war
durchaus berechtigt von Simon, die Apostel um Fürbitte für ihn zu bitten, zumal
Jakobus schreibt: »Bekennet nun einander offen die Sünden und betet
füreinander, damit ihr geheilt werdet« (Jak.5:16).
Wohl war es
die scharfe Ermahnung des Petrus, im Grunde aber war es Gott, der dem Simon
Umsinnung verliehen hatte (vgl. 2.Tim.2:25).
»Nachdem sie
nun das Wort des Herrn bezeugt und gesprochen hatten, kehrten sie nach
Jerusalem zurück und verkündigten noch in vielen Dörfern der Samariter das
Evangelium« (Vers 25).
»Ein Bote des Herrn aber sprach zu Philippus:
Steh auf und gehe gegen Mittag auf den Weg, der sich von Jerusalem nach Gaza
hinabzieht; dieser ist einsam. - Da stand er auf und ging hin. Und sieh, ein
Mann, ein äthiopischer Verschnittener und Machthaber der äthiopischen Königin
Kandace, welcher Verwalter über ihren gesamten Staatsschatz war, der war nach
Jerusalem gekommen, um dort anzubeten, und kehrte jetzt zurück. Er saß in
seinem Wagen und las den Propheten Jesaia« (Verse 26-28).
Äthiopien war
das Land südlich des ersten Nilkatarakts bei Assuan und nördlich vom heutigen
Khartum im Sudan, also etwa das heutige Nubien.
Der Kämmerer
war ein Proselyt, der dem jüdischen Glauben gemäß in Jerusalem angebetet hatte.
Verschnittene (Eunuchen) konnten nach 5.Mose 23:2 zwar nicht Vollproselyten
werden und in die Versammlung Jewes kommen, haben aber Verheißungen für das
Königreich Israels (Jes.56:3-5). Mit den zwölf Aposteln war der Finanzminister
im abgefallenen Jerusalem nicht in Kontrakt gekommen - die übrigen Gläubigen
hatten sich ja wegen der Verfolgung zerstreut -, und so hatte er nichts von dem
Einen gehört, der Jesaia dreiundfünfzig erfüllt hatte. Wenn Gott Sich aber
einen solchen Leser Seines Wortes zubereitet hat, dann sendet Er ihm auch einen
Lehrer.
Ein Bote des
Herrn gab Philippus die konkrete Anweisung, wohin er sich begeben sollte. Boten
sind ein Amt versehende Geister, zum Dienst ausgeschickt um derer willen, denen
die Rettung zugelost werden soll (Heb.1:14).
In der
gegenwärtigen heilsgeschichtlichen Verwaltung, in der wir durch Glauben wandeln
und nicht durch Wahrnehmung (2.Kor.5:7; 1.Tim.1:4) und mithin nicht gesagt
bekommen, wann und wo und wie wir was im Einzelfall tun sollen, gebraucht Gott
uns zum Dienst, indem Er uns durch Sein geisterfülltes Wort bewegt und als der
Allesbewirkende auch jeden unserer Gedanken hervorruft (Eph.1:11).
Und nun sollte
sich das Gebet Salomos bei der Tempelweihe (1.Könige 8:41-43; 2.Chron.6:32,33)
erfüllen, dass nämlich Jewe auf die Ausländer hören wolle, die um Seines Namens
willen aus der Ferne kommen, um zu Seinem Haus, dem Tempel, hin zu beten.
»Du erkennst doch wohl ...?«
»Da sagte der Geist zu Philippus: Tritt hinzu
und schließ dich diesem Wagen an! - Als nun Philippus hinzulief, hörte er ihn
den Propheten Jesaia lesen und fragte: Du erkennst doch wohl die Bedeutung von
dem, was Du liest? - Er aber antwortete: Wie sollte ich das denn können, wenn mich
niemand anleitet? - Dann sprach er dem Philippus zu, aufzusteigen und sich zu
ihm zu setzen« (Verse 29-31).
Jetzt sprach
Gott Selbst, der Geist ist (Joh.4:24), durch Seinen Geist zu Philippus.
Da man damals
ohne Wortzwischenräume schrieb, war es nötig, laut zu lesen. So konnte
Philippus es hören und sofort Bescheid wissen. Seine Frage: »Du erkennst doch
wohl die Bedeutung von dem, was du liest?« darf uns ein Vorbild für die
Anknüpfung eines Gesprächs sein, leicht abgewandelt etwa so: »Sie verstehen doch
sicher, was Sie lesen?«
Auch wir
bedürfen der Lehrer, die Christus Seiner Gemeinde als besondere Gnadengabe gibt
(Eph.4:11) - seien wir dankbar für sie! -, aber auch wir alle, die wir uns das
Wort Christi reichlich innewohnen lassen, können andere belehren (Kol.3:16).
Der Geist
Gottes leitete die Apostel und dann auch die an Jesus Gläubigen in alle
Wahrheit (Joh:16:13); so weit aber war es bei dem Kämmerer noch nicht.
»Der Inhalt
der Schriftstelle, die er las, war dieser: Wie ein Schaf wurde Er zur
Schlachtung geführt, und wie ein Lamm vor seinem Scherer verstummt, so tat auch
Er Seinen Mund nicht auf. In Seiner Erniedrigung wurde das Gericht über Ihn
aufgehoben. Wer wird in Seiner Generation davon erzählen? Denn Sein Leben wird
von der Erde hinweggenommen. - Da wandte sich der Verschnittene an Philippus:
Ich flehe dich an, von wem sagt der Prophet dies? Von sich selbst oder von
jemand anders? - Nun tat Philippus seinen Mund auf, und mit dieser
Schriftstelle beginnend, verkündigte er ihm Jesus als Evangelium« (Verse
32-35).
Wir wissen:
Jesaia sagte dies von Jesus, dem Lamm Gottes, das der Welt Sünde auf Sich nahm
(Joh.2:29).
Der Kämmerer
las den Propheten in der griechischen Übersetzung, der Septuaginta; daher die
Unterschiede gegenüber dem hebräischen Text des Alten Testaments.
Der schwierige
Satz: »In Seiner Erniedrigung wurde das Gericht über Ihn aufgehoben« sei kurz
erläutert: Infolge Seiner Erniedrigung bis zum Tod, ja bis zum Kreuzestod
(Phil.2:8), »dafür, dass Er Seine Seele in den Tod dahingab« (Jes.53:12), wurde
das Gericht über Ihn aufgehoben, wurden die Folgen des Todesurteils aufgehoben,
indem der Vater Ihn auferweckte.
Und nun tat
Philippus seinen Mund auf und holte, wie ein jeder Jünger des Königreichs der
Himmel, aus seinem Schatz Neues und Altes hervor (Mat.13:52). Er sprach von der
Weissagung Jesaias und ihrer Erfüllung in Jesus, dem Messias Israels. Den alten
Schriften gemäß starb Jesus für unsere Sünden (1.Kor.15:3; 1.Joh.2:2). Beachten
wir, dass Jesus Selbst das Evangelium ist, die frohe Botschaft. In Ihm fand
auch der Kämmerer die Erlösung von seinen Sünden, in Ihm hat er das äonische
Leben (1.Joh.5:11), und zwar aufgrund seines Glaubens und seiner Umsinnung
sowie seiner Taufe (Ap.2:38), von der wir gleich hören.
»Als sie so des Weges zogen, kamen sie an ein
Wasser. Da sagte der Verschnittene nachdrücklich: Siehe, da ist Wasser! Was
hindert mich noch, getauft zu werden? - Und er befahl, dass der Wagen stehen
bleibe; dann stiegen beide, Philippus wie auch der Verschnittene, in das Wasser
hinab, und er taufte ihn« (Verse 36+38; Vers 37 nicht in den ältesten
Handschriften).
Philippus
hatte keine Bedenken, den Kämmerer zu taufen. Er muss von dessen Glauben
überzeugt gewesen sein - der ist ja Gottes lebendiges und kraftvolles Geschenk
- wie auch davon, dass der Herr Jesus Christus diesen Mann auch ohne längeren
Bibelunterricht und ohne eine Gemeinschaft von Gläubigen in seinem Heimatland
durch Seinen Geist auf dem weiteren Glaubensweg leiten werde.
»Als sie aber aus dem Wasser heraufstiegen,
entrückte der Geist des Herrn den Philippus, und der Verschnittene gewahrte ihn
nicht mehr; doch er zog mit Freuden seines Weges. Philippus aber befand sich in
Asdod; von dort aus zog er umher und verkündigte das Evangelium in allen
Städten, bis er nach Cäsarea kam« (Verse 39+40).
Philippus
hatte seinen Auftrag erfüllt; nun hob der Geist des Herrn ihn empor und
versetzte ihn nach Asdod, das in der Küstenebene westlich von Jerusalem lag.
Dass der
Kämmerer freudig seines Weges zog, darf durchaus mit dem Empfang des heiligen
Geistes in Verbindung gebracht werden.
Philippus nun
zog in den Städten umher und verkündigte das Evangelium vom Eintritt in das Königreich
Israels auf der Erde durch den Glauben, dass Jesus der Christus ist, und durch
die Taufe der Umsinnung zur Erlassung der Sünden (Luk.3:3). Später dann nahm er
seinen Wohnsitz in Cäsarea, 85 km nördlich von Asdod am Mittelmeer (Ap.21:8).
(Apostelgeschichte 9:1-21)
Die Berufung des jungen Pharisäers Saulus vor
Damaskus in den Dienst des Herrn Jesus Christus im Jahre 34 n. Chr. ist die
herrlichste Darstellung der Gnade Gottes, die je einem Gläubigen widerfuhr.
Saulus war der schlimmste aller Sünder, ein Verfolger, Frevler und Lästerer,
aber der Herr machte ihn zum Ersten Seiner Heiligen. Gnade über Gnade
überströmte ihn und gewann sein Herz. Ja, überwältigend ist die Gnade unseres
Herrn und unwiderstehlich Seine Liebe (1.Tim.1:14).
Die Berufung
des Saulus ist das Muster für unsere Rettung in diesen Tagen der Gnade Christi
(1.Tim.1:16), denn ebenso wie er wurden auch wir allein in der Gnade gerettet.
Nichts ist aus uns - alles ist Gnade, pure Gnade. Wollte jemand selbst etwas zu
seiner Rettung beitragen, würde er die Gnade schmälern, ja das Kreuz des
Christus inhaltslos machen (1.Kor.1:17).
Das Ereignis
vor Damaskus ist so bedeutsam und eine so einschneidende Änderung des
Heilsweges Gottes, dass Lukas dreimal darüber berichtet (Ap.9:1-19; 22:3-16;
26:9-18) und Paulus in seinen Briefen wiederholt auf diese entscheidende Wende
seines Lebens eingeht (1.Kor.15:9,10; Gal.1:13-16; 1.Tim.1:12-16; Heb.10:34).
»Saulus nun, der noch immer Drohen und Mord
gegen die Jünger des Herrn schnaubte, ging zum Hohenpriester und erbat von ihm
Briefe an die Synagogen in Damaskus, damit er, wenn er einige Männer wie auch
Frauen fände, die sich an den Weg der neuen Lehre hielten, diese gebunden nach
Jerusalem abführen möge« (Verse 1+2).
Noch immer
wütete Saulus maßlos gegen die herausgerufene Gemeinde in Jerusalem; er ging
der Reihe nach in die Häuser der Anhänger des neuen Glaubensweges und schleppte
sie ins Gefängnis (Ap.8:3). Jesus war zwar gekommen, um das Gesetz und die
Propheten zu erfüllen (Mat.5:17), Saulus meinte aber, der Glaube an Jesus als
den Messias führe zum Umsturz des mosaischen Systems. Im Grunde aber war er
deshalb voller Hass, weil er auf Fleisch vertraute (Phil.3:4) und all sein Tun nicht
aus Glauben, sondern aus Gesetzeswerken geschah; deshalb war Jesus ihm der
Stein des Anstoßes (Röm.9:32). So hielt er es zur Rettung Israels für zwingend
notwendig, dass diese neue Sekte ausgerottet werden musste, und zwar restlos,
weshalb er sich vom Hohenpriester Vollmachten ausstellen ließ, um auch die
Gläubigen in Damaskus gefangen nehmen zu dürfen. Der Rat seines Lehrers
Gamaliel, es Gott zu überlassen, was aus der Bewegung des Nazareners werden
würde (Ap.5:38), kam für den konsequenten und stürmischen Mann nicht in
Betracht.
»Als er sich auf seiner Reise Damaskus
näherte, geschah es, dass ihn unversehens ein Licht aus dem Himmel umstrahlte.
Auf die Erde fallend, hörte er eine Stimme, die zu ihm sagte: Saul, Saul, was verfolgst
du Mich? - Da antwortete er: Wer bist Du, Herr? - Er aber sagte: Ich bin Jesus,
den du verfolgst! Doch steh auf und geh in die Stadt hinein! Dort wird man dir
sagen, was du tun sollst« (Verse 3-6).
Es ist
unfassbar! Wer kann dies begreifen? Dass nämlich Saulus zwar mit der
Feststellung, dass er Jesus verfolge, gerügt wurde, ansonsten aber kein
Strafurteil über ihn gefällt, sondern ihm bedingungslose Gnade zuteil wurde, um
die er nicht einmal nachgesucht hatte. Saulus hätte vom Herrn getötet werden
müssen, wird doch niemand, der nicht an den Messias Jesus glaubt, Ihm sogar
feind ist, im Königreich leben. Saulus hätte aus seinem Volk ausgerottet werden
müssen, denn er dachte nicht im Geringsten daran umzusinnen, was nach dem
Evangelium der Beschneidung eine unabdingbare Voraussetzung für die Rettung und
Teilhabe am Königreich ist (Mat.3:2; 4:17; Ap.2:38).
Saulus
erlangte Erbarmen, weil er unwissend gegen Jesus gekämpft hatte, im Unglauben
(1.Tim.1:13). Wissentliche, vorsätzliche Sünden, Sünden mit erhobener Hand
(4.Mose 15:30), konnten nach dem Gesetz des Mose nicht vergeben werden. Saulus
hatte aber gemeint, das Richtige zu tun und Gott zu dienen.
Das Licht aus
dem Himmel, das Saulus umstrahlte, war für ihn eindeutig eine
Gottesoffenbarung; Gott ist Licht, wie Saulus aus den hebräischen heiligen
Schriften wusste (Jes.66:1,2; Ps.4:7; 27:1; Jak.1:17; 1.Joh.1:5). Er sah Jesus
in diesem Licht, ohne es zunächst zu wissen. Jesus war ihm in dem Licht
erschienen; anders ausgedrückt: das Licht war Jesus in Seinem
Herrlichkeitsglanz (Ap.9:17,27; 22:14; 26:14; 1.Kor.9:1; 15:8).
Auf die Erde
fallend beugte sich Saulus der himmlischen Erscheinung. Es war sicherlich ein
Bote Jewes. Eine Stimme sprach ihn ganz persönlich an: »Saul, Saul, was
verfolgst du Mich?« - Sollte Saulus etwa Jewe verfolgen, den Elohim Israels,
der durch einen Boten zu ihm redete?
Saulus fragte:
»Wer bist Du, Herr?« Nun würde der Bote seinen Namen nennen. Doch die Antwort
lautete: »Ich bin Jesus, den du verfolgst!« - Saulus war bis ins Innerste
erschüttert. Das war der Schock seines Lebens. Alles in ihm brach in diesem
Moment zusammen, sein Selbstverständnis, sein Plan, sein Pharisäertum, seine
Theologie.
Saulus hatte
Jesus, den verheißenen Messias, verfolgt! Wer die Gläubigen verfolgt, verfolgt
Jesus Selbst, dem sie zu eigen sind (Luk.10:16).
Nach
Apostelgeschichte 22:10 fragte Saulus sodann: »Was soll ich tun, Herr?« Und der
Herr Jesus Christus nahm ihn in Seinen Dienst, und zwar mit den in Kapitel
26:16-18 verzeichneten Worten: »Dazu bin Ich dir erschienen, dich zum
untergebenen Gehilfen und Zeugen dessen zu bestimmen, was du wahrgenommen hast,
wie auch dessen, womit Ich dir noch erscheinen werde. Ich nehme dich heraus aus
dem Volk und aus den Nationen, zu denen Ich dich sende, um ihnen die Augen zu
öffnen, damit sie sich von der Finsternis zum Licht und von der Obrigkeit
Satans zu Gott umwenden, sodass sie Sündenerlass erhalten und ein Losteil unter
denen, die durch den Glauben an Mich geheiligt worden sind.«
Allein durch
die Gnade Christi wurde Saulus in die Gemeinschaft mit dem Sohn Gottes und in
den Dienst berufen (Gal.1:15). Die zwölf Apostel waren vom Herrn, als Er in
Knechtsgestalt war, berufen worden; Saulus wurde von dem verherrlichten Herrn
berufen. Saulus ist der einzige Augenzeuge der überhimmlischen Herrlichkeit
Jesu Christi.
So also hatte
Gott Seinen Sohn in Saulus enthüllt, damit er Ihn, den Verherrlichten und zur
Rechten Gottes Sitzenden, als Evangelium unter den Nationen verkündige
(Gal.1:16).
»Die Männer aber, die mit ihm unterwegs
waren, standen starr vor Schrecken, weil sie zwar die Stimme hörten, aber
niemand schauten. Saulus erhob sich dann von der Erde; obwohl seine Augen
geöffnet waren, erblickte er nichts. So leitete man ihn bei der hand und führte
ihn nach Damaskus hinein. Drei Tage lang konnte er nicht sehen, auch aß er
nicht noch trank er« (Verse 7-9).
Die
Reisebegleiter waren wahrscheinlich Gerichtsdiener. Sie schauten das Licht, wie
ergänzend zu Vers 7 in Kapitel 22:9 berichtet, sahen aber niemand, weil die
Erscheinung Jesu nur für Saulus bestimmt war. Nun heißt es aber an der einen
Stelle (9:7), dass sie die Stimme hörten, und an der anderen (22:9), dass sie
die Stimme des Sprechenden nicht hörten. Da das griechische Wort phonê auch
Geräusch, Ton und Rauschen bedeutet, liegt es auf der Hand, dass sie das
Geräusch der Stimme, ihr Tönen hörten, aber die eigentliche Stimme nicht
verständlich vernahmen. Und wer da sprach, wussten sie auch nicht, wollte Jesus
doch nur Saulus ganz persönlich ansprechen.
Die
Sehbehinderung des Saulus kam durch die Herrlichkeit jenes Lichts, das heller
als der Glanz der Sonne war (Ap.22:11; 26:13). Er erfuhr nach des Herrn Willen
eine Blindheit, die ihm zeigen sollte, wie blind er geistlicherweise gewesen
war. Nur die Augen seines Herzens sollten sich an die Herrlichkeit Jesu Christi
erinnern; und nur diese sollte jetzt und von nun an sein Innerstes ausfüllen.
Der Gott, der gebot: Aus der Finsternis leuchte das Licht!, der ließ es im
Herzen des Saulus aufleuchten zum Lichtglanz der Erkenntnis der Herrlichkeit
Gottes im Angesicht Jesu Christi (2.Kor.4:6).
Was Saulus
ansonsten in seinen Gedanken bewegt haben mag, wissen wir nicht. Vielleicht
dachte er an Ananias und Sapphira, die wegen nur einer Lüge tot zu Boden
gefallen waren (Ap.5:1-11). Er aber hatte Schlimmeres verdient. Sollte der Herr
noch einen anderen Weg eröffnet haben? Gott hatte ihm die Kränkungen, die er
Ihm zugefügt hatte, nicht angerechnet (2.Kor.5:19). Sollte Saulus schon geahnt
haben, dass dies Versöhnung ist, griech. katallagê, wörtlich Herab-Veränderung,
mithin eine völlige Veränderung des Handelns Gottes? - Im Übrigen hatte Gott
nicht Petrus zu Saulus geschickt, sondern der Herr Jesus Christus Selbst war zu
ihm gekommen, und dies in überhimmlischer Herrlichkeit.
»In Damaskus befand sich ein Jünger namens
Ananias; zu ihm sagte der Herr in einem Gesicht: Ananias! - Dieser antwortete:
Siehe, hier bin ich, Herr! - Da sprach der Herr zu ihm: Steh auf, geh in die
sogenannte »Gerade« Gasse und suche im Haus des Judas einen Mann aus Tarsus
namens Saulus auf; denn siehe, er betet. In einem Gesicht gewahrte er einen
Mann namens Ananias hereinkommen und ihm die Hände auflegen, damit er wieder
sehend werde. - Da antwortete Ananias: Herr, ich habe von vielen über diesen
Mann gehört, wieviel Übles er Deinen Heiligen in Jerusalem angetan hat. Auch
hier hat er von den Hohenpriestern Vollmacht, alle mit Fesseln zu binden, die
Deinen Namen anrufen« (Verse 10-14).
Saulus musste
warten - drei Tage lang -, bis man ihm Weiteres sagen würde. Er betete. Dies
konnte er nun in Wahrheit, denn er hatte den gesehen, dem die Anbetung gebührt
(Ps.45:12; Joh.20:28; Ap.7:59,60; 1.Kor.1:2). Und Jesus Christus gewährte ihm
die Vision, dass Ananias hereinkäme und ihm seine Sehkraft wiedergeben würde.
Auch Ananias
erhielt eine Vision. Er sollte in die Gerade Gasse - sie heißt übrigens heute
noch so - gehen, und zwar ausdrücklich zu Saulus, über den er viel Übles gehört
hatte und dessen Spezialauftrag ihm bekannt war. Ananias trug seine begründeten
Bedenken seinem Herrn in aller Aufrichtigkeit vor. Er war ein ehrfürchtiger
Mann nach dem Gesetz (Ap.22:12). Mithin wird er sich auch die Frage gestellt
haben, wie es denn mit der Gerechtigkeit Gottes zu vereinbaren sein, einem
solchen Feind wie Saulus die Gunst zu erweisen, dass er wieder sehend werde? Er
wusste ja noch nichts von der Berufung des Saulus vor Damaskus.
Übrigens
nannte er die Gläubigen in Jerusalem »Deine Heiligen«. Die an Jesus glaubenden
Juden (und Proselyten) waren die wahren Heiligen.
»Dieser ist Mir ein auserwähltes Gerät!«
»Aber der Herr sagte zu ihm [Ananias]: Geh
hin! Denn dieser ist Mir ein auserwähltes Gerät, Meinen Namen vor die Augen der
Nationen wie auch der Könige und der Söhne Israels zu tragen; denn Ich werde
ihm anzeigen, wie viel er um Meines Namens willen leiden muss« (Verse 15+16).
Saulus war von
seiner Mutter Leib an abgesondert (Gal.1:15), um das auserwählte Gerät zu sein,
das der Herr gebrauchen wird, um Seine Werke durch ihn zu tun. Gott bereitet
stets die Gefäße zu, die einen zur Unehre und die anderen zu Seiner Ehre
(Röm.9:21).
Saulus sollte
den Namen Jesu - denn allein in Jesus ist die Rettung (Ap.4:12) - vorrangig vor
die Augen der Nationen - Ananias wird darüber sehr verwundert gewesen sein -
tragen wie auch, zweitens, vor die von Königen und erst in dritter Linie vor
die Israels. Nach den bisherigen Offenbarungen sollte das wiedergeborene und
mithin gläubige Israel alle Völker zu Jüngern machen (Mat.28:19). Mit der
Steinigung des Stephanus und der Berufung des Saulus aber ist Israel bereits
als verworfen anzusehen (Röm.11:15).
Gott hatte
Seinen Sohn in Saulus enthüllt, damit er Ihn als Evangelium unter den Nationen
verkündige (Gal.1:16). Er erhielt Gnade und das Aposteltum, den
Glaubensgehorsam unter den Nationen zu lehren (Röm.1:5). Jesus Christus setzte
ihn als Herold, Apostel und Lehrer der Nationen in Seinen Dienst ein
(1.Tim.1:12; 2:7).
Die Antwort
des Herrn wird bei Ananias einen vertieften Glauben zum Beispiel an das Wort in
2.Mose 33:19 bewirkt haben, welches lautet: »Ich bin gnädig, wem Ich gnädig
sein will, und Ich erbarme Mich, wessen Ich Mich erbarmen will« (vgl.
Röm.9:15). Am unwürdigsten Menschen lässt sich die Gnade am deutlichsten
darstellen.
Vers 16
beginnt mit einem begründenden »denn«, da dem Ananias deutlich werden sollte,
dass gerade daran, dass Saulus leiden müsse, erkennbar ist, dass er ein
auserwähltes Gerät ist. Alle zum Dienst Eingesetzten müssen leiden. Ihr Leiden bezeugt
ihre Auserwählung. - Wie wir wissen, litt Saulus alsdann mehr als alle anderen
Apostel (2.Kor.11:23-27; Kol.1:24).
»Da ging Ananias hin und trat in das Haus,
legte ihm die Hände auf und sagte: Saul, Bruder, der Herr hat mich geschickt,
Jesus, der dir auf dem Weg, den du kamst, erschienen ist, damit du wieder
sehend werdest und mit heiligem Geist erfüllt wirst. - Sofort fiel es ihm wie
Schuppen von den Augen, und er wurde sehend. Dann stand er auf und wurde getauft.
Auch nahm er Nahrung zu sich und stärkte sich« (Verse 17-19 a).
Dem Ananias
standen die Kräfte des Königreichs Israels, die des zukünftigen Äons (Heb.6:5),
zur Verfügung, sodass Saulus mit der Handauflegung heiligen Geist empfing und
sein Sehvermögen wiedererlangte. Dies unterstrich die Tatsache, dass er in der
Gnade des Herrn stand.
Ananias hatte
Saulus mit »Bruder« angesprochen, was von herzlicher Verbundenheit zeugt und
dem Saulus ein großer Zuspruch gewesen sein dürfte. So wie Saulus von seiner
Blindheit zum Licht kam, so sollte er nun allen Menschen den Weg »von der
Finsternis zum Licht« (Ap.26:18) weisen.
Von den Worten
des Ananias an Saulus erfahren wir in Kapitel 22:13-16 noch mehr. Dort heißt
es: »Saul, Bruder, blicke auf! ... Der Gott unserer Väter hat dich dazu
bestimmt, Seinen Willen zu erkennen, den Gerechten zu gewahren und die Stimme
aus Seinem Mund zu hören; denn du sollst Ihm für alle Menschen ein Zeuge dessen
sein, was du gesehen hast und noch hörst. Und nun, was zögerst du? Steh auf,
lass dich taufen und dir die Sünden abwaschen, und rufe Seinen Namen an!«
Die
Wassertaufe war eine Bekräftigung der Umsinnung, die zur Erlassung der Sünden
und zur Reinigung von jeder Ungerechtigkeit nötig war (Luk.3:3; 1.Joh.1:9). Die
eigentliche Reinigung hatte Saulus drei Tage zuvor »durch das Wasserbad in
einem Ausspruch seines Mundes« (Eph.5:26), durch das Wort Jesu an ihn,
erfahren. Sein Wort hat die Kraft, die Menschen umzuwandeln.
»Einige Tage
nur befand er [Saulus] sich bei den Jüngern in Damaskus, wo er sofort in den
Synagogen von Jesus heroldete, dass dieser der Sohn Gottes ist. Da waren alle,
die das hörten, außer sich und sagten: Ist dieser nicht derselbe, der in
Jerusalem denen nachstellte, die diesen Namen anrufen? War er nicht dazu
hierher gekommen, um sie gebunden zu den Hohenpriestern abzuführen?« (Verse 19
b-21).
Anstatt die an
Jesus Gläubigen in den Synagogen gefangenzunehmen, verkündigte Saulus ihnen und
allen anderen dort wie ein Herold, der höchstamtliche Verfügungen ausrief, dass
Jesus, den er verfolgt hatte, der Sohn Gottes ist. Jesus ist es und kein
anderer! Dies konnte er ihnen wahrhaftig bezeugen.
Saulus nannte
Jesus nicht »Sohn Davids«, was eine Beschränkung auf Israel ausgedrückt hätte,
sondern »Sohn Gottes«, was alle Menschen angeht. Die anderen Apostel hatten
Jesus bisher noch nicht als Sohn Gottes verkündigt, sondern betont als den Sohn
Davids (Ap.2:29,30), somit als den König Israels. Dem Saulus aber hatte der
Herr Sich außerhalb Israels offenbart - was sehr bedeutsam ist -, alle
Eingrenzungen auf Israel mithin sprengend.
Sofort war
Saulus in die Synagogen gegangen. Noch konnte er keine Streitgespräche anhand
der hebräischen heiligen Schriften führen, da er diese unter dem neuen Gesichtspunkt,
dass Jesus der Christus ist, noch nicht durchgearbeitet hatte. So bestand sein
erster Dienst in der Bezeugung Dessen, den er gesehen und gehört hatte.
Aber auch
aller weitere Dienst gründete darauf, dass Gott Seinen Sohn in Saulus enthüllt
hatte (Gal.1:16).
So hatte die ganze Gemeinde nun Frieden
(Apostelgeschichte 9:22-43)
Lukas berichtete in den vorangehenden Versen
1 bis 21 von der Berufung des Saulus vor Damaskus und über dessen ersten Dienst
in dieser Stadt, bei dem er verkündigte, dass Jesus der Sohn Gottes ist. Den
darauf folgenden Aufenthalt des Saulus in Arabien übergeht Lukas.
Über die drei
Jahre von seiner Berufung an bis zu seinem Hinaufgehen nach Jerusalem schreibt
Paulus in Galater 1:15-18: »Als es aber Gott (der mich von meiner Mutter Leib
an abgesondert und durch Seine Gnade berufen hat) wohlerschien, Seinen Sohn in
mir zu enthüllen, damit ich Ihn als Evangelium unter den Nationen verkündige,
da unterbreitete ich es nicht sofort Fleisch und Blut, noch ging ich nach
Jerusalem zu denen hinauf, die schon vor mir Apostel waren, sondern ich begab
mich nach Arabien, von wo aus ich wieder nach Damaskus zurückkehrte. Darauf
(nach drei Jahren) ging ich nach Jerusalem hinauf ...«
Mit Arabien
ist gewiss das Königreich der Nabatäer in Nordwestarabien gemeint. Es gehörte
damals nicht zum römischen Reich.
Wir lesen Vers 22: »Saulus wurde nun im
Glauben immer mehr gekräftigt und brachte dann die Juden, die in Damaskus
wohnten, in Verwirrung, als er aus der Schrift den Nachweis führte, dass dieser
der Christus ist.«
Die erste
Aussage dieses Satzes bezieht sich nach meiner Überzeugung auf die Zeit in
Arabien. Dort konnte Saulus die hebräischen heiligen Schriften in Ruhe unter
der neuen Erkenntnis studieren, dass sie von Jesus sprechen. Früher hatte er
gemeint, dass der Messias noch kommen würde, jetzt aber las er die Schriften im
Licht des gekommenen und ihm erschienenen Herrn. Die Pharisäer hatten sich vom
Messias erhofft, dass er die Römer aus dem Land jage. Doch wer von ihnen hatte
über Jesaia 53 nachgedacht (Jes.53:8)? Was Jesus tun sollte und getan hat, war:
»Rechtfertigen soll Mein gerechter Knecht die Vielen, und ihre Vergehungen wird
Er Sich aufbürden« (Jes.53:11). Nun dachte Saulus darüber nach; und, um ein
weiteres Beispiel zu nennen, auch über Psalm 22. Und alle Opfervorschriften des
Gesetzes: hat Jesus sie nicht in Vollkommenheit erfüllt?
Nach Damaskus
zurückgekehrt, war Saulus in der Lage, aus der Schrift den Nachweis zu führen,
Beweise zusammentragend und Zusammenhänge aufzeigend, dass Jesus der Christus
ist. Wir schreiben das Jahr 37 n. Chr.
»Als so eine beträchtliche Zahl von Tagen
verflossen war, beschlossen die Juden gemeinsam, ihn zu ermorden. Doch wurde ihr
Anschlag dem Saulus bekannt. Sie ließen nun tags sowohl wie nachts auch die
Tore scharf beobachten, damit sie ihn ermorden können. Daher nahmen ihn die
Jünger und ließen ihn bei Nacht hinaus, indem sie ihn in einem Korb durch ein
Fenster in der Mauer hinabsenkten« (Verse 23-25).
Die
feindseligen Juden hatten die Stadtregierung für ihren Anschlag gewonnen, wie
aus 2.Korinther 11:32,33 hervorgeht: »In Damaskus ließ der Landesoberst
[Ethnarch] des Königs Aretas die Stadt der Damaszener überwachen, weil er mich
festnehmen wollte; doch wurde ich in einem Weidenkorb durch ein Fenster in der Mauer hinabgesenkt
und entrann seinen Händen.«
Die Bemühungen
des Saulus, die Juden für Christus zu gewinnen, waren fehlgeschlagen. Der
einstige Verfolger wurde von nun an zum Verfolgten. Die heimliche Flucht war
alles andere als eine Rettung durch ein Wunder Gottes. Aber Gott hatte Größeres
vor. Die Flucht lehrte den Saulus seine Schwachheit, derer er sich rühmte,
damit die Kraft des Christus über ihm zelte (2.Kor.11:30; 12:9).
Übrigens
spricht Vers 25 wörtlich von »seinen Jüngern«. Saulus war also bereits ein
Lehrer, dem Lernende - das ist die eigentliche Bedeutung von mathêtês -
anhingen, um von ihm zu lernen.
»Als er in Jerusalem angekommen war,
versuchte er, sich den Jüngern anzuschließen, doch alle fürchteten sich vor
ihm, weil sie nicht glaubten, dass er ein Jünger sei. Aber Barnabas nahm sich
seiner an, führte ihn zu den Aposteln und erzählte ihnen, wie er auf dem Weg den
Herrn gewahrt und dass Er zu ihm gesprochen hatte, auch wie er dann in Damaskus
freimütig im Namen Jesu geredet habe« (Verse 26+27).
Aus dem
Galaterbrief erfahren wir hierzu: »Darauf (nach drei Jahren) ging ich nach
Jerusalem hinauf, um Kephas von mir zu berichten, und blieb fünfzehn Tage bei
ihm. Jemand anders als die Apostel sah ich nicht, außer Jakobus, den Bruder des
Herrn« (Gal.1:18,19).
Die Gläubigen
in Jerusalem hatten allen Grund, misstrauisch zu sein und sich von Saulus
fernzuhalten, hatten sie den fanatisch Wütenden doch kennengelernt, der viele
aus ihren Reihen einst durch Folter zum Lästern zwang und einkerkern,
auspeitschen und hinrichten ließ.
Aber Barnabas,
ein Jünger, der später ein Reisegefährte des Paulus werden sollte, nahm sich seiner
an. Über ihn hatten wir in Kapitel 4:36,37 bereits gelesen: »Auch Joseph, der
von den Aposteln den Beinamen Barnabas (das ist verdolmetscht: Sohn des
Zuspruchs) erhalten hatte, ein Levit und Cyprier von Herkunft, dem ein Feld
gehörte, verkaufte dieses, brachte das Geld und legte es zu Füßen der Apostel.«
Die Apostel -
welche von ihnen gerade in Jerusalem anwesend waren, wissen wir nicht - und
Jakobus, der Halbbruder des Herrn, diese jedenfalls hatten ein Ohr für Saulus
und erkannten ihn als Jünger an.
»So ging er bei ihnen in Jerusalem ein und
aus und redete freimütig im Namen des Herrn. Auch sprach er zu den Hellenisten
und führte Streitgespräche mit ihnen. Doch sie nahmen es in die Hand, ihn zu
ermorden. Als die Brüder das erfuhren, geleiteten sie ihn nach Cäsarea hinab
und schickten ihn nach Tarsus weiter« (Verse 28-30).
Hellenisten
waren Juden, die griechische Sitten und Gebräuche angenommen hatten.
Nach den
erfolglosen Streitgesprächen am Ende der fünfzehn Tage (Gal.1:18) wurde dem
Saulus eine Vision vom Herrn zuteil. Er berichtet darüber in Kapitel 22:17-21:
»Als ich nach Jerusalem zurückkehrte und in der Weihestätte betete, geschah es,
dass ich in Verzückung geriet und Ihn [Jesus] wahrnahm, der mir gebot: Eile und
geh schnell aus Jerusalem hinaus, weil sie dein Zeugnis für Mich nicht annehmen
werden. Da entgegnete ich: Herr, sie selbst wissen darüber Bescheid, dass ich
es war, der die an Dich gläubig Gewordenen einkerkern und überall in den
Synagogen auspeitschen ließ. Und als das Blut Deines Zeugen Stephanus vergossen
wurde, da war ich selbst es, der dabeistand und mit den anderen daran
Wohlgefallen hatte und die Obergewänder derer bewachte, die ihn hinrichteten. -
Doch Er sagte zu mir: Geh, denn Ich werde dich in die Ferne zu den Nationen
hinausschicken!«
Des Saulus
Herz schlug für sein Volk, seine Stammverwandten dem Fleisch nach (Röm.9:3);
darum trug er dem Herrn seine Einwendungen vor. Er sollte aber zu den Nationen
gehen - dies war der Wille und die klare Führung des Herrn. Um Saulus zum
Verlassen der Stadt zu bewegen, bedurfte es dieser Vision.
So geleiteten ihn die Brüder nach Cäsarea und
schickten ihn nach Tarsus weiter. Tarsus war die Hauptstadt der römischen
Provinz Cilicien und der Geburtsort des Saulus. In Galater 1:21 erwähnt Paulus
kurz: »Darauf ging ich in die Landschaften von Syrien und Cilicien.«
Der Aufenthalt
in Jerusalem hatte Saulus in aller Deutlichkeit gezeigt, dass diese Stadt die
Basis für seinen Dienst unter den Nationen nicht sein konnte. Dies war völlig
entgegen der bisherigen prophetischen Linie, wonach nämlich die Nationen von
Jerusalem aus unterwiesen werden sollten, »denn von Zion geht das Gesetz hervor
und das Wort Jewes von Jerusalem« (Jes.3:3).
»So
hatte nun die herausgerufene Gemeinde in ganz Judäa, Galiläa und Samaria
Frieden. Sie erbaute sich, ging ihren Weg in der Furcht des Herrn und mehrte
sich durch den Zuspruch des heiligen Geistes« (Vers 31).
Alles hat
seine Zeit, sowohl Verfolgung als auch Frieden. Über die nun angebrochene Zeit
berichtet Paulus in Galater 1:22-24: »... den Gemeinden in Judäa, die in
Christus herausgerufen sind, war ich von Angesicht unbekannt. Sie hatten nur
gehört: Der uns einstmals verfolgte, verkündigt nun als Evangelium den Glauben,
dem er einst nachstellte. Und sie verherrlichten Gott im Hinblick auf mich.«
Die
herausgerufene Gemeinde des an Jesus gläubigen Teils Israels hatte sich
vorwiegend in den zentralen Wohngebieten der Juden ausgebreitet, in Judäa,
Galiläa und Samaria. Im Übrigen waren Gläubige, die sich infolge der wegen
Stephanus entstandenen Drangsal zerstreut hatten, bis nach Phönizien, Cypern
und dem syrischen Antiochien gezogen und hatten dort das Wort zu niemand anders
gesprochen als allein zu Juden (Ap.11:19). Schließlich musste zuerst ganz
Israel für den Herrn gewonnen und eine gläubige Nation werden, bevor es alle
Völker zu Jüngern machen kann (Mat.28:19).
Die Gläubigen
gehörten zu dem »auserwählten Geschlecht, dem königlichen Priestertum, der heiligen
Nation, dem Volk Gottes« (1.Pet.2:9,10). Der Apostel Petrus konnte Gott dafür
nur preisen, etwa mit den Worten, die er später in seinem ersten Brief, Kapitel
1:3-5, niederschrieb: »Gesegnet sei der Gott und Vater unseres Herrn Jesus
Christus, der uns wiedergezeugt hat nach Seiner großen Barmherzigkeit zu einer
lebendigen Erwartung durch die Auferstehung Jesu Christi aus den Toten, zu
einem unvergänglichen, unentweihten und unverwelklichen Losteil, das in den
Himmeln verwahrt wird für euch, die ihr in der Kraft Gottes sicher bewahrt
werdet durch den Glauben, für eine Rettung, die bereit ist, in der letzten
Frist enthüllt zu werden.«
Die Gläubigen
erbauten sich durch das Lesen und Hören des Wortes Gottes und Seines Sohnes
Jesu, des Christus, sowie durch den Zuspruch des heiligen Geistes. Sie
fürchteten den Herrn, indem sie sorgsam darauf bedacht waren, Ihm in allem
genau zu gehorchen. Die Gemeinde mehrte sich, da der Geist Gottes ihr Zeugnis
über den Auferstandenen bestätigte, indem er Glauben in weiteren Menschen
hervorrief.
Der Bericht über die Berufung des Saulus und
sein erstes Wirken ist abgeschlossen. Lukas wendet sich wieder dem Dienst des
Apostels Petrus zu. Der kümmerte sich um die Gläubigen; er belehrte sie und sprach
ihnen zu.
»Als Petrus zu
all den Heiligen umherzog, geschah es, dass er auch hinabkam zu denen, die in
Lydda wohnten. Dort fand er einen Mann namens Äneas, der seit acht Jahren auf
einer Matte darniederlag, weil er gelähmt war. Petrus sagte zu ihm: Äneas, dich
heilt Jesus Christus! Steh auf und breite deine Matte selbst aus. - Da stand er
sofort auf, und alle Bewohner von Lydda und Saron gewahrten ihn, und sie
wandten sich zum Herrn« (Verse 32-35).
Lydda (heute
Lod) lag in der Nähe von Joppe, dem heutigen Jaffa. Saron (oder Scharon) heißt
die Küstenebene zwischen Joppe und Cäsarea.
Man darf
annehmen, dass Äneas nicht gläubig war und Petrus sich ihm aus reiner
Barmherzigkeit Gottes zuwandte. Diese Heilung eines Sünders symbolisiert die
künftige Heilung Israels.
Petrus gebot
im Namen des Lebensfürsten Jesus Christus, der den Tod überwunden hat. Und der
Herr heilte den Gelähmten durch die göttlichen Kräfte, die im Königreich
Israels herrschen werden (Heb.6:5). Dann wird Gott dem Volk Israel ein neues
Herz und einen neuen Geist geben (Hes.11:19; 36:26), und Kranke wird es nicht
mehr geben. Lahme werden springen wie ein Hirsch (Jes.35:6).
Aufgrund des
Heilungswunders wandten sich die Bewohner der gesamten Gegend zum Herrn um.
Unter einer Umwendung dürfen wir einen gelebten Glauben verstehen, einen
Glauben, der sich im Gehorsam und treuen Dienen ausdrückt.
Es begab sich Weiteres. »Da war in Joppe eine
Jüngerin namens Tabitha, was übersetzt »Gazelle« heißt. Diese war voll guter
Werke und gab viele Almosen. Nun geschah es in jenen Tagen, dass sie hinfällig
wurde und starb. Man wusch sie dann und legte sie in ein Obergemach. Da aber
Lydda nahe bei Joppe gelegen war, schickten die Jünger (die gehört hatten, dass
Petrus dort sei) zwei Männer zu ihm, die ihm zusprachen: Zögere nicht, bis zu
uns herüberzukommen! - So stand Petrus auf und ging mit ihnen. Dort angekommen,
führte man ihn zum Obergemach hinauf. Da traten all die Witwen herzu, jammerten
und zeigten ihm alle Gewänder und Kleider, die »Gazelle« gemacht hatte, als sie
noch bei ihnen war« (Verse 36-39).
Lukas übersetzte den hebräischen Namen der
Tabitha mit »Dorkas« ins Griechische, was »Gazelle« heißt. Er tat dies
sicherlich mit der Absicht, den in ihren edlen Werken bestehenden,
gazellengleichen Anmut dieser Frau hervorzuheben. Welch ein liebliches Bild des
Dienstes einer Gläubigen Lukas hier zeichnet!
»Petrus aber trieb alle hinaus, kniete nieder
und betete. Dann wandte er sich zu dem Körper um und sagte: Tabitha, steh auf!
- Da öffnete sie ihre Augen, und als sie Petrus gewahrte, setzte sie sich
aufrecht. Er gab ihr die Hand und ließ sie aufstehen; dann rief er die Heiligen
und die Witwen herein und stellte sie ihnen lebend vor« (Verse 40+41).
Dieses Wunder an der Tabitha war eine
Vorschattung der Auferweckung der Heiligen Israels, die ihren Glauben ja durch
gute Werke bestätigt haben müssen, um gerettet zu werden. Sie wurden damals und
werden auch künftig, und zwar nach der gegenwärtigen heilsgeschichtlichen Verwaltung
der reinen Gnade, die dem Paulus gegeben wurde (Epoh.3:2), also nach unserer
Entrückung, aus Werken gerechtfertigt und nicht aus Glauben allein. Ein Glaube
ohne Werke kann sie nicht retten (Jak.2:14,24). Petrus schreibt: »...
befleißigt euch ..., Brüder, dass eure Berufung und Auserwählung durch edle
Werke bestätigt werde. Denn wenn ihr diese tut ..., wird euch der Eintritt in
das äonische Königreich unseres Herrn und Retters Jesus Christus reichlich
dargeboten werden« (2.Pet.1:10,11). Die das Gute getan haben, diese werden bei
der ersten Auferstehung, die Israel verheißen ist, bei der Auferstehung des
Lebens, aus den Gräbern hervorgehen (Joh.5:19).
Wer gehört der Braut Jesu Christi an, dem
wiedergezeugten Israel? - Hören wir den Lobpreis der großen Schar zu Beginn des
tausendjährigen Königreichs Israels: »Halleluja! Nun herrscht der Herr, unser
Gott, der Allgewaltige! Freuen wir uns und lasst uns frohlocken und Ihm die
Verherrlichung geben; denn die Hochzeit des Lämmleins ist gekommen, und Seine Braut
hat sich bereit gemacht« (Off.19:6,7). Und dann sah der Apostel Johannes
Folgendes: »Und ihr [der Braut] wurde gegeben, sich mit glänzendem, reinem
Batist zu umhüllen; denn der Batist, das sind die gerechten Taten der Heiligen«
(Off.19:8).
Ganz anders verhält es sich bei uns: Wir sind
allein durch Glauben gerechtfertigt und gerettet (Röm.3:24,28), und zwar
deshalb, damit es der Gnade gemäß sei (Röm.4:16). Selbst wenn alle unsere Werke
vor Christi Augen keinen Bestand haben sollten, sind und bleiben wir Gerettete
(1.Kor.3:10-15). »Denn in der Gnade seid ihr Gerettete, durch Glauben, und dies
ist nicht aus euch, sondern Gottes Nahegabe, nicht aus Werken, damit sich
niemand rühme« (Eph.2:8,9). Und selbst wenn wir schlummern sollten wie Eutychus
(Ap.20:9) oder (im übertragenen Sinn) träge und faul wären: wir sind zur
Rettung gesetzt (1.Thess.5:6,9,10) - zum Lobpreis der Herrlichkeit der Gnade
unseres Herrn Jesus Christus! Diese überwältigende Gnade ist es, die uns
kräftigt, sodass unser Glaube wirksam ist, und zwar durch die Liebe (Gal.5:6).
Wir lesen die letzten Verse des Kapitels
neun: »Das wurde in ganz Joppe bekannt, und viele wurden an den Herrn gläubig.
So kam es, dass er noch eine beträchtliche Reihe von Tagen in Joppe bei einem
Gerber Simon blieb« (Verse 42+43).
Noch wurde das Evangelium in der Kraft der
Zeichen und Wunder verkündigt. Mögen die Gläubigen damals aber auch an das Wort
Jesu gedacht haben, das Er dem ungläubigen Jünger Thomas gesagt hatte:
»Glückselig sind, die nicht gewahren und doch glauben« (Joh.20:29).
Viele in Joppe waren zum Glauben gekommen.
Petrus hatte den neuen Jüngern (griech., mathêtês, wörtlich Lernende) das
Evangelium umfassend darzulegen und sie darin zu festigen, weshalb er sich
längere Zeit dort aufhielt.
Im Geist des Evangeliums hatte Petrus
übrigens kein Problem, bei dem Gerber Simon zu wohnen, einem nach der jüdischen
Tradition verachteten Mann. Simon übte nämlich einen unreinen Beruf aus, weil
er ständig mit den Häuten toter Tiere in Berührung kam und nach dem Gesetz des
Mose deshalb jeweils bis zum Abend unrein war (3.Mose 11:39,40).
Petrus sollte aber noch lernen, und zwar
durch die Ereignisses des Kapitels zehn, dass Gott selbst Unbeschnittene nicht
als unrein ansieht, sondern dass Ihm in jeder Nation der annehmbar ist, der Ihn
fürchtet und Gerechtigkeit wirkt (Ap.10:28,35).
(Apostelgeschichte 10:1-11:18)
»Ein Mann in Cäsarea namens Kornelius, ein
Hauptmann bei der sogenannten Italischen Truppe, war fromm und fürchtete Gott
mit seinem gesamten Haus, gab dem Volk viele Almosen und flehte allezeit zu
Gott« (Verse 1+2).
Welch ein
beeindruckender Mann! Dieser Römer war fromm, verehrte mithin den Gott Israels
recht, den einzig wahren Gott. Er fürchtete Gott, wandelte also in Geradheit (Spr.14:2).
Er war somit ein Proselyt des Tores. Er war kein Proselyt der Gerechtigkeit,
das heißt er war nicht völlig in das Judentum eingegangen, und zwar deshalb,
weil er sich nicht hatte beschneiden lassen. Kornelius hatte seinen Glauben
durch viele Almosen erwiesen, galt aber nach wie vor wie einer aus den
Nationen, mit denen ein Jude keine Tischgemeinschaft haben durfte (Ap.10:28;
11:3). Dass auch solche Menschen vom Evangelium des Königreichs erfasst werden
würden, konnte sich kein an Jesus Gläubiger vorstellen, selbst Petrus nicht!
Im Folgenden
sollte Kornelius gesegnet werden so wie zukünftig die Israel im Königreich
untergeordneten Nationen. Gott gedachte an das Gebet des Königs Salomo bei der
Tempeleinweihung, dass Er auch die Gebete der Ausländer, die nach Ihm rufen,
erhören möge (1.Kön.8:41-43).
»Er [Kornelius] gewahrte etwa um die neunte
Stunde des Tages in einem Gesicht deutlich, wie ein Bote Gottes zu ihm
hereinkam und ihm sagte: Kornelius! - Dieser sah ihn unverwandt an, geriet in
Furcht und fragte: Was ist, Herr? - Da erwiderte der Bote ihm: Deine Gebete und
deine Almosen sind zum Gedenken vor Gott hinaufgestiegen. Und nun sende Männer
nach Joppe und lass einen gewissen Simon herbeiholen, der den Beinamen Petrus
hat. Dieser ist zu Gast bei einem Gerber Simon, dessen Haus am Meer liegt«
(Verse 3-6).
Das Meer ist
in der Heiligen Schrift ein Symbol für die heidnische Völkerwelt, genau gesagt:
für die Nationen - Israel rechnet sich nicht zu den Nationen (4.Mose 23:9).
Nach dem Auftrag des Herrn sollten die Apostel Seine Zeugen in Jerusalem sein,
im gesamten Judäa und Samaria sowie bis zur letzten Grenze des Landes (Ap.1:8).
Mit Joppe und Cäsarea, die am Meer lagen, war die letzte Grenze des Landes
erreicht. Jesu Auftrag erstreckte sich nicht über diese Grenze hinaus, sollte
aber nun auch den äußersten Rand des Judentums, nämlich die Proselyten des
Tores, erfassen und ihnen den Eintritt ins Königreich Israels vermitteln.
Kornelius
betete zur neunten Stunde, einer jüdischen Gebetsstunde (Ap.3:1), etwa gegen 15
Uhr. Und Gott erhörte das Gebet des Gerechten, wie es verheißen ist
(Spr.15:8,29; Joh.9:31; 1.Pet.3:12).
»Als dann der
Bote, der mit ihm gesprochen hatte, fortgegangen war, rief er zwei Haussklaven
und einen frommen Krieger von denen, die ihm treu ergeben waren, schilderte
ihnen alles und schickte sie nach Joppe« (Verse 7+8).
Der fromme
Krieger und die Tatsache, dass Kornelius auch den Haussklaven alles schildern,
ja erklären (griech. exêgeomai, herleiten), verständlich machen konnte, deuten
darauf hin, dass er eine kleine Hausgemeinde hatte.
»Tags darauf, als jene unterwegs waren und
sich der Stadt näherten, stieg Petrus um die sechste Stunde des Tages auf das
Flachdach hinauf, um zu beten. Da wurde er heißhungrig und wollte etwas essen.
Während man es ihm zubereitete, kam eine Verzückung über ihn: Er schaute den
Himmel geöffnet und ein Gefäß herabkommen wie ein großes Tuch, das an vier
Zipfeln auf die Erde heruntergelassen wurde. Darin waren alle Vierfüßler und
Reptilien der Erde und Flügler des Himmels. Da sprach eine Stimme zu ihm: Steh
auf, Petrus, schächte und iss! - Petrus aber erwiderte: Nur das nicht, Herr;
denn bisher habe ich noch nie irgendetwas Gemeines oder Unreines gegessen! -
Und wieder (zum zweiten Mal) erscholl die Stimme zu ihm: Was Gott gereinigt
hat, halte du nicht für gemein! - Dies geschah dreimal hintereinander, und dann
wurde das Gefäß sogleich in den Himmel hinaufgenommen« (Verse 9-16).
Was das
Gesicht wohl bedeutet haben mag? - Das Verzehren von unreinen Tieren war nach
dem Gesetz des Mose streng verboten (3.Mose 11) - nun aber hatte Gott sie für
rein erklärt. Wie konnte das sein? Wer kann das fassen?
Die
zeremoniell unreinen Tiere müssen solche Menschen aus den Nationen darstellen,
die Gott gereinigt hat. Mithin müssen wir beachten, dass Kornelius schon
gereinigt war, bevor Petrus zu ihm kam.
»Als Petrus bei sich selbst noch betroffen
war, was das Gesicht, das er gewahrt hatte, wohl zu bedeuten habe, siehe, da
standen die Männer am Tor, die von Kornelius geschickt worden waren und das
Haus des Simon erfragt hatten. Sie riefen und erkundigten sich, ob Simon mit
dem Beinamen Petrus hier zu Gast sei. - Während Petrus über das Gesicht
nachsann, sagte der Geist zu ihm: Siehe, drei Männer suchen dich! Steh nun auf,
steig hinab und geh mit ihnen; habe keine Bedenken, denn Ich habe sie
geschickt. - Da stieg Petrus zu den Männern hinunter und sagte: Siehe, ich bin
es, den ihr sucht. Was ist die Ursache für euer Hiersein? - Da antworteten sie:
Hauptmann Kornelius, ein gerechter und Gott fürchtender Mann, dem auch von der
ganzen Nation der Juden Gutes bezeugt wird, erhielt von einem heiligen Boten
Weisung, dich in sein Haus holen zu lassen, um Aussprüche von dir zu hören. -
Nun rief er sie herein und bewirtete sie« (Verse 17-23 a).
Gott bewirkt
alles nach dem Ratschluss Seines Willens (Eph.1:11), Er ruft alles hervor und
koordiniert alles - nicht nur auf die Sekunde genau, sondern auch wesensmäßig
aufs feinste. Petrus war noch am nachdenken, als der Geist Jesu ihn auf die
drei Abgesandten hinwies - so deren Kommen mit der Vision verknüpfend. Die drei
waren unrein - in den Augen des Petrus jedenfalls noch, ebenso wie die Tiere,
die er geschaut hatte.
»Am folgenden Morgen machte er sich auf und
zog mit ihnen hinaus; auch einige Brüder aus Joppe gingen mit ihm. Tags darauf
kam er nach Cäsarea hinein. Kornelius wartete schon auf sie und hatte seine
Verwandten und nahe stehenden Freunde zusammengerufen. Als nun Petrus eintreten
wollte, kam ihm Kornelius entgegen und warf sich kniefällig zu seinen Füßen
hin. Petrus aber richtete ihn auf und sagte: Steh auf, ich selbst bin auch nur
ein Mensch. - Während er sich mit ihm unterhielt, trat er ein und fand dort
viele zusammengekommen. Da sagte er mit Nachdruck zu ihnen: Ihr wisst Bescheid,
wie unerlaubt es für einen jüdischen Mann ist, sich Andersstämmigen
anzuschließen oder zu ihnen zu gehen; doch mir hat Gott gezeigt, keinen
Menschen als gemein oder unrein zu bezeichnen. Darum kam ich auch ohne
Widerrede, als nach mir gesandt wurde. Ich möchte mich nun erkundigen, aus
welchem Anlass ihr mich habt herbeiholen lassen« (Verse 23 b-29).
Petrus war zum
Durchbruch gekommen: Jetzt sah er keinen Nichtjuden allein wegen dieser
Eigenschaft mehr als gemein oder unrein an. Und mit den Worten: »Ich bin auch
nur ein Mensch« schob er jeder kultischen Verehrung von führenden Gläubigen den
Riegel vor.
Es war klug
von Petrus, Brüder aus Joppe - sechs an der Zahl (Ap.11:12) - mitzunehmen, die
als Zeugen fungieren könnten, weil er sehr wohl wusste, dass er sich wegen des
Kontaktes mit Unbeschnittenen zu verteidigen haben würde. Im Übrigen war die
Begleitung durch die Brüder ein Beispiel für eine gute Bruderschaft und den
gemeinsamen Dienst.
Die von
Kornelius Zusammengerufenen waren sehr wahrscheinlich schon sei geraumer Zeit
durch ihn auf den jüdischen Glauben aufmerksam und dafür empfänglich gemacht
worden.
»Da entgegnete Kornelius: Vor vier Tagen
fastete ich bis zu dieser Stunde, und um die neunte Stunde betete ich in meinem
Haus. Und siehe, da stand ein Mann in glänzender Kleidung vor meinen Augen und
erklärte: Kornelius, dein Gebet ist erhört worden, und deiner Almosen ist vor
Gottes Augen gedacht worden. Sende daher nach Joppe und lass einen gewissen
Simon herbeirufen, der den Beinamen Petrus hat. Dieser ist zu Gast im Haus des
Gebers Simon am Meer. Folglich sandte ich unverzüglich zu dir. Du hast nun trefflich
gehandelt, gleich zu kommen. Daher sind wir nun alle hier vor Gottes Augen, um
alles zu hören, was dir vom Herrn angeordnet worden ist « (Verse 30-33).
Das
Übereinstimmen der Visionen des Kornelius und des Petrus sowie das vom heiligen
Geist wunderbar geführte Zusammentreffen gaben Petrus die volle Gewissheit, das
Neue wagen und das Wort des Herrn Jesus Christus nun verkündigen zu können. Der
Segen Jesu Christi und Seines Königreichs sollte auch auf die Gottesfürchtigen
und Gerechten aus den Nationen kommen. - Im Gegensatz dazu ist das uns
angehende, dem Paulus enthüllte Evangelium für Sünder und Gottesfeinde bestimmt
(Röm.5:8-10).
Die Versammlung war bereit zu hören.
»Da tat Petrus
seinen Mund auf und sagte: In Wahrheit erfasse ich es nun, dass Gott nicht die
Person ansieht, sondern dass Ihm in jeder Nation der annehmbar ist, der Ihn
fürchtet und Gerechtigkeit wirkt. Ihr kennt das Wort, das Er den Söhnen Israels
gesandt hat: den Frieden als Evangelium durch Jesus Christus zu verkündigen
(dieser ist Herr über alle). Ihr wisst auch um die Dinge, die sich in ganz
Judäa zugetragen haben, angefangen von Galiläa nach der Taufe, die Johannes
geheroldet hatte, wie Gott Jesus von Nazareth mit heiligem Geist und mit Kraft
salbte, Ihn, der umherzog, Wohltaten erwies und alle heilte, die vom
Widerwirker unterdrückt waren; denn Gott war mit Ihm« (Verse 34-38). (So weit
der erste Teil seiner Rede.)
Nicht
Gottesfurcht und gerechte Taten allein können einen Menschen aus den Nationen
Gott angenehm machen, sondern der diese Dinge hervorrufende Glaube, dass Jesus
der Sohn Gottes und der Messias ist. Die Verkündigung Jesu, des Christus, durch
Petrus war das entscheidende Wort, das Kornelius retten sollte (Ap.11:14).
»Ohne Ansehen
der Person« - diese Redewendung bedeutet, dass niemand aus irgendwelchen
sachfremden Gründen bevorzugt wird.
Das zu den
Söhnen Israels gesandte Wort ist Jesus (Joh.1:1,11,14) und hat den Frieden im
Königreich Israels zum Inhalt, wie Jesaia 52:7 sagt: »Wie anmutig sind auf den
Bergen die Füße derer, die die Botschaft des Friedens verkündigen und gute
Kunde bringen, die Rettung verkündigen und zu Zion sagen: König ist dein
Elohim!«
Dieser ist der
Herr über alle, denn der Vater hat Ihm alle Vollmacht im Himmel und auf Erden
gegeben (Mat.28:19), und Er rettet auch alle für Sein Königreich, die Seinen
Namen glaubend anrufen; da ist kein Unterschied zwischen einem Juden und einem
Griechen (Röm.10:11-13).
Gott hat Jesus
mit heiligem Geist und Kraft gesalbt (Luk.3:21), ja Er ist der Gesalbte
schlechthin, der Messias. Auch dies legte Petrus seinen Zuhörern dar. Auf Jesus
ruht der Geist Jewes (Jes.11:2; 61:1), der Geist der Kraft (Luk.4:14).
Petrus setzte
seine Rede fort:
»Wir sind
Zeugen von allem, was Er im Land der Juden wie auch in Jerusalem tat; den hat
man ans Holz gehängt und hingerichtet. Diesen [Jesus] hat Gott am dritten Tag
auferweckt, und Er hat Ihm gegeben, offenbar zu werden, nicht dem gesamten
Volk, sondern den von Gott zuvor erwählten Zeugen, uns, die wir nach Seiner
Auferstehung aus den Toten mit Ihm gegessen und getrunken haben. Er hat uns nun
angewiesen, dem Volk zu herolden und zu bezeugen, dass dieser [Jesus] der von
Gott ausersehene Richter über Lebende und Tote ist. Diesem bezeugen alle
Propheten: Durch Seinen Namen erhält jeder, der an Ihn glaubt, Erlassung der
Sünden« (Verse 39-43).
Petrus
heroldete Jesus nicht nur, sondern bezeugte Ihn. Er war Zeuge all der
Ereignisse. Er hat mit dem Auferstandenen gegessen und getrunken.
Jesus ist
nicht dem gesamten Volk erschienen, sondern nur den Seinen, damit sie Seine
Zeugen an das Volk seien. Nur denen, die Ihn lieben, werde Er Sich offenbaren,
hatte der Herr gesagt (Joh.14:21).
Dieser ist der
Richter. Christus entscheidet, wer das äonische Leben, das Leben in den
künftigen Äonen, bekommt, denn der Vater hat alles Gericht dem Sohn übergeben
(Joh.5:22).
Der Herr Jesus
Christus ist es auch, der die Sünden erlässt und Sich auf diese Weise Sein Volk
reinigt. Die Propheten hatten die Erlassung der Sünden durch den Messias
bereits verheißen. Jeremia sagte: »Ich [Jewe] werde ihre Vergehungen verzeihen
und ihrer Verfehlungen nicht mehr gedenken« (Jer.31:34). Jesaia prophezeite:
»Dem Volk werden die Sünden getragen« (Jes.33:24). »Er wurde durchbohrt
aufgrund unserer Übertretungen und zerschlagen um unserer Vergehungen willen.
Jewe ließ Ihn einstehen für all unsere Verfehlungen« (Jes.53:5,6). »Er bürdet
Sich ihre Verschuldungen auf« (Jes.53:11).
»Noch während Petrus diese Worte sprach, fiel
der Geist, der heilige, auf alle, die das Wort hörten. Da waren alle Gläubigen
aus der Beschneidung, die mit Petrus gekommen waren, außer sich vor
Verwunderung, dass auch auf die Nationen das Geschenk des heiligen Geistes
ausgegossen wurde; denn sie hörten sie mit Zungen sprechen und Gott hoch
erheben« (Verse 44-46).
Der Geist
Gottes - Seine Kraft (Luk.1:35), ja das Innewohnen Gottes Selbst, der Geist ist
(Joh.4:24) - war also nicht nur für Israel bestimmt. Wir können verstehen, dass
die Juden außer sich waren. Leider gab es später viele, die den Nationen das
Evangelium nicht gönnten, das Paulus zu ihnen brachte (Ap.22:21,22).
Der Geist kam
auf alle, die an Jesus als den Christus glaubten; ihnen waren aufgrund ihres
Glaubens auch die Sünden vergeben.
Noch etwas war
neu und anders als Petrus zu Pfingsten verkündigt hatte. Bisher war dies die
Reihenfolge: Umsinnung, Taufe, Geistempfang (Ap.2:38). Jetzt war der Geist vor
der Wassertaufe auf sie gefallen. Die Taufe in den Geist gewann mithin
gegenüber der Wassertaufe an Gewicht. Die Wassertaufe behielt aber ihre
Bedeutung der Bekräftigung der Umsinnung (Luk.3:3).
»Dann
antwortete Petrus: Diesen kann man doch nicht das Wasser verwehren, damit sie
nicht getauft würden - diesen, die den Geist, den heiligen, ebenso erhalten
haben wie wir. - Darauf ordnete er an, dass sie im Namen Jesu Christi getauft
würden. Dann ersuchten sie ihn, noch einige Tage bei ihnen zu bleiben« (Verse
47+48).
Die Taufe
verband das gläubige Haus des Kornelius mit den gläubigen Juden; allerdings
nicht völlig, denn als Unbeschnittene durften sie nach wie vor nicht die
Weihestätte betreten. Und viele gläubige Juden lehnten auch in den weiteren
Jahrzehnten eine Tischgemeinschaft mit ihnen ab, wie zum Beispiel die Anhänger
des Jakobus, des Halbbruders unseres Herrn, des späteren Gemeindeleiters von
Jerusalem, deren Druck selbst Petrus nicht standhalten konnte (Gal.2:12).
Das Ereignis
im Hause des Kornelius trug übrigens nach Gottes feiner Führung dazu bei, dem
Paulus den Weg zu den Nationen zu bahnen.
»Die Apostel und die Brüder, die in Judäa
waren, hörten nun davon, dass auch die aus den Nationen das Wort Gottes
annahmen. Als dann Petrus nach Jerusalem hinaufkam, äußerten die aus der Beschneidung
ihm gegenüber Bedenken und sagten: Du bist zu Männern gegangen, die
unbeschnitten sind, und hast mit ihnen gegessen!« (Ap.11:1-3).
Es kam, wie es
kommen musste: Petrus musste sich verantworten. Ein Angehöriger des heiligen
Volkes hatte mit denen aus den Nationen nichts zu tun. Ein gemeinsames Essen
aber war Ausdruck engster Gemeinschaft und uneingeschränkter Annahme der
Person. Sollten die aus den Nationen neuerdings auf derselben Stufe wie die
Juden stehen? Verträgt es sich mit der Heiligkeit Gottes, dass auch Nichtjuden
jetzt zu Gottes Volk zählen sollten?
Eigentlich
hatte Jesus es Seinen Aposteln schon vor Seiner Himmelfahrt gesagt, dass »in
Seinem Namen Umsinnung zur Erlassung der Sünden unter allen Nationen zu
herolden ist« (Luk.24:47). Dies aber war noch weit außerhalb alles dessen, was
sie sich vorstellen konnten. So musste Petrus es durch seine eindrücklichen
Erlebnisse im Zusammenhang mit Kornelius lernen, und so mussten sich nun auch
die anderen Apostel und Brüder damit vertraut machen.
»Da begann Petrus, ihnen eins nach dem
anderen auseinanderzusetzen, und sagte: Ich war in der Stadt Joppe und betete;
da gewahrte ich in einer Verzückung ein Gesicht: ein Gefäß kam herab wie ein
großes Tuch, das an vier Zipfeln aus dem Himmel heruntergelassen wurde, und bis
zu mir kam. Ich sah unverwandt hinein, und beim Betrachten gewahrte ich die
Vierfüßler der Erde, das Wildgetier, die Reptilien und die Flügler des Himmels.
Ich hörte auch eine Stimme zu mir sagen: Steh auf, Petrus, schächte und iss!
Ich aber erwiderte: Nur das nicht, Herr; denn bisher ist noch nie etwas
Gemeines oder Unreines in meinen Mund gekommen! Doch die Stimme antwortete zum
zweiten Mal aus dem Himmel: Was Gott gereinigt hat, halte du nicht für gemein!
Dies geschah dreimal hintereinander. Dann wurde alles wieder in den Himmel
emporgezogen. - Und siehe, alsbald standen drei Männer, die man von Cäsarea zu
mir geschickt hatte, vor dem Haus, in dem wir waren. Der Geist sagte mir aber,
mit ihnen zu ziehen und keine Bedenken zu haben. Es gingen auch diese sechs
Brüder mit mir, und wir kamen in das Haus des Mannes. Er berichtete uns dann,
wie er den Boten gewahrt hatte, der in seinem Haus stand und sagte: Schicke
nach Joppe und lass Simon mit dem Beinamen Petrus herbeiholen; der wird Worte
zu dir reden, durch die du gerettet werden wirst, du und dein gesamtes Haus«
(Verse 4-14).
Eine
Zwischenbemerkung: Damals erstreckte sich der Segen auf das ganze Haus, den
ganzen Hausstand, also alle Familienangehörigen wie auch Knechte und Mägde und
Sklaven, so wie es auch im Königreich sein wird. Dies beruht auf der Verheißung
an Abraham, dass »in ihm alle Familien des Erdboden gesegnet werden sollen«
(1.Mose 12:3). Der Familienvater und Hausherr war der bestimmende Faktor.
Alle sollten
gerettet werden. Der Begriff Rettung schloss alles ein: Sündenerlass, äonisches
Leben, Teilhabe am Segen des Königreichs Israels, Freude über das Heil.
Petrus fuhr fort:
»Als ich aber
zu sprechen anfing, fiel der Geist, der heilige, auf sie ebenso wie auch auf
uns im Anfang. Da erinnerte ich mich des Ausspruchs des Herrn, wie Er sagte:
Johannes hat zwar in Wasser getauft, ihr aber werdet in heiligem Geist getauft
werden. Folglich, wenn Gott ihnen das gleiche Geschenk gegeben hat wie auch
uns, die wir an den Herrn Jesus Christus glauben, wer war ich denn? Wie wäre
ich imstande gewesen, Gott zu wehren?« (Verse 15-17).
Die
Ausdrucksweise des Petrus, ob er Gott hätte wehren können, ist zum einen sehr
bezeichnend für seine Verteidigungssituation, zum anderen aber auch für seine
feste Überzeugung, dass man Gott nicht widerstreben darf.
Petrus
erinnerte die Apostel und Brüder an den Ausspruch Jesu vor Seiner Himmelfahrt:
»Johannes hat nur mit Wasser getauft, ihr aber werdet nicht sehr lange nach
diesen Tagen in heiligem Geist getauft werden« (Ap.1:5). Dieses Wort leuchtete
Petrus nun in einer neuen Qualität auf. Aus der Unterscheidung zwischen der
geringeren und der größeren Taufe folgerte er angesichts der Geistesausgießung
auf das Haus des Kornelius, dass jenen das Geringere nicht verwehrt werden
könne, wenn sie doch das Größere schon erhalten haben. Die Geistestaufe war die
Rechtfertigung für Petrus, die Wassertaufe an den Unbeschnittenen zu
vollziehen; sie waren ja schon durch den Geist in die Gemeinde der an Jesus
Gläubigen aufgenommen.
»Als sie dies hörten, wurden sie still,
verherrlichten Gott und sagten: Demnach hat Gott auch den Nationen die
Umsinnung zum Leben gegeben« (Vers 18).
Die Apostel
und Brüder schwiegen, während Petrus redete. Wenn Gott spricht, geziemt es
sich, schweigend zuzuhören. Im Stillesein liegt ein Warten und Vertrauen
darauf, dass Gott die Sache dem Ziel zuführt. Und so wurde nun allen die neue
Erkenntnis zuteil, dass auch Menschen aus den Nationen, die umsinnen und Gott
fürchten und Gerechtigkeit wirken (Ap.10:35), das äonische Leben gegeben wird.
Dann verherrlichten sie Gott über Seinem neuen Weg mit denen aus den Nationen,
die das äonische Leben ohne Volljude werden zu müssen durch Umsinnung erhalten
und Israel untergeordnet am Königreich teilhaben werden.
Von der Gemeinde in Antiochien und König
Herodes Agrippa
(Apostelgeschichte 11:19-12:25)
Mit Kapitel elf, Vers 19, beginnt Lukas einen
neuen Abschnitt seines Berichts über das Wirken der Apostel. Er schreibt: »Die
Gläubigen, die sich infolge der Drangsal, die wegen Stephanus entstanden war,
zerstreut hatten, waren nun bis nach Phönizien, Cypern und Antiochien gezogen
und hatten das Wort zu niemand anders gesprochen als allein zu Juden« (Vers
19).
Lukas knüpft
hier an das Wüten des Saulus gegen die herausgerufene Gemeinde in Jerusalem an,
wovon er in Kapitel 8:1 geschrieben hatte: »Saulus aber hatte mit den anderen
Wohlgefallen an seiner [des Stephanus] Ermordung. An jenem Tag brach eine große
Verfolgung über die herausgerufene Gemeinde in Jerusalem herein; alle außer den
Aposteln wurden in die Gegend von Judäa und Samaria zerstreut.« Inzwischen
hatte unser Herr Jesus Christus dem Saulus vor Damaskus Gnade erwiesen und ihn
in Seinen Dienst berufen (Ap.9:1-21). Drei Jahre später, im Jahre 37 n. Chr.,
gelangte Saulus nach Tarsus (Ap.9:30; Gal.1:18).
Bis nach
Phönizien (etwa das heutige Libanon), Cypern und Antiochien waren die
Verfolgten gezogen. Antiochien am Orontes war die Hauptstadt der römischen
Provinz Syrien und nach Rom und Alexandrien die drittgrößte Stadt im römischen
Reich mit etwa 200.000 Einwohnern, wovon cirka 60.000 Sklaven waren.
Nur zu Juden
hatten sie das Wort der Rettung in Jesus gesprochen. Dies war durchaus richtig,
denn zuerst musste Israel zum Glauben, dass Jesus der Messias ist, geführt
werden; schließlich konnte nur das wiedergezeugte, gläubige und gesegnete
Israel die Nationen im Königreich zu Jüngern machen (Mat.28:19). Dass sie nur
zu Juden sprachen, lag aber auch daran, dass Nichtjuden in ihrer Sicht gemeine
und unreine Menschen waren. Sogar Petrus dachte ebenso (Ap..10:28), bis er im
Haus des Kornelius lernte, was er wie folgt beschrieb: »In Wahrheit erfasse ich
es nun, dass Gott nicht die Person ansieht, sondern dass Ihm in jeder Nation
der annehmbar ist, der Ihn fürchtet und Gerechtigkeit wirkt« (Ap.10:34,35).
»Es waren aber einige cyprische und
kyrenäische Männer unter ihnen, die, als sie nach Antiochien kamen, auch zu den
Hellenisten sprachen und den Herrn Jesus als Evangelium verkündigten. Die Hand
des Herrn war mit ihnen, und eine große Anzahl derer, die glaubten, wandte sich
zum Herrn um« (Verse 20+21).
Hellenisten
waren Juden, die griechische Sitten und Gebräuche angenommen hatten. Wenn auch
die Kodizes Alexandrinus und Sinaiticus 2 (S2) »Hellenen« schreiben, also
Griechen, Menschen aus den Nationen, und nur der Kodex Vaticanus »Hellenisten«
hat, so dürfte aufgrund der Art der Korrektur in S2 dennoch »Hellenisten« richtig
sein, auch deshalb, weil die Gemeinde in Antiochien erst nach der ersten
Missionsreise des Paulus es als etwas Neues erfuhr, dass Gott den Nationen eine
Tür des Glaubens aufgetan hatte (Ap.14:27).
Viele glaubten
und wandten sich dem Herrn zu, führten mithin sodann ein anderes Leben.
»Der Bericht über sie kam der herausgerufenen
Gemeinde zu Ohren, die in Jerusalem war, und man schickte Barnabas bis nach
Antiochien aus. Als dieser dort ankam und die Gnade, die Gottes ist, gewahrte,
freute er sich und sprach allen zu, mit dem Vorsatz des Herzens im Herrn zu
verharren; denn er war ein guter Mann, voll heiligen Geistes und voller
Glauben. So wurde dem Herrn eine beträchtliche Schar hinzugefügt« (Verse
22-24).
Wir freuen uns
mit Barnabas. Er sprach allen zu. Nicht von
ungefähr trug er den Namen, der »Sohn des Zuspruchs« bedeutet (Ap.4:36).
Er sprach ihnen zu, im Herrn zu bleiben, denn jene damals konnten ihre Rettung
andernfalls wieder verlieren (Joh.15:6; 1.Joh.2:28; 3:15; 4:16). Wir dagegen,
die wir in der dem Paulus gegebenen heilsgeschichtlichen Verwaltung der
überfließenden Gnade leben (Eph.3:2), sind mit heiligem Geist versiegelt und
können unsere Rettung nicht wieder verlieren (Eph.1:13; Röm.8:30).
»Dann zog er [Barnabas] nach Tarsus weiter,
um dort nach Saulus zu suchen. Als er ihn gefunden hatte, geleitete er ihn nach
Antiochien. Dort wurde ihnen in der herausgerufenen Gemeinde die Gnade zuteil,
ein ganzes Jahr lang eine beträchtliche Schar um sich zu sammeln und zu
belehren. Hier in Antiochien wurden die Jünger zuerst als »Christen«
bezeichnet« (Verse 265+26).
Ob Barnabas
die Unterstützung des Saulus für seinen Dienst in der wachsenden Gemeinde
suchte oder den jungen Mann fördern wollte - wie dem auch sei (wahrscheinlich
beides), er holte ihn nach Antiochien. Auf jeden Fall konnte er diese Stadt als
ein geeignetes Arbeitsfeld für Saulus ansehen, der ja zu den Nationen gehen
sollte. Dort wurde den beiden in den Jahren 39 und 40 n. Chr. ein Jahr lang der
herrliche Dienst zuteil, die Gläubigen auferbauen zu dürfen. Und sie wuchsen zu
einer Arbeitsgemeinschaft zusammen.
»Christen«
(griech. Singular: christianos) nannten die Mitmenschen die Heiligen, was so
viel wie »die des Christus« bedeutet. Paulus gebraucht diesen Ausdruck nicht.
»In jenen Tagen kamen Propheten von Jerusalem
nach Antiochien hinab. Einer von ihnen namens Agabus trat auf und kündigte
durch den Geist an, dass eine große Hungersnot demnächst über die ganze
Wohnerde kommen würde, die dann unter Klaudius auch eintrat. Da setzte man
fest, dass jeder der Jünger, so wie er die Mittel habe, eine Spende zur
Unterstützung der in Judäa wohnenden Brüder senden solle. Das taten sie auch
und schickten sie zu den Ältesten durch die Hand des Barnabas und Saulus«
(Verse 27-30).
Kaiser
Klaudius herrsche von 41 bis 54 n. Chr. Während seiner Regierungszeit gab es
mehrere Dürreperioden, die erste dürfte schon im Jahre 41 eingetreten sein. Da
sandte die Gemeinde zu Antiochien aller Wahrscheinlichkeit nach Geld durch
Barnabas und Saulus nach Judäa. Sie gingen nicht nach Jerusalem; in diese Stadt
kam Saulus zum zweiten Mal erst 14 Jahre nach seiner Berufung (Gal.2:1), also
im Jahre 47.
Jeder in der Gemeinde gab - nicht etwa den
Zehnten, sondern - nach seinem Vermögen, wie Paulus auch in 2.Korinther 8:12-15
schreibt: »Wenn die Eifrigkeit vorliegt, ist die Gabe wohlannehmbar, nach dem
Maß, was jeder hat, und nicht nach dem, was er nicht hat. Also nicht so, dass
andere Entspannung haben, ihr aber Bedrängnis, sondern zum Ausgleich soll bei
der jetzigen Gelegenheit eure Überfülle den Mangel jener ausgleichen, sodass
ein andermal die Überfülle jener eine Hilfe für euren Mangel werde, damit ein
Ausgleich stattfinde, so wie geschrieben steht: Wer viel gesammelt hatte,
dessen Teil nahm nicht zu; und wer wenig gesammelt hatte, dessen Teil war nicht
geringer (2.Mose 16:18).«
Im Übrigen
schrieb Paulus im Jahre 55 n. Chr. in 2.Korinther 12:2, dass er 14 Jahre zuvor
bis zum dritten Himmel entrückt worden war. Dies geschah mithin im Jahre 41,
also zu der Zeit, die wir gerade betrachten.
Eine weitere Zeit der Verfolgung brach über
die Gemeinde herein. Der Apostel Jakobus wurde hingerichtet (Ap.12:2), und der
führende Apostel Petrus musste Jerusalem verlassen (Ap.12:17).
Lukas
berichtet in Kapitel 12; Verse 1+2: »Zu jener Frist legte der König Herodes die
Hände an einige aus der herausgerufenen Gemeinde, um ihnen Übles anzutun. So
ließ er Jakobus, den Bruder des Johannes, durch das Schwert hinrichten.«
Herodes
Agrippa I war von 41 bis 44 n. Chr. König über Judäa und Samaria. Im Jahre 44
ließ er Jakobus, den Sohn des Zebedäus (Mat.10:2), enthaupten. Mithin trank
Jakobus den Leidensbecher, wie der Herr es ihm verheißen hatte, als seine
Mutter die Plätze zur Rechten und zur Linken Jesu im Königreich für ihre beiden
Söhne Johannes und Jakobus erbat (Mat.20:23; Mark.10:39).
Die Tat
Agrippas war den Juden wohlgefällig (Ap.12:3). Damit ist der Abfall Israels
offenbar. Die Juden hatten das Zeugnis des heiligen Geistes, dass Jesus der
Christus ist, wie die Zeichen und Wunder der Apostel bewiesen, längst
verworfen; sie hatten also die Sünde wider den heiligen Geist begangen, die ihnen
weder in diesem Äon noch in dem zukünftigen erlassen wird (Mat.12:32).
Bislang hatten
die Apostel in Jerusalem ausgeharrt (Ap.8:1,14; 9:27; 11:22). Jetzt aber war
deutlich geworden, dass das Königreich nicht in dieser Zeit kommen würde
(Ap.1:6). So wurde auch Jakobus nicht durch einen anderen Apostel ersetzt; er
wird seinen Thron im Königreich (Mat.19:28) nach seiner Auferstehung einnehmen.
Die Apostel erfuhren zwar noch mancherlei Bewahrung und Wunder, im Grundsatz
aber war ihre Zeit um; selbst für Petrus war es nun viel zu gefährlich, in
Jerusalem zu bleiben (Ap.12:17).
»Als er [König Herodes] gewahrte, dass es den
Juden wohlgefällig war, fügte er eine weitere Untat hinzu und ließ auch Petrus
ergreifen. Es waren gerade die Tage der ungesäuerten Brote. Nach dessen
Festnahme ließ er ihn ins Gefängnis legen und übergab ihn zur Bewachung an vier
Kommandos von je vier Kriegern, in der Absicht, ihn nach dem Passah dem Volk
zur Aburteilung vorzuführen« (Verse 3+4).
Nach den Feiertagen
würde Herodes seine Popularität durch einen öffentlichen Prozess gegen den
Führer der Christen und dessen Tod steigern. Aber des Petrus Zeit war noch
nicht gekommen. Er sollte ja als alter Mann hingerichtet werden (Joh.21:18).
Keine Kraft der Welt kann einen Diener Gottes vor der festgesetzten Zeit
antasten.
»Daher wurde
Petrus inzwischen im Gefängnis verwahrt, während von der herausgerufenen
Gemeinde inbrünstig für ihn zu Gott gebetet wurde. Noch bevor Herodes sich
anschickte, ihn vorführen zu lassen, schlief Petrus in jener Nacht zwischen
zwei Kriegern, mit Ketten gebunden; dazu bewachten Wächter vor der Tür das
Gefängnis. Und siehe, ein Bote des Herrn trat herzu, und ein Licht leuchtete in
der Zelle auf; er stieß Petrus in die Seite, weckte ihn und sagte: Stehe
schnell auf! - Und die Ketten fielen ihm von den Händen ab. Dann sagte der Bote
zu ihm: Gürte dich und binde dir die Sohlen unter! - Dies tat Petrus. Weiter
sagte der Bote zu ihm: Wirf dein Obergewand um und folge mir! - Als Petrus
hinaustrat und ihm folgte, wusste er nicht, dass das, was durch den Boten
geschah, wahr sei; er meinte daher, ein Gesicht zu erblicken. Als sie durch die
erste und die zweite Wache gegangen waren, kamen sie an das eiserne Tor, das in
die Stadt führte; und das öffnete sich ihnen von selbst. Dort traten sie hinaus
und gingen noch eine Gasse entlang. Da kam Petrus zu sich und sagte. Nun weiß
ich wahrhaftig, dass der Herr Seinen Boten ausgeschickt und mich aus der Hand
des Herodes samt all der gierigen Hoffnung des Volkes der Juden herausgerissen
hat!« (Verse 5-11).
Lobpreis, Dank
und Verherrlichung sei dem Gott und Vater unseres Herrn Jesus Christus für
diese wunderbare Befreiung des Petrus aus dem Gefängnis! Wieder hatte sich
Psalm 34:8 erfüllt: »Der Bote Jewes lagert sich ringsum die, welche Ihn
fürchten, und Er wird sie befreien.«
Mögen wir uns
von dem ergreifenden Fürbittegebet der Gemeinde für Petrus anregen lassen, die
Gemeinschaft der Heiligen zu pflegen, indem wir füreinander beten. Hebräer 13:3
fordert uns dazu auf: »Gedenket der Gebundenen wie Mitgebundene, der Übles
Duldenden als solche, die noch selbst im Körper sind.« Dabei haben wir die
Verheißung, dass unser Flehen um die Bergung der Heiligen hilfreich mitwirkt
(2.Kor.1:11; Phil.1:19; 2.Thess.3:2; Phmn.22). Der alles Entscheidende ist und
bleibt natürlich unser Gott und Vater, der allein weise (Röm.16:27), der alles
bewirkende (Eph.1:11), alles hervorrufende, welcher alles in Christus zum herrlichen
Ziel führt.
»Sobald er [Petrus] sich dessen bewusst war,
ging er zum Haus der Maria, der Mutter des Johannes, der den Beinamen Markus
hatte, wo eine beträchtliche Zahl beisammen war und betete. Nachdem er an die Tür
der Torhalle geklopft hatte, kam eine Magd namens Rhode herzu, um zu horchen,
wer da sei. Als sie die Stimme des Petrus erkannte, öffnete sie vor Freude
nicht das Tor, sondern lief ins Haus hinein und berichtete, Petrus stehe vor
dem Tor. Da sagten sie zu ihr: Du bist von Sinnen! - Sie jedoch behauptete mit
Bestimmtheit, dass es sich so verhalte. Darauf sagten sie: Es ist sein Bote! -
Petrus aber fuhr fort zu klopfen. Da öffneten sie, gewahrten ihn und waren vor
Verwunderung außer sich. Doch er gab ihnen mit der Hand einen Wink zu schweigen
und erzählte ihnen, wie der Herr ihn aus dem Gefängnis herausgeführt hatte.
Auch gebot er ihnen: Verkündet dies Jakobus und den Brüdern! - Danach ging er
hinaus und zog an einen anderen Ort« (Verse 12-17).
Sehr anschaulich
berichtet Lukas über Rhode, die vor Freude das Tor zu öffnen vergaß, und über
die betende Gemeinde, die die Entscheidung Gottes nicht wissen und das Wunder
Seines Handelns zunächst nicht fassen konnte. Petrus selbst hatte ja zuerst
nicht verstanden, was ihm geschah. - Ob es der Bote des Petrus sei? Jeder
Israelit hatte seinen eigenen Boten (Engel, Beauftragten) Jewes (1.Mose 48:16;
Mat.18:10).
Der erwähnte
Johannes Markus ist der Verfasser des »Berichts des Markus«. Er begleitete
Barnabas und Paulus zu Anfang der ersten Missionsreise.
Da Israel
Jesus ablehnte und Seine Apostel verfolgte und das Königreich mithin vorerst
nicht kommen würde, war das Verbleiben des Petrus in der künftigen königlichen
Hauptstadt nicht mehr erforderlich, ja neuerdings sehr gefährlich. Er zog
deshalb wahrscheinlich zunächst nach Antiochien und sodann zu denen in der
Zerstreuung in Kleinasien.
Die Leitung
der Herausgerufenen in Jerusalem lag nun in den Händen des Jakobus, des
Halbbruders unseres Herrn (Mat.13:55).
Die durch den
Tod des Apostels Jakobus eingetretene Reduzierung der Apostel auf elf und die
damit verbundene Minderung der Bedeutung des Apostelkollegiums, die Flucht des
Petrus und der Übergang der Leitung der Jerusalemer Gemeinde an Jakobus stellen
einen tiefen Einschnitt und einen Schritt abwärts in der
Königreichsverkündigung dar. Und wenn es zutreffen sollte, dass Jakobus nur
deshalb Gemeindeleiter wurde, weil er mit dem Herrn Jesus verwandt war, würde
dies eine Tendenz weg von geistlichen Schwerpunkten hin zu fleischlichem
Gebaren aufzeigen, die immerhin darin mündete, dass die gesamte Gemeinde zu
Eiferern für das Gesetz wurde (Ap.21:20).
»Mit Anbruch des Tages war unter den Kriegern
nicht wenig Erregung darüber, was wohl mit Petrus geschehen sei. Als Herodes
ihn suchen ließ und man ihn nicht finden konnte, forschte er die Wächter aus
und befahl, sie abzuführen. Dann zog er von Judäa nach Cäsarea hinab und hielt
sich dort auf« (Verse 18+19).
Römische
Krieger, die ihre Gefangenen laufen ließen, wurden hingerichtet.
Cäsarea war
die Residenzstadt der römischen Statthalter.
Es fällt auf,
dass die Rettung des Petrus keine weiteren segensreichen Auswirkungen, sondern
den Tod seiner Wächter zur Folge hatte. Dies entspricht der strengen
Gerechtigkeit im Königreich Israels. Bei der Befreiung des Paulus und Silas aus
dem Gefängnis in Philippi (Ap.16:25-34) wurden der Gefängnisaufseher und sein
Haus gerettet. Die Befreiung des Petrus bildet die Israels ab, welches dann Gericht
über die Nationen üben wird (Mat.25:31-46; Off.2:26,27). Das Freikommen des
Paulus und Silas brachte Gnade für die Menschen aus den Nationen.
»Damals war er [Herodes] über die Tyrer und
Sidonier erbittert. Diese begaben sich einmütig zu ihm und überredeten Blastus,
den Kämmerer des Königs, und baten um Frieden, weil ihr Land von dem
königlichen [Land] ernährt wurde« (Vers 20).
König Herodes
Agrippa I war aus einem uns unbekannten Grund über die reichen Handelsstätte
Tyrus und Sidon erzürnt und willens, sich mit ihnen anzulegen. Diese erreichten
(sicherlich durch ein Bestechungsgeld) die Fürsprache des Kämmerers und baten
um Frieden, weil ihre Städte auf Nahrungsmitteleinfuhren aus dem
Herrschaftsgebiet des Königs angewiesen waren, wie schon zu Zeiten der Könige
Salomo und Hiram (1.Kön.5:25; Hes.27:17). Der Handelskrieg wurde friedlich
beigelegt. Vermutlich sollte dies gefeiert werden. Dafür boten sich Festtage zu
Ehren des Kaisers Klaudius an (Quelle: Josephus Flavius: »Jüdische Altertümer«,
XIX.8.2). Von einem dieser Tage lesen wir im Folgenden.
»An einem dafür angesetzten Tag zog Herodes
königliche Kleidung an, setzte sich auf die Bühne und hielt eine öffentliche
Ansprache an sie. Da rief ihm die Volksmenge zu: Das ist Gottes Stimme und
nicht die eines Menschen! - Auf der Stelle schlug ihn darum ein Bote des Herrn,
weil er nicht Gott die Verherrlichung gab; er wurde den Würmern zum Fraß, bis
er entseelt war« (Verse 21-23).
Des Herodes
Sünde war, die schmeichlerische göttliche Verehrung nicht von sich gewiesen zu
haben. Er starb am 10. 3. 44 nach Chr. im Alter von 54 Jahren nach - wie
Josephus berichtet - fünf Tagen starker Schmerzen in den Gedärmen.
Mit dem Tod des Herodes endete die
Verfolgung. Im folgenden Vers 24 wird der allgemeine Verlauf der
Evangeliumsverkündigung während der Jahre 44 bis 46 n. Chr. beschrieben.
»Das Wort
Gottes jedoch wuchs und mehrte sich« (Vers 24).
Schließlich
ist das Wort Gottes lebendig und wirksam (Heb.4:12) und kehrt nicht leer zu
Jewe zurück, sondern richtet aus, was Ihm gefällt, und lässt gelingen, wozu Er
es entsandte (Jes.55:11). Das Wort Gottes bringt Frucht (Kol.1:6).
Hiermit
schließt Lukas einen Abschnitt seines Berichts.
Es folgt Vers 25: »Barnabas und Saulus aber
kehrten nach Erfüllung ihres Dienstauftrags aus Jerusalem zurück und nahmen
Johannes mit, der den Beinamen Markus hatte.«
Dieser Vers
wirft die Frage auf, ob es nach den Kodizes Sinaiticus und Vaticanus »nach
Jerusalem zurück« heißt oder nach dem Kodex Alexandrinus »aus Jerusalem
zurück«. Im Übrigen lässt sich »nach Erfüllung ihres Dienstauftrags« auch mit
»in Vervollständigung ihres Dienstes« wiedergeben.
In dem einen
Fall würde es bedeuten, dass Barnabas und Saulus ihren Dienstauftrag, der
allerdings schon 6 Jahre zurückliegt und in Vers 25 nicht genannt wird, nämlich
während der Hungersnot Spenden nach Judäa zu bringen, durch eine weitere Reise,
und zwar nach Jerusalem, vervollständigten. Dieses zweite Heraufkommen des
Paulus nach Jerusalem fand nach Galater 2:1-10 vierzehn Jahre nach seiner im
Jahre 34 (vor dem Monat Etanim) geschehenen Berufung statt, das heißt im Jahre
47 (nach Etanim; das angebrochene Jahr zählt mit). Lukas schildert in der
Apostelgeschichte, was Paulus für das Königreich Israels tat, und Paulus
berichtet in Galater 2:1-10 über diesen Besuch in Jerusalem, was sein
Evangelium betrifft.
In dem anderen
Fall würde die Rückkehr nach Antiochien geschildert. Auf jeden Fall erwähnt der
Vers 25 die zweite Anwesenheit des Paulus in Jerusalem. Zum dritten Mal war er
sodann im Jahre 49 beim sogenannten Apostelkonzil in der Stadt.
Um noch einige
Daten hinzuzufügen: Des Paulus erste Missionsreise fand in den Jahren 47 und 48
statt, im Jahre 49 schrieb er vom syrischen Antiochien aus den Galaterbrief,
und kurz darauf ging er zum Apostelkonzil nach Jerusalem, wovon Kapitel 15 der
Apostelgeschichte berichtet. Galater 2:1-10 aber entspricht Apostelgeschichte
12:25 und ist nicht mit Kapitel 15 kompatibel.
Johannes
Markus war der Vetter des Barnabas (Kol.4:10).
Ein
Dienstabschnitt des Barnabas und Saulus war zu Ende gegangen. Mit ihrer
Absonderung zur ersten Missionsreise (Apü.13:2) wird in Kürze die neue
heilsgeschichtliche Verwaltung (oikonomia, Haushaltung) des Übergangs von der
pfingstlichen zur gegenwärtigen beginnen.
(Apostelgeschichte 13:1-31)
Ein neuer Dienstabschnitt des Barnabas und
Saulus beginnt, ja eine neue heilsgeschichtliche Verwaltung (oikonomia,
Haushaltung) zeichnet sich ab, nämlich die des Übergangs von der pfingstlichen
zur gegenwärtigen (Eph.3:2).
Die zwölf
Apostel hatten ihren Dienst im Wesentlichen ausgerichtet (Ap.1:8); der hat
leider gezeigt, dass die Juden im Lande Jesus nicht als ihren Messias annehmen.
Nun soll Jesus auch all den in der Zerstreuung lebenden Juden und Proselyten
verkündigt werden; diese werden den Herrn allerdings ebenfalls ablehnen.
Zugleich beginnt Paulus seinen Dienst an den Nationen, der schon ansatzweise
geschehen war (Gal.1:21; 2:2), nun im ausgesprochenen Sinne. Wir schreiben das
Jahr 47 n. Chr.
»Der in Antiochien bestehenden
herausgerufenen Gemeinde entsprechend gab es dort Propheten und Lehrer: Barnabas
wie auch Simeon (genannt »Niger«) und Lucius (der Kyrenäer), außerdem Manaen
(den Pflegebruder des Vierfürsten Herodes) und Saulus«
(Vers 1).
So wie es
damals für eine Gemeinde normal war, gab es auch in der im syrischen Antiochien
Propheten und Lehrer. Ein Prophet redete aufgrund einer Eingebung Gottes, ein
Lehrer schöpft aus dem gesamten offenbarten Wort.
Barnabas ist
uns bekannt. Er war ein bewährter Mann, ein Levit und Cyprier von Herkunft
(Ap.4:36). Er hatte Saulus bei dessen erstem Hinaufkommen nach Jerusalem zu den
Aposteln geführt (Ap.9:27), war von der Jerusalemer Gemeinde nach Antiochien
ausgesandt worden (Ap.11:22), hatte Saulus nach dort geholt (Ap.11:25) und
zusammen mit jenem Spenden nach Judäa gebracht (Ap.11:30).
Manaen war
zusammen mit Herodes Antipas I, dem Tetrarchen von Galiläa und Peräa (4 v. Chr.
- 39 n. Chr.), der Johannes den Täufer hinrichten ließ, erzogen worden. Gott
aber in Seiner Gnade führte Manaen einen völlig anderen Lebensweg.
Saulus wird
als letzter erwähnt, wohl weil er zuletzt hinzugekommen war. Wenn er auch einen
besonderen Auftrag vom Herrn erhalten hatte, nämlich zu den Nationen zu gehen
(Ap.9:15), so wird er sich dennoch zurückgehalten und auf die rechte Zeit
gewartet haben. Die sollte mit seiner Absonderung jetzt kommen.
Im Übrigen
verkündigte die wohl überwiegend aus Hellenisten, das heißt griechisch
geprägten Juden, und Proselyten sowohl der Gerechtigkeit, also beschnittenen,
als auch des Tores, also unbeschnittenen, bestehende Gemeinde das Königreich
Israels und hielt sich an die Lehre der zwölf Apostel (Ap.2:42).
»Während sie ihren Dienst für den Herrn
versahen und fasteten, sagte der Geist, der heilige: Sondert Mir auf jeden Fall
Barnabas und Saulus für das Werk ab, zu dem Ich sie berufen habe. - Dann
fasteten und beteten sie, legten ihnen die Hände auf und entließen sie« (Verse
2+3).
Der Dienst,
den die fünf Propheten und Lehrer versahen, konnte nur eine geistliche
Darbringung im Sinne von 1.Petrus 2:5 sein, der Auferbauung der Gläubigen als
lebendige Steine zu einem geistlichen Haus, zu einem heiligen Priestertum
dienend, geistliche Opfer darbringend, Gott wohl annehmbar durch Jesus
Christus. Dabei fasteten sie. Beim Fasten geht es weniger um die Enthaltung von
Speisen, sondern um die »Demütigung der Seele« (3.Mose 23:27), anders
ausgedrückt: um Selbstverleugnung und völlige Hingabe an den Herrn. Dann hat
der Geist Gottes Raum in den Herzen.
Da der Herr
Jesus den Saulus berufen hatte, war es wohl Jesu Geist, der durch einen der
Propheten sprach. Was der Prophet aussprach, mag in ihren Herzen schon seit
längerem herangereift sein.
Barnabas und
Saulus sollten zu einem besonderen Werk abgesondert werden. Ein Werk ist im
Allgemeinen das Ergebnis eines Wirkens, in diesem Fall ein bereits mit der
Aufgabenstellung angefangenes Wirken. Zunächst wurden sie nur von der Gemeinde
abgesondert, insofern sie für eine neue Aufgabe freigegeben wurden. Die
Absonderung hatte aber eine viel größere Dimension, wie uns Römer 1:1-5
verdeutlicht: »Paulus, Sklave Christi Jesu, berufener Apostel, abgesondert für
das Evangelium Gottes ... über Seinen Sohn ... über Jesus Christus, unseren
Herrn, durch den wir Gnade erhielten und Aposteltum zum Glaubensgehorsam unter
allen Nationen für Seinen Namen.« Paulus wird ein anderes Evangelium als die
Zwölf verkündigen (Gal.1:7,12; 2:7).
Die Berufung
des Saulus, den Namen Jesu vor die Augen der Nationen zu tragen (Ap.9:15),
sollte nun erfüllt werden. Der Zeitpunkt war gekommen. Jetzt sollte er in die
Ferne gehen (Ap.22:21).
Fastend und
betend legten die drei zurückbleibenden Propheten und Lehrer dem Barnabas und
Saulus gewiss im Beisein der gesamten Gemeinde die Hände auf und entließen sie.
Das Händeauflegen drückt das gemeinschaftliche Mittragen des Dienstes und den
Wunsch nach einem gesegneten Verlauf aus. An eine Kraftübertragung oder eine
Amtseinsetzung ist nicht zu denken. Der Herr Jesus Christus hatte sie berufen.
»Darauf gingen sie nun, vom heiligen Geist
ausgesandt, nach Seleucia hinab und segelten von dort nach Cypern. In Salamis
angekommen, verkündigen sie das Wort Gottes in den Synagogen der Juden. Als
Gehilfen hatten sie noch Johannes« (Verse 4+5).
Sie waren vom
heiligen Geist ausgesandt; ihre Reise war somit ein geistliches Geschehen und
der Wille Gottes. Die erste Missionsreise begann im Herbst des Jahres 47 n.
Chr. und endete wahrscheinlich mit dem Sommer des Jahres 48 n. Chr.
Seleucia war
die Hafenstadt Antiochiens.
Als erstes
Ziel bot sich Cypern an, zumal Barnabas von dort stammte (Ap.4:36).
Die Synagogen
waren die geeigneten Ansatzpunkte für die Arbeit von Barnabas und Saulus, weil
dort auch Gottessfürchtige aus den Nationen hinkamen, die mithin schon eine
gewisse Bibelkenntnis hatten. Wichtig war dabei aber auch, dass das Vorrecht
der Juden, das Evangelium als Erste zu hören, gewahrt wurde (Ap.13:46;
Röm.1:16).
Johannes mit
dem Beinamen Markus war der Vetter des Barnabas (Kol.4:10). Im Hause seiner
Mutter hatte die herausgerufene Gemeinde für den von Herodes Agrippa I ins
Gefängnis gelegten Petrus gebetet (Ap.12:12).
Lukas berichtet weiter: »Nachdem sie die
ganze Insel bis Paphos durchzogen hatten, fanden sie dort einen jüdischen Mann
namens Bar-Jesus, einen Magier und falschen Propheten, der mit dem Prokonsul
Sergius Paulus, einem verständigen Mann, zusammen war. Dieser ließ Barnabas und
Saulus zu sich rufen und suchte das Wort Gottes zu hören« (Verse 6+7).
Der Zauberer
trug den täuschenden Namen »Sohn des Jesus«. »Bar« ist aramäisch und bedeutet
Sohn. Führende Personen umgaben sich nicht nur mit klugen Ratgebern, sondern
gern auch mit Menschen, die aufgrund ihrer übersinnlichen Fähigkeiten und guten
Verbindungen zu Göttern und Dämonen zu den richtigen Entscheidungen beitragen
sollten. Sergius Paulus hatte jedenfalls ein echtes Interesse am Wort Gottes
und hörte Barnabas und Saulus aufmerksam zu.
Dieser
Prokonsul war der erste Mensch aus den Nationen, der das Evangelium hörte, ohne
bereits ein Proselyt des Judentums zu sein.
»Da widerstand
ihnen Elymas, der Magier (denn so wird sein Name vedolmetscht), und suchte, den
Prokonsul vom Glauben abzuwenden« (Vers 8).
Elymas ist der
zweite Name des Magiers und vermutlich die Übersetzung des hebräischen Wortes
Älam (Verheimlichter).
Nun begann der
Kampf zwischen Licht und Finsternis um das Herz des Sergius Paulus. Elymas war
dabei ein typischer Vertreter des Judentums, das der Verkündigung Jesu Christi
als Evangelium unter den Nationen immer wieder Widerstand leistete.
»Saulus aber, der auch Paulus heißt, war mit
heiligem Geist erfüllt; er sah ihn fest an und sagte: O du, voll allen Betrugs
und aller Heimtücke, du Sohn des Widerwirkers und Feind aller Gerechtigkeit,
wirst du nicht aufhören, die geraden Wege des Herrn zu verdrehen? Und nun
siehe, die Hand des Herrn ist auf dir, und du wirst blind sein und bis zum
festgesetzten Zeitpunkt die Sonne nicht erblicken! - Auf der Stelle fiel Nebel
und Finsternis auf ihn; er ging umher und suchte jemand, der ihn an der Hand
leite« (Verse 9-11).
Saulus hieß
auch Paulus. Sein hebräischer Name erinnert uns an Saul, den ersten König
Israels, bei dem körperliche Vorzüge dominierten, was durchaus auf Saulus
passt, der auf Fleisch vertraute und hinsichtlich der im Gesetz geforderten
Gerechtigkeit nahezu untadelig war (Phil.3:3-6). Seinen griechischen Namen
Paulos hatte er wahrscheinlich von Geburt an, der aber erst hier angeführt
wird, an der Schnittstelle der Hinwendung zu den Nationen. Paulos bedeutet
Pausierender, Ruhender, was ein prophetischer Hinweis darauf ist, dass die
Heilsgeschichte nun eine Pause mit Israel einlegt. Nun geht das Evangelium zu
den Nationen und dann von den Nationen zu weiteren Nationen aus - und nicht
mehr von Israel aus. Mit der Einführung des griechischen Namens des Paulus
begann sein Dienst als der Apostel der Nationen, für den er bestimmt war
(Ap.9:15).
Von nun an war
nicht mehr Barnabas, sondern Paulus der Führende.
Paulus, voll
heiligen Geistes, erkannte den wahren geistlichen Zustand des Magiers und
sprach ein alles offen legendes, richtendes Wort der Wahrheit über ihn aus. Die
Wege Jewes sind gerade (Hos.14:10); wer aber das Wort und die Wege des Herrn
verdreht, ist ein Sohn des Satans, wie auch jeder, der nicht Gerechtigkeit übt,
sondern Sünde tut, den Satan zum Vater hat (1.Joh.3:8-10). Der Zorn des Paulus
kam über Elymas, ebenso wie der Zorn Gottes im Voraus über Israel kam
(1.Thess.2:16) und heute noch auf diesem Volk liegt.
Selten tat
Paulus ein Strafwunder (siehe 1.Kor.5:5; 11:27-32; 1.Tim.1:20). Kein Gericht
aber ohne das Ziel der Rettung, wie Paulus ja denn auch sagte, dass Elymas bis zum festgesetzten
Zeitpunkt blind sein solle. Elymas steht für das blinde Israel, das bis zur bestimmten
Frist blind und verworfen sein wird, bis es dann als Gesamtheit gerettet und
den Nationen zum Segen sein wird (Röm.11:25,26). Doch für die gegenwärtige, dem
Paulus gegebene heilsgeschichtliche Verwaltung der überströmenden Gnade Gottes
(Eph.3:2; Kol.1:25) ist Israel blind und taub (Ap.28:25-28). Israel als Nation
ist verworfen, und die Juden sind zum Teil verstockt (Röm.11:15,25).
Beachten wir,
dass wir nicht durch ein gläubiges Israel gesegnet sind, sondern aufgrund des
Abfalls Israels (Röm.11:11).
»Als dann der Prokonsul gewahrte, was
geschehen war, glaubte er und verwunderte sich über die Lehre des Herrn« (Vers
12).
In der
gegenwärtigen Heilsverwaltung glaubt man nicht aufgrund von Wundern, sondern
allein aufgrund des Wortes, zumal es heute keine Zeichen und Wunder gibt. In
der damaligen Übergangszeit aber wurde die Verkündigung noch von den Kräften
des zukünftigen Äons begleitet (Heb.6:5). Doch Sergius Paulus hatte die Lehre
des Herrn von Paulus gehört, sodass sein Glaube auf dem Wort Gottes beruhte. Schon
zu dem ungläubigen Thomas hatte der Herr Jesus gesagt: »Glückselig sind, die
nicht gewahren und doch glauben« (Joh.20:29).
Sodann lesen wir: »Paulus und die um ihn
waren gingen von Paphos aus in See und kamen nach Perge in Pamphylien. Dort
trennte Johannes sich von ihnen und kehrte nach Jerusalem zurück« (Vers 13).
Pamphylien war
eine römische Provinz an der Südküste Kleinasiens.
Warum mag sich
ihr Gehilfe Johannes mit dem Beinamen Markus (Ap.12:12; 13:5; 15:37-39;
Kol.4:10,11; 2.Tim.4:11) von Paulus und Barnabas getrennt haben? Vielleicht
störte er sich daran, dass Menschen aus den Nationen, die keine Verbindung mit
Israel hatten und sich Israel auch nicht unterordnen würden, nach der
Verkündigung des Paulus gerettet werden konnten. Möglicherweise war er aufgrund
seiner Verwandtschaft mit Barnabas auf der Missionsreise dabei, was zeigen mag,
dass er nicht die geistliche Qualität hatte, den Nationen den Segen des Kreuzes
Jesu Christi zu gönnen. Jedenfalls hatte Johannes falsch gehandelt (Ap.15:38).
Auch die Tatsache, dass er nach Jerusalem, der jüdischsten Stadt, zurückkehrte
anstatt nach Antiochien, von wo aus sie ausgezogen waren, dürfte andeuten, dass
er Zweifel an der Missionierung der Nationen hatte.
Einen solchen
Mitarbeiter, der sich nicht auf das Evangelium, das dem Paulus für die aus den
Nationen vom Herrn enthüllt worden war (Gal.1:12; 2:7), einstellen konnte,
konnte Paulus natürlich nicht auf die zweite Missionsreise mitnehmen
(Ap.15:37-39).
»Sie aber zogen von Perge aus weiter und
kamen nach Antiochien in Pisidien, wo sie am Tag der Sabbate in die Synagoge
gingen und sich dort setzten. Nach der Lesung aus dem Gesetz und den Propheten
schickten die Synagogenvorsteher zu ihnen und ließen sagen: Männer, Brüder,
wenn ihr ein Wort des Zuspruchs an das Volk habt, so sprecht!« (Verse 14+15).
Antiochien lag
im pisidisch-phrygischen Grenzgebiet (genau genommen in Phrygien) im Süden der
römischen Provinz Galatien.
In den
Synagogen konnte jeder Jude von den Vorstehern aufgefordert werden,
Ausführungen zu den Lesungen vorzutragen; auch Durchreisenden tat man gern die
Ehre an, dass sie ein Wort sagen mögen.
»Da stand Paulus auf, winkte mit der Hand und
sagte: Männer, Israeliten! Und ihr, die ihr Got fürchtet! Hört mich an!« (Vers
16).
Mit der Anrede
beider in der Synagoge anzutreffenden Gruppen, und zwar der Juden und der
Gottesfürchtigen aus den Nationen, also der Proselyten, die zwar glaubten, sich
aber noch nicht hatten beschneiden lassen, begann Paulus seine erste große
Ansprache, die Lukas uns hier recht ausführlich wiedergibt.
Paulus knüpfte
an die Gnade der Erwählung an, die den Vätern zuteil wurde, betonte die
Fürsorge Gottes für Sein Volk über all die Jahrhunderte und zeigte dann auf,
dass der dem David verheißene Sohn und Retter Israels Jesus ist.
Paulus sagte:
»Der Gott dieses Volkes Israel erwählte unsere Väter; Er erhöhte das Volk
während seines Verweilens im Land Ägypten und führte sie mit hocherhobenem Arm
von dort heraus. Über eine Zeit von etwa vierzig Jahren trug Er sie wie eine
Nährende in der Wildnis. Nachdem Er sieben Nationen im Land Kanaan gestürzt
hatte, verteilte Er deren Land durch das Los - in etwa vierhundertfünfzig
Jahren« (Verse 17-20 a).
Damit erinnerte
der Apostel an Folgendes: Jewe, der Elohim Israels, hatte die Väter geliebt und
ihre Nachkommen in Seinem verheißenen Samen erwählt (5.Mose 4:37; 7:6). In
Ägypten erhöhte Er das Volk, indem Er es überaus fruchtbar und stärker als
seine Bedränger machte (Ps.105:24). Mit großer Kraft führte Er sie aus Ägypten
heraus (2.Mose 14:8). Die in Kanaan beseitigten sieben Nationen waren die
Hethiter, Girgasiter, Amoriter, Kanaaniter, Perisiter, Hewiter und die
Jebusiter (5.Mose 7:1). Danach wurde das Land an die zwölf Stämme verlost
(Jos.14-19).
Die Zuteilung
des Landes erfolgte in etwa vierhundertfünfzig Jahren und ist, da in Vers 17
von der Erwählung der Väter die Rede ist, von der Geburt Jakobs im Jahre 1865
v. Chr. an zu rechnen. Von da an bis zum Auszug aus Ägypten im Jahre 1460 v.
Chr. sind es 405 Jahre. Hinzu kommen die 40 Jahre in der Wildnis von Sinai und
die sechs Jahre der Dauer der Eroberung Kanaans.
»Danach gab Er
ihnen Richter bis auf den Propheten Samuel (1.Sam.3:20; 7:15; Richt.2:16). Von
da an baten sie um einen König (1.Sam.8:5,10), und Gott gab ihnen Saul, den
Sohn des Kis, einen Mann aus dem Stamm Benjamin, vierzig Jahre lang
(1.Sam.10:1,21,24). Nachdem Er ihn abgesetzt hatte (1.Sam.15:23), erweckte Er
ihnen David zum König, von dem Er bezeugte: Ich fand David, den Sohn Isais,
einen Mann nach Meinem Herzen (1.Sam.13:14; 16:1), der Meinen gesamten Willen
ausführen wird« (Verse 20 b-22).
Von David
ausgehend, ist es nicht schwierig, auf Jesus zu sprechen zu kommen, da Jewe dem
David die Wahrheit geschworen hatte: »Aus der Frucht deines Leibes werde Ich
Einen auf deinen Thron setzen« (Ps.132:11), und zwar für äonisch (Ps.89:5;
2.Sam.7:12-14; 23:5; Jer.33:17). So verkündigte Paulus:
»Aus dessen
Samen hat Gott nach der Verheißung für Israel als Retter Jesus zugeführt« (Vers
23).
Jesus ist der
verheißene Nachkomme Davids (Mat.1:1), der Christus und Retter Israels aus
aller Not, der König Israels für die Äonen! Der Name »Jesus« bedeutet »Jewe,
der Retter«; von Jewe und Hosea (Retter). Er rettet von den Sünden (Mat.1:21;
Luk.1:77), den Feinden (Luk.1:71) und aus dem Tod (Joh.11:25).
Paulus setzte
seine Rede fort:
»Angesichts
Seines Auftretens heroldete Johannes vorher dem gesamten Volk Israel die Taufe
der Umsinnung. Als dann Johannes seine Laufbahn vollendet hatte, sagte er: Was
ihr mutmaßt, dass ich sei, bin ich nicht; sondern siehe, es kommt Einer nach
mir, und ich bin nicht würdig, Ihm die Sandale der Füße zu lösen« (Verse
24+25).
Johannes der
Täufer hatte Jesus als das Lamm Gottes, das der Welt Sünde auf Sich nimmt,
verkündigt (Joh.1:29). Zur Teilhabe an der Vergebung und am Königreich war es
erforderlich, sich der »Taufe der Umsinnung zur Erlassung der Sünden« (Luk.3:3)
zu unterziehen. Ohne Umsinnung und Wassertaufe keine Vergebung und kein
äonisches Leben. Im Übrigen lese man Weiteres über Johannes in Johannes 1:19-28
nach.
Mit seiner neuerlichen Anrede der Söhne
Abrahams und der Gott Fürchtenden betonte Paulus, dass das Wort der Rettung in
Jesus ganz konkret und jetzt zu ihnen gesandt ist:
»Männer,
Brüder, Söhne aus Abrahams Geschlecht! Und die unter euch, die Gott fürchten!
Zu uns ist das Wort dieser Rettung ausgeschickt worden. Denn die Bewohner
Jerusalems und ihre Oberen haben diesen (Jesus) nicht erkannt, sondern Ihn
verurteilt und so die Stimme der Propheten, die an jedem Sabbat gelesen werden,
erfüllt. Wiewohl sie keine Schuld an Ihm fanden, die den Tod verdient,
forderten sie Pilatus auf, Ihn hinrichten zu lassen« (Verse 26-28).
Petrus hatte
einst gesagt: »... den habt ihr hinrichten lassen« (Ap.2:23); »den Urheber des
Lebens habt ihr getötet« (Ap.3:15). Dies traf auch die Zuhörer des Paulus nicht
zu; deshalb beschuldigt er nicht, sondern berichtet nur davon.
Die Oberen
Israels hatten Jesus nicht als den Messias erkannt, ebenso wenig wie diesen Weg
Gottes zur Rettung. »Ihr habt in Unkenntnis gehandelt«, hatte Petrus
festgestellt (Ap.3:17). Die Oberen dieses Äons hatten die Weisheit Gottes,
nämlich Jesus Christus, und diesen als gekreuzigt (1.Kor.2:2), völlig verkannt;
sonst hätten sie den Herrn der Herrlichkeit nicht gekreuzigt (1.Kor.2:8). Nach
Gottes Vorsatz aber (Ap.3:23; 4:28; Eph.3:11) musste Israel das wahre Opferlamm
darbringen.
So wurde die
Stimme der Propheten erfüllt, die Jesu Leiden und Sterben vorausgesagt hatten
(5.Mose 18:15; Ps.22; Jes.53; Sach.11:12; vgl. Luk.24:44).
Paulus fuhr fort:
»Als man mit
allem, was von Ihm geschrieben ist, zum Abschluss gekommen war, nahm man Ihn
vom Holz herab und legte Ihn in ein Grab. Gott aber erweckte Ihn aus den Toten,
und Er ist an mehreren Tagen denen erschienen, die mit Ihm von Galiläa nach
Jerusalem hinaufgezogen waren; die sind nun Seine Zeugen an das Volk« (Verse
29-31).
Auch Paulus
hatte den Auferstandenen gesehen, und zwar den erhöhten und verherrlichten,
aber nun sprach er von den zwölf Aposteln, die von der Taufe des Johannes bis
zur Himmelfahrt dabei waren, die alles gehört und gesehen und mit ihren Händen
betastet hatten (1.Joh.1:1). Da diese all die auf der Erde geschehenen Dinge bezeugen,
berief sich Paulus auf sie.
Zu Seinen
Zeugen hatte der Herr Seine Jünger mit den Worten eingesetzt: »Ihr werdet Kraft
erhalten, wenn der heilige Geist auf euch kommt; und ihr werdet Meine Zeugen
sein: in Jerusalem wie auch im gesamten Judäa und Samaria und bis zur letzten
Grenze des Landes« (Ap.1:8). Und so kam es auch: Mehrfach bezeugten Petrus und
die anderen Apostel die Auferweckung Jesu, zum Beispiel mit den Worten: »Den
hat Gott auferweckt; dafür sind wir Zeugen!« (Ap.3:15; siehe auch 2:32; 4:20;
5:32; 10:39,41).
Die erste Verkündigung der
Rechtfertigung allein durch Glauben
(Apostelgeschichte 13:32-52)
Wir setzen die Betrachtung der Rede des
Apostels Paulus im pisidischen Antiochien fort.
»Du bist Mein Sohn!«
»Und wir verkündigen euch die unseren Vätern
zuteil gewordene Verheißung als Evangelium, da Gott diese an uns und unseren
Kindern voll erfüllt hat, als Er Jesus auferstehen ließ, wie auch im zweiten
Psalm geschrieben steht: Du bist Mein Sohn; heute habe Ich Dich gezeugt!« (Verse
32+33).
Zur Verheißung
des Evangeliums zählen alle dem Volk Israel gegebenen Prophezeiungen,
insbesondere das Königreich; auf den Punkt gebracht aber ist der Auferstandene
Selbst die Verheißung, Jesus, der Sohn Gottes. Er wird der Schlange den Kopf
zermalmen (1.Mose 3:15). In Jesus werden alle Familien des Erdbodens gesegnet
werden (1.Mose 12:3). In Ihm wird die Sünde beendet, ist die Verwerflichkeit
des Volkes gesühnt und wird die Gerechtigkeit für die Äonen herbeigeführt
(Dan.9:24).
Das von Paulus
zitierte Wort steht in Psalm 2:7. Die Verse 6 bis 8 lauten: »Doch Ich gieße ein
Trankopfer auf Meinen König, auf Zion, Meinen heiligen Berg. Ich zähle es zu
einer Satzung: Jewe sagt zu Mir: Mein Sohn bist Du, heute habe Ich Dich
gezeugt. Heische von Mir, und Ich werde Dir Nationen als Dein Losteil geben und
Dir zum Besitz die Enden der Erde!« - Nach diesen Psalmworten kann unter der
Zeugung auch Jesu Inthronisierung als König Israels verstanden werden. Nach
unserem Vers 33 darf Seine Auferstehung mit einer Zeugung verglichen werden.
Auf jeden Fall aber haben wir hier die Grundaussage, dass das Wort »Du bist
Mein Sohn!« auf Jesus allein zutrifft, der durch die Auferstehung als Sohn
Gottes erwiesen ist.
Mit den folgenden Worten bewies Paulus in
vertiefender Weise, dass Jesus der Sohn Gottes ist, da das Wort, keine
Verwesung zu sehen, nicht auf David zutreffen konnte, sondern nur auf Jesus,
den Auferweckten:
»Dass Er Ihn
aus den Toten auferstehen ließ, Ihn, der künftig nicht mehr zur Verwesung
zurückkehren wird, hat Er mit diesen Worten gesagt: Ich werde euch die
huldreichen und unverbrüchlichen Gnadengüter Davids geben (Jes.55:3). Darum
sagt Er auch an anderer Stelle: Du wirst Deinen Huldreichen nicht dahingeben,
um die Verwesung zu gewahren (Ps.16:10). Denn David, der seiner eigenen
Generation nach dem Ratschluss Gottes beistand, ist zwar entschlafen; er wurde
zu seinen Vätern beigesetzt und gewahrte die Verwesung. Der aber, den Gott
auferweckte, hat keine Verwesung gewahrt« (Verse 34-37).
Die David
verheißenen Gnadengüter können - da David tot ist - Israel nur in Jesus, dem
Lebendigen, zuteil werden. Werfen wir einen Blick auf Psalm 16:9 b - 11 a: »So
wird auch mein (des Davids) Fleisch sicher wohnen, weil Du meine Seele nicht im
Ungewahrten lassen noch Deinen Huldreichen (Jesus) dahingeben wirst, Verwesung
zu sehen. Du hast mich mit dem Pfad des Lebens bekannt gemacht.« Auch David
wird mithin nur deshalb auferweckt werden und leben, weil der Huldreiche Gottes
lebt. David wusste damals bereits um den Pfad des Lebens, um Jesus, den
lebendig machenden Geist.
Jetzt kam Paulus zu seiner Hauptaussage:
»Daher sei
euch bekannt, Männer, Brüder, dass euch durch diesen (Jesus) die Erlassung der
Sünden verkündigt wird; und von allem, von dem ihr im Gesetz des Mose nicht
gerechtfertigt werden konntet, wird in diesem jeder gerechtfertigt, der glaubt«
(Verse 38+39).
Die
Verkündigung der Erlassung (oder: Vergebung) der Sünden durch eben diesen
Auferweckten, Jesus, war bereits eine gewaltige Botschaft, die hier in der
Synagoge erklang. Sie lag ganz auf der Linie des Evangeliums der Beschneidung,
wie auch Petrus es ausgesprochen hatte: »Diesen hat Gott zum Urheber und Retter
zu Seiner Rechten erhöht, um Israels Umsinnung und Sündenerlass zu geben«
(Ap.5:31). Denken wir hierbei daran, dass Vergebung jeweils für bestimmte
Sünden gewährt wurde und bei Nichtbewährung rückgängig gemacht werden konnte
(Mat.18:23-35; 2.Pet.2:20-22).
Sodann hörten
die Juden und Proselyten zum ersten Mal überhaupt von der überwältigenden
Gnade, allein durch Glauben gerechtfertigt zu werden. Rechtfertigen heißt für
gerecht erklären, gerechtsprechen. Der Mensch als solcher, der Glaubende wird
in Person von Gott für gerecht erklärt.
In dem das
Königreich Israels zum Thema habenden Bericht des Lukas hören wir nur an dieser
einen Stelle etwas von dem dem Apostel Paulus für uns, die aus den Nationen,
enthüllten Evangelium (Gal.1:12; 2:7), und zwar von dessen Kernstück, der Rechtfertigung
allein durch Glauben.
Über die
Rechtfertigung wird den Juden bekannt gewesen sein, dass es in Jesaia 53:11 in
Bezug auf den Messias heißt: »Rechtfertigen soll der Gerechte, Mein Diener, die
Vielen, und ihre Verworfenheit (oder: Vergehungen) wird Er Sich aufbürden.«
Diese Rechtfertigung ist im Rahmen der Vergebung zu verstehen, da man insofern
Gerechtigkeit erlangt hatte, als keine Sünde mehr auf einem lastete.
Nach dem
Gesetz des Mose gab es nur für versehentliche und unwissentliche Sünden Vergebung
(4.Mose 15:22-29; Ap.3:17; Heb.9:7). Wovon aber konnte man nach dem Gesetz
nicht gerechtfertigt werden? - Von Sünden mit erhobener Hand (4.Mose 15:30,31),
das heißt von vorsätzlichen, freiwilligen, in Übereinstimmung mit sich selbst
ausgeführten Sünden (vgl. Heb.10:26).
Was Paulus nun
aber verkündigte, dass man nämlich auch von solchen Sünden gerechtfertigt
werden konnte, sprengte das Gesetz völlig, und dass man allein durch Glauben
gerechtfertigt werde, war eine weitere umwälzende Botschaft.
Die
Rechtfertigung durch Glauben hat Paulus sodann nach der ersten Missionsreise im
Galaterbrief näher ausgeführt und vollends später im Römerbrief. Aus diesen
Briefen sei kurz zitiert: »Wir sind von Natur Juden und nicht Sünder aus den
Nationen; weil wir aber wissen, dass der Mensch nicht aus Gesetzeswerken
gerechtfertigt wird, sondern nur durch den Glauben Christi Jesu, so glauben
auch wir an Christus Jesus, damit wir aus dem Glauben Christi und nicht aus
Gesetzeswerken gerechtfertigt werden« (Gal.2:15,16). »Umsonst gerechtfertigt in
Seiner Gnade durch die Freilösung, die in Christus Jesus ist ... zum Erweis
Seiner Gerechtigkeit zur jetzigen Frist, damit Er gerecht sei und den
rechtfertige, der aus dem Glauben Jesu ist - wo bleibt nun das Rühmen? ... Denn
wir rechnen damit, dass der Mensch durch Glauben gerechtfertigt wird, ohne
Gesetzeswerke« (Röm.3:24,26,28).
»Hütet euch!«
Paulus schloss seine Rede mit einer ernsten
Ermahnung: »Hütet euch nun, damit nicht das über euch komme, was in den
Propheten angesagt ist: Seht, ihr Verächter, staunet und vergeht; denn Ich tue
ein Werk in euren Tagen, ein Werk, das ihr überhaupt nicht glauben würdet, auch
wenn es euch jemand ausführlich berichtete« (Verse 40+41).
Den Zuhörern
muss sehr eindrücklich bewusst geworden sein, dass sie sich zu entscheiden
hatten und im Falle der Verleugnung Jesu der Zorn Gottes über sie kommen würde.
Paulus hatte
den Propheten Habakuk frei nach der Septuaginta zitiert: »Sehet, ihr Verächter,
staunet und vergeht ...« Es war noch nicht an der Zeit, dieses Wort in der
hebräischen Fassung anzuführen, die da lautet: »Seht, was unter den Nationen
geschieht, und schaut und erstaunt, ja staunt ...«, weil die Position der
Nationen sich erst in den nächsten Tagen herausschälen sollte (Verse 46-48).
»Als sie sich hinausbegaben, sprach man ihnen
zu, über diese Dinge am Zwischensabbat zu ihnen zu sprechen. Nachdem sich die
Synagogenversammlung aufgelöst hatte, folgten viele der Juden und der Gott
verehrenden Proselyten dem Paulus und Barnabas; die sprachen zu ihnen und
redeten ihnen zu, in der Gnade Gottes zu verharren« (Verse 42+43).
Wir freuen uns
mit Paulus und Barnabas darüber, dass viele Menschen sie um weitere Belehrung
baten. Diese sollte an einem Zwischensabbat geschehen. Der Zwischensabbat war
vermutlich ein zwischen zwei gewöhnlichen Sabbaten liegender Festsabbat. Viele
der Juden und unbeschnittenen Proselyten glaubten Paulus und Barnabas aber nun
schon; diesen sprachen die beiden zu, in der Gnade zu verharren, was besagt,
dass sie sich allein durch Glauben gerechtfertigt wussten und dies als eine
besondere Gnade erkannt hatten. Eine solche Gnade war bislang nicht bekannt
gewesen. Die Gnade leuchtete auf; die damalige heilsgeschichtliche Verwaltung des
Übergangs von der pfingstlichen zur gegenwärtigen bekam ihre Prägung: die Gnade
gelangte zur Herrschaft!
»Am folgenden Sabbat versammelte sich beinahe
die gesamte Stadt, um das Wort Gottes zu hören. Als die Juden die Scharen
gewahrten, wurden sie mit Eifersucht erfüllt, widersprachen dem, was Paulus
sagte, und lästerten« (Verse 44+45).
Die
Verkündigung des Paulus und Barnabas hatte sich in ganz Antiochien
herumgesprochen und großes Interesse gefunden. So kam es, dass Paulus zum
ersten Mal vor zahlreichen Menschen sprach, die überwiegend aus den Nationen
waren.
Sehr
wahrscheinlich betonte Paulus erneut die Rechtfertigung allein durch Glauben.
Lukas schreibt nichts davon, weil das Evangelium des Apostels Paulus nicht
Gegenstand seines Berichts ist. Es muss überwältigend für die Antiochier
gewesen sein zu hören, dass man nun »getrennt vom Gesetz« (Röm.3:21) den vollen
Segen des Messias erlangen könne, und sogar umsonst, geschenkweise (Röm.3:24),
ohne die Opfer nach dem Gesetz des Mose, sondern aufgrund des einzig wahren
Opfers Jesu Christi, und zwar allein durch Glauben. Die aus Glauben würden mit
dem gläubigen Abraham gesegnet werden (Gal.3:9). Den heiligen Geist würde man
durch den Glauben beim Hören von Jesu Glaubenstreue empfangen (Gal.3:5,14),
ohne zum Judentum übertreten zu müssen.
Da wurden die
Juden von Eifersucht erfüllt angesichts der Scharen, die sich nunmehr wohl kaum
noch der Synagoge zuneigen würden. Ein Zugang zu Gott ohne die Vermittlung
Israels war für die Juden undenkbar. Da sie außerdem stolz auf das Gesetz
waren, wurden sie Feinde der Gnade.
Eifersucht ist
eine gewaltige üble Kraft. »Grausam ist der hitzige Grimm und überflutend der
Zorn; wer aber kann vor der Eifersucht bestehen?« (Spr.27:4). Eifersucht kann
zwar für Einzelne durchaus ein Weg oder besser: ein Umweg zur Rettung sein,
sofern sie zu intensivem Nachdenken gebracht werden. Paulus schreibt: »Insofern
ich nun der Apostel der Nationen bin, verherrliche ich meinen Dienst, ob etwa
ich die von meinem Fleisch zur Eifersucht reizen und einige aus ihnen retten
könnte« (Röm.11:13,14). Bei den meisten aber wird Eifersucht zu einer völligen
Blockade des Denkens und zur Verstockung führen.
Und die Juden
widersprachen, wie Jewe es bereits durch Jesaia von Israel sagte: »Den ganzen
Tag breite Ich Meine Hände aus zu einem widerspenstigen und widersprechenden
Volk« (Röm.10:21; Jes.65:2).
Und sie
lästerten. Eifersucht ist eine Wegbereiterin für das Lästern.
»So wenden wir uns an die Nationen«
»Freimütig entgegneten Paulus wie auch
Barnabas: Es war notwendig, dass zuerst euch das Wort Gottes gesagt wurde. Weil
ihr es aber von euch stoßt und euch selbst des äonischen Lebens nicht für
würdig erachtet, siehe, so wenden wir uns an die Nationen. Denn so hat uns der
Herr geboten: Ich habe Dich zum Licht der Nationen gesetzt, damit Du ihnen bis
zum letzten Ende der Erde zur Rettung gereichst« (Verse 46+47).
Über die
Jahrhunderte, ja Jahrtausende hatte Gott in erster Linie zu Israel und seinen
Vorvätern gesprochen, und noch im Römerbrief heißt es: »... dem Juden zuerst
und auch dem Griechen« (Röm.1:16). Das Volk, durch das die anderen erreicht
werden sollen, muss zuerst gewonnen werden. Auch Petrus hatte einst in der
Weihestätte darauf hingewiesen: »Ihr seid die Söhne der Propheten und des
Bundes, den Gott mit euren Vätern geschlossen hat, als Er zu Abraham sagte: In
deinem Samen (Jesus) sollen alle Familien der Erde gesegnet werden. Für euch
zuerst hat Gott Seinen Knecht (Jesus) auferstehen lassen und Ihn gesandt, um
euch zu segnen« (Ap.3:25,26).
Und dennoch
geschah es nun, dass auch die Auslandsjuden das Wort Gottes und damit ihren
Messias Jesus von sich stießen, sich selber das Urteil sprechend, wie der Herr
es ihnen verdeutlicht hatte: »Wer Mich ablehnt und Meine Worte nicht annimmt,
der hat, was ihn richtet: Das Wort, das Ich gesprochen habe, dasselbe wird ihn
am letzten Tag richten« (Joh.12:48).
Mithin werden
die aus den Nationen heute nicht durch ein gläubiges Israel gerettet und
gesegnet, sondern auf dem Hintergrund der Verstockung Israels. Durch die
Kränkung Gottes vonseiten Israels wurde den Nationen die Rettung zuteil. Ihre
jetzige Verwerfung ist der Welt Versöhnung (Röm.11:11,15).
»Siehe, so
wenden wir uns an die Nationen!« Nicht zum letzten Mal werden wir diese Worte
des Paulus in der Apostelgeschichte lesen. Immer wieder opponierten die Juden,
und immer mehr wandte sich Paulus den Nationen zu (Ap.18:6; 19:9; 28:28).
Vers 47 ist
ein Zitat nach Jesaia 49:6: »Siehe, Ich gebe dich (Israel) auch zum Licht der
Nationen, dass Meine Rettung werde bis zu den Enden der Erde.« Wenn Israel in
Christus, dem Licht, sein wird, dann wird es auch selbst Licht für andere sein.
Paulus aber bezieht den Vers auf Jesus, den Messias, der zum Licht der Nationen
gesetzt ist, nicht nur für Israel. Auch aus Jesaia 42:6 hätten die Juden wissen
sollen, dass der Knecht Gottes auch zum Licht der Nationen gesetzt ist und
ihnen deshalb die Rettung gönnen sollen.
Auch vor König
Agrippa erwähnte Paulus später, dass Christus dem Volk Israel wie auch den
Nationen das Licht verkündige (Ap.26:23).
Eines Tages
aber wird für das wiedergezeugte Volk wahr werden, was der Herr ihnen sagte:
»Ihr seid das Licht der Welt« (Mat.5:14).
Paulus und Barnabas hatten zu den
Menschenscharen gesprochen und das Wort der Gnade verkündigt.
»Als die aus
den Nationen das hörten, freuten sie sich und verherrlichten das Wort des
Herrn; und alle, die zu äonischem Leben verordnet waren, kamen zum Glauben«
(Vers 48).
Welch ein
herrlicher Vers! Sie freuten sich über das Evangelium, das sie in Christi Gnade
berief (Gal.1:6), und gaben Gott die Ehre, den Dank und die Verherrlichung. Ja,
Gott Selbst ist glückselig über die Herrlichkeit dieses Evangeliums
(1.Tim.1:11).
Die aus den
Nationen wussten jetzt, dass der Mensch durch Glauben gerechtfertigt wird, ohne
Gesetzeswerke (Röm.3:28). Und deshalb ist es aus Glauben, damit es der Gnade
gemäß sei (Röm.4:16).
»Und alle, die
zu äonischem Leben verordnet waren, kamen zum Glauben.« - Gott war es, der
welche zum äonischen Leben verordnet hatte, zum Leben in den kommenden Äonen,
während die Nichtauserwählten noch tot sind - wo, im Himmel oder auf der Erde,
war damals noch nicht bekannt gemacht.
Zum Glauben
kann nur kommen, wen der Vater zieht (Joh.6:44), wen Er vor dem Niederwurf der
Welt, als die Erde ein Tohuwabohu wurde, auserwählte (Eph.1:4; 1.Mose 1:2).
»Die Er zuvor erkannte (im Sinne von: ins Auge fasste), die hat Er auch
vorherbestimmt, dem Bilde Seines Sohnes gleichgestaltet zu werden, damit Er der
Erstgeborene unter vielen Brüdern sei. Die Er aber vorherbestimmte, diese
beruft Er auch; und die Er beruft, diese rechtfertigt Er auch; die Er aber
rechtfertigt, diese verherrlicht Er auch« (Röm.8:29,30).
Unser Glaube
ist ein Geschenk. »In Gnaden ist euch für Christus gewährt ... an Ihn zu
glauben« (Phil.1:29). »In der Gnade seid ihr Gerettete, durch Glauben, und dies
ist nicht aus euch, sondern Gottes Nahegabe, nicht aus Werken, damit sich
niemand rühme« (Eph.2:8,9). Alles ist Gnade - nichts ist aus uns.
Das Wissen um
die Auserwählung und die Vorherbestimmung zum Sohnesstand nach dem Wohlgefallen
des Willens Gottes, zum Lobpreis der Herrlichkeit Seiner Gnade, die uns in dem
geliebten Sohn begnadet, gibt den Gläubigen einen alle Krisen bestehenden,
festen Halt. - Wer das Wort der Wahrheit, das Evangelium unserer am Kreuz
geschehenen Rettung, hört und glaubt, wird sogar mit dem Geist der Verheißung,
dem heiligen, versiegelt (Eph.1:13), unverbrüchlich, sodass man die Rettung
nicht mehr verliert.
So kamen nun
durch Gottes herrliches Wirken in Antiochien viele zum Glauben, nicht ganze
Nationen, wie unter Israel im tausendjährigen Königreich (Mat.28:19), sondern
Einzelne aus den Nationen.
»So wurde das Wort des Herrn durch die ganze
Gegend getragen. Die Juden aber reizten die Gott verehrenden und angesehenen
Frauen und die Ersten der Stadt auf und erweckten eine Verfolgung gegen Paulus
und Barnabas und trieben sie von ihren Grenzen fort. Da schüttelten die beiden
den Staub von ihren Füßen über sie ab und gingen nach Ikonium weiter. Die
Jünger aber wurden mit Freude und heiligem Geist erfüllt« (Verse 50-52).
Die
Mund-zu-Mund-Propaganda war nicht aufzuhalten. Wer glaubte, der sprach auch, so
wie geschrieben steht: »Ich glaube, darum spreche ich« (Ps.116:10; 2.Kor.4:13).
So hörten viele im weiten Umkreis das Wort des Herrn.
Die Juden
jedoch - Gott hatte sie in die Widerspenstigkeit eingeschlossen (Röm.11:32) -
gingen gegen Paulus und Barnabas vor, nicht götzendienerische Heiden, sondern
Juden, die ihre eigene Gerechtigkeit aufzustellen suchten (Röm.10:31), deren
gesetzliches Ich verletzt war. - Paulus erwähnt diese Verfolgung übrigens
gegenüber Timotheus: »Du aber bist meiner Lehre vollends gefolgt, auch meinem
Beweggrund, Vorsatz und Glauben, meiner Geduld und Liebe, meinem Ausharren,
meinen Verfolgungen und Leiden, derart wie sie mir in Antiochien, in Ikonium,
in Lystra widerfahren sind; doch ich überstand derartige Verfolgungen, und aus
ihnen allen barg mich der Herr« (2.Tim.3:10,11).
Die beiden
Männer schüttelten den Staub von ihren Füßen über ihre Gegner ab - der
Anweisung des Herrn folgend (Mat.10:14) -, eine Sitte, mit der sie alle
Verantwortung auf ihre Verfolger abluden. Sie gingen nach Ikonium weiter, etwa
140 km von Antiochien entfernt. Antiochien war Zentrum der phrygischen, Ikonium
die Hauptstadt der lykaonischen Region in Galatien.
Zwei Jahre
später, Ende des Jahres 50 n. Chr., schrieb Paulus von den Juden: »... die sowohl
den Herrn Jesus wie die Propheten töteten und uns verjagen. Sie können Gott
nicht gefallen und sind allen Menschen entgegen. Uns verwehren sie, zu den
Nationen zu sprechen, dass diese gerettet werden, und machen so allezeit ihr
Sündenmaß voll. Es kommt aber der Zorn, der zum Abschluss führt, schon im
Voraus über sie« (1.Thess.2:15,16).
Die Jünger,
wörtlich: die Lernenden, ließen angesichts der Verfolgung im Glauben nicht
nach, denn sie hatten ihre Lektion gelernt, die der überströmenden Gnade, sodass
sie im Glauben wuchsen und voller Freude und heiligen Geistes waren. Die frohe
Botschaft gab ihnen tiefe, wahre Freude. Jesus Christus, der Sohn des
lebendigen Gottes, war nun ihr Retter und Herr.
Lukas
berichtet nichts von einer Gemeindegründung, zumal sie von Anfang an eine
herausgerufene Gemeinde waren, weil sie alle zusammen durch den einen Geist in
den einen Körper getauft waren, ob Juden oder Griechen, ob Sklaven oder Freie;
sie waren alle mit dem einen Geist getränkt (1.Kor.12:13) und allesamt Einer in
Christus Jesus (Gal.3:28).
(Apostelgeschichte 14)
Auf der in den Jahren 47 und 48 n. Chr.
stattgefundenen ersten Missionsreise hatte der Apostel Paulus im pisidischen
Antiochien zum ersten Mal die Rechtfertigung allein durch Glauben verkündigt
(Ap.13:39). Die aus den Nationen freuten sich darüber, die Juden aber wurden
mit Eifersucht erfüllt und brachten eine Verfolgung über Paulus und Barnabas
(Ap.13:48-52). So zogen sie - es wird im Jahre 48 n. Chr. gewesen sein - nach Ikonium
weiter. Diese Stadt lag am Ostrand des Gebiets Phrygien in der Landschaft
Lykaonien im Süden der römischen Provinz Galatien in Kleinasien.
»Dasselbe geschah in Ikonium, als sie in die
Synagoge der Juden gingen und so sprachen; daher kam eine große Menge Juden wie
auch Griechen zum Glauben. Die widerspenstigen Juden aber erweckten und
erbosten die Seelen derer aus den Nationen über die Brüder. Dennoch hielten sie
sich nun geraume Zeit dort auf und redeten freimütig im Vertrauen auf den
Herrn, der für das Wort Seiner Gnade Zeugnis ablegte, indem Er es gab, dass
durch ihre Hände Zeichen und Wunder geschahen« (Verse 1-3).
»Dasselbe
geschah in Ikonium« - dasselbe, nämlich eine von den Juden erwirkte Verfolgung
der Apostel Paulus und Barnabas. Das verstockte Volk konnte nicht anders
handeln. Jewe hatte zu Jesaia gesagt: »Geh und sage zu diesem Volk: Höret, um
zu hören, und verstehet doch nicht! Sehet, um zu sehen, und erkennet doch
nicht! Mache das Herz dieses Volkes undurchdringlich dick! Und seine Ohren
mache schwerhörig! Und verklebe seine Augen, damit es nicht sehe mit seinen
Augen, noch mit seinen Ohren höre und mit seinem Herzen verstehe und umkehre
und Heiligung ihm werde« (Jes.6:9,10).
Das vom Herrn
verfluchte Volk - wie sollte es anders handeln können? Hatte Jesus doch zu dem
Feigenbaum gesagt: »Nie mehr komme Frucht von dir für den Äon!« - Und der
Feigenbaum verdorrte auf der Stelle (Mat.21:19). Der Feigenbaum ist ein Symbol
für Israel und die Feigen für Israels Fruchtbarkeit und Süße (Richt.9:11;
Jer.2:2-10; Hos.9:10).
In Ikonium
sprachen Paulus und Barnabas ebenso wie in Antiochien; sie verkündigten also
die Rechtfertigung allein durch Glauben. Eine gewaltige Botschaft! Die
Menschen, die Gott glauben, dass Er Seinen Sohn Jesus Christus um ihrer
Kränkungen willen dahingegeben und um ihrer Rechtfertigung willen auferweckt hat, diese erklärt Gott für
gerecht, weit weg von allen Sünden; an Schuld ist gar nicht mehr zu denken,
zumal ihre alte Menschheit mitgekreuzigt, mitgestorben und mitbegraben ist.
Und alle, die
zu äonischem Leben verordnet waren, kamen zum Glauben (vgl. Ap.13:48).
Die Juden aber
brachten die aus den Nationen gegen die Brüder - damit sind wohl alle Gläubigen
gemeint - auf. Immer klarer trat die Scheidung zwischen den mosaisch gläubigen
Juden und denen allen zutage, die glaubten, dass Jesus der Messias ist.
Die Juden
waren Söhne der Widerspenstigkeit, so wie der Herr gesagt hatte: »Ihr sucht
Mich zu töten, weil Mein Wort in euch keinen Raum gewinnt. ... Ihr seid von dem
Vater, dem Widerwirker, und wollt nach den Begierden eures Vaters handeln. ...
Wer aus Gott ist, der hört die Worte Gottes. Ihr hört deshalb nicht, weil ihr
nicht aus Gott seid!« (Joh.8:37,44,47). Sie waren Antichristusse, wie der
Apostel Johannes schrieb: »Wer ist ein Lügner, wenn nicht der, welcher leugnet
und sagt: Jesus ist nicht der Christus? Der ist ein Antichrist, der den Vater
und den Sohn leugnet. Jeder, der den Sohn leugnet, hat auch den Vater nicht«
(1.Joh.2:22,23).
Die
Stimmungsmache gegen die Gläubigen nahm einige Zeit in Anspruch und ließ Paulus
und Barnabas noch genügend Raum für ihre Verkündigung der Gnade Gottes. Ein
wesentliches Wort der Gnade ist die Rechtfertigung durch Glauben (vgl.
Röm.4:16). Und Gott bezeugte ihren Dienst durch Zeichen und Wunder, wie sie in
der damaligen heilsgeschichtlichen Verwaltung des Übergangs von der
pfingstlichen zur gegenwärtigen üblich waren.
»Doch die Volksmenge der Stadt spaltete sich:
die einen hielten es mit den Juden, die anderen mit den Aposteln. Als aber die
aus den Nationen wie auch die Juden samt ihrer Obrigkeit das Vorhaben
billigten, sie zu misshandeln und zu steinigen, nahmen sie, als sie sich dessen
bewusst wurden, Zuflucht in den Städten Lykaoniens, Lystra und Derbe und
Umgegend. Dort verkündigten sie ebenfalls das Evangelium« (Verse 4-7).
Das Evangelium
ist das Evangelium Gottes über Seinen Sohn Jesus Christus, der dem Fleisch nach
aus dem Samen Davids kommt, der als Sohn Gottes erwiesen ist in Kraft nach dem
Geist der Heiligkeit durch Auferstehung Toter (Röm.1:3,4).
Angesichts des
Wortes der Gnade, das die Herzen der Menschen gewann, regte sich der wahre
Feind des Paulus und Barnabas, der Satan, der Geist, der in den Söhnen der
Widerspenstigkeit wirkt (Eph.2:2), der auch in den Einwohnern von Ikonium samt
ihrer Obrigkeit bewirkte, dass sie nichts mehr vom Wort der Gnade hören wollten
(vgl. 2.Kor.4:3,4). Satan ist ein Menschentöter von Anfang an (Joh.8:44). Die
Lebensgefahr für die beiden Apostel wuchs, sodass sie ausweichen mussten und
nach Lystra in Lykaonien flohen, getreu dem Wort des Herrn: »Wenn man euch in
dieser Stadt verfolgt, so flieht in die andere« (Mat.10:23).
Wer fliehen
muss, erfährt seine Schwachheit. Paulus konnte sich nur seiner Schwachheit
rühmen (2.Kor.11:30). Der Herr hatte ihm versichert: »Dir genügt Meine Gnade;
denn Meine Kraft wird in Schwachheit vollkommen gemacht« (2.Kor.12:9), ... denn
Meine Kraft kommt in deiner Schwachheit vollkommen zum Ausdruck. Und Paulus
bezeugt: »Sehr gern werde ich daher eher die Schwachheiten an mir rühmen, damit
die Kraft des Christus über mir zelte« (2.Kor.12:9).
Hier in Lystra
scheint Paulus zum ersten Mal nicht in eine Synagoge gegangen zu sein -
vermutlich gab es dort keine -, sondern direkt zu denen aus den Nationen
gesprochen zu haben (Juden waren sicherlich auch unter seinen Zuhörern). Dies
war ein weiterer Schritt weg von Israel hin zu den Nationen.
»Da saß in Lystra ein Mann mit kraftlosen
Füßen, gelähmt von seiner Mutter Leib an, der noch nie hatte umhergehen können.
Dieser hörte Paulus sprechen; als der ihn fest ansah und gewahrte, dass er den
Glauben hatte, gerettet zu werden, sagte er mit lauter Stimme: Steh auf, stell
dich aufrecht auf deine Füße! - Da schnellte er hoch und ging umher« (Verse
8-10).
Als Paulus den
Lahmen konzentriert ansah, musste ihm der Geist Christi deutlich gemacht haben,
dass der Lahme dem Evangelium glaubte. Da befahl Paulus ihm in der Kraft
heiligen Geistes, aufzustehen. Jener Mann wurde nicht nur für das äonische
Leben gerettet, sondern auch von seiner Krankheit. Seine Rettung geschah allein
durch Glauben, den der Herr Jesus Christus ihm in Gnaden gewährte (Ap.3:16;
Eph.2:8; Phil.1:29).
Hier lesen wir
zum dritten Mal in der Apostelgeschichte von der Heilung eines Gelähmten
(Ap.3:1-8; 9:32-35). In Jesaia 35:6 steht geschrieben: »Dann wird der Lahme
springen wie ein Hirsch.« Die Erfüllung dieser Verheißung für das
tausendjährige Königreich Israels war während der Zeit der Apostelgeschichte
zeichenhaft im Anbruch begriffen.
»Als die Scharen gewahrten, was Paulus getan
hatte, erhoben sie ihre Stimme und sagten auf lykaonisch: Die Götter sind den
Menschen gleich geworden und zu uns herabgestiegen! - Dann nannten sie den
Barnabas Zeus, den Paulus aber Hermes, weil er es war, der das Wort führte.
Auch der Priester des Zeus, der vor der Stadt war, brachte Stiere und Girlanden
an die Tore und wollte mit der Volksmenge opfern« (Verse 11-13).
Nach
heidnischer Auffassung konnten die Götter durchaus in Menschengestalt
erscheinen. Zeus war der oberste der griechischen Götter, Hermes der
Götterbote, auch der Gott der Reisenden, des Handels und der Redner. Die
Menschen in Lystra sahen in Paulus Hermes, weil er als Redner auftrat, und in
Barnabas Zeus, weil er ihnen der aus dem Hintergrund alles Dirigierende zu sein
schien.
Der Priester
des Zeus und die Volksmenge wollten nun dem Barnabas und Paulus Stiere opfern.
Dies war
Satans Versuch, dem wahren Gott eine abgöttische Verehrung darzubringen. Die
Taktik Satans ist es, den Glauben zu einer Religion herabzuwürdigen. Religionen
knechten ihre Anhänger zwar und beuten sie aus, sind aber menschengemäß, sodass
man im Grunde nicht gegen sie eingestellt ist. Religionen pressen den Glauben
in ihre Vorstellungswelt und Rituale. Das ist die Vorgehensweise Satans.
»Als die Apostel Barnabas und Paulus das
hörten, zerrissen sie ihre Kleider, sprangen hinaus unter die Volksmenge und
riefen laut: Männer, warum tut ihr dies? Auch wir sind nur Menschen, mit
gleicher Empfindung wie ihr; wir verkündigen das Evangelium, damit ihr euch von
diesen eitlen Dingen umwendet zu dem lebendigen Gott, der den Himmel, die Erde
und das Meer geschaffen hat samt allem, was in ihnen ist. Er ließ in den
verflossenen Generationen alle Nationen ihre eigenen Wege gehen, obwohl Er Sich
nicht unbezeugt gelassen hat, indem Er Gutes wirkte, Regen vom Himmel und
fruchtbringende Fristen gab und unsere Herzen mit Nahrung und Fröhlichkeit
erquickte. - Als sie dies sagten, konnten sie der Volksmenge kaum Einhalt
gebieten, ihnen nicht zu opfern« (Verse 14-18).
Wahrscheinlich
hatten Barnabas und Paulus das auf Lykaonisch Gesprochene zunächst nicht verstanden;
als ihnen aber bewusst wurde, was die Menge und der Priester des Zeus
vorhatten, zerrissen sie zum für alle erkennbaren Zeichen ihrer Empörung über
die ihnen zugedachte abgöttische Verehrung ihre Kleider und versuchten, die
Menschen zur Vernunft zu bringen.
Da die
Lykaonier wohl kaum etwas von der Bibel wussten, bezogen sich die beiden nicht
auf sie, sondern sprachen nur die elementaren Dinge an, die die Menschen aus
den heidnischen Nationen ohne Weiteres verstehen konnten. So bezeugten sie von sich
selbst, dass sie auch nur Menschen seien, von gleicher Empfindung wie alle
anderen auch. Sie seien keine Götter, sondern verkündigten ihnen die
frohmachende Botschaft des einzigen und wahren Gottes, der sie von der
Sklaverei ihres eitlen Götzendienstes befreie, wenn sie sich nur zu dem
lebendigen Gott umwenden, der alles erschaffen hat. - Die Schöpfung von Himmel
und Erde ist eine in der Bibel wiederholt betonte Tatsache und gehört zu den
grundlegenden Verkündigungsinhalten. Nach Röm.1:19,20 erkennen die Menschen den
Schöpfer sowie Seine unwahrnehmbare Kraft und Göttlichkeit an der Schöpfung.
In Vers 16
stoßen wir auf die bemerkenswerte Aussage, dass Gott alle Nationen in den
vergangenen Generationen ihre eigenen Wege gehen ließ. Ja, Er hatte Sich im Wesentlichen
nur mit Israel befasst, um dieses Volk für dessen königliche und priesterliche
Aufgabe vorzubereiten. Jetzt aber ist es so weit, dass Gott Sich an die
Nationen wendet - durch Paulus. Dieser Mann erhielt Gnade und Aposteltum zur
Aufrichtung des Glaubensgehorsams unter allen Nationen (Röm.1:5). Damit gingen
die Zeiten der Unkenntnis für die Völkerwelt zu Ende (Ap.17:30). Wege der Sünde
nur waren die Völker gegangen; nunmehr aber wird ihnen das Wort der Erlösung
gebracht.
Sodann hoben
Barnabas und Paulus hervor, dass Gott Sich nicht nur durch die Schöpfung
bezeugt hat, sondern auch durch Sonne und Regen und Früchte zum Wohlergehen der
Menschen. Gott ist der Geber aller Gaben, die Quelle aller Wohltaten.
Schließlich
gelang es den beiden Aposteln, der Volksmenge mit diesen Hinweisen auf den
lebendigen Gott Einhalt zu gebieten.
Gewiss werden
sie in den folgenden Tagen und Wochen des Weiteren gesagt haben, dass Gott Sich
auch mit der Heilung des gelähmten Mannes durch Jesus Christus bezeugte. Paulus
wird ihnen Jesus Christus, und diesen als gekreuzigt, vor ihre Augen gezeichnet
haben, woran er sie etwa ein Jahr später mit Galater 3:1 erinnerte. Und die
Menschen in Lystra werden sich ebenso wie die in Antiochien über das Wort der
Gnade, allein durch Glauben gerechtgesprochen zu werden, gefreut und Gott
verherrlicht haben; und alle, die zu äonischem Leben verordnet waren, kamen zum
Glauben (Ap.13:48).
»Dann kamen von Antiochien und Ikonium Juden
herüber und überredeten die Volksmenge; sie steinigten Paulus, schleiften ihn
zur Stadt hinaus und meinten, er sei gestorben. Als ihn aber die Jünger
umringten, stand er auf und ging in die Stadt zurück. Tags darauf zog er mit
Barnabas nach Derbe weiter« (Verse 19+20).
Wieder trat
die Eifersucht und Feindschaft der Juden gegen Jesus und Seinen Apostel sowie
das Wort der überfließenden Gnade zutage. Im Einklang mit der von ihnen
umgestimmten Menge, die zudem das Evangelium als eine Bedrohung ihrer Religion
empfunden haben wird, steinigten sie Paulus. Der Satan hatte die Gedanken jener
Ungläubigen geblendet, sodass ihnen der Lichtglanz der Herrlichkeit des
Christus nicht erstrahlt war (2.Kor.4:4). Über die Juden schreibt Paulus zwei
Jahre später, im Jahre 50 n. Chr.: »... die sowohl den Herrn Jesus wie die
Propheten töteten und uns verjagen. Sie können Gott nicht gefallen und sind
allen Menschen entgegen. Uns verwehren sie, zu den Nationen zu sprechen, dass
diese gerettet werden, und machen so allezeit ihr Sündenmaß voll. Es kommt aber
der Zorn, der zum Abschluss führt, schon im Voraus über sie« (1.Thess.2:15,16).
Es geschah dem
Paulus, wie es ihm angesagt worden war, dass er nämlich um des Namens des Herrn
willen viel leiden müsse (Ap.9:16). Aber auch wir heute sind zu Drangsalen bestimmt
(1.Thess.3:3) und erfahren Feindschaft gegen unsere Verkündigung des
Evangeliums des Apostels Paulus, wenn auch sehr subtil, das heißt fein
strukturiert und daher schwer zu durchschauen.
Paulus kommt
in seinen Briefen mehrmals auf dieses einschneidende Erlebnis des Jahres 48 n.
Chr. zurück. Er schreibt: »... einmal wurde ich gesteinigt« (2.Kor.11:25); »Du
aber bist meiner Lehre vollends gefolgt, auch ... meinen Verfolgungen und
Leiden, derart wie sie mir in Antiochien, in Ikonium, in Lystra widerfahren
sind« (2.Tim.3:11). Paulus tat seinen Dienst »als sterbend, und siehe, wir
leben, als gezüchtigt und doch nicht zu Tode gebracht« (2.Kor.6:9).
Bei alledem
wusste Paulus aber, dass er sich gerade nur der Dinge rühmen konnte, die seine
Schwachheit erwiesen (2.Kor.11:30); so schrieb er: »Darum ist mir wohl zumute
selbst in Schwachheiten, unter Misshandlungen, in Nöten, in Verfolgungen, unter
Druck um Christi willen; denn wenn ich schwach bin, dann bin ich kraftvoll«
(2.Kor.12:10).
Als sich die
in Lystra bereits zum Glauben Gekommenen dem gesteinigten und bewusstlosen
Apostel mitleidsvoll zuwandten, geschah ein gewaltiges Heilungswunder. Paulus
erhob sich und ging wieder in die Stadt. Und tags darauf machte er sich mit
Barnabas auf den Weg in das 80 km entfernte, südöstlich von Lystra gelegene
Derbe.
»Nachdem sie auch in jener Stadt das
Evangelium verkündigt und eine beträchtliche Zahl von Jüngern gewonnen hatten,
kehrten sie nach Lystra, Ikonium und Antiochien zurück, befestigten dort die
Seelen der Jünger und sprachen ihnen zu, im Glauben zu bleiben, »da wir durch
viele Drangsale in das Königreich Gottes eingehen müssen.« Dann wählten sie
ihnen Älteste für die herausgerufene Gemeinde [oder: gemäß der jeweiligen
Herausgerufenen] und befahlen sie unter Gebet und Fasten dem Herrn, an den sie
gläubig geworden waren« (Verse 21-23).
In der Stadt
Derbe kamen durch den Dienst der beiden unter anderen Gajus und Timotheus zum
Glauben (Ap.20:4).
Paulus und
Barnabas war es ein Anliegen - und deshalb kehrten sie in die Städte ihres
vorigen Wirkens zurück -, die neu gewonnenen Jünger Jesu fest im Glauben zu
gründen, damit niemand in den Drangsalen schwankend werde. Wie aus den Versen
21 bis 23 hervorgeht, festigten sie die ersten Gemeinden aus den Nationen
- durch die
Verkündigung des Evangeliums der Rechtfertigung allein durch den Glauben an
Jesus Christus, den Gekreuzigten, Auferstandenen und Verherrlichten;
- durch die
wiederholende und vertiefende Belehrung;
- durch den
Zuspruch, im Glauben zu bleiben (die Gläubigen waren damals mit dem heiligen
Geist noch nicht versiegelt); wer Gott glaubt, hat Festigkeit;
- durch die
Unterweisung, warum Drangsale sein müssen (weil unsere Schwachheit deutlich werden
soll und in ihr die Kraft des uns innewohnenden heiligen Geistes; Röm.5:3-5;
8:11; 2.Kor.4:7-11+17):
- durch die
Einsetzung von Ältesten;
- durch die
Fürbitte für sie, wobei hier in Vers 23 wohl die Ältesten gemeint sind.
Im Übrigen dürfte Paulus den Gläubigen
bezeugt haben, dass er nichts gegen die ihm feindlich gesinnten Menschen habe
und seinen Verfolgern nichts nachtrage, ebenso wie Gott den Menschen ihre
Kränkungen, die sie Seinem Vaterherzen zufügen, nicht anrechnet (2.Kor.5:19). Mithin
wird er neben der Rechtfertigung nun auch bereits die Versöhnung verkündigt
haben.
Paulus bemühte sich aber auch weiterhin um
diese Gemeinden, indem er ihnen im Jahre 49 n. Chr. den Galaterbrief schrieb.
Sie
beendeten die erste Missionsreise
»Als sie Pisidien durchzogen hatten, kamen
sie nach Pamphylien, sprachen das Wort des Herrn in Perge und zogen nach
Attalia hinab. Von dort segelten sie nach Antiochien, von wo aus sie der Gnade
Gottes zu dem Werk übergeben worden waren, das sie nun ausgerichtet hatten«
(Verse 24-26).
Paulus und
Barnabas zogen denselben Weg zurück, den sie gekommen waren. Und nun
verkündigten sie auch in Perge, der Hauptstadt der Provinz Pamphylien, das
Wort. Dort hatte sich auf der Hinreise Johannes Markus von ihnen getrennt
(Ap.13:13). Dann gingen sie nach Attalia (heute Antalya) am Mittelmeer hinab.
Von dort aus segelten sie zurück zu ihrer Heimatgemeinde im syrischen
Antiochien.
Dort waren sie
bei ihrer Ausreise der Gnade Gottes übergeben worden (Ap.13:3). Alles, was Gott
durch sie gewirkt hatte, war Gnade, sowohl dass sie die Gnade der
Rechtfertigung allein durch Glauben verkündigen durften wie auch, dass Gott
vielen Menschen aus den Nationen die Gnade zum Glauben gab, und des Weiteren,
dass die Gnade sie in den Strapazen, Verfolgungen und Gefahren ihrer Reise in
ihrem Dienst kräftigte. Später bezeugte Paulus: »In der Gnade Gottes aber bin
ich, was ich bin; und Seine Gnade, die in mir wirkt, ist nicht vergeblich
gewesen; sondern weit mehr als sie alle mühe ich mich, jedoch nicht ich,
sondern die Gnade Gottes, die mit mir ist« (1.Kor.15:10).
Zu einem Werk
waren sie vom Herrn berufen worden (Ap.13:2). Das Werk bestand nicht nur in der
Reise, sondern in der Verkündigung Jesu Christi, der zum Licht der Nationen
gesetzt ist, zur Rettung der Nationen bis zum letzten Ende der Erde (Jes.49:6;
Ap.13:47), in der Verkündigung des Sohnes Gottes als Evangelium unter den
Nationen (Gal.1:16). Ihr Werk bestand zudem in der Gründung von vier oder auch
mehr Gemeinden aus den Nationen (in Antiochien, Ikonium, Lystra und Derbe). Der
Herr Jesus Christus hatte ihren Dienst gesegnet und einen wesentlichen
Fortschritt in der Heilsgeschichte geschenkt, dass nämlich die aus den
Nationen, ohne Proselyten Israels werden zu müssen, allein durch Glauben
gerechtfertigt und für das äonische Leben gerettet werden.
Eine Tür des
Glaubens für die Nationen
»Nach ihrer Ankunft versammelten sie die
herausgerufene Gemeinde und verkündigten alles, was Gott durch sie vollbracht
hatte, und dass Er den Nationen eine Tür des Glaubens aufgetan habe. Sie
hielten sich dann ziemlich lange Zeit bei den Jüngern auf« (Verse 27+28).
Sie
berichteten ihrer Gemeinde alles - nicht, was sie vollbracht hatten, sondern -
wie es in Wahrheit ist -, was Gott durch sie getan hatte. Keiner bringt etwas
aus sich hervor, jede Frucht ist nur durch Jesus Christus (Phil.1:11). Schon
bei Jesaia ist zu lesen: »All unser Tun wirktest Du uns« (jes.26:12).
Ebenso
eindeutig hält Lukas fest, dass Gott den Nationen eine Tür aufgetan hat, und
zwar des Glaubens. Durch Glauben also gehen sie in den Segen des Kreuzes Jesu
Christi ein, in die Rechtfertigung, die Versöhnung und die Rettung zum
äonischen Leben.
Allein durch
Glauben - ohne die Voraussetzungen eines gottesfürchtigen Wandels und der
Umsinnung, die bei Kornelius vorlagen (Ap.10:2; 11:18), ohne Vermittlung der an
Jesus gläubigen Synagogengemeinden - das war neu! Diese Tür war bisher
verschlossen gewesen. Mit der ersten Missionsreise wurde sie geöffnet.
Eine neue
heilsgeschichtliche Verwaltung (griech. oikonomia, Haushaltung,
Vefahrensordnung) zeichnete sich ab, die, die im Glauben besteht (1.Tim.1:4;
Eph.3:2).
Die
Heimatgemeinde des Barnabas und Paulus wird im Übrigen mit Wehmut die
heilsgeschichtlich bedeutsame Tatsache zur Kenntnis genommen haben, dass nun
auch die Auslandsjuden in ihrer Mehrzahl ebenso wie die in Judäa Jesus als den
Messias abgelehnt hatten, und sich bewusst geworden sein, dass der König das
Königreich Israels daher vorerst nicht heraufführen werde.
Während der
ziemlich langen Zeit in Antiochien erfuhr Paulus von den in seinen galatischen
Gemeinden aufgekommenen Irrtümern, woraufhin er ihnen im Jahre 49 n. Chr.
eilends den Galaterbrief schrieb.
Die Apostelversammlung wegen der Frage
der Beschneidung
(Apostelgeschichte 15:1-35)
Zu der jüdischen herausgerufenen Gemeinde im
syrischen Antiochien gehörten auch an Jesus, den Christus, gläubige Menschen
aus den Nationen, die sich nicht hatten beschneiden lassen und mithin nicht zum
Judentum übergetreten waren. Im Übrigen wird es sich bis nach Jerusalem
herumgesprochen haben, dass Paulus und Barnabas in Galatien Gemeinden gegründet
hatten, die keinerlei Bindung an Israel hatten, sondern sich allein durch
Glauben allen Segens erfreuten.
»Einige, die von Judäa herabgekommen waren,
belehrten dann die Brüder: Wenn ihr nicht nach der Sitte des Mose beschnitten
werdet, könnt ihr nicht gerettet werden« (Vers 1).
Für die
hebräisch geprägten Gläubigen war das Gesetz des Mose die unabdingbare Norm, in
deren Rahmen der Glaube an Jesus, den Messias, auszuüben war. Und das Gesetz
forderte die Beschneidung (2.Mose 12:48; 3.Mose 12:3).
So entstand
die Frage: Können die Gläubigen aus den Nationen nur als Proselyten des
Judentums die Rettung erlangen oder auch ohne Beschneidung und damit ohne
Beachtung des Gesetzes? Kurz gesagt: Ist die Beschneidung heilsnotwendig?
Genügt der Glaube an Jesus Christus oder ist zusätzlich das Gesetz zu halten?
Paulus und
Barnabas waren im Jahr zuvor, im Jahre 48 n. Chr., von der ersten Missionsreise
zurückgekehrt, auf der Gott den Nationen eine Tür aufgetan hatte, und zwar die
des Glaubens (Ap.14:27). Sollte sie jetzt sogleich wieder zugeschlagen werden?
Was sollte nun gelten: der Glaube oder das Gesetz, die Gnade oder die Werke?
In Vers 2 lesen wir nun von der Reaktion auf
die Forderung der Beschneidung:
»Als man sich
dagegen auflehnte und zwischen denen aus Judäa und Paulus und Barnabas eine
ziemlich lange Auseinandersetzung entstand, ordnete man an, dass Paulus und
Barnabas samt einigen anderen aus ihrer Mitte wegen dieser Frage zu den
Aposteln und Ältesten nach Jerusalem hinaufziehen sollten.«
Man kann sich
vorstellen, dass die Wogen hochschlugen. Paulus wird wohl so argumentiert
haben, wie er es gerade zuvor in seinem Brief an die Galater ausgedrückt hatte:
»Für die Freiheit hat Christus uns frei gemacht. Stehet nun fest in ihr und
lasst euch nicht wieder im Joch der Sklaverei festlegen. Siehe, ich, Paulus, sage
euch: Wenn ihr euch beschneiden lasst, wird Christus euch nichts nützen.
Nochmals bezeuge ich es jedem Menschen, der sich beschneiden lässt, dass er es
schuldig ist, das ganze Gesetz zu halten. Ihr seid des Segens enthoben und von
Christus abgetrennt, die ihr durch das Gesetz gerechtfertigt werden wollt: ihr
seid aus der Gnade gefallen« (Gal.5:1-4).
Hier sei
darauf hingewiesen, dass der in Galater 2:1-10 berichtete zweite Besuch des
Paulus in Jerusalem nicht mit der Apostelversammlung von Apostelgeschichte 15
in eins zu setzen ist, sondern mit Apostelgeschichte 12:25. Das in Galater zwei
Geschilderte fand 14 Jahre nach der Berufung des Paulus (Gal.2:1), und zwar im
Jahr 47 n. Chr., kurz vor der ersten Missionsreise statt. Damals zog Paulus
infolge einer Enthüllung nach Jerusalem (Gal.2:2), nicht aufgrund eines
Gemeindebeschlusses (Ap.15:2). Titus war nicht genötigt worden, sich
beschneiden zu lassen (Gal.2:3), was besagt, dass diese Frage noch nicht
entschieden war; die Entscheidung erfolgte erst mit Apostelgeschichte 15:19.
Beim zweiten Besuch in Jerusalem hatten Jakobus, Kephas und Johannes dem Paulus
nichts auferlegt (Gal.2:6); beim dritten Besuch wurden denen aus den Nationen
die Erlasse des Jakobus auferlegt (Ap.15:20,29).
Den
Galaterbrief verfasste Paulus im Jahre 49 n. Chr. während seines längeren
Aufenthalts im syrischen Antiochien (Ap.14:28). Und dann geschah im selben Jahr
dieses, was wir jetzt in unserem Kapitel 15 lesen.
Nun also
schickte die Gemeinde Paulus und Barnabas sowie einige andere, die durchaus
auch als Zeugen der zu erwartenden Entscheidung angesehen werden dürfen, nach
Jerusalem zu den Aposteln und Ältesten, die hier in einem Atemzug genannt
werden, was für ihre Eintracht und Zusammenarbeit spricht.
»Von der herausgerufenen Gemeinde wurde ihnen
nun das Geleit gegeben. Sie kamen dann durch Phönizien wie auch Samaria, wo sie
ausführlich von der Umkehr derer aus den Nationen berichteten und allen Brüdern
damit große Freude bereiteten« (Vers 3).
Das Geleit,
das einige aus der Gemeinde ihnen für eine Strecke Weges gaben, zeigt, dass ihr
Zug nach Jerusalem von der ganzen Gemeinde mitgetragen wurde.
In Phönizien
und Samaria nahmen sie die Gelegenheit wahr, den Gläubigen dort von Gottes
Wirken unter den Nationen zu berichten. Außerdem pflegten sie auf diese Weise
den Kontakt unter den einzelnen Gemeinden.
»Als sie in Jerusalem ankamen, wurden sie von
der herausgerufenen Gemeinde, den Aposteln und Ältesten empfangen und
verkündigten alles, was Gott durch sie getan hatte. Da standen einige von der
Sekte der Pharisäer auf, die gläubig geworden waren, und sagten: Man muss sie
beschneiden und anweisen, auch das Gesetz des Mose zu halten« (Verse 4+5).
Der Bericht
der Gesandtschaft über das, was Gott unter den Nationen getan hatte, war
bereits die Beweisführung des Paulus, dass an eine Beschneidung nicht zu denken
ist, denn Gott hatte sie durch Glauben angenommen. Wer wollte Gott wehren?
Die an Jesus
gläubigen Pharisäer hatten die heilsgeschichtliche Wende nicht erkannt, dass
Gott nämlich etwas Neues begonnen hatte, nachdem Israel in seiner Mehrheit
Jesus als den Messias abgelehnt hatte und das Königreich mithin zunächst nicht
kommen würde. Würde es alsbald anbrechen, so wären die Nationen Israel und dem
Gesetz unterzuordnen. Jetzt aber handelte Gott ohne Israel, zumal mit einem
ungläubigen Israel ohnehin nichts anzufangen war.
»Darauf versammelten sich die Apostel und
Ältesten, um sich in diesen Fall Einblick zu verschaffen. Als es zu einer
längeren Auseinandersetzung kam, stand Petrus auf und sagte zu ihnen: Männer,
Brüder, ihr wisst Bescheid, dass Gott mich schon in den Anfangstagen unter euch
erwählt hat, damit die Nationen durch meinen Mund das Wort des Evangeliums
hören sollten und so zum Glauben kämen. Gott, der Herzenskenner, bezeugte Sich
an ihnen, indem Er ihnen so wie auch uns den Geist, den heiligen, gab. Er
machte zwischen uns und ihnen keinen Unterscheid und reinigte ihre Herzen durch
den Glauben. Was versucht ihr denn nun Gott, indem ihr auf den Hals der Jünger
ein Joch legt, das weder unsere Väter noch wir zu tragen vermochten? Nein,
durch die Gnade des Herrn Jesus glauben wir, in derselben Weise gerettet zu
werden wie auch jene« (Verse 6-11).
Der Apostel
Petrus hatte mit diesem seinem Schiedsspruch keinerlei Zugeständnisse an die
Beschneidungseiferer gemacht, sondern deutlich zum Ausdruck gebracht, dass er
aufgrund der Gnade des Herrn Jesus davon überzeugt ist, dass die Herzen der
Menschen, seien es Juden oder Griechen, durch den Glauben gereinigt werden.
Dass die Juden
nach wie vor die Beschneidung als äußeres Zeichen der Reinigung hatten und
ihren Glauben unter Beachtung des Gesetzes ausübten sowie ihre Rettung durch
edle Werke zu bestätigen hatten (2.Pet.1:10), tat dem keinen Abbruch. Durch das
Halten des Gesetzes aber wurde kein Jude gerettet, weil das Gesetz durch das
Fleisch schwach war (Röm.8:3), das heißt kein Mensch die Kraft hatte, es zu
erfüllen.
Wie Petrus
eingangs sagte, hatten die Nationen auch durch ihn das Evangelium gehört; dabei
denken wir an den römischen Hauptmann Kornelius und sein Haus (Ap.10). Damals
hatte Petrus verkündigt: »Diesem (Jesus) bezeugen alle Propheten: Durch Seinen
Namen erhält jeder, der an Ihn glaubt, Erlassung der Sünden« (Ap.10:43). Und
Lukas berichtete: »Noch während Petrus diese Worte sprach, fiel der Geist, der
heilige, auf alle, die das Wort hörten« (Ap.10:44; siehe auch 11:17).
Das Joch des
Gesetzes auf den Hals der Jünger aus den Nationen zu legen, hatte Petrus als eine
Versuchung Gottes bezeichnet. Es wäre also eine Sünde gewesen - völlig gegen
den Willen Gottes, der ja bereits ganz anders unter den Nationen gewirkt hatte.
- Ein Joch wird das Gesetz genannt, weil es die Menschen unter die Ordnungen
Gottes zwang und mit einem Fluch verbunden war: »Verflucht ist jeder, der nicht
bei allen in der Rolle des Gesetzes geschriebenen Geboten bleibt, um sie zu
erfüllen« (5.Mose 27:26; Gal.3:10).
»Da schwieg die gesamte Menge, und sie hörten
Barnabas und Paulus alles schildern, was Gott durch sie an Zeichen und Wundern
unter den Nationen getan hatte« (Vers 12).
Auf diese
geistgewirkte Darlegung und Entscheidung des Petrus hin konnte man nur
schweigen und Gott im Herzen verherrlichen. Das schloss auch die Pharisäer ein.
Und wie zur
Bestätigung schilderten Barnabas und Paulus sodann das gesetzesfreie Wirken
Gottes unter den Nationen. Und wieder konnten die Gläubigen nur ergriffen
schweigen (Vers 13 a).
Die Rede des Jakobus
»Als sie dann
schwiegen, nahm Jakobus das Wort und sagte: Männer, Brüder, hört mich an!
Simeon hat geschildert, wie zuerst Gott darauf gesehen hatte, Sich aus den
Nationen ein Volk für Seinen Namen anzunehmen. In diesem Punkt stimmen die
Worte der Propheten überein, so wie geschrieben steht: Danach werde Ich
wiederkehren und das zerfallene Zelt Davids wieder aufbauen, seine umgestürzten
Wände werde Ich wieder aufbauen und es wieder aufrichten, damit die übrig
gebliebenen Menschen den Herrn ernstlich suchen samt allen Nationen, über die
Mein Name angerufen wird, sagt der Herr, der dieses tut. Dem Herrn sind Seine
Werke vom Äon an bekannt« (Verse 13-18).
Jakobus, der
Halbbruder unseres Herrn Jesus (Mat.13:55) und der Leiter der Gemeinde zu
Jerusalem, hatte erkannt, dass Israel, das mehrheitlich ungläubig war, deshalb
jetzt zurücktreten musste, was aber die Verheißung, dass es wiederhergestellt
und das Königreich kommen werde, nicht aufhob. Die Verheißung hatte »in den
Anfangstagen« (Vers 7) mit dem Wirken des Petrus ihre erste Erfüllung gefunden.
Genau daran knüpfte Jakobus an, dass Gott nämlich »zuerst« (Vers 14) durch
Petrus welche aus den Nationen angenommen habe. Gott wisse, was Er tue; Er habe
es vom Beginn des Äons an angesagt (Jes.45:21; 46:10).
Jakobus
zitierte nach Amos 9:11,12, wo es heißt: »An jenem Tag richte Ich die
verfallene Hütte Davids auf, Ich vermaure ihre Breschen, und ihre Trümmer
richte Ich auf, und Ich baue sie auf wie in den Tagen des Äons, damit sie den
Überrest Edoms und all die Nationen in Besitz nehmen, über die Mein Name
ausgerufen wird, spricht Jewe, der dieses Tut.« - Israel wird also alle
Nationen in Besitz nehmen, zumal alle den Herrn Jesus annehmen werden, wird das
wiedergezeugte und gläubige Israel doch alle Nationen zu Jüngern machen
(Mat.28:19).
Jakobus
gebrauchte die Worte »danach« (Vers 16) und »die übrig gebliebenen Menschen«
(Vers 17) und meinte damit die Zeit nach den Zorngerichten Gottes sowie die
dann noch übrigen Menschen; jene werden dann, nach der »Wiederkehr« (Vers 16)
Jesu (Sach.14:4; Mat.24:30; Ap.1:11) »den Herrn suchen« (Vers 17; Sach.8:22;
Ps.22:27-29).
Jakobus hatte
mithin zum Ausdruck gebracht, dass man - weil dem Volk Israel alle Verheißungen
erfüllt werden - die Gläubigen aus den Nationen, die jetzt dem dem Apostel
Paulus enthüllten Evangelium (Ga.1:12), dem »Evangelium der Unbeschnittenheit«
(Gal.2:7), glauben, keineswegs dem Gesetz unterordnen muss. Dies wusste er
übrigens seit bald zwei Jahren (Gal.2:1-10).
Und dann gab Jakobus sein Urteil ab: »Ich
entscheide darum, die aus den Nationen, die sich zu Gott umwenden, nicht weiter
zu belasten, sondern ihnen einen Brief zu schreiben, damit sie sich von
zeremoniellen Verunreinigungen durch Götzen, von Hurerei, von Ersticktem und
Blut fernhalten. Denn Mose hat seit den Generationen der Altvordern in jeder
Stadt seine Herolde; wird er doch an jedem Sabbat in den Synagogen gelesen«
(Verse 19-21).
Im Wissen um
das von dem Apostel Paulus unter den Nationen geheroldete Evangelium der
Unbeschnittenheit (Gal.2:2,7) und entsprechend der Vorgabe des Petrus sollen
die Gläubigen aus den Nationen also mit überhaupt keiner dem Gesetz entlehnten
Forderung, die etwa zu tun wäre, belastet werden. Mose wird dadurch keinen
Abbruch getan, denn aus dem Gesetz wird überall an jedem Sabbat vorgelesen.
Sie sollen
aber Rücksicht auf die Juden nehmen, seien sie gläubig oder ungläubig, und von
vier Dingen Abstand halten, die die Empfindungen der Juden sehr verletzen
würden:
1. Sie sollen kein Götzenopferfleisch
essen; das ist Fleisch, das bei der Schlachtung Götzen geweiht worden war.
»Denn wenn um einer Speise willen dein Brüder betrübt wird, wandelst du nicht
mehr der Liebe gemäß« (Röm.14:15). Wohl konnten die aus den Nationen
Götzenopferfleisch essen (12.Kor.10:25), »doch hütet euch, dass diese eure
Vollmacht den Schwachen nicht etwa zum Anstoß werde« (1.Kor.8:9).
2. Sie sollen sich von Hurerei fernhalten;
das ist Geschlechtsverkehr ohne miteinander verheiratet zu sein. Auch Paulus
betont, dass wir Gläubige mit Gläubigen, die Hurerei treiben, keinen Umgang
haben und nicht einmal mit ihnen essen sollen (1.Kor.5:9,11; 1.Thess.4:3,8;
1.Kor.7:2,9).
3. Sie sollen nichts Ersticktes, also kein
Fleisch von mit der Schlinge erdrosselten Tieren essen, bei denen das Blut
anders als bei einer Schlachtung nicht ausfließen konnte (3.Mose 17:13).
4. Sie sollen kein Blut verzehren und kein
Fleisch, in welchem noch Blut ist (1.Mose 9:4; 3.Mose 3:17; 17:10-14). Blut
durfte von den Menschen nicht genossen werden, weil es überaus kostbar war und
zur Sühnung der Sünden auf den Altar Gottes gehörte.
Diesen vier
Rücksichtnahmen entsprechend schreibt Paulus: »Benehmt euch unanstößig bei
Juden wie auch Griechen und in der herausgerufenen Gemeinde Gottes, so wie auch
ich danach trachte, allen in allem zu gefallen, indem ich suche, nicht was mir
selbst, sondern den Vielen förderlich ist, damit sie gerettet werden«
(1.Kor.10:32,33). Des Weiteren stellt er fest: »Edel ist es, kein Fleisch zu
essen, noch Wein zu trinken, noch sonst etwas zu tun, an dem dein Bruder sich
stößt« (Röm.14:21).
Die Erlasse
des Jakobus stellten übrigens sicher, dass das, was in der Gemeinde zu
Antiochien passiert war, sich nicht wiederhole. Man lese Galater 2:11-14. Bei
Beachtung der vier Punkte gibt es keinen Grund mehr für einen Juden, die
Tischgemeinschaft mit Gläubigen aus den Nationen zu meiden.
Gewiss
stellten die Erlasse ein Zugeständnis an das Fleisch dar, auf Empfindungen, die
aus dem Gesetz erwuchsen. Denn die Herzen derer aus den Nationen sind durch den
Glauben gereinigt. Das ist die geistliche Tatsache.
Es war auch
so, dass die Erlasse die Nationengemeinden Jerusalem in gewisser Weise
unterordneten (Kol.2:14). Paulus hob sie daher auf, als der aus dem Fleisch,
sprich: der Abstammung, resultierende Vorrang der Juden sein Ende gefunden
hatte (Eph.2:15; Kol.2:14).
»Dann erschien es den Aposteln und den
Ältesten samt der ganzen herausgerufenen Gemeinde gut, Männer aus ihrer Mitte
zu erwählen, um sie mit Paulus und Barnabas nach Antiochien zu senden, nämlich
Judas (genannt Barsabas) und Silas, führende Männer unter den Brüdern. Durch
deren Hand sandten sie folgendes Schreiben:
Die Apostel,
Ältesten und Brüder grüßen die Brüder aus den Nationen in Antiochien, Syrien
und Cilicien: Freuet euch!
Weil wir
gehört haben, dass einige, denen wir keinen Auftrag gegeben hatten, von uns
ausgegangen sind und euch mit ihren Worten beunruhigen und eure Seelen
verstören, erscheint es uns gut - so haben wir einmütig beschlossen -, Männer
zu erwählen und sie mit unseren geliebten Barnabas und Paulus zu euch zu
senden. Beide sind Menschen, die ihre Seelen für den Namen unseres Herrn Jesus
Christus hingegeben haben. Daher haben wir Judas und Silas geschickt, sie
werden euch dasselbe auch noch mündlich verkünden. Denn es erscheint dem Geist,
dem heiligen, und uns gut, euch keine weitere Bürde aufzuerlegen außer diesem,
was unerlässlich ist: nämlich euch fernzuhalten von Götzenopfern, von Blut und
Ersticktem und von Hurerei. Wenn ihr euch sorgfältig davor bewahrt, werdet ihr
wohl handeln. Lebt wohl!« (Verse 22-29).
Das Schreiben
an die Brüder aus den Nationen gründet sich auf einen einmütigen Beschluss der
Apostel und Ältesten, ja der ganzen Gemeinde, die allesamt vom heiligen Geist,
der in alle Wahrheit leitet (Joh.16:13), auch in diese Wahrheit hineingeführt
worden waren. Nicht nur schriftlich, sondern auch mündlich sollte der Beschluss
übermittelt werden, nämlich auch durch Judas Barsabas und Silas. Von Silas, der
auch Silvanus genannt wurde, werden wir noch viele Male hören. Ganz bewusst
betonte das Schreiben die Bruderschaft aller Gläubigen. Es bestätigte auch den
Dienstauftrag des Barnabas und Paulus, indem sie als geliebte Brüder, die ihre
Seelen für den Herrn hingegeben haben, besonders gewürdigt wurden.
Zugleich distanzierte
sich die Gesamtheit der Gläubigen in Jerusalem deutlich von denen, die da ohne
Auftrag nach Antiochien gegangen waren und die Beschneidung gefordert hatten
(Vers 1).
Das Schreiben
war an die aus den Nationen nicht nur in Antiochien, sondern auch in Syrien und
Cilicien gerichtet. Dies zeigt uns, dass auch dort, in den um Antiochien
liegenden Gebieten, Gemeinden bestanden. Paulus hatte nach seinem ersten
Hinaufkommen nach Jerusalem im Jahre 37 n. Chr. dort gewirkt (Gal.1:21), und
die antiochische Gemeinde wird dort wohl ebenfalls rege evangelistisch tätig
gewesen sein.
»So wurden die vier dann entlassen und kamen
nach Antiochien hinab, versammelten die Menge und überreichten den Brief. Als
man ihn gelesen hatte, freute man sich über den Zuspruch. Sowohl Judas wie
Silas, die selbst auch Propheten waren, sprachen den Brüdern mit vielen Worten
zu und befestigten sie im Glauben. Nachdem sie einige Zeit dort verbracht
hatten, wurden sie von den Brüdern mit Frieden zu denen entlassen, die sie
geschickt hatten« (Verse 30-33).
Was Lukas uns
hier berichtet - wir freuen uns darüber, über die Freude in Antiochien, über
den Zuspruch, über die Bruderschaft, über den Frieden. Das prophetische Wort
des Judas und Silas könnte schwerpunktmäßig dem Zuspruch und der Festigung
gedient haben. Sie waren »auch« Propheten, das heißt ebenso wie die fünf
Propheten und Lehrer in Antiochien: Barnabas, Simeon, genannt Niger, Lucius,
der Kyrenäer, Manaen, der Pflegebruder des Vierfürsten Herodes, und Paulus
(Ap.13:1).
Propheten gab
es übrigens so lange, bis das prophetische Wort durch Paulus vervollständigt
worden war (Kol.1:25), bis sein Evangelium zur Reife, auf das Vollmaß gebracht
worden war (1.Kor.13:10), und zwar mit dem Epheser-, dem Philipper- und dem
Kolosserbrief, die darum auch Vollkommenheitsbriefe genannt werden können.
Vers 34 findet
sich nicht im Grundtext. Die drei ältesten Kodizes (Sinaiticus, Vaticanus,
Alexandrinus) haben diesen Vers nicht.
»Paulus und Barnabas hielten sich weiter in
Antiochien auf, lehrten und verkündigen mit noch vielen anderen das Wort des
Herrn als Evangelium« (Vers 35).
So wird das
Wort des Herrn die Herrschaft in den Herzen der Gläubigen gewonnen haben,
sodass sie völlig im Wort lebten.
(Apostelgeschichte 15:36-16:40)
Nach der Apostelversammlung wegen der Frage
der Beschneidung in Jerusalem im Jahre 49 n. Chr. hielten sich Paulus und
Barnabas längere Zeit in ihrer Heimatgemeinde im syrischen Antiochien auf,
lehrten und verkündigten dort mit noch vielen anderen das Wort des Herrn als
Evangelium (Ap.15:35).
Die Anregung zur zweiten Reise
»Nach etlichen Tagen sagte Paulus zu
Barnabas: Wir sollten auf jeden Fall zurückkehren und uns in jeder Stadt, in
der wir das Wort des Herrn verkündigt haben, nach den Brüdern umsehen, wie sie
sich befinden« (Vers 36).
Unter der
Leitung des Geistes Gottes drängte es den Apostel Paulus im Herzen, nach den
auf der ersten Reise gewonnenen Gläubigen zu sehen, um sie weiterhin zu
belehren und im Glauben zu festigen, zugleich aber auch um in Erfahrung zu
bringen, ob sein Brief an die Galater sie von ihrem Irrtum befreit hatte,
zusätzlich zum Glauben noch Gesetzeswerke erbringen zu müssen (Gal.3:10; 5:4),
mithin das im Geist Begonnene im Fleisch zu vollenden (Gal.3:3).
»Barnabas beabsichtigte aber, auch Johannes
(genannt Markus) mitzunehmen. Paulus jedoch achtete den, der sich in Pamphylien
von ihnen entfernt hatte und nicht mit ihnen in die Arbeit gekommen war, nicht
für würdig, mitgenommen zu werden. Das war ein Ansporn für sie, einander
auszuweichen, sodass Barnabas nun den Markus mit sich nahm und nach Cypern
segelte. Paulus aber ersah sich Silas und zog aus, nachdem er von den Brüdern
der Gnade des Herrn übergeben worden war« (Verse 37-40).
Johannes
Markus hatte sich auf der ersten Missionsreise von Barnabas und Paulus getrennt
(Ap.13:13), allen Anzeichen nach, weil er sich eine Mission unter den Nationen
ohne die Bindung an das Gesetz und die Synagoge nicht vorstellen konnte; ihm
fehlte die geistliche Einsicht für den Dienstauftrag des Apostels Paulus, dass
nämlich denen aus den Nationen der Segen Abrahams, und zwar die Rechtfertigung
und der Empfang des heiligen Geistes allein durch Glauben, ohne Proselyten des
Judentums werden zu müssen, zuteil werden sollte.
Barnabas war
wohl zu nachsichtig seinem Cousin Johannes Markus gegenüber - Barnabas war ein
guter Mann (Ap.11:24), vielleicht zu gütig -, Paulus musste aber konsequent
sein, denn es ging um das Werk des Herrn. So gerieten sie scharf aneinander mit
dem Ergebnis, dass sie sich zur zweiten Reiste trennten.
Johannes
Markus ist sehr wahrscheinlich der Verfasser des Berichts des Markus. Im Laufe
der Jahre wurde aber auch er ein brauchbarer Mitarbeiter des Apostels Paulus
(Kol.4:10; 2.Tim.4:11; Phmn.24).
Paulus ersah
sich Silas, der auch Silvanus genannt wurde, der inzwischen wieder in
Antiochien war (vgl. Ap.15:32,33), vermutlich weil Paulus ihn hatte kommen
lassen.
Silas war für
den Dienst sehr geeignet, denn er war ein führender Mann in der Jerusalemer
Gemeinde, hatte die Empfehlung seiner Gemeinde, konnte die Erlasse der
Apostelversammlung, die Paulus den Gemeinden aus den Nationen übergeben wollte,
als Zeuge mündlich bestätigen und war im Übrigen römischer Bürger (Ap.15:22,27;
16:37).
So zogen
Paulus und Silas zur zweiten Missionsreise mit dem Segen der Gemeinde aus.
Diese Reise fand in den Jahren 49 bis 51 n. Chr. statt.
In Syrien und Cilicien
»Er durchzog
dann Syrien und Cilicien und befestigte die herausgerufenen Gemeinden im
Glauben« (Verse 41).
In diesen
Gebieten hatte Paulus vom Jahre 37 n. Chr. an nach seinem ersten Hinaufkommen
nach Jerusalem gewirkt (Gal.1:21). Und gewiss hatte die Gemeinde zu Antiochien
dort ebenfalls das Evangelium verkündigt. Die Erlasse der Apostelversammlung
richteten sich neben Antiochien namentlich an die Doppelprovinz Syrien und
Cilicien (Ap.15:23). Den Gläubigen dort waren die Erlasse zu übergeben und zu
bezeugen; dies diente zu ihrem Schutz vor der Irreführung durch die
Gesetzeseiferer und zu ihrer Festigung im Glauben.
Vielleicht
machten Paulus und Silas auf ihrer Reise in Tarsus, der Heimatstadt des
Apostels, Halt. Dann zogen sie sehr wahrscheinlich durch die Zilizische Pforte,
den gefährlichen Pass im gewaltigen Taurusgebirge, nach Galatien.
»So gelangte er auch nach Derbe und nach
Lystra. Und siehe, dort war ein Jünger namens Timotheus, der Sohn einer
gläubigen jüdischen Frau, aber eines griechischen Vaters, dem von den Brüdern
in Lystra und Ikonium Gutes bezeugt wurde. Diesen wollte Paulus mit sich ziehen
lassen; darum nahm er ihn und beschnitt ihn um der Juden willen, die an jenen
Orten waren; denn alle wussten, dass sein Vater ein Grieche war« (Ap.16:1-3).
Timotheus
wurde einer der engsten Mitarbeiter des Apostels Paulus. Er begleitete ihn auf
der zweiten und dritten Missionsreise. Sein Name bedeutet: Gottwerter. Paulus
nannte ihn sein Glaubenskind rechter Art (1.Tim.1:2; 2.Tim.1:2). Timotheus war
durch den Dienst des Paulus auf dessen erster Reise zum Glauben gekommen, war
mithin dabei Zeuge der Leiden des Apostels in Lystra und Umgebung geworden und
wird dementsprechend von nun an an dessen Drangsalen teilnehmen (2.Tim.3:11).
Es wundert uns, dass Paulus Timotheus
beschnitt. Es ging dem Paulus hier aber nicht darum, ob die aus den Nationen zu
beschneiden wären oder die Beschneidung zur Rettung nötig sei - in Bezug auf
die Rechtfertigung und Rettung ist die Beschneidung nichts (1.Kor.7:19; Gal.5:6;
6:15) -, sondern darum, ein Hindernis für seinen Dienst auszuräumen. Der Sohn
einer jüdischen Mutter - Eunike war ihr Name (2.Tim.1:5) - war nach jüdischer
Anschauung ein Jude, und ein Jude hatte beschnitten zu sein. Paulus hätte mit
einem unbeschnittenen Juden als Begleiter keinen Eingang in den Synagogen
gefunden, die nun einmal ein geeignetes Forum für seine Verkündigung des Wortes
des Herrn waren. Es wäre höchst anstößig gewesen; die Juden wären sehr
misstrauisch geworden. So aber wurde Paulus nun den Juden ein Jude, um sie zu
gewinnen (1.Kor.9:20).
»Als sie dann durch die Städte zogen,
übergaben sie ihnen den Auftrag, die Erlasse zu bewahren, für die sich die
Apostel und Ältesten in Jerusalem entschieden hatten. So wurden die
herausgerufenen Gemeinden nun im Glauben gefestigt und nahmen täglich an Zahl
zu« (Verse 4+5).
Die Erlasse
der Apostelversammlung stellten klar, dass die aus den Nationen sich nicht
beschneiden lassen und nicht Proselyten des Judentums werden mussten (Ap.15).
Die Verkündigung des Paulus, dass der Mensch allein durch Glauben
gerechtfertigt werde (Ap.13:39), hatte freie Bahn.
So wuchsen die
Heiligen im Glauben, und tätlich kamen Neue hinzu. Ihr zahlenmäßiges Wachstum
war vom inneren Wachstum getragen.
»Danach kamen sie durch Phrygien und das
galatische Land; doch wurde ihnen vom heiligen Geist verwehrt, das Wort in der
Provinz Asien zu sprechen. Als sie auf Mysien zu kamen, versuchten sie, nach
Bithynien zu gehen, aber der Geist Jesu ließ sie nicht. Da gingen sie an der
Grenze Mysiens vorbei und zogen nach Troas hinab« (Verse 6-8).
Offensichtlich
wollten sie nach Westen in die Hauptstadt der Provinz Asien ziehen, Ephesus am
Ägäischen Meer. Der Geist wehrte es ihnen. Nach Ephesus sollte Paulus zu einem
späteren Zeitpunkt kommen. Gewiss wären sie auch durch Kolossä gekommen; für
diese Stadt aber hatte sich der Herr einen anderen Lehrer erwählt, nämlich
Epaphras (Kol.1:7). Im nördlichen Teil Asiens, in Mysien, ließ der Geist Jesu
es nicht zu, nach Bithynien am Schwarzen Meer zu gehen. So zogen sie nach Troas
am Hellespont, an der Meerenge der Dardanellen, Europa gegenüber gelegen.
Wie sollen wir
es uns vorstellen, dass der Geist Jesu ihnen bestimmte Pläne verwehrte? Dem
Herrn stehen dafür die vielfachen Umstände dieser Welt zur Verfügung, die die
Gedanken der drei Reisenden, Paulus, Silas und Timotheus, lenken konnten. Und
da der Geist Jesu in ihnen wohnte, der ein Geist der Kraft und der Liebe und
der gesunden Vernunft ist (2.Tim.1:7), konnten sie entsprechende Entscheidungen
treffen. Im Übrigen lässt der Geist den Willen Gottes in den Herzen der
Betenden und Fragenden deutlich werden. Wir dürfen aber hier vor allem daran
denken, dass sie Offenbarungen erhielten, indem der Geist Jesu vernehmlich zu
ihnen sprach, wie das auch in manchen anderen Fällen geschah (Ap.20:23;
21:4,11). Der Geist bezeugte ihnen, dass sie nicht dahin und dorthin gehen
sollten.
»Hier erschien dem Paulus während der Nacht
ein Gesicht: Ein mazedonischer Mann stand da, sprach ihm zu und bat: Setze nach
Mazedonien über und hilf uns! - Als er
das Gesicht gewahrt hatte, suchten wir sofort nach Mazedonien weiterzuziehen,
weil wir daraus entnahmen, dass Gott uns herzugerufen habe, ihnen das Evangelium
zu verkündigen« (Verse 9+10).
Der
mazedonische Mann in dieser Vision war sicherlich an seiner Kleidung erkennbar.
Von hier an
berichtet Lukas in der Wir-Form. Bis Philippi war Lukas, der geliebte Arzt
(Kol.4:14), zunächst dabei. Er begleitete Paulus auch in späteren Jahren manche
Strecke. Die sogenannten Wir-Berichte finden sich in den Kapiteln 16:10-17,
20:5-21:18 und 27:1-28:16. Sein Name kann von lux (lat.), Licht, oder von lykos
(griech.), Wolf, abgeleitet sein. Er war wahrscheinlich kein Jude, sondern ein
Gläubiger aus den Nationen (Kol.4:10,11).
»Als wir von Troas ausfuhren, kamen wir
geradewegs nach Samothrace, am folgenden Tag nach Neapolis und von dort nach
Philippi, das die erste Stadt in diesem Teil von Mazedonien ist, eine römische
Kolonie. In dieser Stadt hielten wir uns einige Tage auf« (Verse 11+12).
Nach der
Passage der Insel Samothrace trafen sie in Neapolis, der Hafenstadt von
Philippi, ein. Philippi war die rangmäßig erste Stadt in diesem Bezirk
Mazedoniens. Sie war Militärstützpunkt; auch waren dort römische Veteranen
angesiedelt worden. Sie hatte darum viele Privilegien und war unabhängig von
der Provinzverwaltung.
»Am Tag der Sabbate gingen wir zum Stadttor
hinaus an den Fluss, wo wir meinten, dass eine Gebetsstätte sei; wir setzten
uns dort und sprachen zu den zusammengekommenen Frauen. Auch eine Frau namens
Lydia hörte zu, eine Purpurhändlerin aus der Stadt Thyatira, die Gott verehrte;
ihr tat der Herr das Herz auf, auf die von Paulus gesprochenen Worte zu achten.
Als nun sie und ihr Haus getauft waren, sprach sie uns zu und sagte: Wenn ich
nach eurer Beurteilung an den Herrn gläubig bin, so kommt in mein Haus und
bleibt dort! - Und sie drang in uns« (Verse 13-15).
Lydia war der
erste Mensch in Europa, dem Gott den Glauben in Gnaden für Christus gewährte
(Eph.2:8; Phi.l.1:29), ebenso allen, die zu ihrem Haushalt gehörten. Jener
Königreichssegen beruhte auf der Verheißung an Abraham, dass in ihm alle
»Familien« des Erdbodens gesegnet werden sollen und er über sein »Haus«
gebieten werde (1.Mose 12:3; 18:19). Lydia stammte aus der Provinz Asien. Sie
verehrte Gott bereits, war also ein Proselytin des Judentums.
Es gab keine
Synagoge in Philippi. Da den Juden aber Fluss- und Meeresufer als rein galten,
konnte man am Fluss eine Gebetsstätte vermuten.
»Nun geschah es, wenn wir zur Gebetsstätte
gingen, dass uns eine Magd entgegentrat, die einen Pythongeist hatte und durch
deren Wahrsagen sich ihren Herren eine sehr gute Einkommensquelle bot. Sie
folgte Paulus und uns nach und rief laut: Diese Menschen sind Sklaven des
höchsten Gottes, die euch einen Weg zur Rettung verkündigen! - Das tat sie nun
an vielen Tagen. Darüber aufgebracht, wandte Paulus sich zu dem Geist um und
sagte: Ich gebiete dir im Namen Jesu Christi, von ihr auszufahren! - Und er
fuhr zu derselben Stunde aus« (Verse 16-18).
Die Magd hatte
einen Geist von Apollo, dem pythischen Gott, dessen Orakel in Delphi, auch
Python genannt, war. Wie auch immer die Griechen sich dies vorstellten: sie
hatte einen Wahrsagedämon.
Die Magd
schien gute Werbung für das Evangelium zu machen. Eine Unterstützung unseres
Dienstes im Herrn durch böse Geister aber ist entschieden abzulehnen. »Werdet
nicht ungleich gejocht mit Ungläubigen! ... Denn welche Gemeinschaft besteht
zwischen Licht und Finsternis oder welche Eintracht zwischen Christus und
Beliar (d. h. die Bosheit, die Zersetzung)? Oder welches Teil hat der Gläubige
gemeinsam mit dem Ungläubigen?« (2.Kor.6:14,15).
Satans Trick
ist es, Licht und Finsternis zu vermengen und die scharfe Trennung zwischen
Glauben und Religion aufzuheben. Sobald wir Unterstützung durch Ungläubige
annehmen, können heidnisch-dämonische Gedanken eindringen. Ohnehin ist betrogen
und irregeführt, wer nicht die gesamte Waffenrüstung, die Gott uns bereitgelegt
hat, angezogen hat (Eph.6:10-17), wozu auch das Wort der Wahrheit gehört, das
uns vor der Zusammenarbeit mit der Finsternis warnt.
Satan ist ein
Durcheinanderwerfer, wie man »diabolos« übersetzen kann. Er versucht, kleine
Verdrehungen in das Evangelium einzuträufeln, die dann großen Schaden
anrichten, wie hier durch die Magd, die vom »höchsten Gott« und von »einem Weg
zur Rettung« sprach, was vordergründig gesehen gut klingt, aber die Gedanken
einschließt, dass es auch nachrangige Götter und andere Wege zur Rettung gäbe.
»Als ihre Herren gewahrten, dass ihre
Aussicht auf Einkommen dahin war, ergriffen sie Paulus und Silas und schleppten
sie auf den Marktplatz vor die Obrigkeit, führten sie den Prätoren vor und
sagten: Diese Menschen, die Juden sind, beunruhigen unsere Stadt sehr und
verkünden Sitten, die uns, die wir Römer sind, nicht anzunehmen noch auszuüben
erlaubt sind. - Da trat die Volksmenge mit gegen sie auf, und die Prätoren
ließen ihnen die Kleider herunterreißen und befahlen, sie mit Ruten zu
peitschen. Nachdem man ihnen viele Schläge versetzt hatte, warf man sie ins
Gefängnis und wies den Gefängnisaufseher an, sie in sicherem Gewahrsam zu
halten; als dieser eine solche Anweisung erhielt, warf er sie in die innerste
Zelle des Gefängnisses und sicherte ihre Füße im Stock« (Verse 19-24).
Die
Feindschaft der Herren der Magd gegen das Evangelium hatte einen finanziellen Grund;
ihre Anklage vor der Obrigkeit konnten sie allerdings nur auf den allgemeinen
Judenhass stützen, der gerade im Jahr zuvor, im Jahre 49 n. Chr., zur
Ausweisung aller Juden aus Rom durch Kaiser Klaudius geführt hatte. Nach den
römischen Gesetzen war die Werbung für die eigene Glaubensrichtung zwar
verboten, wurde aber weithin geduldet, es sei denn, dass sie zu Aufruhr führte.
Da genau dies jetzt in Philippi eingetreten zu sein schien, machten die
Prätoren kurzen Prozess.
Lukas und
Timotheus waren wahrscheinlich deshalb nicht verhaftet worden, weil sie nicht
wie Juden aussahen.
»Um Mitternacht jedoch beteten Paulus und
Silas und lobsangen Gott, und die übrigen Häftlinge lauschten auf sie. Da
entstand plötzlich ein großes Erdbeben, sodass die Grundfesten des Gefängnisses
erschüttert wurden. Auf der Stelle öffneten sich alle Türen, und bei allen
lockerten sich die Fesseln« (Verse 25+26).
Ein Lobgesang
unter Qualen - dies ist nur in der Kraft heiligen Geistes möglich, nur wenn man
dem uns liebenden Gott und Vater glaubt, der alles nach dem Ratschluss Seines
Willens bewirkt, über alle Wege verfügt und alles für Seine Ziele gebraucht.
Wir denken an Psalm 42:9: »Bei Tag wird Jewe Seine Huld entbieten, und in der
Nacht ist Sein Lied mit mir, ein Gebet zu dem El meines Lebens.« Lobgesänge um
Mitternacht - in schlimmster Lage - sind nur dem möglich, der sich an der Gnade
genügen lässt, die in Christus Jesus ist.
Auch in einer
solchen Situation kann man also das Evangelium verkündigen! Und an der
Zuhörerschaft des Paulus und Silas darf uns deutlich werden, wie tief die Gnade
reicht.
Die beiden
rühmten sich in ihren Drangsalen (Röm.5:3). Freude strömte in ihnen über bei
all ihrer Drangsal (2.Kor.7:4), weil sie von der Herrlichkeit Christi überzeugt
waren.
Und Gott tat
ein Wunder.
»Als der Gefängnisaufseher aus dem Schlaf
fuhr und gewahrte, dass die Türen des Gefängnisses geöffnet waren, riss er das
Schwert heraus und war im Begriff, sich das Leben zu nehmen, weil er meinte,
die Häftlinge seien entflohen. Doch Paulus rief mit lauter Stimme: Tu dir
nichts Übles an; denn wir sind noch alle hier! - Da forderte er Licht, sprang
zu Paulus und Silas hinein und fiel zitternd vor ihnen nieder. Dann führte er
sie hinaus und fragte mit Nachdruck: Ihr Herren, was muss ich tun, um gerettet
zu werden? - Sie antworteten: Glaube an den Herrn Jesus, und du wirst gerettet
werden, du und dein Haus. - Dann verkündigten sie ihm und allen in seinem Haus
das Wort des Herrn. Darauf nahm er sie in jener Stunde der Nacht zu sich, wusch
ihnen das Blut von den Schlägen ab und ließ sich auf der Stelle taufen, er
selbst und alle Glieder seiner Familie. Dann führte er sie hinauf in sein Haus,
setzte ihnen einen gedeckten Tisch vor und frohlockte, an Gott gläubig
geworden, mit seinem ganzen Haus« (Verse 27-34).
Ein römischer
Soldat, der seine Gefangenen fliehen ließ, war des Todes. Darum wollte sich der
Gefängnisaufseher das Leben nehmen. Aber die Gefangenen waren alle dageblieben.
So ergriffen müssen sie von dem Lobpreis Gottes gewesen sein, dass sie nichts
Unrechtmäßiges tun wollten, eben auch nicht fliehen.
Und was muss
man tun, um gerettet zu werden? Nur Gott glauben, dass Er Seinen Sohn Jesus
Christus um unserer Kränkungen willen dahingegeben und um unserer
Rechtfertigung willen auferweckt hat (Röm.4:24,25). Dieses und Weiteres
verkündigten Paulus und Silas dem im Innersten aufgewühlten Aufseher und seinem
Haus. Und Gott gewährte ihm in Gnaden den Glauben (Eph.2:8; Phil.1:239). Ebenso
seinem ganzen Haus. Siehe hierzu das zu Vers 15 Gesagte.
Alle, die Gott
vorherbestimmt hatte, dem Bilde Seines Sohnes gleichgestaltet zu werden, diese
berief und rechtfertigte Er (Röm.8:29,30). Und welch eine Verwandlung der
Aufseher erfuhr: Er nahm Paulus und Silas in sein Haus und gab ihnen zu essen!
Petrus hatte
übrigens zu Pfingsten des Jahres 32 n. Chr. auf die gleiche Frage nach der
Rettung geantwortet: »Sinnet um!« (Ap.2:38). Paulus sagte nun: »Glaube!« Dies
ist bezeichnend für die beiden unterschiedlichen Evangelien, das der
Unbeschnittenheit, mit dem Paulus betraut wurde, und das der Beschneidung, mit
dem Petrus beauftragt war (Gal.2:7).
»Als es Tag wurde, schickten die Prätoren die
Gerichtsdiener und ließen sagen: Lasst jene Männer frei! - Der
Gefängnisaufseher berichtete diese Worte dem Paulus: Die Prätoren haben
hergeschickt, um euch freizulassen. So geht denn nun hinaus und zieht hin in
Frieden! - Paulus aber entgegnete ihnen: Sie haben uns öffentlich und
unverurteilt auspeitschen lassen, obwohl wir römische Männer sind; sie haben
uns ins Gefängnis geworfen und wollen uns nun heimlich hinaustreiben! Nicht
doch! Sondern lasst sie selbst herkommen und uns hinausführen! -Die
Gerichtsdiener berichteten diese Worte den Prätoren. Diese fürchteten sich
jedoch, als sie hörten, dass sie Römer seien; so kamen sie selbst und sprachen
ihnen zu, führten sie hinaus und ersuchten sie, die Stadt zu verlassen« (Verse
35-39).
Den Prätoren
muss bewusst geworden sein, dass sie Paulus und Silas ohne Nachforschungen
anzustellen, also unrechtsmäßig, auspeitschen und ins Gefängnis hatten werfen
lassen. So sandten sie hin, dass sie freigelassen würden. Doch sie hatten
Paulus und Silas öffentlich Unrecht getan; nun sollten sie sie auch öffentlich
rehabilitieren.
Wäre die üble
Behandlung der römischen Bürger nach Rom berichtet worden, hätte dies
unangenehme Folgen für die Prätoren gehabt. Deshalb gingen sie auf die
Forderung des Paulus ein. Da sie römische Bürger nicht aus einer römischen
Stadt hinaustreiben konnten, baten sie sie, die Stadt zu verlassen. So wurde
die Freilassung der beiden Männer stadtbekannt.
All dieses
Geschehen bewirkte, dass die junge Gemeinde in Philippi für die nächste Zeit in
Ruhe gelassen würde und das Evangelium ungestört verkündigen konnte.
Hätten Paulus
und Silas bereits am Vortag auf ihr römisches Bürgerrecht gepocht, wäre ein
Gerichtsverfahren eingeleitet worden, um zu prüfen, ob das, was Paulus
verbreitete, eine verbotene religiöse Neuerung war oder nicht. Sie hätten dann
längere Zeit in Untersuchungshaft gesessen, was die Evangeliumsverbreitung in
Philippi stark behindert hätte.
»Nachdem sie
aus dem Gefängnis herausgekommen waren, gingen sie zu Lydia; und als sie die
Brüder gewahrten, sprachen sie ihnen zu und zogen dann weiter« (Vers 40).
Timotheus und
Lukas dürften einstweilen in Philippi geblieben sein und sich der jungen
Gemeinde angenommen haben.
In Thessalonich, Beröa und Athen
(Apostelgeschichte 17)
In den Jahren 49 bis 51 n. Chr. befanden sich
Paulus und Silas auf der zweiten Missionsreise. Als Begleiter hatten sie
Timotheus und von Troas bis Philippi auch Lukas.
Wir schreiben
das Jahr 50. Nach ihrer Befreiung aus dem Gefängnis zu Philippi waren Paulus und
Silas zu den Geschwistern dort gegangen und hatten ihnen zugesprochen. Dann
zogen sie weiter. Allem Anschein nach blieb Lukas zurück, so auch Timotheus für
kurze Zeit.
»So durchwanderten sie Amphipolis und
Apollonia und kamen nach Thessalonich, wo eine Synagoge der Juden war« (Vers
1).
Amphipolis und
Apollonia waren Städte an der Via Egnatia, der römischen Militärstraße quer
durch Mazedonien. Thessalonich, heute Saloniki, war die Hauptstadt der Provinz
Mazedonien.
»Nach seiner
Gewohnheit ging Paulus zu ihnen hinein und unterredete sich mit ihnen an drei
Sabbaten über die Schriften, die er ihnen auftat und darlegte, dass Christus
leiden und von den Toten auferstehen musste; er sagte: Dieser ist der Christus,
der Jesus, den ich euch verkündige« (Verse 2+3).
Die Synagoge
war ein gutes Forum, den Juden und Gott fürchtenden Griechen das Evangelium
Gottes über Seinen Sohn Jesus zu verkündigen. Da Paulus es mit Bibelkundigen zu
tun hatte, bewies er ihnen aus den hebräischen heiligen Schriften, dass Jesus
der Christus ist. Er unterredete sich mit ihnen, führte sie von Bibelwort zu
Bibelwort und suchte ihr geistliches Verständnis zu wecken, insbesondere dafür,
dass der Christus leiden und von den Toten auferstehen musste. Dies sind Kernpunkte
des Evangeliums.
Paulus wird
auf Jesaia 53:5 hingewiesen haben: »Er wurde verwundet um unserer Übertretungen
und zerschlagen um unserer Verworfenheit willen«, auf Psalm 22:17: »Meine Hände
und Meine Füße haben sie durchgraben« und auf Psalm 16:10: »Du wirst Meine
Seele nicht im Ungewahrbaren lassen.«
Darüber hinaus
wird Paulus aber auch alles gelehrt haben, wozu er in seinen beiden Briefen an
die Thessalonicher kurze Zeit später weitere Ausführungen machen wird.
»Einige von ihnen wurden überzeugt und dem
Paulus und Silas zugelost, ebenfalls eine große Menge Gott verehrender Griechen
und nicht wenige Frauen aus den ersten Kreisen« (Vers 4).
Die meisten
der in der Synagoge und dann auch außerhalb von ihr Gläubiggewordenen waren
Griechen. Dies geht auch aus 1.Thessalonicher 1:9 hervor, wo es heißt, dass sie
sich von den Götzen zu Gott umgewandt hatten.
Zugelost
wurden sie dem Paulus und Silas, sie fielen ihnen als Losteil zu, wurden Brüder
und Schwestern der beiden und ihr Siegeskranz, wie in 1.Thess.2:19,20 zu lesen:
»Wer ist unsere Zuversicht oder Freude oder unser Ruhmeskranz? Seid nicht auch
ihr es vor unserem Herrn bei Seiner Anwesenheit? Denn ihr seid unsere
Herrlichkeit und Freude!«
»Da wurden die Juden eifersüchtig, nahmen
einige böse Männer des Marktgesindels zu Hilfe, machten einen Volksauflauf und
versetzten die Stadt in Tumult. Dann traten sie vor das Haus des Jason und
suchten sie vor die Volksmenge zu führen. Als man sie nicht fand, schleppten
sie Jason und einige Brüder zu den Stadtoberen und riefen laut: Die, welche die gesamte Wohnerde
aufwiegeln, diese sind auch hier anwesend, und Jason hat sie beherbergt. Diese
handeln alle gegen die Erlasse des Kaisers und behaupten, ein anderer sei
König: Jesus. - So erregten sie die Volksmenge und die Stadtoberen, die dies
hörten« (Verse 5-8).
In Israel
kämpften die Juden unter Bezugnahme auf das Gesetz oder den Tempel gegen Jesus,
ihren Messias, und Seine Beauftragten. Im Ausland brachten sie politische
Argumente vor, hier dass sich die Verkündigung des Evangeliums gegen den Kaiser
richte und Aufruhr gestiftet würde. Diejenigen, die doch eigentlich an die
Aufhebung der Macht der Nationen durch den Messias glaubten, nahmen bedenkenlos
deren Macht in Anspruch, um gegen Paulus vorzugehen.
Die Verwerfung
Jesu durch Israel, die im Inland ihren Anfang genommen hatte, setzte sich im
Ausland nicht nur einfach fort, sondern kam dort zur Vollendung, wie denn
Paulus in 1.Thessalonicher 2:15,16 schreibt: »Die Juden, die sowohl den Herrn
Jesus wie die Propheten töten und uns verjagen, können Gott nicht gefallen und
sind allen Menschen entgegen. Uns verwehren sie, zu den Nationen zu sprechen,
dass diese gerettet werden, und machen so allezeit ihr Sündenmaß voll. Es kommt
aber der Zorn, der zum Abschluss führt, schon im Voraus über sie.«
Jetzt ist ihr
Sündenmaß voll. Im Jahre 70 n. Chr. kam der Zorn Gottes mit der Zerstörung
Jerusalems und der Entvölkerung Israels bereits im Voraus über sie.
»Nachdem man
von Jason und den Übrigen eine ausreichende Bürgschaft erhalten hatte, ließ man
sie frei« (Vers 9).
Jason und die
anderen mussten dafür bürgen, dass Paulus und Silas die Stadt verließen und
nicht wiederkämen. Deshalb konnte Paulus Thessalonich nicht wieder aufsuchen,
was er als eine Hinderung durch Satan ansah (1.Thess.2:18).
»Sofort (noch während der Nacht) sandten die
Brüder Paulus wie auch Silas nach Beröa weiter, wo sie sich nach ihrer Ankunft
in die Synagoge der Juden begaben. Diese aber waren vornehmer gesinnt als die
in Thessalonich: Sie nahmen das Wort mit aller Bereitwilligkeit auf und
erforschten täglich die Schriften, ob sich dies alles so verhalte. Viele nun
von ihnen kamen zum Glauben, auch nicht wenige der angesehenen griechischen
Frauen und Männer« (Verse 10-12).
Es gab auch
andere Juden, solche, die Verlangen nach Gottes Wort hatten. Gott hatte ihnen
das Ohr und das Herz aufgetan (Jes.50:4,5; Ap.16:14). Sie verglichen die
Verkündigung des Paulus und Silas mit den hebräischen heiligen Schriften, die
ja von Jesus sprechen (Joh.5:39). Diese Ausnahme konnte das Gericht über Israel
allerdings nicht aufhalten.
Das Studium
der Schriften ist eine wesentliche Grundlage für eine geistlich orientierte
Gemeinde. Aus Beröa stammte übrigens Sopater, ein später Reisebegleiter des
Paulus (Ap.20:4).
»Als jedoch
die Juden in Thessalonich erfuhren, dass auch in Beröa das Wort Gottes von
Paulus verkündigt wurde, kamen sie auch dorthin, wo sie die Volksmenge aufreizten
und erregten. Sofort schickten dann die Brüder den Paulus weiter, damit er ans
Meer ziehe, während Silas wie auch Timotheus dort zurückblieben« (Verse 13+14).
Inzwischen war
Timotheus in Beröa eingetroffen.
Der Hass der
Juden konzentrierte sich auf Paulus. Wieder musste er fliehen. Nicht aus
Leidensscheu, sondern um die junge Gemeinde nicht zu gefährden, die nun von
Silas und Timotheus betreut wurde.
»Die Paulus
begleiteten, gingen bis Athen mit; als sie für Silas und Timotheus die
Anweisung erhielten, dass diese so schnell wie möglich zu ihm kommen sollten,
begaben sie sich zurück« (Vers 15).
Welch eine
Liebe! Bis Athen gaben Brüder aus Beröa in Mazedonien dem Paulus das Geleit!
»Während Paulus in Athen auf sie wartete,
wurde sein Geist in ihm angespornt, als er schaute, dass die Stadt voller
Götzenbilder war. Er unterredete sich dann in der Synagoge mit den Juden und
den Gott verehrenden Griechen, sowie an jedem Tag auf dem Marktplatz mit denen,
die er dort antraf« (Verse 16+17).
Athen war zwar
nicht die Hauptstadt der römischen Provinz Achaja - diese war Korinth -, aber
eben doch die bedeutendste Stadt, die Metropole der Philosophie, Bildung und
Kunst, leider aber auch des Götzendienstes, der das gesamte Denken und Tun
verfinsterte.
Die vielen
Götzenstatuen stachelten den Geist des Paulus an.
»Auch einige der epikureischen und stoischen
Philosophen trafen mit ihm zusammen, und etliche meinten: Was will dieser
Schwätzer wohl sagen? - Andere aber erklärten: Er scheint ein Verkündiger
fremder Dämonen zu sein -, weil er ihnen Jesus und die Auferstehung als
Evangelium verkündigte« (Vers 18).
Beide
Philosophenschulen befassten sich mit der Frage, wie man zur Lebenserfüllung
gelange, und strebten nach Weisheit. Die Epikureer sahen im Genießen des Lebens
die Lösung des Problems, die Stoiker in der Selbstzucht und Unterordnung unter
die Weltvernunft. Die Worte »Jesus« und »Auferstehung« schienen ihnen Namen für
neue Dämonen zu sein, worunter sie keine bösen Geister, sondern Wesen zwischen
den Göttern und den Menschen verstanden, die überwiegend im guten und weniger
im schlechten Sinne auf das Geschick der Menschen einwirken würden.
»Schwätzer«
(für griech. spermologos, Saatkrähe, Krächzer) war ein gängiger athenischer
Begriff für einen Redner, der wie ein Vogel da und dort etwas Wissen
aufgepickt, aber keine zusammenhängende Erkenntnis hatte.
»So ergriffen sie ihn, führten ihn auf den
Areopag und sagten: Können wir erfahren, was dies für eine neue Lehre ist, die
von dir vorgetragen wird? Denn befremdend ist das, was du uns zu Gehör bringst.
Daher beabsichtigen wir zu erfahren, was dies bedeuten will. - Alle Athener
nämlich und die heimgekehrten Gäste suchten für nichts anderes eine passende
Gelegenheit, als irgend etwas ganz Neues zu erzählen oder zu hören« (Verse
19-21).
Der Areopag
oder Ares-Hügel (griech. areios pagos) lag westlich der Akropolis. Auf diesem
Hügel tagte der Areopag, der Hohe Rat und Gerichtshof, unter freiem Himmel. Er
trat auch in der Königshalle an der Agora, dem Marktplatz, zusammen.
Die
Auferstehung war etwas unerhört Neues für die Athener und die heimisch
gewordenen Fremden, sodass sie, selbst wenn sie damit nicht übereinstimmen
sollten, unbedingt etwas darüber hören wollten. Paulus nahm die Gelegenheit
wahr (Eph.5:16) und folgte ihrer Aufforderung.
»So stand Paulus mitten auf dem Areopag und
erklärte: Männer, Athener! Nach allem, was ich schaue, seid ihr sehr religiös.
Denn als ich durch die Stadt ging und die Gegenstände eurer Verehrung
anschaute, fand ich auch einen Sockel, auf dem geschrieben war: Dem
unerkennbaren Gott. - Ihn nun, den ihr in Unkenntnis verehrt, den verkündige
ich euch« (Verse 22+23).
Paulus stand
mitten auf dem Areopag oder auch: inmitten des Areopags, nämlich im Kreise
seiner Mitglieder. Er kritisierte den Götzendienst nicht, sondern griff
geistgeleitet eine bestimmte Gegebenheit auf und widerlegte ihr religiöses
Denken durch die Darlegung der Wahrheit.
Für »sehr
religiös« kann man auch »sehr mit den Dämonen verbunden« schreiben. Die Athener
verehrten auch einen unerkennbaren oder: unbekannten Gott. An dieses
schöpfungsmäßige Bewusstsein der Menschen von einem wahren Gott knüpfte Paulus
an. Dabei stellte er ihnen den lebendigen Gott in einen Weise vor, der sie
folgen konnten. Er führte ihnen die Größe Gottes vor Augen, woraus sich die
Torheit des Götzendienstes von selbst ergab.
Zuerst stellte Paulus ihnen Gott als den
Schöpfer und Erhalter und Geber aller Gaben vor, mithin als den Lebendigen.
»Der Gott, der
die Welt und alles, was darin ist, geschaffen hat, Er, der Herr des Himmels und
der Erde, wohnt nicht in Tempeln, die mit Händen gemacht sind, noch wird Er von
Menschenhänden bedient, als ob Er etwas benötige; gibt Er doch Selbst allen
Leben und Odem und alles Übrige« (Verse 24+25).
Uns Gläubigen
ist klar, dass Gott der Schöpfer der Himmel und der Erde ist (1.Mose 1:1).
»Jewe spricht, und es geschieht; Er gebietet, und es steht da« (Ps.33:9). Die
Himmel der Himmel können Ihn nicht fassen, wie Salomo sagte (1.Kön.8:27). »Also
sagt Jewe: Die Himmel sind Mein Thron, und die Erde ist Meiner Füße Schemel. Wo
wäre dieses Haus, das ihr Mir bauen könntet? Und wo wäre dieser Ort Meiner
Ruhe? Hat doch Meine Hand all dies gemacht, und Mein wurde all dieses, so
erklärt Jewe« (Jes.66:1,2). - Aber auch manchem griechischen Philosophen war
dies im Prinzip klar.
Es gibt
nichts, was die Menschen Gott geben
könnten, ist Er doch die Quelle aller Gaben, ja des Lebens und des
Geistes. Götzen etwas zu geben, ist also völlig nutzlos. »Aus Gott ist das All«
(Röm.11:36).
Zweitens verkündigte Paulus, dass alle
Menschen von Adam abstammen, und beschrieb Gott als den Herrn der
Weltgeschichte.
»Er hat auch
bewirkt, dass jede Nation der Menschen von einem einzigen her auf dem gesamten
Angesicht der Erde wohnt. Er hat für sie zugeordnete Fristen und Wohngrenzen
festgesetzt« (Vers 26).
Ja, Gott
bewirkt alles nach dem Ratschluss Seines Willens (Eph.1:11), auch die
Zeitläufte dieser Welt. Gott ist allmächtig. Die Fristen und Wohngrenzen hatte
Gott den Nationen, als Er die Söhne Adams nach dem Turmbau zu Babel voneinander
schied, zugelost, ihre Begrenzungen nach der Zahl der Söhne Israels festgelegt
(5.Mose 32:8). »Du hast alle Grenzen der Erde aufgestellt«, betete Asaph
(Ps.74:17).
So machte
Paulus deutlich, dass nicht der Mensch im Mittelpunkt allen Geschehens, sondern
Gott das Zentrum ist, der lebendige Verfüger, von dem alles ausgeht.
Drittens brachte Gott den Athenern nahe, dass
sie nun die Konsequenzen ziehen müssen und Gott suchen sollen, der ja nicht
fern von ihnen ist.
»... damit sie
Gott suchen sollten, ob sie wohl doch nach Ihm tasten und Ihn finden möchten,
obwohl Er zwar nicht fern von jedem Einzelnen unter uns ist; denn in Ihm leben
wir und bewegen wir uns und sind wir, wie auch einige von euren Dichtern gesagt
haben: Denn Seines Geschlechts sind auch wir! Wenn wir nun zu Gottes Geschlecht
gehören, sollten wir nicht meinen, die Gottheit gleiche dem Gold oder Silber
oder Stein, von menschlicher Kunst und Überlegung geprägt« (Verse 27-29).
Gott ist zu
finden, denn in Ihm leben und bewegen wir uns und sind wir, was Epimenides von
Kreta bereits erkannt hatte und auch biblische Wahrheit ist, denn das All
besteht in Christus (Kol.1:17). Das Ertasten Gottes ist wohl eine Sache des
Herzens und Gewissens. Man erkennt den Schöpfer an der Schöpfung (Röm.1:20); Er
ließ Sich des Weiteren nicht unbezeugt, da Er Sonne und Regen, Frucht und
Nahrung gibt (Ap.14:17). König David pries Gott: »Nahe ist Jewe allen, die Ihn
anrufen, allen, die Ihn in Wahrheit anrufen« (Ps.145:18).
Der Satz:
»Denn Seines Geschlechts sind auch wir!« stammt von Aratus von Cilicien; auch
Cleantes von Lystra sah dies so. Seines Geschlechts (griech. genos), Seiner
Abstammung sind wir, denn Adam stammt von Gott (Luk.3:38), dem Elohim, dem Gott
in Christus, in dessen Bild und Gleichgestalt wir erschaffen wurden (1.Mose
1:26). Sagte unser Herr Jesus Christus nicht auch: »Götter seid ihr!«
(Joh.10:34; Ps.82:6)?
Da die
Menschen mithin Gottes Familienangehörige sind, sollten sie sich nicht mit
toten Götzenbildern abgeben. Dieser Beweisführung des Paulus konnten die
Athener bestimmt folgen.
Dann kam Paulus zum Abschluss und Höhepunkt
seiner evangelistischen Verkündigung.
»Gott hat nun
zwar über die Zeiten der Unkenntnis hinweggesehen; doch nunmehr weist Er alle
Menschen überall an, umzusinnen, weil Er einen Tag angesetzt hat, an dem Er
künftig die Wohnerde in Gerechtigkeit durch den Mann richten wird, den Er
ausersehen hat, so den Glauben allen darbietend, indem Er Ihn von den Toten
auferstehen ließ« (Verse 30+31).
Gott hatte die
Nationen in den verflossenen Generationen ihre eigenen Wege gehen lassen
(Ap.14:16). Mit der Verkündigung Jesu als dem Auferstandenen und damit auch der
Auferstehung aller Menschen waren die Zeiten der Unkenntnis nunmehr aber
vorbei. Die Erkenntnis Jesu, des Herrn, des Sohnes Gottes, der um der
Kränkungen der Menschen willen dahingegeben und um ihrer Rechtfertigung willen
auferweckt wurde, die Erkenntnis dieser Wahrheit gibt ihnen jetzt Licht und
äonisches Leben.
Damit waren
die Athener, ja alle Menschen, aufgerufen, umzusinnen, ihren Sinn weg von den
Götzen auf den lebendigen Gott zu richten.
Dies auch
deshalb, weil Gott einen Tag des Gerichts angesetzt hat, den Tag des Gerichts
vor dem großen, weißen Thron, wo alle Nichtauserwählten und folglich
Ungläubigen zum zweiten Tod verurteilt werden und somit nicht am äonischen
Leben teilhaben.
Das zukünftige
Gericht war für die Zuhörer auch insofern nachvollziehbar, als die Auferstehung
eine so gewaltige Tatsache ist, dass die Missachtung dieser Tat Gottes nur das
Gericht nach sich ziehen kann. Hier ist die Lösung des Hauptproblems der
Menschen, nämlich des Todes. Hier beginnt die völlige Veränderung des Denkens.
Der Richter
ist der Mann Jesus (Ap.10:42). Der Vater hat Ihm alles Gericht übertragen, weil
Er ein Menschensohn ist (Joh.5:27). »Er wird das Wohnland richten in
Gerechtigkeit« (Ps.9:9; 96:13). Nur dem gebührt diese Ehre, der den Tod
überwunden hat, eben durch die Auferstehung: Jesus Christus.
Ohne die
Auferstehung der Toten gibt es logischerweise keine Rettung zum Leben. Gerade
die Auferstehung zeigt die Größe und Herrlichkeit Gottes. Ein Gedanke an Götzen
kann gar nicht mehr aufkommen.
Nun ist
Glauben erforderlich. Nur wer Gott glaubt, wird (weit weg) von allen Sünden
gerechtfertigt und für das Leben in den zwei künftigen Äonen gerettet. Den
Glauben an Jesus bietet Gott insofern allen dar oder: die Aufforderung zu
glauben wird insofern eindrücklich an alle herangetragen, da Gott Jesus aus den
Toten auferstehen ließ. Angesichts Seiner Auferstehung kann man nur glauben -
oder eben nicht.
Der Apostel der Nationen hatte seine Rede
beendet. Über die Reaktion seiner Zuhörerschaft berichtet Lukas in den Versen
32 bis 34:
»Als sie
jedoch von der Auferstehung der Toten hörten, spöttelten die einen, die anderen
sagten: Über diese Sache wollen wir dich nochmals hören. - So ging Paulus aus
ihrer Mitte fort. Einige Männer, die sich ihm anschlossen, kamen zum Glauben.
Unter denen war auch Dionysius, der Areopagite, eine Frau namens Damaris und
noch andere mit ihnen.«
Paulus hatte
die Weisen dieser Welt ohne direkt auf die ihnen unbekannte Heilige Schrift
Bezug zu nehmen allein durch das, was sie wahrnehmen konnten oder selbst
gedanklich erarbeitet hatten, an das Evangelium herangeführt. An der
Auferstehung aber schieden sich die Geister.
»Denn das Wort
vom Kreuz ist zwar denen, die umkommen, eine Torheit; uns aber, die gerettet
werden, ist es Gottes Kraft; denn es steht geschrieben: Ich werde die Weisheit
der Weisen zunichte machen und den Verstand der Verständigen verwerfen. Wo ist
der Weise? Wo der Gebildete? Wo ist der Fragensteller dieses Äons? Macht nicht
Gott die Weisheit dieser Welt zur Torheit? Denn weil (in der Weisheit Gottes)
die Welt in ihrer Weisheit nun Gott nicht erkannt hat, befand Gott es als gut,
durch die Torheit der Heroldsbotschaft die zu retten, die glauben. Weil ja doch
die Juden Zeichen fordern und die Griechen Weisheit suchen, herolden wir
dagegen Christus als gekreuzigt, für die Juden etwas Anstoßerregendes, für die
Nationen eine Torheit. Ihnen aber, den Berufenen, Juden wie auch Griechen,
herolden wir Christus als Gottes Kraft und Gottes Weisheit. Denn das scheinbar
Törichte Gottes ist weiser als die Menschen, und das vermeintlich Schwache
Gottes ist stärker als die Menschen« (1.Kor.1:18-25).
Nicht vielen,
sondern nur einigen Weisen gewährte Gott in Gnaden den Glauben (Phil.1:29;
Eph.2:8), darunter auch einem Areopagiten, einem Mitglied des Hohen Rats und
Gerichtshofs.
»Seht doch nur
eure Berufung an, Brüder; da sind nicht viele Weise dem Fleisch nach, nicht
viele Mächtige, nicht viele Vornehme; sondern das Törichte der Welt erwählte
Gott, damit Er die Weisen zuschanden mache; und das Schwache der Welt erwählt
Gott, damit Er das Starke zuschanden mache. Das Niedriggeborene der Welt und
das von ihr Verschmähte erwählt Gott, ja das, was bei ihr nichts gilt, um das
abzutun, was bei ihr etwas gilt, damit sich überhaupt kein Fleisch vor den
Augen Gottes rühmen könne. Aus Ihm aber seid ihr in Christus Jesus, der uns von
Gott her zur Weisheit gemacht worden ist, wie auch zur Gerechtigkeit, Heiligung
und Freilösung, damit es so sei, wie geschrieben steht: Wer sich rühmt, der
rühme sich im Herrn!« (1.Kor.1:26-31).
In Korinth und zu Beginn der dritten
Missionsreise
(Apostelgeschichte 18:1-19:7)
Wir setzen die Betrachtung des Berichts des
Lukas über die zweite Missionsreise des Apostels Paulus fort.
»Danach schied
er aus Athen und ging nach Korinth. Dort fand er einen Juden von pontischer
Herkunft namens Aquila, der unlängst mit Priszilla, seiner Frau, aus Italien
gekommen war, weil Klaudius die Ausweisung aller Juden aus Rom angeordnet
hatte. Paulus ging zu ihnen, und da er das gleiche Handwerk hatte, blieb er bei
ihnen und arbeitete; denn ihrem Handwerk nach waren sie Zeltmacher« (Verse
1-3).
Korinth war eine lasterhafte Hafenstadt, aber
auch die Hauptstadt der Provinz Achaja sowie ein bevölkerungsreiches,
bedeutendes Handelszentrum zwischen Italien und Asien und mithin ein geeignetes
Arbeitsfeld für die Verbreitung des Evangeliums.
Aquila stammte
aus Pontus, einer römischen Provinz in Kleinasien am Schwarzen Meer. Seine Frau
wurde auch Priska genannt. Vermutlich kamen sie durch Paulus zum Glauben. Das
Edikt zur Ausweisung aller Juden, die nicht die römische Staatsbürgerschaft
besaßen, hatte der Kaiser im Vorjahr, im Jahre 49 n. Chr., erlassen.
Paulus hatte
einen Beruf. Die Rabbinenschüler mussten auch ein Handwerk erlernen, weil sie
für ihre Lehrtätigkeit keine Bezahlung annehmen sollten und die Daseinsvorsorge
es gebot. Paulus legte Wert darauf - selbst als er Mangel litt -, niemandem in
Korinth zur Last zu fallen (2.Kor.11:9).
Über seinen
Eingang in dieser Stadt schrieb er später: »Ich bin, als ich zu euch kam,
Brüder, nicht mit Überlegenheit des Wortes oder der Weisheit gekommen, um euch
das Geheimnis Gottes zu verkündigen; denn ich hatte mich dafür entschieden,
unter euch nichts außer Jesus Christus zu wissen, und diesen als gekreuzigt.
Ja, ich kam in Schwachheit, in Furcht und vielem Zittern zu euch, und mein Wort
und meine Heroldsbotschaft bestand nicht in überredenden Worten menschlicher
Weisheit, sondern in Erweisung des Geistes und der Kraft, damit euer Glaube
nicht in der Weisheit der Menschen, sondern in der Kraft Gottes gegründet sei«
(1.Kor.2:1-5).
»An jedem Sabbat hatte er Unterredungen in
der Synagoge und überzeugte Juden wie auch Griechen. Als dann Silas und auch
Timotheus von Mazedonien herabgekommen waren, wurde Paulus mehr zur
Wortverkündigung gedrängt und bezeugte den Juden, Jesus sei der Christus. Als
sie sich aber widersetzten und lästerten, schüttelte er das Obergewand aus und
sagte zu ihnen: Euer Blut komme auf euer Haupt, ich bin rein von Schuld! Von
nun an werde ich zu den Nationen gehen!« (Verse 4-6).
Silas und
Timotheus waren in Beröa zurückgeblieben (Ap.17:14). Nachdem sie wahrscheinlich
mit Geld und anderen Gaben aus Mazedonien für den Lebensunterhalt des Paulus in
Korinth eingetroffen waren und er daher nicht mehr so viel arbeiten musste,
drängte es ihn zu uneingeschränkter Wortverkündigung.
Wieder lehnten
die Juden Jesus ab. Damit war die Synagoge zu Korinth eine Synagoge Satans
geworden (Off.2:9). Mit seiner Geste, das Obergewand auszuschütteln - vergleichbar
der, den Staub von den Füßen zu schütteln (Mat.10:14) -, und seinen deutlichen
Worten wies Paulus jede Verantwortung für das weitere Geschick der
widerspenstigen Juden von sich und kündigte ihnen das Gericht Gottes an
(1.Thess.2:16).
»Von nun an werde
ich zu den Nationen gehen!« Dieser Ausspruch des Apostels schloss nicht aus,
dass er auch künftig an einem anderen Ort wieder in eine Synagoge gehen oder
auch anderweitig zu den Juden sprechen würde, ist aber sehr bezeichnend, denn
sein Dienst an den Nationen hatte ohnehin immer mehr Gewicht bekommen und war
auch nach dem Bruch mit der Synagoge zu Korinth für die nächsten anderthalb
Jahre sein Arbeitsschwerpunkt in dieser Stadt (Ap.18:11).
»Dann ging er von dort weiter und kam in das
Haus eines Gott verehrenden Mannes namens Titus Justus, dessen Haus an die
Synagoge grenzte. Auch Krispus, der Synagogenvorsteher, wurde mit seinem ganzen
Haus an den Herrn gläubig. Ebenso kamen viele andere Korinther, die das hörten,
zum Glauben und ließen sich taufen« (Verse 7+8).
Jetzt
versammelte man sich im Hause des Titus Justus, eines gottesfürchtigen Römers.
Vermutlich wohnte Paulus nun auch dort.
In 1.Korinther
1:14 erwähnt Paulus, dass er den Krispus taufte. Dass Krispus mit seinem ganzen
Haus gläubig wurde, also mit seinen Familienmitgliedern, Knechten und Sklaven,
war in jener heilsgeschichtlichen Verwaltung (oikonomia, Verfahrensordnung) des
Übergangs von der pfingstlichen zur gegenwärtigen ein besonderer Segen
entsprechend den Kräften des zukünftigen Äons (Heb.6:5), beruhend auf der
Verheißung an Abraham, dass in ihm alle »Familien« des Erdbodens gesegnet
werden sollen (1.Mose 12:3; 18:19).
»Der Herr aber sprach in der Nacht durch ein
Gesicht zu Paulus: Fürchte dich nicht, sondern rede und schweige nicht still,
weil Ich mit dir bin und niemand die Hand an dich legen wird, um dir Übles
anzutun; rede, weil viel Volk in dieser Stadt Mein ist. - So nahm er dort
seinen Wohnsitz für ein Jahr und sechs Monate und lehrte unter ihnen das Wort
Gottes« (Verse 9-11).
Paulus musste
mit der Verfolgung, sogar mit der Ermordung durch die Juden rechnen; sie hatten
ihm in anderen Städten schon genug Übles angetan (Ap.14:19; 17:5,13). So sprach
der Herr Jesus Christus ihm zu und ermutigte ihn. Rede, weil viel Volk in
dieser Stadt zum äonischen Leben verordnet ist (Ap.13:48)! Der Herr wollte hier
viele Auserwählte und zum Sohnesstand Vorherbestimmte berufen (Röm.8:29,30).
In diesen
anderthalb Jahren legte Paulus gemäß der ihm von Gott gegebenen Gnade als
weiser Werkmeister den Grund für eine bedeutende Gemeinde. Der Grund, den er
legte, war Jesus Christus, und dieser als gekreuzigt (1.Kor.1:18; 2:2;
3:10,11). Ungestört konnte Paulus in der herausgerufenen Gemeinde wirken, die
er besonders liebte (2.Kor.12:15).
Unter dem Wort
Gottes, das Paulus in Korinth lehrte, dürfen wir den gesamten Heilsratschluss
Gottes verstehen, so wie er in jener Heilsverwaltung zu verkündigen war; noch
war die Zeit für die Wahrheiten der Vollkommenheitsbriefe, des Epheser-,
Philipper- und Kolosserbriefs, nicht gekommen, und noch gab Paulus den
Korinthern Milch zu trinken und nicht feste Speise (1.Kor.3:2).
Paulus lehrte
nicht nur, sondern lebte unter ihnen. Sein Wandel und Dienst wurde ihnen zum
Vorbild.
Man darf als
sicher annehmen, dass der Apostel während der achtzehn Monate in Korinth einige
Kurzreisen in die Umgebung unternommen hat, denn er hatte viele persönliche
Kontakte zu Heiligen in ganz Achaja (2.Kor.1:1). Er war auch wiederholt in
Athen, denn den Anmerkungen in den Kodizes Vaticanus und Alexandrinus nach
schrieb er die beiden im Jahre 50 n. Chr. verfassten Thessalonicherbriefe von
Athen aus (1.Thess.3:1,6).
Im Jahre 50 n. Chr. trat Gallio sein Amt als
Prokonsul an. Er war der Bruder des Philosophen Seneca und ein Freund des
Kaisers Klaudius. Jetzt witterten die Juden unter ihrem neuen
Synagogenvorsteher Sosthenes eine Chance, Paulus endlich mundtot machen zu
können.
»Als dann
Gallio Prokonsul von Achaja war, traten die Juden einmütig gegen Paulus auf,
führten ihn vor die Richterbühne und sagten: Unter Umgehung des Gesetzes
überredet dieser die Menschen, Gott zu verehren!« (Verse 12+13).
Wörtlich
lautete der entscheidende Punkt der Anklage: »neben dem Gesetz«, also das
Gesetz missachtend und beiseite setzend, daran vorbeigehend. Welches Gesetz
sollte Paulus umgangen haben? Das römische Gesetz, wonach keine neue Religion
eingeführt werden durfte, oder das Gesetz des Mose, neben dem Paulus etwas ganz
anderes und mithin unerlaubtes Neues lehre? - Die jüdische Religion war
staatlich zugelassen.
Die Ankläger
des Paulus meinten das Gesetz des Mose. Paulus würde dieses nicht lehren,
folglich eine neue Religion gründen wollen, und dafür möge Gallio ihn
bestrafen.
»Als Paulus im
Begriff war, den Mund aufzutun, sagte Gallio zu den Juden: Wenn es nun
irgendein Unrecht oder böswilliges Bubenstück wäre, o Juden, so würde ich euch
dem Anlass gemäß ertragen haben. Wenn es aber Fragen über ein Wort, um Namen
oder ein euch angehendes Gesetz sind, so sollt ihr selbst zusehen; ich habe
nicht die Absicht, in diesen Dingen Richter zu sein. - Damit wies er sie von
der Richterbühne fort. Nun ergriffen sie alle den Synagogenvorsteher Sosthenes
und schlugen ihn angesichts der Richterbühne. Doch Gallio kümmerte sich nicht
weiter darum« (Verse 14-17).
Auch Gallio
verstand unter dem »Gesetz« das die Juden angehende. Er sah das, was Paulus
verkündigte, als eine Variante der anerkannten jüdischen Religion an, die vom
römischen Recht geschützt war. Und diese läge außerhalb seiner Gerichtsbarkeit.
So wies er die Juden ab, und die Griechen nutzten die Gelegenheit dieser
öffentlichen Demütigung der Juden, um ihren Judenhass an Sosthenes auszulassen.
Die
Entscheidung des Gallio war von weitreichendem Gewicht. Dieser Präzedenzfall
bedeutete auch für die anderen römischen Provinzen, dass die Verkündigung des
Paulus nicht gegen römisches Recht verstoße. Der römische Statt schützte somit
gewissermaßen das Evangelium des Apostels Paulus. Paulus konnte mithin in den
nächsten Jahren seinen Dienst ungehindert tun.
Vielleicht kam
der Synagogenvorsteher nach diesen Ereignissen zum Glauben, dass Jesus der
Christus ist. Er könnte dann mit dem von Paulus in 1.Korinther 1:1 erwähnten
Bruder Sosthenes identisch sein.
Wir sehen,
dass Paulus, wie der Herr es ihm in dem Nachtgesicht zugesagt hatte, in Korinth
vor allem Üblen bewahrt wurde.
»Nachdem Paulus noch beträchtlich mehr Tage
dort verharrt hatte, verabschiedete er sich von den Brüdern und segelte nach
Syrien und mit ihm Priszilla und Aquila. In Kenchreä ließ er sich das Haupt
scheren; denn er hatte ein Gelübde abgelegt« (Vers 18).
Kenchreä war
der östliche Hafen von Korinth an der Landenge.
Paulus oder
Aquila - der Satzbau spricht für Aquila - hatte ein Gelübde, vermutlich gemäß
4.Mose 6:1-21 das eines Nasiräers, eines Geweihten, getan und sich dem Herrn
mit ganz besonderer Hingabe geweiht. Während des dafür angesetzten Zeitraums
durfte man sein Haupthaar nicht scheren lassen, sondern erst beim Abschluss.
»Dann gelangten sie nach Ephesus, und dort
ließ er jene beiden zurück. Er selbst aber ging in die Synagoge und hatte
Unterredungen mit den Juden. Als sie ihn ersuchten, auf längere Zeit zu
bleiben, willigte er nicht ein, sondern verabschiedete sich und sagte: So Gott
will, werde ich wieder zurückkehren. - Dann ging er von Ephesus aus in See,
landete in Cäsarea, zog nach Jerusalem hinauf, wo er die herausgerufene
Gemeinde begrüßte, und ging wieder nach Antiochien hinab« (Verse 19-22).
Paulus hatte
schon immer vorgehabt, nach Ephesus, einem bedeutenden Handelszentrum und der
Hauptstadt der Provinz Asien, zu gehen. Der Geist Jesu hatte es aber nicht
zugelassen, weil er zunächst in Europa, besonders in Korinth, wirken sollte
(Ap.16:6). Und nun leitete ihn der Geist Jesu an, alsbald aufzubrechen.
Vermutlich hatte Paulus geistgeführt die Absicht, auf der nächsten Reise für
längere Zeit nach Ephesus zu kommen (Ap.19:1,8,10). »So Gott will«, sagte er,
denn nur Gottes Wille geschieht, schließlich ist Er der alles Bewirkende
(Eph.1:11). Vielleicht ließ Paulus Priszilla und Aquila deshalb in Ephesus
zurück, damit sie alles für seinen zukünftigen Aufenthalt dort vorbereiten
mögen.
Beachten wir
im Übrigen, dass der Apostel Paulus stets guten Kontakt zur Herausgerufenen in
Jerusalem und zu seiner Heimatgemeinde Antiochien hielt.
»Als er einige Zeit dort verbracht hatte,
reiste er ab, durchzog nacheinander das galatische Land und Phrygien und
befestigte alle Jünger im Glauben« (Vers 23).
Ganz gewiss
berichtete Paulus den Geschwistern in Antiochien viele Einzelheiten seiner
zweiten Missionsreise, wodurch sie Zuspruch und Freude, Belehrung und Wachstum
zu Christus hin erfuhren.
Den Beginn der
dritten Missionsreise, die von 52 bis 56 n. Chr. stattfand, schildert Lukas
wahrscheinlich deshalb mit nur wenigen Worten, weil er den Schwerpunkt seiner
Berichterstattung auf Ephesus legen will.
»Da gelangte ein Jude namens Apollos nach
Ephesus; er war ein gelehrter Mann von alexandrinischer Herkunft und mächtig in
den Schriften. Dieser war über den Weg des Herrn unterrichtet, und mit
inbrünstigem Geist sprach und lehrte er genau das, was Jesus betraf, obwohl er
nur über die Taufe des Johannes Bescheid wusste« (Verse 24+25).
Apollos, der
ein Mitarbeiter des Paulus werden sollte, wusste von Jesus also nur, was in den
hebräischen heiligen Schriften (und in der in seiner Heimatstadt Alexandrien in
Ägypten hergestellten griechischen Fassung, der Septuaginta) geschrieben steht,
die den Weg Jesu Christi vorzeichneten, und was ihm über den Herrn bis zu
Seiner Taufe zu Ohren gekommen war. Mithin kannte er die Worte Johannes des
Täufers: »Siehe, das Lamm Gottes, das die Sünde der Welt auf sich nimmt!«
(Joh.1:29) und die Stimme aus den Himmeln: »Dies ist Mein geliebter Sohn, an
Ihm habe Ich Mein Wohlgefallen« (Mat.3:17).
»Dieser
Apollos begann freimütig in der Synagoge zu reden. Als Priszilla und Aquila ihn
hörten, nahmen sie ihn zu sich und setzten ihm den Weg Gottes noch genauer
auseinander« (Vers 26).
Priszilla- sie
wird zuerst genannt; sie war wohl die Aktivere - und ihr Mann Aquila durften
einen herrlichen geschwisterlichen Dienst tun, nämlich einen Gläubigen in der
Erkenntnis Jesu Christi weiterführen. Sicherlich informierten sie Apollos über
das Wirken und die Wunder Jesu, Seine Kreuzigung und Auferstehung und darüber,
dass in Seinem Namen die Erlassung der Sünden unter allen Nationen zu verkündigen
ist (Luk.24:47), man sich nun in den Namen des Herrn Jesus taufen lassen soll
(Ap.19:5) und nunmehr den heiligen Geist empfangen könne (Ap.19:6).
»Als er (Apollos) beschloss, nach Achaja
weiterzureisen, ermunterten die Brüder dazu und schrieben den Jüngern, ihn
willkommen zu heißen. Dort angekommen, traf er viel mit denen zusammen, die
durch die Gnade gläubig geworden waren. Denn unnachgiebig widerlegte er die
Juden gründlich, indem er aus den Schriften öffentlich bewies, Jesus sei der
Christus« (Verse 27+28).
Die in Achaja
waren durch die Gnade gläubig geworden. Ist doch alles Gnade: unsere
Auserwählung und Berufung, unser Glaube, unsere Rechtfertigung und Versöhnung,
unsere Versiegelung und der Sohnesstand; nichts ist aus uns! Möge unser ganzes
Leben zum Lobpreis der Herrlichkeit der Gnade dienen! »In der Gnade seid ihr
Gerettete, durch Glauben, und dies ist nicht aus euch, sondern Gottes Nahegabe«
(Eph.2:8; vgl. Phil.1:29; Ap.13:48).
Von Priszilla
und Aquila unterwiesen, setzte Apollos die Arbeit des Paulus in Achaja und
besonders in Korinth fort. Paulus schrieb darüber: »Was ist nun Apollos? Was
ist denn Paulus? Diener sind sie, durch die ihr zum Glauben gekommen seid; und
jeder dient so, wie der Herr es ihm gegeben hat: ich pflanze, Apollos tränkt,
doch Gott lässt es wachsen« (1.Kor.3.5,6).
Ohne
zurückzuweichen und ohne sich zurückzuhalten widerlegte Apollos die Juden und
führte den Schriftbeweis, dass Jesus der Messias ist (5.Mose 18:15; Jes.7:14;
35:5,6; 53; 61:1,2; Ps.22).
Inzwischen war Paulus in Ephesus angekommen.
Er war nicht auf dem kürzesten Weg über Kolossä und Laodicea gereist (Kol.2:1),
sondern über weiter nördlich gelegene Landesteile.
Und nun
erfahren wir aus Kapitel 19:1-7:
»Als Apollos
in Korinth war, geschah es, dass Paulus, nachdem er durch die oberen Gebiete
gezogen war, nach Ephesus hinabkam und dort einige Jünger fand. Er fragte sie:
Habt ihr heiligen Geist erhalten, als ihr gläubig wurdet? - Da sagten sie zu
ihm: Nein, wir haben auch nicht gehört, ob es heiligen Geist gibt! - Weiter
fragte er: In was hinein seid ihr denn getauft worden? - Sie antworteten: In
die Taufe des Johannes. - Paulus erwiderte: Johannes taufte mit der Taufe der
Umsinnung und sagte dem Volk, dass sie an den glauben sollten, der nach ihm
kommt, das heißt: an Jesus. - Als sie das hörten, ließen sie sich in den Namen
des Herrn Jesus taufen; und während Paulus ihnen die Hände auflegte, kam der
Geist, der heilige, auf sie; und sie sprachen in Zungen und redeten
prophetisch. Es waren insgesamt etwa zwölf Männer.«
Wieso hatten
diese Jünger den Geist Gottes nicht beim Glaubensanfang erhalten? - Bei der
Betrachtung der einschlägigen Verse der Apostelgeschichte darf uns klar werden,
dass dies eher die Ausnahme war (Ap.10:44). Zu Pfingsten des Jahres 32 n. Chr.
musste man sich zuerst auf den Namen Jesu Christi taufen lassen (Ap.2:38). Die
Gläubigen in Samaria waren zwar in den Namen des Herrn getauft, erhielten den
Geist aber erst durch Handauflegung (Ap.8:17). Und diese hier in Ephesus
wussten noch gar nicht, ob heiliger Geist überhaupt schon ausgegossen worden
war, wie unter anderem vom Propheten Joel verheißen (Joel 3:1).
In was hinein
waren diese Männer denn getauft worden? - In die Taufe des Johannes. Der hatte
gesagt: »Ich taufe euch in Wasser zur Umsinnung; der aber nach mir kommt ...
wird euch in heiligem Geist und Feuer taufen« (Mat.3:11). Die Taufe des
Johannes bereitete die Umsinnenden auf den Messias vor. Der hatte inzwischen
das Erlösungswerk vollbracht. Mithin ist an Ihn zu glauben und hat man sich in
Seinen Namen taufen zu lassen.
So ließen sich
diese zwölf Jünger nach der Belehrung durch Paulus nochmals taufen, und zwar
jetzt in den Namen des Herrn Jesus. Sie waren damit also zweimal getauft,
ebenso wie dies auch an all denen geschehen war, die sich einst von Johannes im
Jordan hatten taufen lassen (Mat.3:5) und etwa dreieinhalb Jahre später nach
der großen Pfingstrede des Petrus ein weiteres Mal (Ap.2:38).
Der Geist
Gottes kam dann erst auf die Jünger, als Paulus ihnen die Hände auflegte. Die
Angabe, dass der Geist »auf« einen Menschen kam, zeigt uns an, dass der Empfang
des heiligen Geistes mit Kraftwirkungen verbunden war, wie prophetischem Reden
und Zungenreden. Dies entsprach der Verkündigung des Königreichs Israels. Auch
unser Herr Jesus Christus hatte vor Seiner Himmelfahrt das Wort »auf«
gebraucht, als Er sagte: »Ihr werdet Kraft erhalten, wenn der heilige Geist auf
euch kommt« (Ap.1:8).
(Apostelgeschichte 19:8-41)
Der Apostel Paulus war während seiner dritten
Missionsreise, die er in den Jahren 52 bis 56 n. Chr. unternahm, in Ephesus
angekommen.
»Dann ging er in die Synagoge, redete dort
freimütig drei Monate lang und suchte sie in Unterredungen betreffs des
Königreichs Gottes zu überzeugen« (Vers 8).
Die Synagoge
war ein sehr geeigneter Versammlungsort, um den an den Gott Israels glaubenden
Juden und Griechen Jesus als Evangelium zu verkündigen. Paulus suchte die Juden
bezüglich des ihnen verheißenen Königreichs zu überzeugen, das der Christus,
ihr König Jesus, den Gläubigen und Treuen Seines Volkes aufrichten wird.
Die
Apostelgeschichte schildert das Wirken des Apostels Paulus für das Königreich
Israels. Das uns, die aus den Nationen, angehende Evangelium, das Paulus in
seinen Briefen niederlegte, ist nicht Thema der Apostelgeschichte und wird
mithin so gut wie nicht erwähnt.
»Als sich aber einige verhärteten,
widerspenstig waren und über den Weg Gottes vor den Augen der Menge Übles
redeten, entfernte er sich von ihnen und sonderte die Jünger für tägliche
Unterredungen in der Schule des Tyrannus ab. Dies geschah zwei Jahre lang,
sodass alle Bewohner der Provinz Asien das Wort des Herrn hörten, Juden sowohl
wie Griechen« (Verse 9+10).
Dies war der
Weg der ungläubigen Juden: Sie verhärteten sich, dann widersprachen sie und
sodann lästerten sie über den in Christus Jesus bestehenden Heilsratschluss
Gottes. Von solchen musste Paulus sich trennen, denn was haben Licht und
Finsternis gemeinsam (2.Kor.6:14)?
Er traf sich
fortan mit den Gläubigen und Interessierten in der Schule eines gewissen
Tyrannus. Der war wohl ein toleranter Gelehrter, der dem Paulus seinen Hörsaal
vermietete, wahrscheinlich für die Tageszeit der Mittagsruhe von 11 bis 16 Uhr,
wenn er den Saal nicht nutzte.
Über zwei
Jahre lang, über die Jahre 53 und 54 hinaus (Ap.20:31), war es dem Apostel
geschenkt, dort täglich Unterredungen über das Wort des Herrn zu führen. Wenn
er nicht im Hörsaal war, lehrte er auch in den Häusern (Ap.20:20) und arbeitete
er mit seinen eigenen Händen für seinen Lebensunterhalt (Ap.20:34).
Und das
Evangelium wurde von den Gläubigen in die gesamte Provinz Asien hinausgetragen,
in der viele herausgerufene Gemeinden an Orten entstanden, die Paulus niemals
betreten hatte, wie in Kolossä, Laodicea und Hierapolis (Kol.2:1; 4:13).
In diesen
Jahren schrieb Paulus übrigens den 1.Korintherbrief, wahrscheinlich im Jahre 53
n. Chr. Darin äußerte er sich über die Situation in Ephesus wie folgt: »Ich
werde aber bis Pfingsten hier in Ephesus bleiben; denn eine große und wirksame
Tür hat sich mir aufgetan, doch es gibt viele Widerstrebende« (1.Kor.16;8,9).
»Auch ungewöhnliche Machttaten bewirkte Gott
durch die Hände des Paulus, sodass man sogar Schweißtücher oder Schurze von
seiner bloßen Haut zu Kranken und Schwachen brachte, um die Krankheiten aus
ihnen zu vertreiben und die bösen Geister ausfahren zu lassen« (Verse 11+12).
Der Herr Jesus
Christus ist der überlegene Sieger über die Mächte der Finsternis!
In jener
heilsgeschichtlichen Verwaltung (oikonomia, Verfahrensordnung) des Übergangs
von der pfingstlichen zur gegenwärtigen, allein im Glauben und nicht mehr im
Wahrnehmen bestehenden (1.Tim.1:4; 2.Kor.5:7) bestätigten die auf die
Herrlichkeit des Königreichs Israels im kommenden Äon hinweisenden Machttaten
die Verkündigung wie auch das Aposteltum des Paulus (Heb.6:5; 2.Kor.12:12).
»Aber auch einige der umherziehenden
jüdischen Beschwörer nahmen es in die Hand, den Namen des Herrn Jesus über
denen zu nennen, die böse Geister hatten, indem sie sagten: Ich beschwöre euch
bei Jesus, den Paulus heroldet! - Es waren besonders sieben Söhne des Skeva,
eines hohepriesterlichen Juden, die dies taten. Der böse Geist antwortete ihnen
jedoch: Jesus zwar kenne ich, und über Paulus weiß ich Bescheid, ihr aber, wer
seid ihr? - Da schnellte der Mensch, in welchem der böse Geist war, auf sie
los, zwang beide nieder und erwies sich so stark gegen sie, dass sie
unbekleidet und verwundet aus jenem Haus flohen« (Verse 13-16).
Es ist nicht schwer, vom Unglauben in den
Aberglauben abzugleiten und dämonische Praktiken auszuüben. So tief war Israel
gesunken! Der glaubenslose, nur formale oder rituelle Gebrauch des Namens Jesu
ist völlig wirkungslos. Die bösen Geister lassen sich nicht täuschen; sie
wissen, wer glaubt und wer nicht. Über Paulus wussten sie Bescheid. Er hatte
Vollmacht über die bösen Geister. Und wir werden nur dann nicht von ihnen
betrogen, wenn wir die Gesamtwaffenrüstung Gottes angezogen haben
(Eph.6:12-17).
Sie
verbrannten ihre Zauberutensilien
Das Ereignis hatte heilsame Wirkungen. Lukas
berichtet in den Versen 17 bis 20 davon:
»Dieses wurde nun den Bewohnern von Ephesus
bekannt, allen Juden wie auch Griechen, und Furcht befiel sie alle, aber der
Name des Herrn Jesus wurde hoch erhoben. Auch kamen viele, die gläubig geworden
waren, bekannten offen ihre Handlungen und taten sie kund. Eine beträchtliche
Zahl von denen, die vorwitzig Zaubereisünden verübt hatten, brachten ihre
Rollen zusammen und verbrannten sie vor aller Augen. Als man ihren Wert
zusammenrechnete, fand es sich, dass er fünfzigtausend Silberstücke betrug. So
gewaltig wuchs das Wort des Herrn und erwies sich als stark.«
Nachdem die Siegeskraft Jesu Christi, allein
durch Schweißtücher und Schurze des Paulus Dämonen ausfahren zu lassen,
offenbar geworden war und das Erlebnis der Söhne des Skevas gezeigt hatte, dass
mit dem Namen Jesu nicht zu spaßen, sondern ihm Ehrfurcht entgegenzubringen
ist, trat unter anderem auch zutage, dass manche Gläubige noch nicht völlig mit
den dämonischen Dingen gebrochen hatten. Jetzt aber bekannten sie diese als
Sünde und vernichteten alle ihre Zauberrollen und -utensilien. - Mögen auch wir
unsere Heiligung in der Furcht Gottes vollenden (2.Kor.7:1)!
»Als dies
völlig ausgerichtet war ...«
»Als dies völlig ausgerichtet war, nahm sich
Paulus im Geist vor, durch Mazedonien und Achaja zu ziehen und nach Jerusalem
zu gehen. Er sagte: Nachdem ich dort gewesen bin, muss ich auch Rom sehen. - So
sandte er zwei von denen, die ihm zu Diensten standen, Timotheus und Erastus,
nach Mazedonien voraus, während er selbst eine Zeitlang auf die Provinz Asien
Acht hatte« (Verse 21+22).
»Als dies völlig ausgerichtet war ..« Man
könnte auch übersetzen: »Als aber all dies vervollständigt war ...« Was war auf
das Vollmaß gebracht worden? - Der Dienst oder Dienstabschnitt des Apostels
Paulus als Priester an den Nationen und die Verkündigung des Evangeliums in der
Kraft der Zeichen und Wunder.
Hierüber schreibt Paulus in Römer 15:15-19
von »der Gnade, die mir von Gott gegeben ist, damit ich der Amtsträger Christi
Jesu für die Nationen sei, der als Priester des Evangeliums Gottes wirkt, damit
die Darbringung der Nationen wohlannehmbar werde, geheiligt in heiligem Geist.
In meinem Dienst für die Sache Gottes habe ich folglich das Rühmen nur in
Christus Jesus. Denn ich möchte nicht wagen, von etwas zu reden, was nicht
Christus durch mich ausgeführt hat, um die Nationen zum Glaubensgehorsam zu
führen durch Wort und Werk, in Kraft der Zeichen und Wunder, in Kraft des
Geistes Gottes, sodass ich von Jerusalem aus ringsumher bis nach Illyrien das
Evangelium des Christus völlig ausgerichtet habe.«
In seinem ersten Dienstabschnitt während der
pfingstlichen Heilsverwaltung hatte Paulus im wesentlichen verkündigt, dass
Jesus der Christus ist (Ap.9:20,22).
Der erste Schnittpunkt war seine Absonderung
von den Zwölf im syrischen Antiochien und der Antritt der ersten Missionsreise
mit dem Dienst an den Auslandsjuden und an den Nationen als Priester Israels,
den priesterlichen Dienst an ihnen tuend, den das ungläubige Israel nicht tun
konnte (Ap.13:2).
Im zweiten Dienstabschnitt, in der
heilsgeschichtlichen Verwaltung des Übergangs von der pfingstlichen zur
gegenwärtigen, verkündigte Paulus einerseits weiterhin das Königreich Israels
sowie andererseits von dem ihm für die Nationen enthüllten Evangelium
(Gal.1:12) die Rechtfertigung allein durch Glauben, so im pisidischen
Antiochien (Ap.13:39) und durch den Galaterbrief im Jahre 49 n. Chr.
Nach den gewaltigen Machttaten gegenüber den
bösen Geistern in Ephesus war Paulus am zweiten Schnittpunkt seines Dienstes
angekommen. Seinen priesterlichen Dienst hatte er völlig ausgerichtet, und das
Evangelium des Christus in der Kraft der Zeichen und Wunder war
vervollständigt. Dies war um die Jahreswende 54/55 geschehen.
Jetzt sollte der dritte Dienstabschnitt
beginnen. Wir befinden uns noch in der heilsgeschichtlichen Verwaltung des
Übergangs. Paulus verkündigte nun die Versöhnung Gottes mit allen Menschen
(Röm.5:1-11; 2.Kor.5:19);
damit war ein priesterlicher, also vermittelnder Dienst nicht mehr
erforderlich. Erstmals sprach Paulus von der herausgerufenen Gemeinde, die Christi
Körper ist (1.Kor.12:12,27; Röm.12:5). Und verkündigte unser Mitgekreuzigtsein
(Röm.6); da das Fleisch somit völlig abgetan ist, gibt es auch keine
Unterschiede mehr zwischen Juden und Nichtjuden dem Fleische nach. Er kannte
auch Jesus nicht mehr dem Fleisch nach, also als Messias Israels (2.Kor.5:16),
sondern als den Christus aller und kündigte die Verwerfung Israels an
(Röm.11:15).
In jener Zeit schrieb er den ersten
Korintherbrief (53 oder 54), den ersten Timotheusbrief (55), den zweiten Korintherbrief
(55) und den Römerbrief (56). Das letzte Wunder, das geschah, ereignete sich
auf der Insel Melitê (Ap.28:6).
Nach dem dritten Schnittpunkt, nämlich der
Seereise nach Rom, begann sein vierter Dienstabschnitt, in welchem er die
bislang geheime göttliche Verrwaltung der Gnade bekannt machte (Eph.3:2,8,9;
Kol.1:25), in der wir heute leben. Mit den Gefangenschafts- oder
Vollkommenheitsbriefen verkündigte er unsere höchsten geistlichen Segnungen
inmitten der Überhimmlischen (Epheserbrief, 59; Philipperbrief, 61;
Kolosserbrief, 60) und hob die Erlasse des Jakobus auf (Ap.15:23-29; Eph.2:15;
Kol.2:14).
Jetzt aber war der zweite Dienstabschnitt
vollendet, und Paulus fasste neue Reisepläne. Er wollte die Kollekten
Mazedoniens und Achajas einsammeln (1.Kor.16:1-5; 2.Kor.8+9), sie den Armen
unter den Heiligen in Jerusalem überbringen (Röm.15:25,26) und dann endlich in
der Hauptstadt des Römischen Reiches Christus als Evangelium verkündigen. Er
wusste bereits, dass er, wenn er nach Rom kommt, in der Vervollständigung des
Segens Christi kommen wird (Röm.15:29).
Von den zwei nach Mazedonien Vorausgesandten,
Erastus und Timotheus, wird von Letzterem zudem in 1.Korinther 16:10 erwähnt,
dass er nach Achaja komme.
Das
Aufbegehren der Silberschmiede
»Es entstand aber zu jener Frist nicht wenig
Erregung über den Weg Gottes; denn ein Silberschmied namens Demetrius, der
silberne Tempel der Artemis herstellte und den Kunsthandwerkern kein geringes
Einkommen bot, scharte diese und die mit solcher Kunst beschäftigten Arbeiter
zusammen und sagte: Männer, ihr wisst Bescheid, dass auf diesem Einkommen unser
Wohlstand begründet ist. Nun schaut und hört, wie dieser Paulus nicht allein in
Ephesus, sondern beinahe in der gesamten Provinz Asien eine beträchtliche Schar
überredet und umgestimmt hat; er sagt, dass es keine Götter seien, die mit
Händen gemacht werden. Dies bringt aber nicht allein die Einstellung unserer
Partei in Gefahr, dadurch widerlegt zu werden, sondern auch die Weihestätte der
großen Göttin Artemis wird man für nichts rechnen, wenn demnächst auch ihre
Glorie erloschen sein wird, erweist ihr doch die ganze Provinz Asien und die
Wohnerde Verehrung« (Verse 23-27).
Der Satan, der in den Söhnen der
Widerspenstigkeit wirkt (Eph.2:2), hatte - es war Anfang des Jahres 55 n. Chr.
- ein leichtes Spiel, die Silberschmiede aufgrund ihres Einkommensverlusts zum
Aufbegehren gegen Paulus zu bringen und ihren Protest mit dem Hinweis auf die
schwindende Glorie der Artemis religiös zu verbrämen.
Christus Jesus aber ist hocherhaben über alle
Fürstlichkeiten und Obrigkeiten, Mächte und Herrschaften (Eph.1:21) und
bewirkte durch dieses Ereignis, dass Paulus Ephesus nunmehr unverzüglich
verließ.
Die Artemis der Epheser war eine vielbrüstige
Fruchtbarkeitsgöttin. Der Tempel der Artemis in Ephesus zählte zu den sieben
Weltwundern der Antike. Sie ist nicht mit der Artemis der griechischen
Mythologie zu verwechseln, der Göttin der Jagd, welcher übrigens die römische
Göttin Diana entsprach.
Der Tumult
der Epheser
»Als sie das hörten, wurden sie voll Grimm
und schrien: Groß ist die Artemis der Epheser! - Und die Stadt wurde von der
Verwirrung erfüllt. Dann stürmten sie einmütig in das Theater und schleppten
Gajus und Aristarchus, die mazedonischen Reisegefährten des Paulus, mit sich.
Als Paulus beabsichtigte, unter die Volksmenge zu treten, ließen es ihm die
Jünger nicht zu. Aber auch einige der obersten Beamten der Provinz Asien, die
seine Freunde waren, sandten zu ihm und sprachen ihm zu, sich nicht in das
Theater zu begeben. - Einige schrien nun dies, andere etwas anderes; denn die
herausgerufene Zunftversammlung war in Verwirrung, und die Mehrzahl wusste
nicht, weswegen man zusammengekommen war.
Da vereinigte man sich um Alexander, einen
aus der Schar, den die Juden vorschoben. Alexander nun winkte mit der Hand und
wollte sich vor der Volksmenge verteidigen. Als sie erkannten, dass er ein Jude
war, geschah es, dass sie alle wie mit einer Stimme etwa zwei Stunden
lang schrien: Groß ist die Artemis der Epheser! Groß ist die Artemis der
Epheser!« (Verse 28-34).
Das Theater hatte 25.000 Sitzplätze.
Paulus wollte anfangs das Evangelium
verteidigen; in diesem Fall aber hatten die Jünger und auch einige der obersten
Beamten, die »Asiarchen«, das bessere Gespür.
Mit dem Vorschieben jenes Alexanders
versuchten die Juden, jegliche Übereinstimmung mit Paulus, insbesondere in der
Ablehnung des Götzendienstes, zu leugnen, um nicht selbst in die Schusslinie zu
geraten. Die Menge aber akzeptierte keinen Redner, der ihre Göttin nicht anbetete.
Für Paulus allerdings bestand höchste Gefahr.
Wer zwei Stunden lang geschrien hat: »Groß ist die Artemis der Epheser!«, ist
auch bereit, durch die Stadt zu rennen, in die Häuser einzudringen und Paulus
zu lynchen. Religiöser Fanatismus kennt keine Grenzen.
Sehr wahrscheinlich berichtet Paulus in
2.Korinther 1:8 bis 11 über diese Situation: »Wir wollen euch nicht in
Unkenntnis lassen über unsere Drangsal, Brüder, die uns in der Provinz Asien
widerfahren ist, weil wir außerordentlich, über unsere Kraft, beschwert wurden,
sodass wir am Leben verzweifelten. Hatten wir doch den Bescheid des Todes in
uns, damit wir nicht auf uns selbst vertrauen sollten, sondern auf Gott, der
die Toten auferweckt, der uns aus einem Tode solchen Ausmaßes geborgen hat und
bergen wird. Auf den verlassen wir uns, dass Er uns auch noch weiterhin bergen
wird, indem auch ihr durch euer Flehen für uns hilfreich mitwirkt, damit Ihm
für uns in vielen Gebeten von vielen Angesichtern wegen der uns erwiesenen
Gnadengabe gedankt werde.«
Die
Beschwichtigung der Menge durch den Stadtschreiber
»Schließlich beschwichtigte der
Stadtschreiber die Volksmenge und erklärte: Männer! Epheser! Gibt es denn
irgendeinen Menschen, dem nicht von der Stadt der Epheser bekannt ist, dass sie
die Tempelwärterin der großen Artemis und des vom Zeus gefallenen Bildes ist?
Folglich, da dies unbestreitbar ist, müsst ihr euch beschwichtigen lassen und
nicht voreilig handeln. Denn ihr habt diese Männer abgeführt, die weder
Weihestättenräuber noch Lästerer unserer Göttin sind. Wenn nun Demetrius und
die Kunsthandwerker mit ihm einen Anlass zur Klage gegen jemanden haben, so
werden Gerichtstage abgehalten, und es sind Prokonsuln da, dort mögen sie
einander bezichtigen. Wenn ihr aber etwas in anderen Angelegenheiten sucht, so
wird es in der gesetzmäßigen herausgerufenen Ratsversammlung erläutert werden.
Denn wegen des heutigen Tumults sind wir ja in Gefahr, des Aufruhrs bezichtigt
zu werden, weil sich keine einzige Ursache findet, mit der wir über diese Zusammenrottung
Rechenschaft erstatten können. - Als er dieses gesagt hatte, entließ er die
herausgerufene Zunftversammlung« (Verse 35-41).
Der Stadtschreiber war der Verbindungsmann
zwischen der Stadtverwaltung und der römischen Provinzialregierung. Für seine
gerechte und taktvolle Rede können wir nur dankbar sein.
Auf diese Weise barg Gott den Paulus aus
einem Tode solchen Ausmaßes, rettete ihn vor den bösen Geistern und ihren
menschlichen Handlangern. Ja, wir haben diesen Schatz, nämlich den Lichtglanz
der Erkenntnis der Herrlichkeit Gottes im Angesicht Jesu Christi, in irdenen
Gefäßen, damit das Außerordentliche der Kraft sich als von Gott und nicht als
aus uns erweise: in allem bedrängt, aber nicht eingeengt, ratlos, aber nicht
verzweifelt, verfolgt, aber nicht verlassen, niedergeworfen, aber nicht
umgekommen. Allezeit tragen wir so die Tötung Jesu in unserem Körper umher,
damit auch das Leben Jesu in unserem Körper offenbar werde (2.Kor.4:6-10).
Das vom Zeus gefallene Bild war
wahrscheinlich ein Meteorit, der dem Bild der Göttin ähnelte. Mithin
argumentierte der Stadtschreiber gegen des Paulus Verkündigung, dass es keine
Götter seien, die mit Händen gemacht werden; schließlich war der Meteorit ja
vom Himmel gefallen. Wozu sich also von des Paulus Worten irritieren lassen?
Sollte man Rom den Aufruhr nicht hinreichend
erklären können, lief die Stadt Gefahr, einige ihrer Privilegien zu verlieren.
Deshalb wies der Stadtschreiber auf Gerichtstage und Prokonsuln hin, in diesem
Falle allerdings im Plural und mithin in allgemeiner Form, weil der bisherige
Prokonsul Junius Silanus vor kurzem, Ende 54, ermordet worden und der
Nachfolger noch nicht eingetroffen war.
In unserem Schriftabschnitt kommt mehrmals
der Begriff ekklêsia, das heißt »die Herausgerufene«, vor. Nicht nur die Zunft-
und Ratsversammlung stellen eine aus der Gesamtmenge herausgerufene Schar dar,
sondern auch wir Gläubigen bilden eine aus der Welt herausgerufene, besondere
Schar. Wir sind die Herausgerufene, die Christi Körper ist (Eph.1:22,23).
Wichtig ist des Weiteren, dass der
Stadtschreiber - der in der Zwischenzeit wohl hat nachforschen lassen -
feststellte, dass Gajus und Aristarchus nicht über die Artemis gelästert
hatten. Nehmen auch wir uns dies zum Vorbild. Wir mögen die Religionen als übel
beurteilen, dürfen aber nicht über sie lästern. Wir sind ausdrücklich gehalten,
nichts und niemanden zu verlästern (Tit.3:2; 1.Tim.1:20), sind doch Schimpfer
und erst recht Lästerer aus der Gemeinde auszuschließen (1.Kor.5:11; 6:10).
Paulus
reiste ab
»Nachdem dann der Tumult aufgehört hatte,
sandte Paulus zu den Jüngern, sprach ihnen zu und verabschiedete sich von
ihnen. Dann reiste er ab, um nach Mazedonien zu gehen« (Ap.20:1).
Wie bereits gesagt, schrieb Paulus während
seines Aufenthalts in Ephesus die beiden Korintherbriefe. Ihr Inhalt liegt
völlig außerhalb des Blickfeldes der Apostelgeschichte, deren Thema das
Königreich Israels ist. In den Korintherbriefen geht es um die Versöhnung
Gottes mit den Menschen (2.Kor.5:19) und um die fortschreitende Erkenntnis
Gottes »von Herrlichkeit zu Herrlichkeit« (2.Kor.3:18) gemäß dem dem Paulus
enthüllten Evangelium der Unbeschnittenheit (Gal.1:12; 2:7). Paulus durfte in
1.Korinther 15:51 das Geheimnis unserer Auferstehung bekannt machen, nämlich
unsere Verwandlung. Für die bereits Entschlafenen ist ihre Auferstehung die
Verwandlung. Des Weiteren wies Paulus auf unsere überhimmlische Berufung hin,
als er schrieb, dass wir das Bild des Überhimmlischen tragen werden
(1.Kor.15:49). Nichts von alledem und auch nichts von dem Ringen des Apostels
um die Korinther findet sich in der Apostelgeschichte.
Auf dem
Rückweg von der dritten Missionsreise
(Apostelgeschichte
20)
Der Apostel Paulus hatte auf der dritten Missionsreise (52 bis 56 n. Chr.)
nahezu drei Jahre lang in Ephesus gewirkt. Im Geist hatte er sich bereits
vorgenommen, durch Mazedonien und Achaja zu ziehen und nach Jerusalem, dann aber auch nach Rom zu gehen
(Ap.19:21). Nach dem Tumult der Silberschmiede bestand erhebliche Lebensgefahr
für ihn und war seines Verbleibens nicht länger in Ephesus. So verließ er die
Stadt Anfang des Jahres 55.
Drei Monate
in Griechenland
"Nachdem dann der Tumult aufgehört
hatte, sandte Paulus nach den Jüngern, sprach ihnen zu und verabschiedete sich
von ihnen. Dann reiste er ab, um nach Mazedonien zu gehen. Als er jene Gebiete
durchzogen und ihnen mit vielen Worten zugesprochen hatte, kam er nach
Griechenland. Dort verbrachte er drei
Monate" (Verse 1-3 a).
In Mazedonien verfasste Paulus im Jahre 55
den ersten Brief an Timotheus und wies ihn an, in Ephesus auszuharren
(1.Tim.1:3). Über Troas war er nach Mazedonien gekommen, wo er dann den Titus
endlich fand (2.Kor.2:12,13; 7:5,6). Paulus war zwischendurch auch in Illyrien
(Röm.15:19), von Lukas mit den Worten "jene Gebiete (Mazedoniens)"
nur angedeutet. Danach schrieb er im Jahre 55 den zweiten Korintherbrief in
Mazedonien. Alsdann gelangte er nach Hellas, Griechenland, auch Achaja genannt,
und war wohl den Winter 55/56 über für drei Monate dort. Bei diesem seinen
dritten Besuch (2.Kor.12:14; 13:1) in Korinth, der Hauptstadt Achajas, hatte
Paulus die Überbleibsel der fleischlichen Gesinnung der Korinther auszuräumen.
Von dort aus schrieb er im Jahre 56 den Römerbrief.
Der Anfang
der Rückreise
"Als er sich anschickte, nach Syrien in
See zu gehen, und von den Juden ein Anschlag gegen ihn vorbereitet wurde,
fasste er den Entschluss, über Mazedonien zurückzukehren. Mit ihm zogen Sopater
von Beröa, der Sohn des Pyrrhus, Aristarchus und Sekundus von Thessalonich,
Gajus von Derbe und Timotheus, ferner von der
Provinz Asien Tychikus und
Trophimus. Diese beiden gingen uns voraus und blieben in Troas. Wir jedoch
segelten nach den Tagen der ungesäuerten Brote von Philippi ab und kamen in
fünf Tagen zu ihnen nach Troas, wo wir uns sieben Tage aufhielten" (Verse
3 b-6).
Die Feindschaft der Juden in Korinth gegen
Paulus flammte wieder auf. Auf dem Schiff nach Syrien wollten sie ihn ermorden.
Deshalb änderte Paulus seinen Plan und zog über Mazedonien. Von Philippi, das heißt
von Neapolis, der Hafenstadt Philippis, aus segelte er dann mit mehreren
Begleitern, darunter auch der seit der zweiten Missionsreise in Philippi
verbliebene Lukas, der von hier an in der "Wir"-Form berichtet, nach
den Festtagen der ungesäuerten Brote (3.Mose 23:6) - diese währten vom 15. bis
26. April 56 - nach Troas, wo alle Reisenden wieder zusammentrafen.
Die Reisegruppe - die Delegierten der
Gemeinden - führte die Kollekte der Mazedonier und Achajer sowie derer aus
Kleinasien für die Armen unter den Heiligen in Jerusalem mit sich (Ap.24:17;
1.Kor.16:1-4; 2.Kor.8+9). Deren Armut mag damit überein sein, dass das
Königreich für Israel nicht in dieser Zeit aufgerichtet werden würde (Ap.1:6)
und dessen Kräfte im Schwinden begriffen waren. Paulus erläutert sein Handeln
in Römer 15:25-27: "Zunächst gehe ich nun nach Jerusalem, um den Heiligen
zu dienen. Denn Mazedonien und Achaja haben es gutgeheißen, eine Beisteuer für
die Armen unter den Heiligen in Jerusalem zu geben. Sie heißen dies gut, weil sie
ja deren Schuldner sind; denn wenn die Nationen an deren geistlichen Gütern
teilnehmen, so sind sie auch verpflichtet, eine Beisteuer zu den fleischlichen
zu leisten." Damals waren die Nationen noch Teilhaber an den geistlichen
Gütern Israels. Nun aber haben wir unsere eigenen geistlichen Güter, und zwar
sind wir jetzt mit jedem geistlichen Segen inmitten der Überhimmlischen
gesegnet (Eph.1:3). Die geistlichen Güter Israels waren und sind zukünftig
wieder auf die Erde bezogen.
Eutychus von
Troas
"Als wir an dem einen der Sabbattage
versammelt waren, um Brot zu brechen, unterredeter sich Paulus mit ihnen, weil
er vorhatte, sich tags darauf fortzubegeben. Daher dehnte er die
Wortverkündigung bis Mitternacht aus; eine beträchtliche Anzahl von Fackeln
brannte in dem Obergemach, wo wir versammelt waren. Da wurde ein junger Mann
namens Eutychus, der am Fenster saß, von tiefem Schlaf übermannt (während
Paulus sich noch länger mit ihnen unterredete), sodass er, vom Schlaf
überwältigt, vom dritten Stock hinunterfiel und tot aufgehoben wurde. Paulus
aber stieg hinab, warf sich über ihn, umfing ihn und sagte: Macht keinen
Tumult; denn seine Seele ist in ihm" (Verse 7-10).
Eutychus war tot; Paulus weckte ihn in der
Kraft des zukünftigen Äons (Heb.6:5) auf. Daraufhin war die Seele, das
Bewusstsein, wieder in dem jungen Mann, der seinen Namen nicht von ungefähr
trug; er bedeutet nämlich "Wohlereignis". Zur Auferweckung vergleiche
1.Könige 17:21 (der Sohn der Witwe zu Zarpat) und 2.Könige 4:34 (der Sohn der Schunamitin).
Versuchen wir, den Unterschied der
Auferweckung der Tabitha durch Petrus (Ap.9:36-41) und der des Eutychus durch
Paulus aufzuspüren. Sie war voll guter Werke und gab viele Almosen. Von
Eutychus wird nichts dergleichen berichtet, im Gegenteil, er war während der
Wortverkündigung eingeschlafen. Das ist typisch für das Evangelium der
Beschneidung einerseits und das der Unbeschnittenheit andererseits, mit dem
Paulus betraut war (Gal.2:7). Jene werden durch Glauben und Werke gerettet, wir
dagegen allein durch Glauben, allein in der Gnade, selbst dann, wenn wir nicht
auf das Wort Gottes achten, sondern schlafen (1.Thess.5:10; 1.Kor.3:15) - zum
Lobpreis der Herrlichkeit der Gnade!
Zwei kurze Bemerkungen zum Sabbat und zum
Brotbrechen:
Wörtlich wäre zu übersetzen: "Als wir an
dem einen Tag der Sabbate versammelt waren", womit der eine, der besondere
Wochentag gemeint ist, der Tag der Sabbate; wobei Sabbat im Plural steht, weil
an seine beiden Hälften gedacht ist, die Nacht- und die Taghälfte. - Für einen
besonderen Sabbat während der fünfzig Tage bis Pfingsten gibt es keinen
Anhaltspunkt.
Brotbrechen war die Bezeichnung für eine
gewöhnliche Mahlzeit.
"Als er (Paulus) wieder hinaufgestiegen
war, Brot gebrochen und etwas gegessen hatte, unterhielt er sich noch eine
geraume Zeitlang mit ihnen, bis Tagesanbruch; sodann zog er hinaus. Den Knaben
aber führten sie lebend mit sich, was ihnen zu unermesslichem Zuspruch
gereichte" (Verse 11+12).
Von Troas
nach Milet
"Wir gingen dann voraus auf das Schiff
und fuhren nach Assos aus. Dort hatten wir vor, Paulus an Bord zu nehmen; denn
so hatte er es angeordnet, weil er sich anschickte, selbst zu Fuß zu gehen. Als
er dann in Assos mit uns zusammentraf, nahmen wir ihn an Bord und kamen nach
Mitylene. Von dort segelten wir weiter
und gelangten am folgenden Tag auf die Höhe von Chios. An dem anderen Tag
fuhren wir Samos an und kamen am nächsten nach Milet; Paulus hatte nämlich
entschieden, an Ephesus vorbeizusegeln, damit ihm in der Provinz Asien keine
Zeit verloren ginge; denn er beeilte sich, um, wenn es ihm möglich wäre, zum
Pfingsttag in Jerusalem zu sein" (Verse 13-16).
Das Schiff brauchte für die Fahrt von Troas
bis Assos mehr Zeit als ein Wanderer, weil es das Kap Lectum umfahren musste.
Paulus wird das Bedürfnis gehabt haben, die etwa acht Stunden zu Fuß allein
unterwegs zu sein, weil er sich in der Gemeinschaft allein mit seinem Gott und
Vater und seinem Herrn Jesus Christus darauf einstellen musste, dass ihn nur
Bande und Drangsale erwarteten (Ap.20:23).
Des Paulus
Rede in Milet
"Von Milet aus sandte er nach Ephesus
und ließ die Ältesten der herausgerufenen Gemeinde herbeirufen. Als sie zu ihm
gekommen waren, sagte er zu ihnen: Ihr wisst Bescheid, wie ich mich vom ersten
Tag ab, an dem ich zur Provinz Asien hinaufzog, allezeit bei euch verhalten
habe: Ich sklavte dem Herrn in aller Demut, unter Tränen und Anfechtungen, die
mir durch die Anschläge der Juden widerfuhren; mit nichts, was förderlich ist,
habe ich zurückgehalten, sondern es euch kundgetan und euch öffentlich und in
den Häusern gelehrt, indem ich Juden wie auch Griechen die Umsinnung zu Gott
und den Glauben an unseren Herrn Jesus Christus bezeugte" (Verse 17-21).
Das Schiff wird drei oder vier Tage Liegezeit
in Milet gehabt haben. Dies war die Gelegenheit, den Heiligen zu Ephesus einen
weiteren Dienst zu tun. So ließ Paulus die Ältesten der Gemeinde zu sich rufen.
Milet lag etwa 50 km südlich von Ephesus.
Paulus erinnerte sie an sein Wirken, seine
Verkündigung, vor allem aber an seinen Dienst in aller Demut, unter Tränen und
Anfechtungen. An seinem persönlichen hingebungsvollen Dienen hatten sie
erkennen dürfen, dass der Christus in ihm lebt. Sein Vorbild wird auch sie auf
den Herrn ausrichten.
Mit nichts, was zu wissen förderlich war,
hatte Paulus während seiner etwa drei Jahre in Ephesus zurückgehalten, und zwar
entsprechend jener heilsgeschichtlichen Verwaltung (oikonomia) des Übergangs
von der pfingstlichen zur gegenwärtigen (Eph.3:2). Er hatte den Dienst an den
Nationen wie zukünftig das priesterliche Volk in der Kraft der Zeichen und
Wunder völlig ausgerichtet (Ap.19:21; Röm.15:16,19). Und immer noch heroldete
er das Königreich Israels (Ap.20:25). Noch verkündigte Paulus aus einem
Bruchteil und war die Reife (oder: das Vollkommene) nicht gekommen, bei der das
aus dem Bruchsteil abgetan würde (1.Kort.13:8-12). Die Reife kam erst mit den
Gefangenschafts- oder Vollkommenheitsbriefen, dem Epheser-, Philipper- und
Kolosserbrief.
Die Umsinnung zu Gott und der Glaube an den
Herrn Jesus Christus gehörten zu des Paulus Botschaft, solange er das
Königreich Israels verkündigte. Ohne Umsinnung und empfangene Vergebung konnte
man nicht dort hineingelangen. Wir aber haben, wie im Römerbrief ausgeführt,
Rechtfertigung (weit weg) von allen Sünden und Versöhnung, und zwar allein
durch Glauben; wir sind vom Glaubensanfang an für gerecht erklärt und mit dem
Vater ausgesöhnt.
Bande und
Drangsale
Nach dem Rückblick gab Paulus nun einen
Ausblick auf seine nahe Zukunft.
"Und nun siehe, ich als ein im Geist
Gebundener, ich gehe nach Jerusalem und weiß nicht, was mir dort begegnen wird,
außer dass der Geist, der heilige, mir von Stadt zu Stadt bezeugt: Was mir
bleibt, sind Bande und Drangsale. Jedoch habe dich darüber kein Wort, noch
erachte dich meine Seele nicht als zu kostbar, bis ich meinen Lauf und Dienst
vollende, den ich vom Herrn Jesus erhielt, um das Evangelium der Gnade Gottes
zu bezeugen" (Verse 22-24).
Paulus war ein im Geist Gebundener, denn für
ihn galt nur der Wille Gottes. Sind auch wir an das Wort gebunden oder lassen
wir unsere Gedanken von jeder Neuigkeit hin- und herwerfen? Paulus musste nach
Jerusalem gehen, um als der Amtsträger Christi Jesu die Frucht seines
Missionsdienstes unter den Nationen darzubringen, geheiligt im heiligen Geist
(Röm.15:16).
Doch auch dieses Zeugnis werden die Juden
ablehnen. Somit erwarteten Paulus nur Bande und Drangsale. Deshalb bat der
Apostel in Römer 15:31 um die Fürbitte, dass Gott ihn vor den Widerspenstigen
in Jerusalem bergen möge.
Noch hatte Paulus seinen Lauf und Dienst
nicht vollendet und den gesamten Reichtum der Gnade nicht bekannt gemacht (Vers
24). Aber ebenso wie er körperlich immer mehr eingeschränkt werden wird, werden
auch die körperlichen und irdischen Segnungen zurückgehen und dem geistlichen
und überhimmlischen Segen Platz machen. Und in Rom wird er dann die
Vervollständigung des Segens Christi verkündigen (Röm.15:29), wie in den dort
in den Jahren 59 bis 61 geschriebenen Briefen nachzulesen.
"Ihr
werdet mein Angesicht nicht mehr sehen"
"Und nun siehe, ich weiß, dass ihr mein
Angesicht nicht mehr sehen werdet, ihr alle, zu denen ich hinkam, das
Königreich zu herolden. Darum bezeuge ich euch am heutigen Tag, dass ich vom
Blute aller rein bin; denn ich bin nicht davor zurückgewichen, euch den
gesamten Ratschluss Gottes zu verkündigen" (Verse 25-27).
Den gesamten Ratschluss Gottes bezüglich des
Königreichs hatte Paulus verkündigt. Diese Aufgabe hatte er völlig
ausgerichtet. Folglich ist er vom Blute aller rein. Er trägt keine Schuld daran,
dass er etwa jemanden in der Unkenntnis hätte sitzen lassen (vgl. Hes. 33:8,9).
Das "Ich bin nicht zurückgewichen"
(Vers 27) entspricht dem "Mit nichts, was förderlich ist, habe ich
zurückgehalten" (Vers 20). Mögen auch wir keinesfalls davor zurückweichen,
den gesamten uns offenbarten Ratschluss Gottes bis hin zur Rettung aller
Menschen, ja des ganzen Alls (Kol.1:20) bekannt zu machen, zumal es uns
ausdrücklich aufgetragen ist, heißt es doch in 1.Timotheus 4:10,11: "Gott
ist der Retter aller Menschen, vor allem der Gläubigen. Dieses weise an und
lehre!"
"Gebt
daher Acht!"
Jetzt lag es an den Ältesten, den Dienst des
Apostels fortzusetzen. So wendet sich Paulus nun an sie: "Gebt daher Acht
auf euch selbst und auf das gesamte Herdlein, unter das euch der Geist, der
heilige, zu Aufsehern gesetzt hat, um die herausgerufene Gemeinde Gottes zu
hirten, die Er Sich durch das Blut Seines eigenen Sohnes angeeignet hat"
(Vers 28).
Die Ältesten sind Aufseher und Hirten nicht
ihrer eigenen Herausgerufenen, sondern der Gottes, der mit dem kostbaren Blut
Jesu erworbenen (1.Pet.1:19). Auf sich selbst sollen sie achten, und zwar dass
sie nicht von der Lehre sowie einem heiligen, Gott wohlgefälligen Wandel
abweichen. Dann werden sie auch in rechter Weise auf das Herdlein achten. Ihre
besondere Aufgabe ist der Schutz der Gemeinde vor Irrlehren und den daraus
folgenden Irrwegen, ebenso wie ein Hirte seine Herde vor Wölfen zu schützen
hat. "Habe Acht auf dich selbst und auf die Lehre", betont Paulus
auch gegenüber Timotheus (1.Tim.4:16).
Die Einsetzung der Ältesten durch den Geist
des Herrn geschah durchaus unter Mitwirkung des Apostels und seiner
Beauftragten (Ap.14:23); heute wirken andere Älteste mit.
Zur Aufgabe der Hirten schreibt Petrus:
"Hirtet das Herdlein Gottes unter euch und beaufsichtigt es nicht
genötigt, sondern freiwillig, Gott gemäß, auch nicht für Schandgewinn, sondern
bereitwillig, auch nicht als beherrscht ihr die Losteile, sondern werdet
Vorbilder des Herdleins" (1.Pet.5:2,3).
Schwere
Wölfe
Im Blick auf die Zukunft muss Paulus
allerdings ein düsteres Bild zeichnen. Er sagte:
"Ich weiß aber, dass, wenn ich
unerreichbar bin, schwere Wölfe unter euch eindringen werden, die das Herdlein
nicht verschonen. Auch werden aus eurer Mitte Männer aufstehen und verdrehte
Dinge sprechen, um die Jünger an sich zu reißen. Darum wachet, dessen
eingedenk, dass ich drei Jahre lang Nacht und Tag nicht aufgehört habe, einen
jeden unter Tränen zu ermahnen" (Verse 289-31).
So kam es dann auch. Die Gläubigen der
gesamten Provinz Asien wurden von Paulus und seiner Lehre abgewandt
(2.Tim.1:15). In Korinth bildeten sich Gruppierungen, die jeweils zu dem einen
Lehrer und gegen die anderen Lehrer standen (1.Kor.4:6). Auch heute gibt es
schwere Wölfe, also belastende, bedrückende Leiter, die die Gläubigen an sich
binden, ihre eigenen Interessen verfolgen und mehr für sich selbst aus der
Gemeinde herausholen als sie geben. Paulus dagegen hatte sich für die Heiligen
aufgeopfert. Alles erduldete er für sie (2.Tim.2:10).
Darum wachet! "Wachet, steht fest im
Glauben, seid mannhaft, seid standhaft!", ruft Paulus auch den Korinthern
zu (1.Kor.16:13). Haltet den Kriegslisten des Satans stand (Eph.6:11)!
Nehmen wir uns unseres Herrn Worte zu Herzen:
"Nehmt euch in Acht vor den falschen Propheten, die in Schafskleidern zu
euch kommen, inwendig aber räuberische Wölfe sind" (Mat.7:15). Und vergessen wir nicht 2.Timotheus 2:4:
"Herolde das Wort, stehe dazu, sei es gelegen oder ungelegen, überführe,
verwarne, sprich zu, in aller Geduld und Belehrung. Denn es wird eine Frist
kommen, wenn Menschen die gesunde Lehre nicht ertragen werden, sondern sich
selbst nach eigenen Begierden Lehrer aufhäufen, weil ihr Gehör gekitzelt wird;
und zwar werden sie das Gehör von der Wahrheit abwenden und sich den Sagen
zukehren."
Der Gnade
anbefohlen
Paulus schloss den Hauptteil seiner Rede mit
den Segensworten des Verses 32:
"Nun befehle ich euch Gott und dem Wort
Seiner Gnade; Er hat die Macht, euch aufzuerbauen und das Losteil inmitten aller
zu geben, die geheiligt wurden."
Gott, unser Vater, ist es, der das Wachstum
hinein in Christus gibt, unser Haupt. Seine Gnade ist es, die die Ältesten so
auferbaut, dass sie auch die Gemeindeglieder auferbauen können. Die Gnade,
allein durch Glauben gerechtfertigt und gerettet zu sein, dieser überfließende
Reichtum der Gnade kräftigt die Gläubigen und erzieht sie, alle Untugenden
abzulegen und zur Verherrlichung Gottes zu leben (Tit.2:12). Gott ist es, der
alle von Ihm in Christus Geheiligten tauglich macht für ihren Losanteil im
Licht, ihren Segens- und Aufgabenbereich im Himmel (Kol.1:12).
"Glückseliger
ist es, zu geben als zu nehmen"
Paulus beendete seine Rede mit einem
persönlichen Zeugnis:
"Von niemandem begehre ich Silber, Gold
oder Kleidung. Euch ist bekannt, dass diese Hände mir und denen, die bei mir
sind, behilflich waren, den Bedarf zu decken. In allem habe ich euch ein
Beispiel gegeben, dass man sich so mühend der Schwachen annehmen muss,
eingedenk der Worte des Herrn Jesus; denn Er hat Selbst gesagt: Glückseliger
ist es, zu geben als zu nehmen" (Verse 33-35).
Mögen sich die Ältesten die Selbstlosigkeit
des Paulus in seinem Dienst zum Vorbild nehmen! Mit seinen eigenen Händen hatte
er gearbeitet, um seinen Lebensunterhalt zu bestreiten und niemandem
beschwerlich zu fallen, damit er dem Evangelium des Christus kein Hindernis
gäbe (1.Kor.9:12).
Der Ausspruch unseres Herrn Jesus:
"Glückseliger ist es, zu geben als zu nehmen" ist in den vier
Berichten nicht verzeichnet, sondern wird uns erst an dieser Stelle
überliefert.
Herzlicher
Abschied
Und dann berichtet Lukas:
"Als er dieses gesagt hatte, kniete er
mit ihnen allen nieder und betete. Da brachen alle in lautes Jammern aus,
fielen Paulus um den Hals und küssten ihn herzlich. Am meisten schmerzte sie
das Wort, das er gesagt hatte: Sie würden sein Angesicht künftig nicht mehr
schauen. Dann gaben sie ihm das Geleit bis zum Schiff" (Verse 36-38).
Welch ein schmerzlicher und zugleich
herzlicher, auch uns ergreifender Abschied!
Von nun an müssen die Ältesten die Last der
Leitung der Gemeinde allein tragen.
Die Epheser ahnen wohl kaum, dass die
Tatsache, dass sie den Paulus auf der Erde nicht mehr sehen werden, ein Zeichen
dafür ist, dass sie keinen Israel untergeordneten Platz auf der Erde einnehmen
werden, sondern als mit jedem geistlichen Segen Gesegnete inmitten der
Überhimmlischen niedergesetzt werden, wie Paulus es ihnen einige Jahre später
mit dem Epheserbrief mitteilen wird (Eph.1:3; 2:6). Mögen sie mithin alsbald
nicht mehr auf das auf der Erde, sondern auf das droben sinnen!
(Apostelgeschichte
21:1-39)
Der Apostel Paulus sollte nach dem Willen des
Herrn auf der Rückreise von der dritten Missionsreise nach Jerusalem
hinaufziehen. Von Mazedonien aus war er mit seinen Begleitern über Troas nach
Milet gelangt. Dort hatte er den Ältesten der herausgerufenen Gemeinde von
Ephesus zugesprochen. Sie gaben ihm das Geleit bis zum Schiff.
Von Milet
bis Tyrus
Lukas berichtet:
»Als wir dann
hinausfuhren (nachdem wir uns von ihnen losgerissen hatten), kamen wir
geradewegs nach Kos, am nächsten Tag nach Rhodos und von dort nach Patara. Da
wir ein Schiff fanden, das nach Phönizien hinüberfuhr, bestiegen wir es und
gingen in See. Als Cypern in Sicht kam, ließen wir es zur Linken zurück,
segelten nach Syrien und landeten in Tyrus; denn dort hatte das Schiff die
Fracht auszuladen« (Verse 1-3).
Mit dem im Mai
üblichen Nordwestwind kamen sie gut voran. Patara war eine Hafenstadt in der
Provinz Lyzien in Kleinasien.
In Tyrus
»Als wir die
Jünger aufgefunden hatten, blieben wir noch sieben Tage dort. Sie sagten Paulus
im Geist, nicht nach Jerusalem hinaufzuziehen. Als die Tage unseres Ausrüstens
abgelaufen waren, zogen wir hinaus und gingen, von allen geleitet, mit den
Frauen und Kindern bis vor die Stadt. Am Strand knieten wir nieder und beteten;
dann rissen wir uns voneinander los und stiegen in das Schiff. Jene aber
kehrten in ihre eigenen Häuser zurück« (Verse 4-6).
Die Gemeinde
zu Tyrus war vermutlich durch die Gläubigen entstanden, die sich infolge der
Drangsal, die wegen Stephanus aufgekommen war, auch bis dorthin zerstreut
hatten (Ap.11:19).
Das Wort der
Jünger an Paulus, nicht nach Jerusalem hinaufzuziehen, war keine Anweisung des
heiligen Geistes; es verhielt sich vielmehr so, dass sie durch den Geist
wussten, dass Paulus dort nur Bande und Drangsale erwarteten (Ap.20:23), und
sie ihn gern davor bewahrt sehen wollten. Paulus aber konnte festbleiben, weil
er sich von seinem Herrn Jesus Christus nach Jerusalem geführt wusste und ein
im Geist Gebundener war (Ap.20:22).
Sollte der
Geist die Tyrener einerseits und Paulus andererseits widersprüchlich geleitet
haben? Die Gläubigen hatten den Geist der Kraft und der Liebe und der gesunden
Vernunft (2.Tim.1:7) und kamen somit zu der liebevollen und vernünftigen
Folgerung, dass Paulus sich nicht in diese Gefahr begeben sollte. Aber sie
irrten sich. Das bedeutet für uns heute, die wir das vervollständigte
prophetische und apostolische Wort haben (Kol.1:25), nur zu glauben und zu
sagen, was geschrieben steht, auf keinen Fall darüber hinaus zu sinnen
(Röm.12:3; 1.Kor.4:6) und sofern wir bei der praktischen Anwendung folgern zu
müssen meinen, sehr genau zu prüfen.
Im Übrigen war
das Verhalten der Gläubigen zu Tyrus gleichwohl vom Geist geleitet, weil Paulus
dadurch für die vor ihm liegenden Drangsale gestählt wurde.
Schließlich sahen sie alle ein, dass Paulus
nach Jerusalem ziehen müsse und gaben ihm dazu ihr herzliches Geleit zum
Strand.
In Ptolemais
und Cäsarea
»Von Tyrus aus
kamen wir hinab nach Ptolemais, wo wir unsere Fahrt beendeten. Wir begrüßten
die Geschwister und blieben einen Tag bei ihnen. Tags darauf zogen wir weiter
und kamen nach Cäsarea, gingen dort in das Haus des Evangelisten Philippus, der
einer der Sieben war, und blieben bei ihm. Dieser hatte vier Töchter,
Jungfrauen, die prophetisch redeten« (Verse 7-9).
Ptolemais, die
südlichste der phönizischen Hafenstädte, heißt heute Akko (auch Acre).
Philippus war einer der sieben Diakone (Ap.6:5); vor mehr als zwanzig Jahren
hatte er das Wort in Samaria verkündigt (Ap.8:5) und dem äthiopischen Kämmerer
auf der Straße nach Gaza Jesus als Evangelium nahegebracht (Ap.8:26-40).
Philippus wohnte in Cäsarea, dem Sitz der römischen Provinzialregierung, wo
übrigens einst der römische Hauptmann Kornelius ansässig war (Ap.10).
Der Prophet Agabus
»Als wir noch
mehrere Tage blieben, kam ein Prophet namens Agabus von Judäa herab. Dieser
trat zu uns, nahm den Gürtel des Paulus, band sich Füße und Hände damit und
sagte: So spricht der Geist, der heilige: Den Mann, dem dieser Gürtel gehört,
werden die Juden in Jerusalem so binden und in die Hände der Nationen
überantworten. - Als wir das hörten, sprachen wir wie auch die aus dem Ort ihm
zu, nicht nach Jerusalem hinaufzuziehen« (Verse 10-12).
Der Prophet
Agabus hatte in der Gemeinde zu Antiochien (in Syrien) im Jahre 40 n. Chr. eine
große Hungersnot prophezeit, die dann unter Kaiser Klaudius (41-54 n. Chr.)
auch eintrat. Daraufhin hatte die Gemeinde Barnabas und Saulus mit Hilfsgütern
nach Judäa gesandt.
Nach der
Weissagung des Agabus jetzt in Cäsarea sprachen alle dem Paulus zu, nicht nach
Jerusalem hinaufzuziehen, sogar seine Reisebegleiter, die doch mit ihm die
Kollekte der Nationengemeinden nach Jerusalem bringen sollten; Lukas schreibt
ja, sich selber einschließend: »... sprachen wir ihm zu ...«
»Des Herrn Wille geschehe!«
»Dann nahm
Paulus das Wort und sagte: Was macht ihr mir mit eurem Jammern das Herz so
schwer? Denn ich bin bereit, mich in Jerusalem nicht nur binden zu lassen,
sondern auch für den Namen des Herrn Jesus zu sterben. - Da er sich nicht
überreden ließ, wurden wir still darüber und sagten: Des Herrn Wille geschehe!«
(Verse 13+14).
Paulus hatte
die Glaubensprobe bestanden. Die anschauliche Darstellung des Gebundenwerdens
des Paulus hatten die Gläubigen irrtümlich als eine Warnung aufgefasst. Paulus
aber musste nach Jerusalem gehen, nicht nur, um - wie versprochen - die Armen
dort zu unterstützen (Gal.2:10) und der Muttergemeinde zu dokumentieren, dass
sein Missionsdienst Frucht gebracht hat, sondern damit der Abfall Israels
offenkundig werde. Die Feindschaft gegen Paulus und damit gegen Jesus sollte
die Verstockung Israels besiegeln.
Ankunft in Jerusalem
»Nach diesen
Tagen luden wir unser Gepäck auf und zogen nach Jerusalem hinauf. Es gingen
aber auch einige Jünger aus Cäsarea mit uns und führten uns zu Mnason aus
Cypern, einem Jünger aus der Zeit des Anfangs, bei dem wir zu Gast sein
sollten. Nach unserer Ankunft in Jerusalem hießen uns die Brüder hoch erfreut
willkommen« (Verse 15-17).
Am 26. Ijar
56, das ist der 31. Mai 56 n. Chr., trafen Paulus und seine acht Mitreisenden
(Ap.20:4,5 - und Lukas -) in Jerusalem ein, neun Tage vor Pfingsten, das am 6.
und 7. Siwan, das ist am 9. und 10. Juni 56, gefeiert wurde. Zu Pfingsten, zum
Fest der Erstlingsfrüchte (2.Mose 23:16,19; 3.Mose 23:15-21; 5.Mose 16:9,10)
brachte Paulus die Erstlingsfrucht aus den Nationen Gott dar (Röm.15:16,28).
Bei Jakobus und den Ältesten
»Am folgenden
Tag ging Paulus mit uns zu Jakobus hinein; auch kamen alle Ältesten herzu. Als
er sie begrüßt hatte, schilderte er in jeder Einzelheit, was Gott unter den
Nationen durch seinen Dienst getan hatte« (Verse 18+19).
Allem Anschein
nach war keiner der Apostel in Jerusalem anwesend. Dies war, weil das
Königreich nicht in dieser Zeit aufgerichtet werden würde und der König mithin
nicht für jetzt erwartet wurde (Ap.1:6), auch nicht erforderlich. Gleichwohl
wundert es uns, dass kein Apostel in der Hauptstadt Israels die Gesamtgemeinde
repräsentierte oder die örtliche Gemeinde leitete, sondern Jakobus, der
Halbbruder unseres Herrn (Mat.13:55; Ap.12:17).
Als Paulus
Ende des Jahres 47 n. Chr. zum zweiten Mal nach seiner Berufung in Jerusalem
war, gaben - man beachte die in Gal.2:9 verzeichnete Reihenfolge - Jakobus,
Kephas und Johannes ihm die rechte Hand der Gemeinschaft. Jakobus dominierte.
Sollte das Fleisch, hier im Sinne der Abstammung, dafür ausschlaggebend gewesen
sein? Er hatte auch wesentlichen Anteil an den Erlassen an die Gläubigen aus
den Nationen, sich von Götzenopfern, Blut und Ersticktem sowie von Hurerei
fernzuhalten (Ap.15).
Bei der
Gelegenheit seines Berichts - nicht, was er, sondern was Gott unter den
Nationen gewirkt hatte - übergaben Paulus und seine Begleiter die Kollekte der
Nationen (Ap.24:17; Röm.15:26; 1.Kor.16:1-4; 2.Kor.8+9).
Eiferer für das Gesetz
»Als sie das
hörten, verherrlichten sie Gott, sagten jedoch zu ihm: Du schaust, Bruder,
wieviel Zehntausende unter den Juden gläubig geworden sind, und sie alle
gehören zu den Eiferern für das Gesetz. Nun wurde ihnen über dich berichtet,
dass du alle Juden unter den Nationen den Abfall von Mose lehrst, nämlich ihre
Kinder nicht zu beschneiden, noch nach den überlieferten Sitten zu wandeln«
(Verse 20+21).
Sie
verherrlichten Gott für sein Rettungswerk unter den Nationen und gewiss auch
für deren hochherzige Gabe.
Leider aber
hatten sie kein Verständnis für das Evangelium, das dem Apostel Paulus enthüllt
worden war (Gal.1:12), das Evangelium der Unbeschnittenheit (Gal.2:7), das vom
Gesetz des Mose völlig getrennt ist (Röm.3:21). Paulus lehrte, dass
Beschneidung nichts ist (1.Kor.7:19) und dass in Christus Jesus weder
Beschneidung noch Unbeschnittenheit etwas vermögen, sondern nur der Glaube, der
durch die Liebe wirksam ist (Gal.5:6; siehe auch 5:2).
Selbstverständlich übten die gläubigen Juden ihren Glauben nach dem
Evangelium der Beschneidung, mit dem Petrus betraut war (Gal.2:7), im Rahmen
des Gesetzes aus. Das Gesetz an sich ist nicht aus Glauben, sondern wer alle
Gebote erfüllt, wird in ihnen leben (Gal.3:12). Das damalige Jerusalem war dem
Gesetz versklavt (Gal.4:25).
Jakobus und
die Ältesten hatten darüber nachgedacht, wie sie die Vorbehalte der Gläubigen
gegen Paulus abbauen könnten. Leider nicht durch die Belehrung, dass Christus
unter den Nationen ein anderes Evangelium verkündigen lasse, sondern durch die
Teilnahme des Paulus an einer zeremoniellen Handlung, die deutlich machen
sollte, dass er das Gesetz aufrecht erhielt. Gewiss tat er das, es erstreckt
sich aber nicht auf die Nationen und auch nicht auf die Juden, die Gott dem
Evangelium des Paulus zuordnet.
Der Vorschlag der Ältesten
So sagten
Jakobus und die Ältesten:
»Was ist nun zu tun? Zweifellos dürfte eine Menge
zusammenkommen; denn man wird hören, dass du gekommen bist. Daher tue das, was
wir dir sagen: Es sind vier Männer unter uns, die ein Gelübde auf sich genommen
haben. Diese nimm mit dir, lass dich mit ihnen läutern und trage die Kosten für
sie, damit sie sich das Haupt kahlscheren lassen. Dann werden alle erkennen,
dass nichts an dem ist, was ihnen über dich berichtet wurde, sondern dass auch
du die Grundregeln befolgst und selbst das Gesetz bewahrst. Was aber die
Gläubigen aus den Nationen betrifft, so hatten wir ihnen in einem Brief von
unserer Entscheidung geschrieben, sich vom Götzenopfer wie auch vom Blut, von
Ersticktem und von Hurerei zu bewahren« (Verse 22-25).
Die
Vorschriften für die, die das Gelübde taten, sich Jewe besonders zu weihen,
finden sich in 4.Mose 6. Am letzten Tag der Weihe oder Absonderung waren
bestimmte Opfer darzubringen und das Haupt scheren zu lassen.
Den Juden ein Jude
Paulus ging
auf die dringende Empfehlung ein. Lukas berichtet:
»Paulus nahm dann am nächsten Tag die Männer mit sich,
läuterte sich mit ihnen und ging in die Weihestätte hinein, um die völlige
Erfüllung der Tage der Läuterung kund zu machen, bis nämlich die Darbringung
für einen jeden von ihnen dargebracht wäre« (Vers 26).
So wurde
Paulus den Juden ein Jude, wie er es in 1.Korinther 9:19 bis 23 ausgeführt
hatte:
»Wiewohl ich
allen gegenüber frei dastehe, habe ich mich selbst allen versklavt, um die
Mehrzahl von ihnen zu gewinnen. So wurde ich den Juden wie ein Jude, damit ich
die Juden gewinne; denen unter dem Gesetz wurde ich wie einer unter dem Gesetz
(wiewohl ich selbst nicht unter Gesetz bin), damit ich die unter dem Gesetz
gewinne. Denen ohne Gesetz wurde ich wie einer ohne Gesetz (wiewohl ich nicht
ohne Gesetz vor Gott bin, sondern gesetzmäßig unter Christus), damit ich die
ohne Gesetz gewinne. Den Schwachen wurde ich wie ein Schwacher, damit ich die
Schwachen gewinne. Allen gegenüber bin ich alles geworden, damit ich auf jeden
Fall einige rette. Alles aber tue ich um des Evangeliums willen, damit ich
dessen Mitteilnehmer werde.«
Griechen in der Weihestätte
Dann geschah
Folgendes:
»Als der
Abschluss der sieben Tage bevorstand, schauten ihn die Juden aus der Provinz
Asien in der Weihestätte und brachten die gesamte Volksmenge in Verwirrung. Sie
legten die Hände an ihn und schrien: Männer, Israeliten, helft! Dies ist der
Mann, der überall und vor allen Menschen gegen das Volk, das Gesetz und diese
heilige Stätte lehrt. Dazu hat er auch noch Griechen in die Weihestätte geführt
und so diese heilige Stätte gemein gemacht. - Sie hatten nämlich vorher den
Epheser Trophimus mit ihm in der Stadt gesehen und meinten, dass Paulus ihn in
die Weihestätte geführt habe« (Verse 27-29).
Dies war am
vorletzten Tag der siebentägigen Dauer der Weihe oder Läuterung, die Paulus
mithin nicht vollzog.
Zum
Pfingstfest waren viele Auslandsjuden in Jerusalem. Ihre Feindschaft gegen
Paulus kam wieder voll zum Durchbruch. Gegen das Volk lehre er. Nein, die
Rettung in Christus Jesus ist aber auch für die aus den Nationen möglich, sogar
ohne dass sie Proselyten des Judentums werden müssen. Gegen das Gesetz rede
Paulus. Nein, denen aus den Nationen ist das Gesetz gar nicht gegeben
(Röm.2:14); sie stehen allein unter der Gnade (Röm.6:14). Gegen die Weihestätte
habe Paulus etwas. Nein, die Gläubigen aber haben jetzt Jesus Christus und
damit »einen Altar, von dem zu essen die keine Vollmacht haben, die dem
Stiftszelt Gottesdienst darbringen« (Heb.13:10).
Schließlich
wurden alle von der Empörung mitgerissen, als es hieß, dass Paulus
Unbeschnittene in die Weihestätte gebracht habe. Dies konnten selbst die an
Jesus gläubigen Juden nicht dulden. Nichtjuden durften sich nur in den Vorhöfen
aufhalten. Wer die niedrige Mauer um die Vorhöfe der Juden, den Soreg,
überschritt, war des Todes. Selbst wenn ein römischer Bürger sie durchschritten
hätte, hätten die Römer mit der Vollstreckung des Todesurteils nicht gezögert.
In Epheser
2:14 nimmt Paulus auf diese »Mittelmauer der Umfriedung« Bezug, und zwar im
Sinne einer im Fleisch bis dahin bestehenden Trennung zwischen Juden und
Nichtjuden innerhalb der paulinischen Gemeinden, innerhalb der Herausgerufenen,
die Christi Körper ist (Eph.1:22,23).
Sie suchten Paulus zu töten
»So war die
ganze Stadt in Bewegung, und es entstand ein Volksauflauf. Man ergriff Paulus
und zerrte ihn aus der Weihestätte hinaus, wo sofort die Türen verschlossen
wurden. Als man ihn zu töten suchte, kam zu dem Obersten der Truppe die Meldung
hinauf, dass ganz Jerusalem in Verwirrung sei. Dieser nahm unverzüglich Krieger und Hauptleute mit sich
und lief zu ihnen hinab. Als sie den Oberst und die Krieger gewahrten, hörten
sie auf, Paulus zu schlagen«
(Verse 30-32).
An der
Nordwestecke der Weihestätte stand die von König Herodes dem Großen erbaute
Burg Antonia, in der die römische Truppe, die während der Festtage auf tausend
Mann verstärkt worden war, stationiert war und von der aus sie den gesamten
Platz so gut überwachen konnte, dass den hasserfüllten Juden nicht genügend
Zeit blieb, Paulus zu töten.
Sie hatten
Paulus aus dem Vorhof Israels hinausgezerrt, weil darin niemand getötet werden
durfte (2.Kön.11:15). Übrigens wären die Krieger dort nicht eingedrungen. Der
Oberst, er hieß Klaudius Lysias (Ap.23:26), war ein Militärtribun und ein
Chiliarchos, ein Tausendschaftsführer; er hatte mindestens zwei Hauptleute,
Centurionen, Hundertschaftsführer, mit sich genommen, und mithin nicht weniger
als zweihundert Krieger.
So wurde die
Bitte des Apostels Paulus, dass er vor den Widerspenstigen in Judäa geborgen
werde, von seinem treuen Gott und Vater erhört (Röm.15:31).
Paulus wurde zur Burg gebracht
»Dann näherte
sich der Oberst, ließ ihn ergreifen und befahl, ihn mit zwei Ketten zu binden.
Darauf erkundigte er sich, wer er sei und was er getan habe. Einige aus der
Volksmenge riefen ihm dies zu, andere etwas anderes. Da er wegen des Tumults
nichts Gewisses erfahren konnte, befahl er, ihn in die Burg zu führen. Als er
sich auf den Stufen befand, ereignete es sich, dass er wegen der Gewalt der
nachdrängenden Volksmenge von den Kriegern getragen werden musste; denn eine
Menge Volks folgte ihnen und schrie: Hinweg mit ihm!« (Verse 33-36).
»Hinweg mit
ihm!« - Dies erinnert uns an das Schreien des Volkes 24 Jahre zuvor, als sie
mit nahezu denselben Worten den Tod Jesu forderten.
Des Paulus Bitte
»Doch Paulus,
im Begriff, sich in die Burg hineinführen zu lassen, fragte den Oberst: Ist es
mir erlaubt, etwas zu dir zu sagen? - Dieser entgegnete: Du kannst Griechisch?
Demnach bist du nicht der Ägypter, der vor diesen Tagen die viertausend Mann
der Dolchmänner aufgewiegelt und in die Wildnis hinausgeführt hat? - Paulus
antwortete: Nein, ich bin ein jüdischer Mann aus Tarsus, Bürger einer nicht
unbedeutenden Stadt Ciliciens. Ich flehe dich daher an, gestatte mir, zu dem
Volk zu sprechen!« (Verse 37-39).
Welch eine
Wendung die Ereignisse doch nahmen! Paulus war gerettet! Und hatte sogar
Gelegenheit, den Oberst anzusprechen! - Der Lobpreis und die Verherrlichung sei
dem Gott und Vater unseres Herrn Jesus Christus, der dies alles bewirkt hatte!
Über den
ägyptischen Aufrührer und seine Anhänger, die Jerusalem erobern wollten,
berichtet auch Josephus Flavius in seinen Büchern
»Geschichte des Jüdischen Krieges«, II 13,5, und
»Jüdische Altertümer«, XX 8,6.
Die Rede des Paulus an seine Nation
(Apostelgeschichte
21:40-23:11)
Paulus war von der römischen Truppe aus den
Händen der fanatischen Juden, die ihn töten wollten, gerettet worden. Auf den
Stufen der Burg Antonia an der Nordwestecke der Weihestätte bat er den Oberst,
zu dem Volk sprechen zu dürfen.
Die
Erlaubnis
»Als er es
gestattete, winkte Paulus, auf den Stufen stehend, dem Volk mit der Hand zu.
Nachdem weithin Schweigen eingetreten war, rief er ihnen in hebräischer Mundart
zu: Männer, Brüder und Väter, hört nun meine Verteidigung vor euch! - Als sie
hörten, dass er ihnen in hebräischer Mundart zurief, gewährten sie ihm noch
mehr Stille« (Ap.21:40-22:2).
Der Oberst
erlaubte Paulus, zu seiner Nation zu reden. Gott, der das Herz der Menschen wie
Wasserbäche lenkt, hatte dies bewirkt (Spr.21:1; Eph.1:11).
Weiteres fast
Unvorstellbares geschah. Die Geste des Paulus beendete den Tumult. Die von ihm
gewählte Sprache ließ Stille eintreten. Paulus redete hebräisch, in der
Sprache, in der die Juden untereinander sprachen, der Sprache von alters her,
der Sprache der Heiligen Schrift (Joh.19:20; Ap.26:14).
So konnte
Paulus nun seine überhaupt einzige Ansprache an das jüdische Volk halten. Sie
war sein persönliches Zeugnis für Jesus und darüber, wie der Herr Sich ihm in
der Gnade offenbart hatte. Sie gliederte sich in drei Teile: 1. sein Wandel vor
seiner Berufung (Verse 3-5), 2. seine Berufung vor Damaskus (Verse 6-16), 3.
sein Auftrag (Verse 17-21). Zum letzten Mal hörte das längst verworfene Israel
(Mat.21:19; Ap.18:6; Röm.11:15; 1.Thess.2:16), das seinen Abfall an jenem Tag
nur noch bestätigte, dass Jesus, der Gekreuzigte, der Auferstandene und der
Messias ist.
Die Anrede:
»Männer, Brüder und Väter«, die auch Stephanus gebraucht hatte (Ap.7:2), war
frei von jedem Vorwurf an sie, die ihn gerade hatten lynchen wollen. So kann
nur ein Mensch handeln, dem Gnade widerfahren ist. »Eine gelinde Antwort wendet
den Zorn ab«, ist in Sprüche 15:1 zu lesen.
Zu den Füßen Gamaliels
»Dann erklärte
er: Ich bin ein jüdischer Mann, geboren in Tarsus in Cilicien, aber
aufgewachsen in dieser Stadt: Zu den Füßen Gamaliels wurde ich in genauer
Auslegung des väterlichen Gesetzes unterwiesen und war ein Eiferer für Gott, so
wie ihr alle es heute seid« (Vers 3).
Gamaliel war
ein in Israel allseits anerkannter und hochgeschätzter Gesetzeslehrer. Als
Mitglied des Synedriums hatte er einst den Rat gegeben, die zwölf Apostel nicht
hinrichten zu lassen, und zwar mit dem Argument: Wenn deren Ratschluss oder
Werk von Menschen ausgeht, wird es zerstört werden, »wenn es aber aus Gott ist,
werdet ihr sie nicht zerstören können - damit ihr nicht gar als gegen Gott
kämpfend erfunden werdet!« (Ap.5:33-39). - Im Alter von etwa zehn bis zwölf
Jahren könnte Paulus in die Schule des Gamaliel gekommen sein.
Paulus war ein Verfolger der an Jesus Gläubigen
Paulus sprach
weiter: »Als solcher verfolgte ich Männer wie auch Frauen dieses Weges bis auf
den Tod, indem ich sie binden ließ und in die Gefängnisse überantwortete, wie
es mir auch der Hohepriester und die gesamte Ältestenschaft bezeugen kann. Von
ihnen empfing ich auch Briefe an die Brüder und zog nach Damaskus, um auch die,
die dort waren, gebunden nach Jerusalem zu führen, damit sie bestraft würden«
(Verse 4+5).
Paulus
betonte, dass er einst genauso für Gott eiferte wie die Mehrzahl seiner Zuhörer
jetzt und mithin volles Verständnis für ihre Feindschaft habe. Seinen Eifer
habe er bewiesen durch die Verfolgung der Menschen »dieses Weges« - das ist ein
Ausdruck für den Glaubensweg (vgl. Ap.9:2), der vermutlich auf das Wort Jesu
zurückgeht: »Ich bin der Weg, die Wahrheit und das Leben« (Joh.14:6; auch zu
verstehen im Sinne von: Ich bin der wahre und lebendige Weg).
Die Berufung des Paulus vor Damaskus
Da die Juden
Zeichen vom Himmel fordern (1.Kor.1:22), muss Paulus seine göttliche
Beglaubigung anführen. Seine Berufung wird übrigens dreimal in der
Apostelgeschichte berichtet, in Kapitel 9:1-19, in unserem Kapitel 22:3-16 und
in Kapitel 26:9-18. Welch eine Umwälzung seines gesamten Glaubens und
Verhältnisses zu Gott Paulus nun zu verarbeiten gehabt hatte! Sein stolzes
religiöses Ich war tödlich getroffen! Und das Licht Jesu Christi erfüllte ihn!
»Als ich mich
auf meiner Reise Damaskus näherte, geschah es, dass mich gegen Mittag
unversehens ein grelles Licht aus dem Himmel umstrahlte. Da fiel ich zu Boden
und hörte eine Stimme zu mir sagen: Saul, Saul, was verfolgst du Mich? - Ich
aber antwortete: Wer bist Du, Herr? - Er sagte zu mir: Ich bin Jesus, der
Nazarener, den du verfolgst! - Die mit mir waren, schauten zwar das Licht,
hörten aber nicht die Stimme dessen, der mit mir sprach. Dann fragte ich: Was
soll ich tun, Herr? - Da sagte der Herr zu mir: Steh auf, geh nach Damaskus!
Und dort wird man zu dir über alles sprechen, was dir zu tun verordnet ist«
(Verse 6-10).
Niemals zuvor
hatte Paulus eine solche Gelegenheit, das Erscheinen Jesu des Messias und seine
Berufung zu bezeugen. Dass er Jesus als den Christus verkündigte, erregte nicht
den Widerspruch der Menge, weil diese Lehre inzwischen weitgehend toleriert
wurde und die ihr Anhängenden als eine jüdische Sekte angesehen wurden, zumal
sie ja alle Eiferer für das Gesetz waren (Ap.21:20).
Auf ein Detail
sei noch kurz eingegangen: Die Reisebegleiter des Paulus hörten nicht die
Stimme dessen, der zu ihm sprach. Nun steht in Apostelgeschichte 9:7
geschrieben, dass sie die Stimme hörten. Da das griechische Wort für Stimme,
phonê, im Grunde Geräusch und Ton bedeutet, hörten die Begleiter also das
Stimmengeräusch, nicht aber die eigentliche Stimme. Die Erscheinung und die
Worte waren allein für Paulus bestimmt. Gott erschien es wohl, Seinen Sohn in
Paulus zu enthüllen (Gal.1:16).
Des Ananias Zuspruch in Damaskus
Paulus fuhr
fort: »Als ich infolge der Herrlichkeit jenes Lichtes nichts erblickte, wurde
ich von denen, die mit mir waren, an der Hand geleitet und kam so nach
Damaskus. Ein gewisser Ananias aber, ein ehrfürchtiger Mann nach dem Gesetz,
dem von allen dort wohnenden Juden Gutes bezeugt wird, kam zu mir. Und
herzutretend sagte er zu mir: Saul, Bruder, blicke auf! Und zu derselben Stunde
blickte ich zu ihm auf. Weiter sagte er: Der Gott unserer Väter hat dich dazu
bestimmt, Seinen Willen zu erkennen, den Gerechten zu gewahren und die Stimme
aus Seinem Mund zu hören; denn du sollst ihm für alle Menschen ein Zeuge dessen
sein, was du gesehen hast und noch hörst. Und nun, was zögerst du? Steh auf,
lass dich taufen und dir die Sünden abwaschen und rufe Seinen Namen an!« (Verse
11-16).
Paulus betonte
mit Rücksicht auf seine Zuhörer, dass er weitere Gottesworte durch einen
gesetzestreuen Juden empfing. Dieser Ananias hatte dem erblindeten Saulus am
dritten Tag die Hände aufgelegt, sodass er wieder sehend wurde (Ap.9:9,17).
Den Willen
Gottes sollte Paulus erkennen, den Heilswillen in Christus Jesus, der Sich zur
Rettung aller Menschen dahingegeben hatte. Den Gerechten hatte Paulus gewahrt.
Paulus war der einzige, der den Herrn in Seiner überhimmlischen Herrlichkeit
gewahrt hatte, und auch der bislang letzte, der Ihn gewahrte (1.Kor.15:8). Zur Zeit kann Ihn ja niemand sehen, weil die
gegenwärtige heilsgeschichtliche Verwaltung im Glauben und nicht im Schauen
besteht (1.Tim.1:4; 2.Kor.5:7) und weil Jesus in einem unzugänglichen Licht
wohnt (1.Tim.6:10). Erst am Tag Christi, am Tag unserer Verwandlung (für die
Entschlafenen schließt sie die Auferstehung ein; 1.Kor.15:51,52) und Entrückung
werden wir Ihn sehen und für immer bei Ihm sein (1.Thess.4:17).
Eine weitere Offenbarung
Drei Jahre
nach seiner Berufung vor Damaskus - die Zwischenzeit hatte er in Arabien
verbracht - war Paulus nach Jerusalem hinaufgezogen und Kephas und den anderen
Aposteln sowie Jakobus, dem Bruder des Herrn, begegnet (Ap.9:26,27;
Gal.1:17-19). Bei dieser Anwesenheit in Jerusalem hatte Paulus eine weitere
Offenbarung. Darauf kam er nun zu sprechen:
»Als ich nach
Jerusalem zurückkehrte und in der Weihestätte betete, geschah es, dass ich in
Verzückung geriet und Ihn wahrnahm, der mir gebot: Eile und geh schnell aus
Jerusalem hinaus, weil sie dein Zeugnis für Mich nicht annehmen werden. Da
entgegnete ich: Herr, sie selbst wissen darüber Bescheid, dass ich es war, der
die an Dich gläubig Gewordenen einkerkern und überall in den Synagogen
auspeitschen ließ. Und als das Blut Deines Zeugen Stephanus vergossen wurde, da
war ich selbst es, der dabeistand und mit den anderen daran Wohlgefallen hatte
und die Obergewänder derer bewachte, die ihn hinrichteten. - Doch Er sagte zu
mir: Geh, denn Ich werde dich in die Ferne zu den Nationen hinausschicken!«
(Verse 17-21).
Einst hatte Paulus
noch gemeint, dass die Menschen sein Zeugnis - das so überwältigende Zeugnis
des schärfsten Gegners Jesu - doch annehmen würden. Aber schon damals hatten
sie sich nicht überzeugen lassen, sondern suchten Paulus zu ermorden (Ap.9:29),
sodass er auf des Herrn Anweisung und den Rat der Brüder hin Jerusalem verließ.
Jetzt teilte
Paulus den Juden mit, was Jesus zu ihm gesagt hatte, dass sie nämlich sein
Zeugnis für Ihn nicht annehmen würden. Dabei müssen sie gespürt haben, dass
ihre Feindschaft wider Paulus sich im Grunde gegen Jesus richtete. Und nun war
ihre Verblendung grenzenlos. Sie konnten mit den Ohren zwar hören, aber mit dem
Herzen gar nicht mehr und wurden wütend,
- weil sie die Gerechtigkeit
Gottes nicht kannten und ihre eigene Gerechtigkeit aufzustellen suchten
(Röm.10:3),
- weil Gott sie verstockt
und verworfen hatte (Röm.11;7,15),
- weil jetzt voll zum Tragen
gekommen war, dass - wie der Herr gesagt hatte - Satan ihr Vater war
(Joh.8:43-47)
- und weil das Zeugnis des
Paulus so glaubwürdig und unwiderlegbar war und ihre Verworfenheit sie deshalb
so gewaltig anklagte, dass nur die Beseitigung des Paulus - wie sie meinten -
ihrem Gewissen wieder etwas Erleichterung verschaffen konnte.
Noch hatten
sie dem Paulus zugehört, aber bei seinen Worten: »... in die Ferne zu den
Nationen ...« entlud sich ihre Wut. Es war ihnen unerträglich, dass der Segen
Jesu - wenn Er schon der Messias sein sollte - anderen Nationen als der
auserwählten zuteil werden können sollte.
Israel sollte
ein Segenskanal für die anderen Nationen sein, aber sie wollten alles für sich
behalten und gönnten den Nationen nichts. Sie waren wie der Sklave, dem eine
Riesenschuld von zehntausend Talenten erlassen wurde, der aber einem Mitsklaven
eine sehr geringe Schuld nicht erließ und dem der Schuldenerlass wieder
rückgängig gemacht wurde. Darum ist Israel verworfen, ebenso wie der Schuldner
im Gleichnis in die Hände der Folterknechte gegeben wurde (Mat.18:23-35). Keine
Barmherzigkeit gewährt Gott im Gericht dem, der selber keine Barmherzigkeit
übte (vgl. Jak.2:13).
»Bis zu diesem Wort«
Wir greifen
den letzten Satz des Paulus nochmals auf (Vers 21) und lesen Vers 22 dazu:
»Doch Er sagte
zu mir: Geh, denn Ich werde dich in die Ferne zu den Nationen hinausschicken! -
Bis zu diesem
Wort hörten sie ihn an, dann aber erhoben sie ihre Stimme und riefen: Hinweg
von der Erde mit einem solchen; denn zu leben gebührt ihm nicht!«
Zu den
Nationen, den verachteten Hunden, ohne sie zu Proselyten zu machen? Nein, dem
Volk Israel allein gebührt der Segen des Messias! Wer die Nationen nicht unter
das Gesetz bringt, ist gegen Israel! Hinweg mit Paulus! Den Tod verdient er!
Auf diese
Weise bekräftigte Israel seine Feindschaft gegen den Herrn Jesus Christus und
besiegelte damit den Untergang, der im Jahre 70 n. Chr. eintrat. Indem sie
Paulus verwarfen, verwarfen sie Jesus, den Gerechten, und Sein Königreich, das
Er einer anderen Nation, nämlich der wiedergezeugten Nation Israel, geben wird,
die die Früchte des Königreichs hervorbringen wird (Mat.21:41,43; 22:9;
Mark.12:9; Heb.8:8,9).
Der Oberst
wollte Paulus vernehmen lassen
»Als sie so
schrien, ihre Obergewänder wegschleuderten und Staub in die Luft warfen, befahl
der Oberst, ihn in die Burg zu führen, und sagte, man solle ihn unter Geißelung
vernehmen, um zu erfahren, aus welcher Ursache sie ihm dies so laut zuriefen«
(Verse 23+24).
Der Oberst
hatte Paulus die Chance gegeben, die Menge zu beruhigen; als das Gegenteil
eintrat, kam in ihm der Verdacht auf, dass dieser Mann ein schweres Verbrechen
begangen haben musste. Deshalb wollte er ihn unter Geißelung vernehmen lassen.
Bei dieser Tortur starben manche, und viele blieben zeitlebens Krüppel.
»Als man ihn
bereits mit Riemen ausgestreckt hatte, sagte Paulus zu dem dabeistehenden
Hauptmann: Ist es euch erlaubt, einen Mann, der Römer ist, auch unverurteilt zu
geißeln? - Sobald der Hauptmann das hörte, ging er zu dem Oberst, berichtete
ihm das und sagte: Was hast du vor zu tun? Denn dieser Mann ist ein Römer! - Da
trat der Oberst herzu und fragte ihn: Sage mir, bist du ein Römer? - Er
entgegnete: Ja! - Darauf antwortete der Oberst: Ich habe mir dieses Bürgerrecht
mit einer großen Summe erworben. - Paulus aber erklärte: Ich jedoch bin so
geboren! - Die im Begriff waren, ihn zu vernehmen, entfernten sich nun sofort
von ihm. Und auch der Oberst fürchtete sich, als er erfuhr, dass er ein Römer
sei, weil er ihn hatte binden lassen« (Verse 25-29).
Paulus berief
sich auf sein Bürgerecht; Römer durften nicht unverurteilt gegeißelt werden.
Der Oberst
will den Fall klären
»Da er aber
beabsichtigte, Gewisses darüber zu erfahren, welchen Vergehens er von den Juden
angeklagt wurde, löste er ihm tags darauf die Ketten und befahl, dass die
Hohenpriester und das gesamte Synedrium zusammenkommen sollten. Dann ließ er
Paulus hinabführen und unter sie treten« (Vers 30).
Der Oberst
wollte sich Klarheit über den Fall verschaffen. Da der Statthalter (Prokurator)
der Provinz Judäa, Felix, der in Cäsarea residierte, nicht in Jerusalem
anwesend war, war der Oberst Klaudius Lysias der höchste Vertreter Roms mit der
Vollmacht, das Synedrium einzuberufen. Falls Paulus nur gegen jüdische Gesetze
verstoßen haben sollte, konnte er ihn dem Synedrium übergeben.
Paulus vor dem Synedrium
Nachdem der Oberst den Paulus vor das
Synedrium hatte führen lassen, war Paulus es, der das Wort ergriff, nicht das
Synedrium, mit dem er wohl schon abgeschlossen hatte.
»Paulus aber
sah das Synedrium fest an und sagte: Männer, Brüder! Ich habe mit allem guten
Gewissen bis auf diesen Tag als Bürger für Gott gewandelt. - Darauf gebot der
Hohepriester Ananias denen, die bei ihm standen, ihn auf den Mund zu schlagen.
Da sagte Paulus zu ihm: Gott ist im Begriff, dich zu schlagen, du getünchte
Wand! Du sitzt hier, um mich nach dem Gesetz zu richten; doch gesetzwidrig
befiehlst du, mich zu schlagen! - Darauf sagten ihm die Dabeistehenden: Du
beleidigst den Hohenpriester Gottes? - Paulus entgegnete: Ich wusste nicht,
Brüder, dass er der Hohepriester ist; denn es steht geschrieben: Gegen einen
Oberen deines Volkes sollst du nicht übel reden« (Ap.23:1-5).
Paulus redete
das Synedrium mit »Männer, Brüder« an, was sie ja tatsächlich auch waren, nicht
aber mit »Väter«, wie er es tags zuvor gegenüber dem Volk getan hatte; diese
Anrede gebührte ihnen nicht.
Paulus
verteidigte sich als römischer Bürger in einer von einem Römer geleiteten
Versammlung. Er sprach griechisch, was alle verstanden. Sogleich zu Anfang
betonte er, dass er allezeit als Bürger, und zwar als römischer Bürger, mit
gutem Gewissen zur Verherrlichung Gottes wandelte. Dies alles ärgerte den
Hohenpriester Ananias so sehr, in dessen Augen Paulus ein entsetzlicher Ketzer
war, dass er befahl, ihm auf den Mund zu schlagen.
Auf sein gutes
Gewissen legte Paulus großen Wert, in seinen Briefen zum Beispiel in
2.Korinther 1:12: »Denn dies ist unser Rühmen: das Zeugnis unseres Gewissens,
dass wir uns in der Heiligkeit und Aufrichtigkeit Gottes (nicht in
fleischlicher Weisheit, sondern in der Gnade Gottes) der Welt und ganz
besonders euch gegenüber verhalten haben.« Und in wenigen Tagen wird er vor dem
Statthalter Felix sagen: »In alldem bemühe auch ich mich, allezeit ein gutes
Gewissen zu haben, unanstößig bei Gott und den Menschen« (Ap.24:16).
Der
Hohepriester Ananias, nach Josephus Flavius ein skrupelloser Mensch, hatte das
Gesetz des Mose ganz und gar nicht im Sinn, das da sagte: »Ihr sollt im Gericht
kein Arg tun« (3.Mose 19:15). Ohne Anhörung durfte niemand gerichtet werden
(Joh.7:51).
Der Apostel
nannte den Hohenpriester eine getünchte Wand, also einen Menschen ohne
Substanz, bei dem alles nur Fassade ist. Die Prophezeiung des Paulus, dass Gott
den Ananias schlagen würde, erfüllte sich mit seiner Ermordung durch jüdische Aufständische zu Beginn des
Jüdischen Krieges im Jahre 66 n. Chr.
Paulus hatte
nicht gewusst, dass er der Hohepriester war. Da die Römer dieses Amt immer
wieder einmal neu besetzten, musste ein Jude, der mehrere Jahre im Ausland war,
den Hohenpriester, auch wenn er dessen Namen wusste, nicht unbedingt kennen. Im
Übrigen weilte Ananias ja nicht in Amtstracht in dieser Versammlung.
Auf den
Hinweis, dass jener der Hohepriester sei, antwortete Paulus dem Sinn nach, dass
er ihn nicht geschmäht hätte, wenn er von seiner Amtswürde gewusst hätte. In
2.Mose 22:27,28 steht geschrieben: »Die Schiedsrichter (wörtlich: die elohim,
das heißt die Unterordner) sollst du nicht verhöhnen, und einen Fürsten unter
deinem Volk sollst du nicht verfluchen« (vgl. Pred.10:20).
Pharisäer und Sadduzäer
»Da dem Paulus
bekannt war, dass der eine Teil Sadduzäer, der andere aber Pharisäer waren,
rief er laut im Synedrium aus: Männer, Brüder! Ich bin ein Pharisäer und ein
Sohn von Pharisäern. Wegen unserer Erwartung und der Auferstehung der Toten
werde ich hier gerichtet! - Als er dies gesagt hatte, entstand ein Aufruhr
unter den Pharisäern und Sadduzäern, und die Menge spaltete sich, weil nämlich die Sadduzäer sagen, es
gebe keine Auferstehung, auch keine Boten noch Geister. Die Pharisäer dagegen
bekennen sich zu beidem« (Verse 6-8).
Eine sachliche
Befragung mit dem Ergebnis der Formulierung einer Anklageschrift, mit der der
Oberst etwas anfangen konnte, war nicht zu erwarten. So trieb Paulus einen Keil
zwischen seine Ankläger. Und sofort griffen die Pharisäer und Sadduzäer ihren
Dauerstreit wieder auf. Ananias war übrigens Sadduzäer. Diesen hatte unser Herr
Jesus Christus einstmals den Mund gestopft. Er bewies ihnen mit den Worten der
Schrift, wonach Gott Sich als der Gott Abrahams, Isaaks und Jakobs bezeichnet,
dass sie auferstehen müssen, denn sonst wäre Gott ja ein Gott der Toten
(Mat.22:23-32; Mark.12:18-27).
Mit seinen Worten: »Wegen unserer Erwartung und der
Auferstehung der Toten werde ich hier gerichtet« sprach Paulus nicht zwei Dinge
an, sondern gebrauchte die Redefigur Hendiadyoin (auch: Hendiadys), mit der
eine Sache durch zwei Begriffe ausgedrückt wird. Das Eine nur, von dem er
sprach, war »unsere Erwartung der Auferstehung der Toten«. In der Antike war es
aber sehr beliebt, die reihende Verbindung durch ein »und« herzustellen.
Wir lesen weiter: »So entstand ein großes
Geschrei, einige Schriftgelehrte von der Partei der Pharisäer standen auf,
zankten heftig miteinander und sagten: Wir finden nichts Übles an diesem Mann.
Wenn aber ein Geist oder ein Bote zu ihm gesprochen hat ...?« (Vers 9).
Manch ein
Pharisäer empfand wohl mehr Übereinstimmung mit Paulus als mit den Sadduzäern.
»Als nun der
Aufruhr immer größer wurde, befürchtete der Oberst, Paulus möchte von ihnen
zerrissen werden. Daher befahl er einer Abteilung Krieger, herabzukommen, ihn
aus ihrer Mitte herauszureißen und in die Burg zu führen« (Vers 10).
Wieder war
Paulus in größter Gefahr. Bald hätten ihn die Juden in Stücke zerrissen. Der
Oberst aber hatte das Leben dieses römischen Bürgers zu schützen. Und wieder
wurde Paulus von den Römern gerettet.
Mögen wir über
Israel weinen wie einst unser Herr Jesus Christus über Jerusalem schluchzte und
sagte: »Wenn doch auch du, und zwar an diesem Tage erkennen würdest, was zu
deinem Frieden dient! Nun aber wurde es vor deinen Augen verborgen«
(Luk.19:42).
Der Oberst war
immerhin ein klein wenig klüger als zuvor geworden, da er jetzt wusste, dass
Paulus kein Verbrecher war, sondern wegen Streitfragen des Gesetzes der Juden
angefeindet wurde.
»Fasse Mut!«
»In der darauffolgenden
Nacht trat der Herr zu ihm und sagte: Fasse Mut; denn wie du in Jerusalem für
Mich Zeugnis abgelegt hast, so musst du auch in Rom Mein Zeuge sein« (Vers 11).
Paulus war
zwar in dem an ihn ergangenen prophetischen Wort gefestigt, dass ihn in Jerusalem
nur Bande und Drangsale erwarteten (Ap.20:23), was sich nun erfüllt hatte, und
sein Gebet und die Fürbitte der Gläubigen in Rom, dass er vor den
Widerspenstigen in Judäa geborgen werde (Röm.15:31), war zwar erhört worden,
aber nach diesen spannungsreichen und äußerst gefährlichen Tagen war Paulus
entmutigt. Seine Lage war aussichtslos. Er bedurfte des Zuspruchs seines Herrn.
Und Jesus
ermutigte ihn.
Zugleich
bestätigte der Herr ihm, dass er in Jerusalem in rechter Weise Zeugnis abgelegt
habe, und bedeutete ihm, dass dieser Dienst jetzt abgeschlossen war. Nun aber
war Jerusalem dem Gericht verfallen, wie der Herr gesagt hatte: »Sie werden
durch des Schwertes Schneide fallen und unter alle Nationen gefangen weggeführt
werden. Und Jerusalem wird von den Nationen getreten werden, bis die Fristen
der Nationen erfüllt sind« (Luk.21:24). Auch dies musste Paulus sehr bedrückt
haben (Röm.9:2).
Besonders
ermutigend war wohl die Zusage des Herrn an Paulus, dass er nach Rom gelangen
werde, mithin bis dahin überleben würde, und dort weitere Dienste als Zeuge
Jesu Christi tun werde. So bekräftigte der Herr, was dem Paulus bereits bekannt
war, dass er nämlich in der Vervollständigung des Segens Christi nach Rom
kommen werde (Röm.15:29).
(Apostelgeschichte
23:12-24:27)
Der Apostel Paulus befand sich in der Burg
Antonia im Gewahrsam der römischen Truppe. In der Nacht hatte der Herr Jesus
Christus ihm zugesprochen und ihn ermutigt.
Das Komplott
»Als es Tag
wurde, schmiedeten die Juden ein Komplott und verschworen sich, weder zu essen
noch zu trinken bis sie Paulus getötet hätten. Es waren aber mehr als vierzig,
die an dieser Verschwörung beteiligt waren. Diese gingen zu den Hohenpriestern
und Ältesten und sagten: Wir haben uns mit einem Bann verschworen, nichts zu
essen, bis wir Paulus getötet haben. Daher werdet nun ihr zusammen mit dem
Synedrium bei dem Oberst vorstellig, dass er ihn zu euch hinabführe, als hättet
ihr vor, seine Angelegenheit näher zu untersuchen. Wir aber halten uns bereit,
ihn zu ermorden, bevor er sich euch nähert« (Verse 12-15).
Lukas
berichtet von diesem Vorhaben der Verschwörer in einer Weise, dass auf dem
Hintergrund des in den letzten Tagen explodierten Hasses der Juden gegen Paulus
kein Zweifel daran bestehen kann, dass die Hohenpriester und Ältesten den Plan
sehr willkommen hießen. Welch eine ruchlose Gesinnung!
Wieder
erfüllte sich, was in Psalm 31:14 geschrieben steht: »Indem sie sich allesamt
gegen mich zusammenschließen, planen sie, meine Seele zu nehmen.« Und dabei
meinten die Hasser des Paulus, Gott damit einen Dienst zu tun, wie der Herr es
angekündigt hatte (Joh.16:2).
Unter diesen
Umständen war die Burg für Paulus eher eine Schutzwehr als sein Gefängnis. Die
Verschwörer übrigens mussten nicht verhungern, da man nach dem Talmud von einem
Schwur auch entbunden werden konnte.
Die Aufdeckung der Mordabsicht
»Der Sohn der
Schwester des Paulus hörte aber von dem Hinterhalt, kam zur Burg, ging hinein
und berichtete es Paulus. Da ließ Paulus einen der Hauptleute zu sich rufen und
erklärte ihm: Führt diesen jungen Mann zum Oberst hin; denn er hat ihm etwas zu
berichten. - Der nahm ihn nun mit sich und führte ihn zum Oberst, wo er
erklärte: Der Häftling Paulus ließ mich zu sich rufen und ersuchte mich, diesen
jungen Mann zu dir zu führen, weil er dir etwas zu berichten habe. - Da ergriff
der Oberst seine Hand und zog sich mit ihm zurück. Als sie für sich allein
waren, erkundigte er sich: Was ist es, das du mir zu berichten hast? - Er
antwortete: Die Juden sind übereingekommen, dich zu ersuchen, du mögest Paulus
morgen in das Synedrium hinabführen lassen, als hätte man vor, sich in seiner
Angelegenheit etwas genauer zu erkundigen. Lass du dich dann nicht von ihnen
überreden, denn auf ihn lauern mehr als vierzig Männer von ihnen, die sich
verschworen haben, weder zu essen noch zu trinken, bis sie ihn ermordet hätten.
Sie sind nun schon bereit und schauen nach deiner Zusage aus. - Dann entließ
der Oberst den jungen Mann und wies ihn an, niemandem auszuplaudern, "dass
du mir dies offenbart hast"« (Verse 16-22).
Als römischer
Bürger wurde Paulus in ehrenhaftem Gewahrsam gehalten, wobei er auch Besuch
empfangen durfte. Sein Neffe hatte wertvolle Beziehungen. Da der Oberst seinen
Gefangenen, für den er verantwortlich war, nicht länger der fanatischen
Atmosphäre der Stadt Jerusalem aussetzen konnte, traf er unverzüglich die
nachstehende Entscheidung.
Der Brief des Klaudius Lysias
»Danach rief
er zwei Hauptleute zu sich und sagte: Haltet zweihundert Krieger bereit, dass sie bis nach Cäsarea
ziehen, dazu siebzig Reiter und zweihundert Schleuderer, von der dritten Stunde
der Nacht an. Auch sollen Reittiere bereitgestellt werden, um Paulus aufsteigen
zu lassen und ihn sicher zum Statthalter Felix zu bringen.
Dazu schrieb
er einen Brief, der diese Fassung hatte: Klaudius Lysias an den hochgeehrten
Statthalter Felix: Freue dich! Diesen Mann, der von den Juden ergriffen wurde
und dem bevorstand, von ihnen ermordet zu werden, riss ich, mit einer Abteilung
herzutretend, aus ihrer Mitte heraus, als ich erfuhr, dass er ein Römer sei. In
der Absicht, nun die Schuld zu erfahren, deren man ihn bezichtigte, ließ ich
ihn in ihr Synedrium hinabführen. Ich fand, dass man ihn nur aufgrund gewisser
Streitfragen über ihr Gesetz bezichtigte, dass man aber keine Bezichtigung
gegen ihn hatte, die den Tod oder Fesseln verdiene. Da mir eröffnet wurde, dass
ein Anschlag gegen den Mann geplant sei, habe ich ihn unverzüglich zu dir
gesandt und auch die Verkläger angewiesen, vor dir gegen ihn auszusagen. Lebe
wohl!« (Verse 23-30).
Dieser Bericht
war in der Hauptsache sachgerecht, wenn auch der Oberst in puncto der Rettung
eines römischen Bürgers vor den Juden sich selbst ohne Rücksicht auf die
Wahrheit in ein günstiges Licht rückte. Der Oberst hatte nicht vor, sondern
erst nach der Rettung des Paulus von dessen Bürgerrecht erfahren (Ap.22:27).
Der Brief machte aber deutlich, dass Paulus schuldlos war.
Ankunft in Cäsarea
»Gemäß der
ihnen erteilten Anordnung nahmen die Krieger dann Paulus mit und führten ihn im
Laufe der Nacht nach Antipatris. Tags darauf aber ließen sie die Reiter mit ihm
gehen und kehrten in die Burg zurück. Als jene nach Cäsarea kamen und dem
Statthalter den Brief übergaben, stellten sie ihm auch Paulus vor. Nachdem er
den Brief gelesen und ihn gefragt hatte, aus welcher Provinz er sei, und
erfuhr, dass er aus Cilicien stamme, erklärte er: Ich werde dich verhören, wenn
auch deine Verkläger angekommen sind. - Dann befahl er, dass er im Prätorium
des Herodes bewacht werde« (Verse 31-35).
Antonius Felix
war Prokurator der Provinz Judäa mit Sitz in Cäsarea von 52 bis 58 n. Chr.
Seine erste Frage war, aus welcher Präfektur Paulus stamme, damit er nicht etwa
in eine andere Zuständigkeit eingreife. Aber Cilicien war keine benachbarte
Provinz, außerdem war der Rechtsfall in Jerusalem aufgekommen und im Übrigen
konnte Felix die Juden nicht verärgern, indem er ihnen zumutete, ihre Anklage
in einer weit entfernten Präfektur vorzubringen.
Die Ankläger vor Felix
»Nach fünf Tagen
kam der Hohepriester Ananias mit einigen Ältesten und einem gewissen Redner
Tertullus herab, die bei dem Statthalter gegen Paulus vorstellig wurden. Sobald
man diesen gerufen hatte, begann Tertullus ihn anzuklagen und sagte: Dass wir
durch dich weithin Frieden erlangt haben und dieser Nation durch deine
vorbedachte Fürsorge viele Verbesserungen zuteil werden, allseitig wie auch
überall, heißen wir mit allem Dank willkommen, hochgeehrter Felix. Damit ich
dich aber nicht noch länger aufhalte, spreche ich dir zu, nach deiner
Lindigkeit anzuhören, was wir in aller Kürze zu sagen haben. Denn wir haben
diesen Mann als eine Pest befunden und als einen, der alle Juden auf der
Wohnerde zu Aufständen bewegt, auch ist er ein Rädelsführer der Sekte der
Nazarener, der sogar versucht hat, die Weihestätte zu entheiligen; dabei haben
wir ihn gefasst. Wenn du ihn ausforschst, wirst du selbst von ihm von alldem
erfahren können, weswegen wir ihn anklagen. - Dem stimmten auch die Juden bei
und gaben vor, dass dies sich so verhalte« (Ap.24:1-9; Vers 7 nicht in den
ältesten Kodizes).
Die
Schmeichelei des Anwalts Tertullus war völlig unbegründet, denn Felix übte sein
Amt als Regent mit der Einstellung eines Sklaven aus, wie Tacitus schreibt.
Felix war ein übler Statthalter; er hatte sogar den Hohenpriester Jonathan
ermorden lassen, weil dieser gegen seine unangemessenen Handlungen Einspruch
erhoben hatte.
Tertullus
brachte drei Anklagepunkte vor: Paulus rufe Aufstände hervor; dies war gegen
das römische Recht; Paulus sei ein Leiter der Nazarener, mithin einer Sekte
neben der erlaubten jüdischen Religion; und Paulus habe die Weihestätte
entheiligt, deren Schutz sogar die Römer garantierten.
Jetzt war die
Situation eingetreten, dass Paulus auch vor den Regenten Israels Zeugnis für
den Herrn Jesus ablegen konnte, wie es ihm gleich nach seiner Berufung durch
Ananias in Damaskus angekündigt worden war: »Dieser ist Mir ein auserwähltes
Gerät, Meinen Namen vor die Augen der Nationen wie auch der Könige und der
Söhne Israels zu tragen« (Ap.9:15). Und nun stand Paulus vor einem der Regenten
Israels.
Paulus verteidigte sich vor Felix
»Als der
Statthalter dem Paulus einen Wink gab zu reden, nahm dieser das Wort: Da ich
Bescheid weiß, dass du seit vielen Jahren Richter über diese Nation bist,
verteidige ich meine Angelegenheit guten Mutes. Du wirst erfahren können, dass
nicht mehr als zwölf Tage vergangen sind, seitdem ich hinaufzog, um in
Jerusalem anzubeten. Weder in der Weihestätte hat man mich mit jemandem im
Wortwechsel oder bei der Anstiftung eines Volksauflaufs gefunden, noch in den
Synagogen, noch irgendwo in der Stadt. Darum können sie dir auch nichts von dem
unter Beweis stellen, dessen sie mich nun anklagen« (Verse 10-13).
Paulus
eröffnete seine Verteidigungsrede in höflicher und sachlicher Weise. Dann wies
er alle Anschuldigungen zurück. Für nichts von alledem würden sie Zeugen
herbeibringen können. Um anzubeten und Pfingsten zu feiern war er nach
Jerusalem gekommen.
Weiter führte
er aus:
»Das bekenne
ich dir jedoch, dass ich dem Wege Gottes gemäß, den sie als Sekte bezeichnen,
dem väterlichen Gott so Gottesdienst darbringe, dass ich an alles glaube, was
im Gesetz und in den Propheten geschrieben ist, und zu Gott die gleiche
Erwartung habe, nach der auch jene ausschauen, nämlich dass es künftig eine
Auferstehung der Gerechten wie auch der Ungerechten geben wird. In alldem
bemühe auch ich mich, allezeit ein gutes Gewissen zu haben, unanstößig bei Gott
und den Menschen« (Verse 14-16).
Auf die
Anschuldigung, Rädelsführer einer nicht erlaubten Sekte zu sein, ging Paulus
näher ein - zugleich ein Zeugnis seines Glaubens gebend -, indem er ausführte,
dass er Gott durchaus in der Weise Gottesdienst darbringe, wie es das Gesetz
und die Propheten sagen, und insbesondere die Auferstehung erwarte.
Schon bei
Jesaia ist zu lesen: »Deine Toten werden leben« (Jes.26:19). In Daniel 12:2
steht geschrieben: »Viele von denen, die im Erdboden schlafen, werden erwachen,
diese zu äonischem Leben, jene zur Schmach, zu äonischem Abscheu.« Und der Herr
Jesus hatte gesagt: »Alle, die in den Gräbern sind, werden Seine Stimme hören;
und es werden hervorgehen, die das Gute getan haben, zur Auferstehung des
Lebens, die aber das Schlechte verübt haben, zur Auferstehung des Gerichts«
(Joh.5:28,29). Die Ungerechten werden erst nach dem tausendjährigen Königreich
Israels zum Gericht vor dem großen, weißen Thron auferstehen (Off.20:12).
Und wieder
betonte Paulus sein gutes Gewissen vor Gott und den Menschen (Ap.23:1), auch
uns damit die Bedeutung des Gewissens unterstreichend. Mögen wir unser Gewissen
am Wort Gottes schärfen!
»Wegen der Auferstehung der Toten ...«
Paulus kam zum
Schluss seiner Rede:
»Nun bin ich
nach mehreren Jahren hergekommen, um meiner Nation Almosen zu übergeben und
Darbringungen zu verrichten, wobei man mich geläutert in der Weihestätte fand,
aber weder bei einem Volksauflauf noch bei einem Tumult. Da waren aber einige
Juden aus der Provinz Asien, die hier vor dir anwesend sein müssten, um mich zu
verklagen, wenn sie etwas gegen mich haben sollten. Oder lasst diese selbst
sagen, welches Unrecht sie gefunden haben, als ich vor dem Synedrium stand, es
sei denn wegen dieses einen Ausrufs, den ich, in ihrer Mitte stehend, ausrief:
Wegen der Auferstehung der Toten werde ich heute von euch gerichtet« (Verse
17-21).
Paulus hatte
mit der Übergabe der Kollekte der Gemeinden aus den Nationen (Röm.15:26;
2.Kor.8+9) an die Armen unter den Gläubigen in Jerusalem seiner Nation einen
wertvollen Dienst getan; im Übrigen hatte er in der Weihestätte Gebete und
Gaben dargebracht. Nichts war gegen ihn vorzubringen, es sei denn sein Glaube
an die Auferstehung der Toten. Zwar verkündigte er unter den Nationen, dass man
an der Auferstehung und dem äonischen Leben allein durch Glauben teilhabe und nicht
durch Glauben, Umsinnung und edle Werke, wie die Zwölf lehrten; zwar
verkündigte er auch, dass wir, die Glieder der Körpergemeinde, eine frühere
Erwartung der Auferstehung haben als Israel (1.Kor.15:50-52; 1.Thess.4:15-17),
doch war die Auferstehung ein elementarer Wesenszug des Glaubens schon vom
Gesetz und den Propheten her.
Paulus betonte
also die gemeinsame Glaubensgrundlage mit den Juden, speziell der Pharisäer,
worüber Felix, der seit vier Jahren im Amt war, ohnehin Bescheid wusste, sodass
er nichts gegen die neue Glaubensrichtung einzuwenden hatte. Paulus trug
sachlich, ohne Hass und wahrheitsgemäß vor, wie es Auserwählten Gottes,
Ausgesöhnten, Heiligen und Geliebten eigen ist; das wird Felix sehr wohl
bemerkt haben.
Im Übrigen
zeigte die Abwesenheit der eigentlichen Ankläger des Paulus, nämlich der Juden
aus der Provinz Asien, die den Tumult verursacht hatten (Ap.21:27-2), dass
selbst diese nichts gegen Paulus hätten vorbringen können.
Felix verschleppte den Fall
»Felix aber,
der Genaueres über den Weg Gottes wusste, hielt sie mit den Worten hin: Wenn
Lysias, der Oberst, herabkommt, werde ich eure Angelegenheit untersuchen. -
Dann gebot er dem Hauptmann, ihn, Paulus, in Gewahrsam zu halten, milde Haft zu
veranlassen und keinem seiner eigenen Freunde zu verwehren, ihm beizustehen«
(Verse 22+23).
Felix dachte
nicht im Geringsten daran, Lysias zu hören, der ihm ja schon alles berichtet
hatte, was er wusste. Er verschleppte den Fall. Das war glattes Unrecht, denn
er hätte Paulus freilassen müssen. Dies wiederum hätte aber den Juden
missfallen.
Die
Rechtsprechung Roms war leider auch an der Zweckmäßigkeit orientiert und nicht
nur an Gerechtigkeit und Billigkeit. So musste Paulus zwei Jahre in wenn auch
leichter Haft verbringen. Gottes Gedanken aber sind stets höher, und Seine Wege
sind allemal erhabener (Jes.55:9). Gott wollte den Apostel Christi Jesu vor die
Könige Israels und schließlich nach Rom bringen. Im Übrigen wissen wir, dass
Gott denen, die Ihn lieben, alles zum Guten zusammenwirkt - denen, die nach
Seinem Vorsatz berufen sind (Röm.8:28).
Bei Felix
dürfte auch mitgespielt haben, dass er sich Bestechungsgelder erhoffte, zumal
Paulus mit viel Geld nach Jerusalem gekommen war; deshalb sollten ihn seine
Freunde auch jederzeit besuchen dürfen.
Felix unterredete sich mit Paulus
»Nach einigen
Tagen kam Felix mit Drusilla, seiner Frau, die eine Jüdin war; er ließ Paulus
holen und hörte ihn über den Glauben an Christus Jesus. Als Paulus dann die
Gerechtigkeit, die Selbstzucht und das
künftige Urteil erörterte, geriet Felix in Furcht und antwortete: Für diesmal
geh! Ich werde aber eine spätere Gelegenheit ausnutzen und dich herbeirufen
lassen. - Zugleich erwartete er, dass ihm von Paulus Geld gegeben werde; darum
ließ er ihn auch häufiger holen und unterhielt sich mit ihm« (Verse 24-26).
Drusilla war
eine Schwester des Königs Herodes Agrippa II. Wir hatten in Vers 22 gelesen,
dass Felix Genaueres über den Weg Gottes, über den neuen Glaubensweg wusste;
sicherlich auch, weil seine Frau eine Jüdin war.
Gern tat
Paulus, was Petrus wie folgt formulierte: »Heiligt den Herrn, Christus, in
euren Herzen, und seid stets vor jedem zur Verteidigung bereit, der ein Wort
von euch fordert, was die Erwartung betrifft, die in euch ist« (1.Pet.3:15). Als
Paulus dann aber auf die Gerechtigkeit, die Selbstzucht und das künftige Urteil
zu sprechen kam, wurde es dem Felix allerdings zu persönlich und konkret.
Gleichwohl unterredete er sich öfters mit Paulus, was durchaus positiv zu sehen
ist, wenngleich das üble Motiv der Habgier ihn dazu trieb.
Für den
vordergründig von Felix völlig abhängigen Paulus gehörte schon etwas dazu, und
zwar das Wissen um das Allesbewirken Gottes und die Kräftigung im Herrn, um
einem ungerechten Statthalter gegenüber von der Gerechtigkeit reden zu können.
Dass Felix Drusilla zur Frau hatte, war ebenfalls nicht gerecht zugegangen,
denn der König hatte sie von ihrem Mann mithilfe eines Zauberers weglocken
lassen, und er hatte sich von seiner zweiten Frau einfach scheiden lassen, um
sie zu heiraten. Und Selbstzucht war diesem unbeherrschten Mann gänzlich fremd.
Die Worte des Paulus auch von dem Gericht vor dem großen, weißen Thron, wovon
es in Offenbarung 20:13 heißt: »... und sie wurden verurteilt, jeder nach
seinen Werken«, blieben nicht wirkungslos, sondern versetzten Felix in Furcht.
Nach zwei Jahren
»Als aber zwei
Jahre verflossen waren, bekam Felix den Porcius Festus als Amtsnachfolger. Und
da Felix den Juden eine Gunst erweisen wollte, ließ er den Paulus gebunden
zurück« (Vers 27).
Wahrscheinlich
im Frühjahr des Jahres 58 n. Chr. wurde Felix seines Amtes enthoben, weil er
die Straßenkämpfe zwischen jüdischen und nichtjüdischen Bewohnern Cäsareas mit
großer Grausamkeit hatte niederschlagen lassen. Obwohl es üblich war, unverurteilte
Häftlinge am Ende der Amtszeit freizulassen, fügte Felix seinen Taten ein
weiteres Unrecht hinzu, indem er Paulus gebunden zurückließ, um den Juden eine
Gunst zu erweisen.
Wie sollte es
jetzt mit Paulus weitergehen? Paulus wusste nur, dass Gott allein weise ist
(Röm16:27), dass ihn gar nichts und gar niemand von der Liebe Gottes würde
scheiden können, die in Christus Jesus ist (Röm.8:35), und dass er nach Rom
kommen würde (Ap.23:11). So hatte er durch Ausharren und den Zuspruch des Herrn
und der Heiligen Schriften Zuversicht (Röm.15:4).
(Apostelgeschichte
25+26)
»Als Festus
nun die Präfektur angetreten hatte, zog er nach drei Tagen von Cäsarea nach
Jerusalem hinauf« (Vers 1).
Porcius
Festus, der neue Prokurator der Provinz Judäa, übernahm wahrscheinlich im
Frühjahr des Jahres 58 n. Chr. die Präfektur. Seine Amtsführung hob sich von
der seines Vorgängers durch gerechtes Handeln ab. Aber auch er hatte jüdische
Aufständische zu bekämpfen. Er starb im Jahre 62 im Amt.
Nach seinem
Amtsantritt zog er unverzüglich nach Jerusalem hinauf, um die leitenden
Persönlichkeiten seiner Provinz kennenzulernen und ihre Anliegen zu hören.
Das Ansinnen der Juden
»Bei ihm
wurden die Hohenpriester und die Ersten unter den Juden in der Sache gegen
Paulus vorstellig. Sie sprachen ihm zu und erbaten sich die Gunst gegen ihn,
dass er ihn nach Jerusalem holen lasse; denn sie wollten einen Hinterhalt
legen, um ihn auf dem Weg zu ermorden. Darauf antwortete Festus nun, Paulus werde
in Cäsarea in Gewahrsam gehalten und er selbst habe vor, schnell nach dort
abzureisen. - Daher mögen die unter euch, so erklärte er, die bevollmächtigt
sind, mit mir hinabziehen. Wenn irgend etwas Ungehöriges bei dem Mann vorliegt,
so lasst sie ihn anklagen« (Verse 2-5).
Erneut hofften
die Juden, etwas gegen Paulus erreichen zu können. Da sie eine schlechte
juristische Position hatten, lag ihre Chance allerdings nur in seiner Ermordung
aus einem Hinterhalt heraus, womit der noch unerfahrene, neue Statthalter
wahrscheinlich nicht rechnen würde.
Die Verhandlung gegen Paulus
»Nachdem er
sich nicht mehr als acht oder zehn Tage unter ihnen aufgehalten hatte, zog er
nach Cäsarea hinab. Tags darauf setzte er sich auf die Richterbühne und befahl,
Paulus vorzuführen. Als er herzutrat, stellten sich die Juden, die von
Jerusalem herabgezogen waren, um ihn und brachten viele schwere Beschuldigungen
vor, die sie nicht zu beweisen vermochten. Paulus verteidigte sich und sagte:
Weder gegen das Gesetz der Juden noch gegen die Weihestätte, noch gegen den
Kaiser habe ich mich irgendwie versündigt« (Verse 6-8).
Die
Verhandlung vor Festus verlief im Grunde wohl ähnlich der vor Felix
(Ap.24:1-21). Die Juden konnten nichts beweisen. So wird sich Paulus nicht
lange mit Einzelheiten aufgehalten, sondern schlicht bekannt haben - wie es
Heiligen geziemt -, dass er weder gegen jüdisches noch gegen römisches Recht
gehandelt habe.
Berufung an den Kaiser
»Da Festus den
Juden eine Gunst erweisen wollte, antwortete er Paulus: Willst du nach
Jerusalem hinaufziehen, um dort in dieser Sache von mir gerichtet zu werden? -
Paulus erwiderte: Vor der Richterbühne des Kaisers stehe ich, wo ich gerichtet
werden muss. Den Juden habe ich kein Unrecht getan, wie auch du sehr wohl erkannt
hast. Wenn ich nun Unrecht getan und etwas verübt habe, das den Tod verdient,
so weigere ich mich nicht zu sterben. Wenn aber nichts an dem ist, wessen diese
mich verklagen, kann mich niemand ihnen aus Gunst ausliefern. An den Kaiser
lege ich Berufung ein!« Verse 9-11).
Paulus stand
insofern vor der Richterbühne des Kaisers, als der Statthalter der höchste
richterliche Beauftragte des Kaisers für Judäa war. Es hatte durchaus Sinn, den
Fall in Jerusalem zu verhandeln, weil dort die angeblichen Untaten des Paulus
geschehen sein sollten. Nun bestand aber die Gefahr, dass Paulus an die Juden
ausgeliefert werden würde, weil es sich nach Ansicht des Festus nur um
religiöse Angelegenheiten der Juden handelte. Die weitere Gefahr war, auf dem
Weg dorthin aus einem Hinterhalt heraus ermordet zu werden.
Der Apostel
wusste zwar, dass er nach Rom kommen und auch dort ein Zeuge des auferstandenen
Herrn Jesus Christus sein sollte, das Wie aber war ihm unbekannt. Dieses Wie
tat sich ihm jetzt nach Gottes Fügung als der einzige Ausweg aus der
problematischen Lage auf: Er legte Berufung an den Kaiser ein. Das war das
Recht eines jeden römischen Bürgers. Allerdings sollte der Kaiser (der war
Nero, der von 54-68 n. Chr. regierte) nicht mit geringfügigen Sachen befasst werden.
Die Entscheidung des Festus
»Festus
besprach sich mit dem Rat und antwortete ihm dann: An den Kaiser hast du
Berufung eingelegt, zum Kaiser sollst du gehen!« (Vers 12).
Festus ließ
die Berufung zu. Wir sehen: Gottes Dienerin ist die Obrigkeit, zum Guten der
Gläubigen (Röm.13:4). Der Weg für Paulus, das Evangelium Gottes über Seinen
Sohn Jesus Christus auch in Rom und damit den Beherrschern dieser Welt zu
verkündigen, war frei.
Festus unterbreitete den Fall dem König Agrippa
»Nachdem
inzwischen einige Tage verstrichen waren, gelangten der König Agrippa und seine
Schwester Bernice nach Cäsarea, um Festus zu begrüßen. Als sie sich mehrere
Tage dort aufgehalten hatten, unterbreitete Festus dem König die Angelegenheit
des Paulus und sagte: Da ist ein Mann von Felix als Häftling zurückgelassen
worden, gegen den die Hohenpriester und Ältesten der Juden vorstellig wurden
und einen Schuldspruch gegen ihn erbaten, als ich nach Jerusalem kam. Denen
habe ich geantwortet, dass es bei den Römern nicht Sitte sei, einen Menschen
aus Gunst auszuliefern, ehe nicht der Angeklagte die Verkläger von Angesicht
gesehen und Gelegenheit zur Verteidigung gegen die Bezichtigung erhalten habe.
Als sie dann hier zusammengekommen waren, duldete ich keinen Aufschub, sondern
am nächsten Tag setzte ich mich auf die Richterbühne und befahl, den Mann
vorzuführen. Die Verkläger, die gegen ihn auftraten, brachten nicht etwa
Beschuldigungen böser Taten vor, derer ich ihn verdächtigte, sondern sie hatten
gegen ihn gewisse Streitfragen über ihre eigene Religion und über einen
gewissen Jesus, der verstorben ist, von dem Paulus vorgab, er lebe. Da ich aber
bei der Untersuchung dieses Streitfalls in Verlegenheit war, fragte ich ihn, ob
er die Absicht habe, nach Jerusalem zu gehen und dort in dieser Sache gerichtet
zu werden. Als Paulus dann Berufung einlegte, um für die Untersuchung des
Ehrwürdigen verwahrt zu werden, befahl ich, ihn in Gewahrsam zu behalten, bis
ich ihn zum Kaiser hinaufsenden würde« (Verse 13-21).
König Agrippa
II machte seinen Antrittsbesuch bei dem neuen Prokurator. Agrippa, ein Idumäer
(Edomiter), der Jude geworden war, aber ein ganz und gar römisch geprägter
Mann, war der Enkel des Königs Herodes des Großen (Mat.2:1) und der Sohn des
Königs Agrippa I (Ap.12:1), der letzte Herodianer auf dem Thron Israels.
Der Begriff
»Der Ehrwürdige« (griech. sebastos, lat. augustus) war ein Ehrentitel des
Kaisers.
Festus nahm
die Gelegenheit wahr, die Sache des Paulus dem König, der mit dem Judentum
bestens vertraut war, zu unterbreiten.
Warum
berichtet Lukas eigentlich so ausführlich über den gesamten Verlauf? Weil das
Kommen des Paulus nach Rom heilsgeschichtlich sehr bedeutsam ist, sollte er
doch in der Vervollständigung des Segens Christi dorthin gelangen (Röm.15:29)
und von dort aus mit dem Epheserrundbrief und den Briefen an die Philipper und
Kolosser unsere höchsten geistlichen Segnungen, und dies inmitten der
Überhimmlischen in Christus, verkündigen (Eph.1:3).
Festus eröffnete die Untersuchung
»Da sagte
Agrippa zu Festus: Ich hatte ebenfalls die Absicht, den Mann zu hören. -
Morgen, entgegnete er, sollst du ihn hören! - Als dann tags darauf Agrippa und
Bernice mit großem Gepränge kamen und samt den Obersten und den hochgestellten
Männern der Stadt in den Verhörsaal gingen, wurde auch Paulus auf Befehl des
Festus vorgeführt. Dann sagte Festus mit Nachdruck: König Agrippa und alle mit
uns anwesenden Männer! Ihr schaut diesen Mann, dessentwegen die gesamte Menge
der Juden in Jerusalem wie auch hier bei mir mit viel Geschrei vorstellig
wurde, er dürfe nicht länger leben. Wie ich die Zusammenhänge erfasst habe, hat
er nichts verübt, was den Tod verdient. Da dieser selbst an den Ehrwürdigen
Berufung eingelegt hat, habe ich entschieden, ihn hinzusenden. Ich habe aber meinem
kaiserlichen Herrn nichts Gewisses über ihn zu schreiben; darum habe ich ihn
für euch und vor allem für dich, König Agrippa, vorführen lassen, damit ich
nach erfolgter Voruntersuchung etwas zu schreiben habe; denn es erscheint mir
widersinnig, ihm einen Häftling zu senden und nicht zugleich die Beschuldigung
gegen ihn anzugeben« (Verse 22-27).
Dies wäre
wirklich widersinnig gewesen! Unser Gott und Vater, der allein Weise und
Allesbewirkende, gebrauchte die Verlegenheit des Festus und hatte zum andern dem
König ins Herz gegeben, Paulus hören zu wollen. Der Herr Jesus Christus hatte
dem Paulus ja verheißen, dass er Seinen Namen auch vor die Augen der
Regierenden tragen werde (Ap.9:15). Auch die Mächtigen sollen das Evangelium
hören! So wurde es dem Paulus geschenkt, vor einer großen Zuhörerschaft zu
sprechen.
Was Paulus
dann vortrug, kann zwar als Verteidigung oder Bekräftigung seiner Unschuld
verstanden werden, war aber im Grunde eine Verkündigung der Rettung in Jesus,
dem Christus.
Paulus vor Agrippa
Wir kommen zu
Kapitel 26.
»Agrippa sagte
darauf mit Nachdruck zu Paulus: Es ist dir gestattet, über dich selbst
auszusagen! - Dann streckte Paulus die Hand aus und verteidigte sich: Ich
erachte mich für glücklich, König Agrippa, dass ich mich heute anschicken darf,
mich wegen aller Taten, derer ich von den Juden bezichtigt werde, vor dir zu
verteidigen, vor allem, weil du ein Kenner aller Sitten unter den Juden bist
wie auch über ihre Streitfragen Bescheid weißt. Darum flehe ich dich an, mich
geduldig anzuhören« (Verse 1-3).
So weit die
wohlangemessene Einleitung, in der Paulus sich nicht scheute zu sagen, dass er
die Zeit der hohen Herrschaften in Anspruch nehmen wolle, indem er sie um
geduldiges Zuhören bat.
Im Übrigen
erinnern wir uns an Psalm 119:46: »Vor Königen werde ich von Deinen Zeugnissen
reden und mich nicht schämen.« Unseres Herrn und Retters und Hauptes Jesus
Christus wollen wir uns wahrhaftig nicht schämen (2.Tim.1:8).
Des Paulus Leben als Pharisäer
Zuerst
schilderte Paulus sein Leben als Pharisäer:
»Wie nun meine
Lebensführung von Jugend auf in meiner Nation, und zwar in Jerusalem, von
Anfang an verlaufen ist, wissen alle Juden, die mich von früher her kennen.
Wenn sie wollten, könnten sie bezeugen, dass ich nach der Sekte, die es mit
unserem Ritual am genauesten nimmt, als Pharisäer gelebt habe. Und nun stehe
ich hier, um gerichtet zu werden wegen der Erwartung der Verheißung, die an
unsere Väter von Gott ergangen ist, zu der unser Zwölfstämmevolk, Ihm Nacht und
Tag mit Inbrunst Gottesdienst darbringend, zu gelangen erwartet. Aufgrund
dieser Erwartung, o König, werde ich von den Juden bezichtigt. Warum wird es
von euch als unglaublich beurteilt, wenn Gott Tote auferweckt?« (Verse 4-8).
Der Wandel des
Paulus war einwandfrei gewesen. In Philipper 3:5-7 berichtet er: »... ein
Hebräer aus Hebräern, in Bezug auf das Gesetz ein Pharisäer, in Bezug auf den
Eifer ein Verfolger der herausgerufenen Gemeinde, hinsichtlich der im Gesetz
geforderten Gerechtigkeit war ich wie einer, der untadelig wird. Doch was mir
einst Gewinn war, das habe ich um Christi willen als verwirkt erachtet.«
Paulus betonte
die Auferstehung, weil die entscheidende Verheißung für Israel, nämlich das
Königreich, eng mit der Auferstehung verknüpft ist; ohne sie könnten die
Entschlafenen gar nicht in das Königreich gelangen. Alledem zugrunde liegt
natürlich das Kommen und die Auferstehung des Messias und Königs Israels. Dass
Jesus aus den Toten auferstand, zeigt, dass Er der Christus ist.
Paulus
bezeichnete hier sein Volk als Zwölfstämmevolk, an das auch Jakobus seinen
Brief richtete; Israeliten aus allen zwölf Stämmen bildeten also das Volk.
Die Frage des
Paulus, warum die Auferweckung Toter als unglaublich beurteilt werde, mag den
König Agrippa ganz persönlich besonders angesprochen haben, weil er
wahrscheinlich den Sadduzäern zugeneigt war, die eine Auferstehung ablehnten.
Paulus, der Verfolger
Paulus sprach
weiter:
»Ich habe nun
zwar selbst gemeint, in vielem entgegen dem Namen Jesu, des Nazareners, handeln
zu müssen. Und das habe ich auch in Jerusalem getan. So ließ ich denn viele der
Heiligen in Gefängnisse einschließen, wozu ich von den Hohenpriestern die
Vollmacht erhalten hatte. Wenn sie hingerichtet werden sollten, gab ich
Wahlkiesel dafür ab. Der Reihe nach durch alle Synagogen gehend, nötigte ich
sie oftmals durch Bestrafen zum Lästern; und in übermäßigem Wüten verfolgte ich
sie auch bis in die auswärtigen Städte« (Verse 9-11).
Nach der
Steinigung des Stephanus hatte Paulus maßlos gegen die herausgerufene Gemeinde
gewütet (Ap.8:3). Er war der ärgste Feind Jesu Christi gewesen, so wie es sein
Volk heute noch ist. Wenn dem Paulus aber Gnade gewährt wurde, wird sie auch
Israel zuteil werden (Röm.11:12,15,26,32).
Jesu Erscheinen vor Damaskus
Dann bezeugte Paulus sein Erlebnis vor
Damaskus:
»Als ich bei
dieser Verfolgung mit Vollmacht und Erlaubnis der Hohenpriester nach Damaskus
ging, gewahrte ich, o König, mitten am Tag auf dem Wege, wie mich und die mit
mir gingen, vom Himmel her ein Licht umstrahlte, heller als der Glanz der
Sonne. Als wir alle zur Erde niederfielen, hörte ich eine Stimme in hebräischer
Mundart zu mir sagen: Saul, Saul, was verfolgst du Mich? Hart ist es für dich,
gegen Stacheln auszuschlagen! - Ich fragte nun: Wer bist Du, Herr? - Der Herr
aber antwortete: Ich bin Jesus, den du verfolgst!« (Verse 12-15).
Dies ist der
dritte Bericht in der Apostelgeschichte über die Berufung des Paulus (9:3-9;
22:6-10).
Aller Glanz
der Schöpfung, hier: der Sonne, wird weit übertroffen von der Herrlichkeit
Christi Jesu, die den Paulus umstrahlte.
Der Herr
sprach Paulus auf hebräisch an. Die Worte des Auferstandenen müssen Paulus
getroffen haben wie ein Schlag, auch wenn sie von großem Erbarmen geprägt
waren. Eigentlich hätte Jesus ihn töten müssen, wie denn Mose sagte: »Einen
Propheten wie mich wird dir Jewe, dein Elohim, aus der Mitte deiner Brüder
erstehen lassen; auf ihn sollt ihr hören. Und es wird geschehen: Der Mann, der
nicht auf Meine Worte hört, die er [der Prophet, nämlich Jesus] in Meinem Namen
reden wird, von dem werde Ich es abfordern« (5.Mose 18:15,19). Aber der Messias
begann mit Paulus etwas Neues. Er gewährte ihm überströmenden Gnade, die dann
auch der tragende Inhalt seiner Verkündigung werden sollte. Paulus ist das Muster für das Gnadenhandeln Gottes
in unserer Zeit. Wie der Apostel selbst schreibt: »Zuvor war ich ein Lästerer,
Verfolger und Frevler. Ich habe jedoch Erbarmen erlangt, weil ich es unwissend
tat, im Unglauben. Überwältigend aber ist die Gnade unseres Herrn, mit Treue
und Liebe, die in Christus Jesus ist. Glaubwürdig ist das Wort und jeden
Willkommens wert, dass Christus Jeus in die Welt kam, um Sünder zu retten, von
denen ich der Erste bin. Jedoch, ebendeshalb erlangte ich Erbarmen, auf dass
Jesus Christus an mir als erstem sämtliche Geduld zur Schau stelle, denen als Muster, die künftig an Ihn glauben, zu
äonischem Leben« (1.Tim.1:13-16).
Zum Stachel
ist zu sagen, dass er ein Stock mit einer scharfen Spitze ist, den die
Viehtreiber benutzten. Ein Tier, das gegen den Stachel ausschlägt, fügt sich
nur selbst Wunden und Schmerzen zu. »Hart ist es für dich, gegen Stacheln
auszuschlagen« heißt somit: Du schadest dir selbst, wenn du gegen Mich kämpfst.
Dein Widerstand gegen Mich ist sinnlos.
Der Dienstauftrag für Paulus
Sogleich nahm
Jesus den Paulus in Seinen Dienst, indem Er sagte:
»Doch steh auf
und stelle dich auf deine Füße; denn dazu bin Ich dir erschienen, dich zum
untergebenen Gehilfen und Zeugen dessen zu bestimmen, was du wahrgenommen hast,
wie auch dessen, womit Ich dir noch erscheinen werde. Ich nehme dich heraus aus
dem Volk und aus den Nationen, zu denen Ich dich sende, um ihnen die Augen zu
öffnen, damit sie sich von der Finsternis zum Licht und von der Obrigkeit
Satans zu Gott umwenden, sodass sie Sündenerlass erhalten und ein Losteil unter
denen, die durch den Glauben an Mich geheiligt worden sind« (Verse 16-18).
Mit diesen
Worten bestimmte unser Herr Jesus Christus den Paulus zu Seinem untergebenen
Gehilfen und zu Seinem Zeugen, nahm Er ihn aus Israel und den Nationen heraus,
ihn absondernd, ihn für Seinen Dienst abstellend, und sandte Er ihn zu Israel
und zu den Nationen.
»... um ihnen
die Augen zu öffnen«, wie dem Volk Israel verheißen (Jes.35:5; 42:7), wie auch
den Nationen, da Jesaia ebenfalls sagte: »Ich habe Dich [Jesus] zum Licht der
Nationen gesetzt, damit Du ihnen bis zum letzten Ende der Erde zur Rettung
gereichst« (Jes.49:6 nach Ap.13:47). Die vom Satan beherrschte Welt tappt in
der Finsternis einher (2.Kor.4:3; 1.Joh.5:19); nur wo Christus erkannt wird,
ist Licht. Dank aber sei unserem Gott und Vater aus tiefstem Herzen, der gebot:
Aus der Finsternis leuchte das Licht, der es in unseren Herzen aufleuchten ließ
zum Lichtglanz der Erkenntnis der Herrlichkeit Gottes im Angesicht Jesu Christi
(2.Kor.4:6).
»... damit sie
sich von der Finsternis zum Licht und von der Obrigkeit Satans (Kol.1:13) zu
Gott umwenden«, wie es dann zum Beispiel die Thessalonicher getan hatten, die
sich von den Götzen zu Gott umwandten, um dem lebendigen und wahrhaften Gott zu
sklaven (1.Thess.1:9).
»... sodass
sie Sündenerlass erhalten und ein Losteil unter denen, die durch den Glauben an
Mich geheiligt worden sind.« Der Sündenerlass aufgrund von Glauben und
Umsinnung ist Teil des Evangeliums der Beschneidung (Gal.2:7), das Paulus in
den ersten Abschnitten seines Dienstes auch denen aus den Nationen verkündigte.
Hier bereits von der Rechtfertigung allein durch Glauben zu sprechen, die wir
heute haben, wäre allzu verfrüht gewesen.
Wie Paulus den Auftrag ausführte
Paulus fuhr
fort:
»Deswegen war
ich, o König Agrippa, gegen die himmlische Erscheinung nicht widerspenstig,
sondern verkündigte zuerst denen in Damaskus [Ap.9:22] und auch in Jerusalem
[Ap.9:28], dann denen im gesamten Land Judäa [Ap.11:29,30] und den Nationen,
sie sollten umsinnen, sich zu Gott umwenden und Werke verrichten, die der
Umsinnung würdig sind« (Verse 19+20).
Man beachte,
dass auf das Umsinnen das Umwenden folgt, mithin das Tun von der Umsinnung
würdigen Werken.
Paulus verkündigte der Schrift gemäß
Zum Schluss
betonte Paulus, dass er in allem der Schrift gemäß verkündigt habe:
»Deswegen
ergriffen die Juden mich, als ich in der Weihestätte war, und versuchten, die
Hand an mich zu legen. Da ich nun von Gott bis auf diesen Tag Beistand erlangt
habe, stehe ich da und lege vor Klein und Groß Zeugnis ab. Nichts sage ich
außer dem, wovon die Propheten und auch Mose geredet haben, dass es künftig
geschehen werde, ob nämlich Christus leiden müsse, ob Er Sich als Erstling aus
der Auferstehung Toter anschickt, dem Volk Israel wie auch den Nationen das
Licht verkündigen« (Verse 21-23).
Paulus
verkündigte Christus, und diesen als gekreuzigt (1.Kor.2:2). Das prophetische
Wort über den leidenden Messias findet sich insbesondere in Psalm 22 und Jesaia
52:13-53:12.
Licht wird der Messias verkündigen. Die Worte
dessen, der das Licht ist, nämlich Jesus, werden Israel und den Nationen das
Licht der wahren Gotteserkenntnis und mithin die Befreiung aus der Finsternis
Satans, der Sünde und dem Tod bringen.
Paulus hatte
zwar den Nationen viele Geheimnisse bekannt gemacht, die über die Weissagungen
der Propheten und des Mose hinausgingen, auf der Linie der Verkündigung des
Königreichs Israels aber hatte er nichts anderes gesagt, als was prophezeit
war.
Der Einwand des Festus
»Als er sich
mit diesen Worten verteidigte, entgegnete Festus mit lauter Stimme: Du bist von
Sinnen, Paulus! Die vielen Schriften zerrütten dich bis zur Raserei! - Doch
Paulus erklärte: Ich bin nicht von Sinnen, hochgeehrter Festus, sondern ich
spreche Worte der Wahrheit und der gesunden Vernunft aus« (Verse 24+25).
Für Festus war
die Rede des Paulus leider eine Torheit, und sie ist es auch heute noch für
viele andere aus den Nationen (1.Kor.1:23).
Das Gespräch
mit Agrippa
Dann wandte
sich Paulus an König Agrippa, der im Grunde genommen wusste, dass es Worte der
Wahrheit waren.
»Der König weiß doch in diesen Dingen
Bescheid, zu ihm spreche ich auch freimütig; ich bin nämlich nicht überzeugt,
dass ihm etwas von alldem entgangen ist; denn dies ist ja nicht in einem Winkel
betrieben worden. Glaubst du, König Agrippa, den Propheten? Ich weiß, dass du
ihnen glaubst! - Da sagte Agrippa zu Paulus: Mit so wenigen Worten könntest du
mich fast überreden, um aus mir einen Christen zu machen. - Paulus antwortete:
Ich wünschte wohl vor Gott, ob mit wenigem oder mit großem Aufwand, das nicht
allein du, sondern auch alle, die mich heute hören, solche würden, wie auch ich
bin, ausgenommen diese Fesseln« (Verse 26-29).
Da Agrippa den Propheten glaubte, hätte er
konsequenterweise auch dem Apostel Paulus glauben müssen, aber zum einen würde
sein Ansehen beschädigt werden, weil die Bezeichnung »Christ« damals keinen
guten Klang hatte, und zum andern hätte er es sich mit den Juden verdorben.
Daher antwortete er ausweichend.
Die
abschließende Beurteilung
»Dann stand der König auf, ebenso der
Statthalter sowie Bernice und die bei ihnen saßen. Als sie sich zurückgezogen
hatten, sprachen sie noch miteinander und sagten: Dieser Mann hat nichts
verübt, was den Tod oder Fesseln verdient. - Und Agrippa erklärte dem Festus:
Dieser Mann könnte freigelassen werden, wenn er nicht Berufung an den Kaiser
eingelegt hätte« (Verse 30-32).
Damit hatte das höchste Gericht der Provinz
die Schuldlosigkeit des Paulus festgestellt. Er hätte freigelassen werden
können. Nach Gottes Fügung aber war seiner Berufung an den Kaiser bereits
stattgegeben worden, wie es denn Gottes Wille war, ihn nach Rom zu senden.
Der Dienst in Judäa war abgeschlossen. Der
Dienstabschnitt der heilsgeschichtlichen Verwaltung (griech. oikonomia) des
Übergangs von der pfingstlichen zur gegenwärtigen (Eph.3:2; Kol.1:25) neigte
sich dem Ende zu. Das letzte Wunder sollte auf der Seereise nach Rom auf der
Insel Melite (heute: Kephallenia) geschehen (Ap.28:5). In Rom sollte der
Apostel sodann die derzeitige, bisher geheime göttliche Verwaltung der
überströmenden Gnade verkündigen, in der wir heute noch leben, sowie die
höchsten geistlichen Segnungen, die wir inmitten der Überhimmlischen in
Christus haben (Eph.1:3), mit den sogenannten Gefangenschafts- oder
Vollkommenheitsbriefen, dem Epheser-, Philipper- und Kolosserbrief, bekannt
machen.
Der Lobpreis sei unserem herrlichen Gott und
Vater im Namen unseres Herrn Jesus Christus über allen Seinen Wegen!
(Apostelgeschichte
27)
Zwei Jahre
zuvor war der Herr Jesus Christus dem Apostel Paulus in Jerusalem erschienen
und hatte ihm zugesprochen: »Fasse Mut; denn wie du in Jerusalem für Mich
Zeugnis abgelegt hast, so musst du auch in Rom Mein Zeuge sein« (Ap.23:11). Und
nun war es so weit, dass er, weil er an den Kaiser Berufung eingelegt hatte,
nach Rom gebracht werden sollte. Wir schreiben das Jahr 58 n. Chr. im dritten
Quartal.
Die Übergabe an den Hauptmann Julius
»Als es dann
entschieden war, dass wir uns nach Italien einschiffen sollten, übergab man
Paulus wie auch einige andere Häftlinge einem Hauptmann namens Julius von der
kaiserlichen Ehrwürdigen-Truppe« (Vers 1).
Ein Hauptmann
(lat. centurio) befehligte hundert Krieger. Lukas berichtet in der Wir-Form. Er
war also dabei.
Die
Einschiffung
»Dann
bestiegen wir ein adramyttisches Schiff, das im Begriff war, nach den Orten
längs der Küste der Provinz Asien zu segeln, und gingen in See. Mit uns war Aristarchus,
ein Mazedonier aus Thessalonich« (Vers 2).
Das Schiff war
aus Adramyttion, einer Stadt im Norden der Westküste Kleinasiens. Es gab damals
keinen Linienverkehr; ein Reisender musste ein Schiff ausfindig machen, das ihn
dem Ziel näherbrachte.
Ein weiterer
Begleiter des Paulus auf der Seereise war Aristarchus, schon früher ein
Reisegefährte (Ap.19:29; 20:4), später ein Mitgefangener (Kol.4:10), stets aber
ein Mitarbeiter des Paulus (Philemon 24). Die anderen auf dem Schiff sahen
Lukas und Aristarchus wohl als des Paulus Diener an, zumal er als römischer
Bürger einen besonderen Status genoss.
Von Cäsarea
nach Sidon
»Am anderen Tag landeten wir in Sidon. Julius,
der den Paulus menschenfreundlich behandelte, gestattete ihm, zu seinen Freunden
zu gehen, um von ihnen Versorgung für die Reise zu erlangen« (Vers 3).
Von Cäsarea in Judäa bis Sidon in Phönizien
sind es etwa 130 km zur See. Durch die Verfolgung, die wegen Stephanus
entstanden war, waren auch in Phönizien Gemeinden entstanden (Ap.11:19). Paulus
selbst war mindestens zweimal durch Phönizien gekommen (Ap.15:3; 21:3) und
kannte dort Glaubensgeschwister.
Von Sidon
bis Myra
»Von dort
gingen wir wieder in See und segelten unter dem Schutz der Insel Cypern, weil
wir Gegenwind hatten. Dann segelten wir durch das offene Meer bei Cilicien und
Pamphylien und landeten in Myra in Lycien« (Verse 4+5).
Wegen des
Westwindes segelten sie im Windschatten Cyperns östlich und sodann nördlich der
Insel. Myra lag an der westlichen Südküste Kleinasiens und war ein wichtiger
Seehafen für die Getreideschiffe aus Ägypten, der Kornkammer Roms.
Von Myra bis zu den Trefflichen Häfen
»Als der
Hauptmann dort ein alexandrinisches Schiff fand, das nach Italien segelte, ließ
er uns in dasselbe einsteigen. Während einer beträchtlichen Zahl von Tagen
segelten wir langsam und gelangten nur mit Mühe in die Nähe von Knidus. Da uns
der Wind dort nicht heranließ, segelten wir bei Salmone unter den Schutz der
Insel Kreta. Mit Mühe fuhren wir daran entlang und kamen zu den sogenannten
Trefflichen Häfen, einem Ort, in dessen Nähe die Stadt Lasäa war« (Verse 6-8).
Das Schiff kam
aus Alexandrien im Nildelta. Knidus lag an der Südwestecke Kleinasiens, Salmone
an der Nordostecke der Insel Kreta. Die Trefflichen Häfen waren in der Mitte
der Südküste Kretas gelegen.
Widrige Winde
stehen symbolisch für böse Geistesmächte, die verhindern wollten, dass Paulus
nach Rom gelangte; schließlich ist der Luftraum das Vollmachtsgebiet des Satans
(Eph.2:2).
Paulus mahnte
»Da inzwischen
geraume Zeit verstrichen war und die Schifffahrt schon unsicher wurde (weil
auch der Fastentag schon vergangen war), sagte Paulus ermahnend zu ihnen:
Männer, ich schaue voraus, dass die bevorstehende Fahrt mit Ungemach und großem
Verlust nicht allein für die Ladung und das Schiff, sondern auch für unsere
Seelen verbunden sein wird. - Doch der Hauptmann wurde durch den Steuermann und
den Verfrachter eher überzeugt als durch das von Paulus Gesagte« (Vers 9-11).
Der Fastentag
war der große Versühnungstag, der Tag der Beschirmungen, an dem man seine Seele
zu demütigen, das heißt zu fasten hatte (3.Mose 16:29; 23:27). Er fand am
10.Tag des siebenten Monats Etanim (oder: Tischri) statt. Die Mitte des Monats
Oktober wird überschritten gewesen sein, als Paulus seine mahnende Stimme
erhob. Dies war zwar nicht seines Apostelamtes, gleichwohl wirkte er für das
Gute an allen (Gal.6:10).
Der Steuermann
war zugleich der Navigator, der Verfrachter war der Schiffsherr oder Kapitän.
Letztlich mag der Hauptmann entschieden haben, weil er im Dienst des Kaisers
stand, dem schließlich auch das Getreideschiff dienen musste. Jene drei Männer
hörten nicht auf die Ermahnung des Paulus.
In Richtung auf Phönix
»Es fand sich,
dass der Hafen zum Überwintern ungeeignet war; so gab die Mehrzahl den Rat, von
dort wieder auszufahren, ob man etwa zum Überwintern nach Phönix gelangen
könnte, einem Hafen für Kreta, der nach Südwesten und Nordwesten blickt. Da ein
sanfter Südwind wehte, meinten sie, sich an ihren Vorsatz halten zu können.
Daher lichteten sie die Anker und fuhren dicht an der Südküste Kretas entlang«
(Verse 12+13).
In den
Trefflichen Häfen konnte man den Winter über nicht bleiben. So entschlossen sie
sich, von Kreta wegzufahren (wie Paulus gemäß Vers 21 sagte) und Phönix, einen
Hafen für Kreta (der Genitiv erlaubt diese Übersetzung), für den Seeverkehr
nach Kreta, anzusteuern. Eine Stadt dieses Namens lag laut Pausanias im 1.
Jahrhundert n. Chr. an der Südspitze Messeniens im Südwesten des Peloponnes,
und in der Nähe findet sich hinter der Insel Sphakteria die nach Südwesten und
Nordwesten offene Bucht von Pylos mit idealen Verhältnissen zum Überwintern.
Eine solche Bucht gibt es auf Kreta nicht. Die messenischen Hafenstädte Phönix,
Methone und Pylos stützten den Seeweg von Kreta nach Italien.
Näheres hierzu
wie auch zur gesamten Fahrt und zur Identifizierung der Insel Melite entnehme
man dem Buch von Heinz Warnecke »Die tatsächliche Romfahrt des Apostels
Paulus«, Verlag Katholisches Bibelwerk GmbH Stuttgart, 2. Aufl. 1989, ISBN
3-460-04271-0.
Der Orkan
»Nach nicht
langer Zeit brach von dort herab ein Orkan los, der sogenannte Nordostwind. Da
das Schiff von ihm gepackt wurde und man nicht gegen den Wind ankämpfen konnte,
gaben wir es auf und wurden von ihm dahingetragen. Als wir unter den Schutz
eines Inselchens liefen, das Kauda heißt, vermochten wir nur mit Mühe, von dem
nachgeschleppten Beiboot Abstand zu halten, sodass man es emporwand und Taue
als Hilfsmittel gebrauchte, um das Schiff damit unterhalb zu gürten. Man
befürchtete auch, auf die Sandbänke der Syrte verschlagen zu werden; daher zog
man die Segel ein und wurde so vom Wind dahingetragen.Da wir aber vom Unwetter
heftig bedrängt wurden, warf man am nächsten Tag Ladung über Bord; und am
dritten schleuderte man eigenhändig das Gerät des Schiffes ins Meer. Als aber
mehrere Tage hindurch weder Sonne noch Sterne erschienen und ein ziemlich
starkes Unwetter uns hart zusetzte, wurde uns hinfort jede Aussicht auf Rettung
genommen« (Verse 14-20).
Anschaulicher
könnte der Bericht des Lukas nicht sein.
Es sei kurz
angemerkt, dass Kauda im Südwesten vor Kreta aus dem Meer ragte, etwa 40 km
entfernt. Die Sandbänke der Syrte lagen vor der nordafrikanischen Provinz
Libyen. Da weder die Sonne noch Sterne zu sehen waren, konnten sie ihre
Position nicht bestimmen. Schließlich trieb das Schiff in nordwestliche
Richtung, wie bei diesem Wetter üblich und sich später auch zeigen sollte.
Der Zuspruch des Paulus
»Da viele ohne
Kost geblieben waren, trat Paulus dann in ihre Mitte und sagte: O Männer, man
hätte schon auf mich hören und nicht von Kreta ausfahren und sich so dies
Ungemach und diesen Verlust zuziehen sollen. Doch nun ermahne ich euch, guten
Mutes zu sein; denn nicht eine Seele von euch wird verloren gehen, außer dem
Schiff. In dieser Nacht trat nämlich ein Bote des Gottes zu mir, dessen
Eigentum ich bin und dem ich Gottesdienst darbringe, und sagte: Fürchte dich
nicht, Paulus! Du musst vor den Kaiser treten, und siehe: Gott hat dir alle,
die mit dir segeln, in Gnaden gewährt! Darum seid guten Mutes, ihr Männer; denn
ich glaube Gott, dass es so geschehen wird, in der Weise, wie es mir verheißen
wurde. Aber auf irgendeine Insel müssen wir verschlagen werden« (Verse 21-26).
Fürchte dich
nicht, Paulus, denn Gott bewirkt alles nach Seinem weisen Liebesratschluss und
Vorsatz in Christus (Eph.1:11; 3:11)! Es war Gottes Wille, dass er vor den
Kaiser treten sollte. Und was Gott will, das tut Er (Ps.115:3).
Paulus hatte
einen besonderen Zuspruch durch einen Boten Gottes erfahren. Mit demselben
Zuspruch sprach er unverzüglich allen anderen zu. »Gesegnet sei der Gott und
Vater unseres Herrn Jesus Christus, der Vater des Mitleids und Gott allen
Zuspruchs, der uns in all unserer Drangsal zuspricht, damit wir auch anderen in
all ihrer Drangsal zusprechen können durch den Zuspruch, mit dem uns selbst von
Gott zugesprochen wird« (2.Kor.1:3,4).
Gott gewährte
dem Paulus alle Mitreisenden in Gnaden, das heißt, er durfte es als seinen
Gewinn ansehen und sich darüber freuen, dass sie mit ihm am Leben blieben.
Es wird
deutlich, dass der Grund für die Rettung aller die Anwesenheit des Paulus auf
dem Schiff war. Im Falle von Sodom hätten zehn Gerechte darin leben müssen,
damit alle gerettet worden wären (1.Mose 18:32). Die Situation auf dem Schiff
mag eine gewisse Parallele darin haben, dass der Grund für die Erhaltung der
bösen Menschheit in der Anwesenheit der Gemeinde Christi auf der Erde liegt,
die in dieser Zeit werden muss (2.Thess.2:7). Sind wir entrückt, wird der Zorn
Gottes hereinbrechen (Röm.5:9; 1.Thess.1:10; 5:4,9).
Im Übrigen
beachte man, dass Paulus bezeugte: »Ich glaube Gott!« Wer dies tut, hat einen
festend Stand und ist kraftvoll in der Zuversicht. Wer Gott glaubt - glaubt,
was geschrieben steht -, kann alle feurigen Pfeile des Bösen löschen
(Eph.6:16). Der Glaube des Paulus war jetzt der einzige Halt aller.
In der Adria
»Als dann die
vierzehnte Nacht hereinbrach, seit wir in der Adria trieben, mutmaßten die
Seeleute um Mitternacht, dass sich ihnen irgendein Land nähere. So warfen sie
das Senkblei aus und fanden zwanzig Klafter Wassertiefe. Als sie es nach kurzem
Abstand nochmals auswarfen, fanden sie fünfzehn Klafter. Da sie fürchteten, wir
könnten irgendwo auf felsige Stellen verschlagen werden, warfen sie vier Anker
vom Hinterschiff aus und wünschten, dass es Tag werde« (Verse 27-29).
Sie trieben in
der Adria, deren Südgrenze von Kalabrien nach Phönix verlief. Das Geräusch der
Wellen hatte sich verändert; Land musste in der Nähe sein. Die Lotungen der
Wassertiefe, zuerst cirka 36 m, etwa 10 bis 15 Minuten später cirka 27 m,
weisen auf die Flachsee südlich der Insel Kephallenia hin, deren Landzunge von
Argostoli einst Melite hieß. Die Nordostküste Maltas dagegen fällt viel zu
schnell ab. Das Schiff wäre vor der zweiten Lotung bereits an den Felsen
zerschellt. Malta wäre bei dem rechtsdrehenden Nordostwind und dem westlich
davon linksdrehenden Wirbel sowie gegenläufiger Meeresströmung in vierzehn
Tagen ohnehin nicht zu erreichen gewesen (Luftlinie 850 km). Das Schiff
driftete in nordwestlicher Richtung auf die Ionischen Inseln an der Westküste
Griechenlands und dort auf die Insel Kephallenia vor dem Golf von Patras zu.
Der Fluchtversuch der Seeleute
»Als die
Seeleute nun versuchten, aus dem Schiff zu fliehen und das Beiboot ins Meer
senkten (unter dem Vorwand, als seien sie im Begriff, aus dem Vorderschiff
Anker auszuwerfen), sagte Paulus zu dem Hauptmann und den Kriegern: Wenn diese
nicht im Schiff bleiben, könnt ihr nicht gerettet werden. - Dann hieben die
Krieger die Seile des Beiboots ab und ließen es hinabfallen« (Verse 30-32).
Paulus
beobachtete das Tun der Seeleute, erkannte die Gefahr, dass man das Schiff ohne
sie nicht würde manövrieren können, und griff ein. Der Hauptmann traf sofort
die richtige Entscheidung, auch wenn das Rettungsboot dabei verloren ging.
Damit waren alle noch mehr von dem Gott des Paulus abhängig.
Ein weiterer Zuspruch des Paulus
»Bis es sich
nun anschickte, Tag zu werden, sprach Paulus allen zu, Nahrung einzunehmen, und
sagte: Heute ist der vierzehnte Tag, dass ihr wartend unbeköstigt durchhaltet
und nichts weiter zu euch genommen habt. Darum spreche ich euch zu, Nahrung
einzunehmen; denn das ist zu eurer Rettung notwendig; es wird nämlich keiner
von euch ein Haar von seinem Haupt verlieren. - Als er dies gesagt und Brot
genommen hatte, dankte er Gott vor aller Augen, brach es und fing an zu essen.
Da wurden alle guten Mutes, und auch sie nahmen Nahrung zu sich. Wir waren aber
insgesamt zweihundertsechsundsiebzig Seelen auf dem Schiff. Nachdem sie sich
mit Nahrung reichlich gesättigt hatten, leichterten sie das Schiff, indem sie
das Getreide ins Meer warfen« (Verse 33-38).
Rechtzeitig
Nahrung einzunehmen, um Kraft zum Schwimmen zu bekommen, mag selbstverständlich
sein, gehörte aber angesichts der Mutlosigkeit der Männer zu der Weisheit eines
durch den Geist Gottes erneuerten Denksinns. Ist doch der uns innewohnende
Geist Gottes ein Geist der Kraft und der Liebe und der gesunden Vernunft
(2.Tim.1:7). Für das Brot dankend, heiligte Paulus es (1.Tim.4:5). Und es
essend, vermittelte er allen anderen neuen Mut.
Die Strandung
»Als es nun
Tag wurde, erkannten sie das Land nicht, bemerkten aber eine Bucht, die einen
Strand hatte; da beschlossen sie, wenn möglich, das Schiff auf diesen auflaufen
zu lassen. Dann kappten sie die Anker und ließen sie in das Meer fallen;
zugleich lockerten sie die Taue der Steuerruder, hissten das Vordersegel vor
den Wind und hielten auf den Strand zu. Sie gerieten aber auf eine vom Meer überspülte
Stelle und ließen das Fahrzeug stranden; und zwar blieb das Vorderschiff
unbeweglich stecken, das Hinterschiff zerschellte schließlich unter der Gewalt
der Wogen« (Verse 39-41).
Sie erkannten
das Land nicht; Malta hätte jeder Seemann sofort erkannt.
Die Rettung
»Da fassten
die Krieger den Plan, die Häftlinge zu töten, damit nicht irgendeiner
schwimmend entkomme. Der Hauptmann jedoch, der die Absicht hatte, Paulus zu
retten, verbot ihnen, ihr Vorhaben auszuführen. Er befahl denen, die schwimmen
konnten, zuerst hinabzuspringen und sich an Land zu begeben, während die
Übrigen teils auf Planken, teils auf irgendwelchen Gegenständen aus dem Schiff
folgen sollten. Und so wurden alle an das Land gerettet« (Verse 42-44).
Der Plan der
Krieger, die Flucht der Gefangenen zu verhindern, indem sie sie töteten, ist
verständlich, weil sie mit ihrem Leben für jene hafteten. Dabei verdankten sie
ihr eigenes Leben doch dem Paulus. Gott aber gab es dem Hauptmann ins Herz, das
Vorhaben zu verbieten. Indirekt wurde Paulus so wiederum zum Retter, und zwar
seiner Mithäftlinge.
Und
schließlich erreichten alle das Land. Die Rettung aller aus der Seenot war eine
Folge des Glaubens und des Vorbildes des Paulus, im Grunde aber der Wille
Gottes, der den Apostel nach Rom bringen wollte.
Nach dieser
dramatischen Seereise können wir ein klein wenig nachfühlen, was es bedeutet,
wenn Paulus schreibt: »Oftmals unterwegs, war ich Gefahren ausgesetzt ...
Gefahren unter den Nationen, Gefahren auf dem Meer ... dreimal erlitt ich
Schiffbruch« (2.Kor.11:25,26). Doch ihm genügte die Gnade des Herrn Jesus
Christus, und so erfuhr er die Kraft des Christus, die sich in seiner
Schwachheit vollkommen auswirkte (2.Kor.123:9).
(Apostelgeschichte
28)
»Nachdem wir
durch alles hindurchgerettet waren, erfuhren wir dann, dass die Insel Melite
hieß« (Vers 1).
Diese Insel heißt heute Kephallenia und liegt
an der Westküste Griechenlands im Ionischen Meer vor dem Golf von Patras.
Unserem Gott und Vater sei Lobpreis und Dank
für die Rettung aller zweihundertsechsundsiebzig Seelen auf dem Schiff!
»Die
Eingeborenen gewährten uns ungewöhnliche Menschenfreundlichkeit; denn sie
zündeten ein Feuer an und nahmen uns alle des eingetretenen Regens und der
Kälte wegen zu sich« (Vers 2).
Die Eingeborenen waren keine Griechen,
sondern Barbaren (wie es wörtlich heißt), also Menschen mit einer
unverständlichen Sprache, in diesem Falle einer schwer verständlichen
Mischsprache. Auf Kephallenia wohnten Menschen illyrischer Herkunft. Malta
dagegen war von Griechen und Römern geprägt.
Regen und Kälte sind typisch für das Wetter
auf Kephallenia im November. Auf Malta aber fallen zu dieser Jahreszeit nur
erfrischende Schauer, und die Temperaturen sind noch angenehm.
Wie dankbar werden die Schiffbrüchigen für
die Gastfreundschaft der Inselbewohner gewesen sein! Ebenso wie auch wir jede
Freundlichkeit und gute Tat von Ungläubigen zu schätzen wissen und Gott auch
jedes ihrer guten Werke vor dem großen, weißen Thron würdigen wird (Off.20:13).
Der
Otternbiss
»Als Paulus
eine Menge Reisig zusammenraffte und auf das Feuer legte, kam durch die Wärme
eine Otter heraus und verbiss sich in seine Hand. Als die Eingeborenen das an
seiner Hand hängende Wildtier gewahrten, sagten sie zueinander: Zweifellos ist
dieser Mensch ein Mörder, den die gerechte Vergeltung nicht leben lässt,
wiewohl er aus dem Meer gerettet ist. - Dann schüttelte er jedoch das Wildtier
ab ins Feuer hinein - und erlitt kein Übel. Sie aber vermuteten, ihm stehe
bevor, seine Hand werde sich entzünden und er plötzlich tot niederfallen. Als
sie längere Zeit so warteten und schauten, dass an ihm nichts Absonderliches
vorging, schlug ihre Meinung um, und sie sagten, er sei ein Gott« (Verse 3-6).
Auch Paulus packte mit an, wie denn alle
Gläubigen aufgerufen sind, aus ganzer Seele zu wirken, hingebungsvoll zu
dienen, als gälte es dem Herrn und nicht den Menschen (Kol.3:23).
Die Otter war
die bis zu 90 cm lange Sandviper oder Sandotter, die giftigste Schlange
Europas. Für Malta sind Giftschlangen historisch nicht bezeugt. Auf Kephallenia
dagegen gab es sie in alter Zeit wie auch noch heute sehr zahlreich. Nach der
Vorstellung der Eingeborenen würde die Gerechtigkeit oder Dike, die Göttin der
Gerechtigkeit, einen Mörder auf jeden Fall zu Tode bringen, selbst wenn er
schon mehrmals dem Tode entronnen war. Dann aber, als dem Paulus nach längerer
Zeit nichts Übles passierte, meinten sie, er sei ein Gott. Wahrscheinlich
entgegnete er darauf ähnlich wie einst in Lystra: »Auch wir sind nur Menschen, mit gleicher Empfindung wie ihr; wir
verkündigen das Evangelium, damit ihr euch von diesen eitlen Dingen umwendet zu
dem lebendigen Gott, der den Himmel, die Erde und das Meer geschaffen hat samt
allem, was in ihnen ist« (Ap.14:15).
Wieder hatte
der Satan versucht, Paulus umzubringen. Doch Gott, der auch dieses bewirkt
hatte (Eph.1:11), gebrauchte die böse Tat zu Seiner Verherrlichung und tat ein
Wunder. Da die Apostelgeschichte das Königreich Israels zum Thema hat und die
Kräfte des zukünftigen Äons, die des Königreichs, noch wirksam waren (Heb.6:5),
erfüllte sich Psalm 91:13,14: »Auf
den schwarzen Löwen und die Kobra wirst du treten, den Junglöwen und die
Schlange zertreten. Denn ist er mit Mir (Jewe) verbunden, so werde Ich ihn
erretten.« Zu den siebzig Jüngern hatte unser Herr
gesagt: »Siehe, Ich habe euch
Vollmacht gegeben, auf Schlangen und Skorpione zu treten, und Vollmacht über
die gesamte Macht des Feindes, und keinesfalls wird euch irgendetwas schaden«
(Luk.10:19).
Die Höhle
übrigens, in der sich die Schiffbrüchigen wärmten, war die
musikpavillonähnliche Felswölbung in etwa 40 m Höhe an der Westseite der
Landzunge Argostoli nahe des Felskaps Lardigo. Sie heißt heute Höhle des
Heiligen Gerasimos, der sich im 16. Jahrhundert dort aufgehalten hat. Auf Malta
aber lässt sich eine Höhle in der Nähe der angeblichen Landungsstellen nicht
finden.
Viele Krankenheilungen
»In den
Gebieten um jene Stätte gehörten die Ländereien dem Ersten Beamten der Insel
namens Publius. Dieser empfing uns und bewirtete uns drei Tage freundlich. Der
Vater des Publius war gerade von Fieber und Ruhr befallen und lag krank
danieder. Zu dem ging Paulus hinein, betete, legte ihm die Hände auf und heilte
ihn. Als das geschah, kamen auch die Übrigen auf der Insel, die Gebrechen
hatten, herzu und wurden geheilt« (Verse 7-9).
Dies waren die
letzten Wunder überhaupt. Man bedenke das Ergehen der hernach Erkrankten, und
zwar des Epaphroditus (Phil.2:27), des Timotheus (1.Tim.5:23) und des Trophimus
(2.Tim.4:20). Gewiss hat Paulus sogleich mitgeteilt, dass Jesus, der
Auferstandene und Christus, der Heilende war. So wird sich das Evangelium
blitzschnell auf der Insel verbreitet haben. Welch ein Segen doch aus dem
Schiffbruch erwuchs!
Die
Beschreibung der Erkrankung des Vaters des Publius lässt an Malaria
(Sumpffieber) denken. Malta war seit jeher malariafrei, Kephallenia aber war
bis in die Neuzeit hinein ein Malariaherd gewesen.
Kephallenia
gehörte zur römischen Provinz Achaja mit der Hauptstadt Korinth und wurde von
einem Ersten Beamten verwaltet, Malta dagegen von einem Prokurator regiert. Im
äußerst kargen Nordwesten Maltas sind Ländereien nicht vorstellbar. Die Ebene
von Krane aber, dem Verwaltungssitz und römischen Flottenstützpunkt im Bereich
der Bucht von Argostoli, war sehr fruchtbar. Zweihundertsechsundsiebzig
Schiffbrüchige konnten dort gut untergebracht und beköstigt werden.
Kephallenia
gehört zu den ältesten christlichen Gemeinden Europas, wogegen Malta erst im
vierten Jahrhundert n. Chr. christianisiert wurde.
Die Weiterfahrt
»Sie [die
Eingeborenen] achteten uns vieler Ehren wert und gaben uns, als wir ausfuhren,
das für unseren Bedarf Nötige mit. So gingen wir nach drei Monaten wieder in
See, und zwar auf einem alexandrinischen Schiff mit dem Abzeichen der
Dioskuren, das auf der Insel überwintert hatte« (Verse 10+11). Nach drei Monaten, vermutlich Mitte Februar
des Jahres 59 n. Chr., gingen sie auf einem alexandrinischen Schiff wieder in
See. Es hatte in der Bucht von Argostoli überwintert. Ein Kapitän, der ein
Schiff aus Alexandrien in Ägypten über Syrakus auf Sizilien und Regium in
Kalabrien nach Puteoli bei Neapel führt, wird, von Osten kommend, niemals
angesichts des Ätna und des nahen Syrakus nach Malta, also nach Süden, zum
Überwintern abweichen.
Es ist
selbstverständlich, dass die dankbaren Eingeborenen die Fremden, durch die sie
so großen Segen erfahren hatten, mit Wohltaten überschütteten. In Anlehnung an
Römer 15:27 darf man sagen, dass die Kephallenen, wenn sie an den geistlichen
Gütern der Heiligen teilnahmen, auch verpflichtet waren, eine Beisteuer zu den
fleischlichen Bedürfnissen zu leisten.
Das Schiff
trug die Dioskuren als Gallionsfiguren; diese waren Castor und Pollux,
Zwillingsbrüder des griechischen Mythos, Söhne des Zeus und der Leda. Auch
heidnische Dinge mussten dem Apostel dienen. Wie auch wir die Welt gebrauchen
(1.Kor.7:31).
Von Syrakus bis Puteoli
»Wir landeten dann in Syrakus und
blieben hier drei Tage. Von dort gelangten wir, im Bogen herumfahrend, nach
Regium. Da nach einem Tag Südwind aufkam, erreichten wir am zweiten Tag
Puteoli, wo wir Brüder fanden, die uns zusprachen, sieben Tage bei ihnen zu
bleiben« (Verse 12-14 a).
Puteoli war in
der Antike der große Umschlaghafen für Getreideschiffe aus Ägypten. Der Hauptmann
war sehr großzügig und gestattete es dem Paulus, Lukas und Aristarchus
(Ap.27:2), eine ganze Woche lang Gemeinschaft mit Glaubensgeschwistern zu
pflegen. Sicherlich hatte der Centurio aber auch dienstlich zu tun und ließ er
seine Mannschaft neu einkleiden und ausrüsten, bevor sie in Rom eintrafen.
Wir dürfen
annehmen, dass die Brüder von Puteoli die in Rom über die Ankunft des Apostels
Paulus eilends informierten.
Paulus bekam neuen Mut
»Und so kamen wir nach Rom. Von dort
kamen uns die Brüder, die von uns gehört hatten, bis Forum Appii und Tres
Tabernä entgegen. Sobald Paulus sie gewahrte, dankte er Gott und bekam neuen
Mut« (Verse 14 b+15).
Auf dem
Fußmarsch nach Rom wird Paulus bestimmt an das geistliche Ergehen der Heiligen
dort gedacht haben, denen er drei Jahre zuvor den Römerbrief geschrieben hatte.
In Kapitel eins, Verse 8 bis 13, hatte er geäußert: »Zuerst danke ich meinem Gott durch Jesus Christus für euch alle,
da euer Glaube in der ganzen Welt verkündigt wird. Denn mein Zeuge ist Gott
(dem ich in meinem Geist am Evangelium Seines Sohnes Gottesdienst darbringe),
wie unablässig ich euer gedenke, allezeit in meinen Gebeten flehend, ob ich
etwa endlich einmal so glücklich daran sein werde, durch den Willen Gottes zu
euch zu kommen. Denn ich sehne mich danach, euch zu Gesicht zu bekommen, damit
ich euch etwas geistliche Gnadengabe mitteile, um euch zu festigen. Dies
geschieht aber, damit mir mit zugesprochen werde unter euch durch den
beiderseitigen Glauben, den euren wie auch den meinen. Auch will ich euch nicht
in Unkenntnis darüber lassen, meine Brüder, dass ich mir oftmals vorsetzte, zu
euch zu kommen (bisher wurde es mir verwehrt), damit ich auch unter euch etwas
Frucht habe, so wie auch unter den übrigen Nationen.«
Jetzt sollten
sich des Apostels Sehnsucht und Gebete erfüllen, so wie der Herr es ihm nach
seiner Festnahme in Jerusalem verheißen hatte: »Fasse Mut! Denn wie du in
Jerusalem für Mich Zeugnis abgelegt hast, so musst du auch in Rom Mein Zeuge
sein« (Ap.23:11).
Und siehe, da
kamen Gläubige aus Rom dem Paulus und seinen Begleitern bis nach Forum Appii
(zu deutsch: Markt des Appius), einem Marktflecken etwa 70 km südlich von Rom
entgegen! Welch eine Freude! Eine weitere Gruppe von Geschwistern traf bei der
Ortschaft Tres Tabernä (zu deutsch: Drei Tavernen oder Drei Wirtshäuser) an der
Via Appia auf sie, etwa 50 km von Rom entfernt. Da dankte Paulus Gott und bekam
neuen Mut.
Wir preisen
Gott für die Bruderliebe, die Paulus dort erfahren durfte, so wie er sie ihnen
ans Herz gelegt hatte: »In der geschwisterlichen Freundschaft seid einander
herzlich zugetan« (Röm.12:10).
Übrigens
kannte Paulus, wie aus Römer 16 hervorgeht, bereits eine ganze Reihe von
Gläubigen, die in Rom lebten, von anderswo her.
In Rom
»Als wir dann in
Rom angekommen waren, wurde es Paulus gestattet, mit dem ihn bewachenden
Krieger für sich zu bleiben« (Vers 16).
Paulus, der
Gebundene des Kaisers, in Wahrheit aber der Gebundene Christi Jesu für uns, die
aus den Nationen (Eph.3:1), durfte eine eigene Wohnung beziehen und Besucher
empfangen. Seine rechte Hand war an die linke Hand eines der sich ablösenden
Krieger gekettet.
Auf diese
Weise hörten viele Soldaten des Prätoriums, des kaiserlichen Hofes, das
Evangelium Gottes über Seinen Sohn Jesus Christus, unseren Herrn, sodass Paulus
zwei Jahre später an die Philipper schreiben konnte: »Ich beabsichtige aber,
Brüder, euch erkennen zu lassen, dass meine Angelegenheiten eher zur Förderung
des Evangeliums geführt haben, sodass bei dem ganzen Prätorium und allen
Übrigen meine Fesseln als um Christi willen offenbar geworden sind«
(Phil.1:12,13).
Paulus bemühte sich um die Juden in Rom
»Nach drei
Tagen ließ er dann die Ersten der Juden zusammenrufen. Als sie zusammengekommen
waren, sagte er zu ihnen: Männer, Brüder, ich, der ich nichts getan habe, was
gegen das Volk oder die väterlichen Sitten verstößt, wurde als Häftling aus
Jerusalem in die Hände der Römer überantwortet. Diese forschten mich aus und
beschlossen, mich freizulassen, weil man an mir keine Schuld fand, die den Tod
verdient. Da aber die Juden Widerspruch erhoben, war ich genötigt, mich auf den
Kaiser zu berufen, nicht als ob ich meine Nation irgendwie anzuklagen hätte.
Aus diesem Grund nun habe ich euch herbeigerufen, um euch zu sehen und zu euch
zu sprechen, denn wegen der Erwartung Israels umgibt mich diese Kette« (Verse
17-20).
Die Erwartung
Israels ist die Auferstehung der Toten und das äonische Leben im Königreich auf
der Erde unter dem Messias, und dieser ist Jesus. Diese Erwartung hatte Paulus
auch vor dem Synedrium (Ap.23:6), dem Statthalter Felix (Ap.24:15,21) und dem
König Agrippa (Ap.26:8) betont.
Entsprechend
dem Thema der Apostelgeschichte, welches das diesem Volk verheißene Königreich
ist, schildert Lukas nur die Bemühungen des Apostels Paulus um die Juden in
Rom. Von dessen Aktivitäten für die aus den Nationen und seinen Briefen an sie
sowie von dem uns angehenden Evangelium der überströmenden Gnade und
bedingungslosen Versöhnung schreibt er nichts.
Die Antwort der Juden
»Da sagten sie
zu ihm: Wir haben weder Zuschriften über dich aus Judäa empfangen, noch hat
einer der Brüder, die hergekommen sind, etwas Böses über dich berichtet oder
gesprochen. Wir wissen es aber zu würdigen, wenn wir von dir hören, wie du
gesonnen bist; denn von dieser Sekte ist uns schon bekannt, dass sie überall
Widerspruch erfährt« (Verse 21+22).
Unter einer
Sekte verstanden die Juden eine Sondergruppe innerhalb des jüdischen Glaubens,
in diesem Falle mit der Sonderlehre, dass Jesus aus Nazareth der Messias sei.
Es ist aber anzunehmen, dass die Juden in jener fortgeschrittenen Zeit die
christlichen Gemeindem, in denen die Unbeschnittenen überwogen, bereits als
völlig außenstehend ansahen. Wie dem auch sei, die in Rom waren bereit, sich
die Sache anzuhören.
Die Unterredung über das Königreich Gottes
»An dem mit
ihm vereinbarten Tag kamen noch mehr zu ihm in die Unterkunft, denen er vom
Morgen bis zur Abenddämmerung das Königreich Gottes auseinandersetzte und
bezeugte, indem er sie in Bezug auf Jesus vom Gesetz des Mose wie auch von den
Propheten her zu überzeugen suchte« (Vers 23).
Das Königreich
Gottes - dies ist ein weit gefasster Begriff; man kann darunter die
Regentschaft Gottes in den Herzen der Gläubigen verstehen (Luk.17:21), das
Königreich und die Königsherrschaft Israels in den kommenden Äonen auf der Erde
wie auch das überhimmlische Königreich unseres Herrn Jesus Christus, in welchem
wir, die Glieder der Körpergemeinde, niedergesetzt werden (Eph.1:23; 2:6;
2.Tim.4:18). Nach dem Zusammenhang ist das Königreich Israels gemeint.
In dem
Gespräch mit den Juden musste Paulus von deren Wissen, also von Mose und den
Propheten ausgehen, die allesamt bezeugen, dass nur Jesus der verheißene
Messias und König sein und nur Er das Königreich herbeiführen kann. Nur auf Ihn
treffen die vielen prophetischen Worte zu, wovon hier nur Psalm16:8-11 zitiert
werde, und zwar im Rahmen der Pfingstrede des Apostels Petrus im Jahre 32 n.
Chr.: »David sagt nämlich von Ihm: Ich sah den Herrn allezeit vor mir und hielt
Ihn mir vor Augen; denn Er ist zu meiner Rechten, damit ich nicht erschüttert
werde. Deshalb wurde mein Herz fröhlich, und meine Zunge frohlockt. So wird
auch mein Fleisch noch zelten in Erwartung, weil du meine Seele nicht im
Ungewahrten lassen wirst, noch Deinen Huldreichen dahingegeben, Verwesung zu
gewahren. Du hast mir Wege des Lebens bekannt gemacht; Du wirst mich mit
Frohsinn erfüllen vor Deinem Angesicht. - Männer, Brüder, es sei mir erlaubt,
mit Freimut von unserem Urvater David zu euch zu reden: Auch er verschied und
wurde begraben, und sein Grab ist bis auf diesen Tag bei uns. Da er nun ein
Prophet war und wusste, dass Gott ihm mit einem Eid geschworen hatte
(Ps.132:11), einen aus der Frucht seiner Lende auf seinen Thron zu setzen, hat
er voraussehend von der Auferstehung des Christus gesprochen: Weder wurde Er im
Ungewahrten gelassen, noch gewahrte Sein Fleisch Verwesung. - Diesen Jesus hat
Gott auferstehen lassen, dafür sind wir alle Zeugen« (Ap.2:25-32).
Im Übrigen
siehe 1.Mose 3:15, 5.Mose 18:18, Psalm 22, Jesaia 53, Jeremia 23:5, Micha 5:1.
Wie konnte
Paulus den Juden das Königreich verkündigen, da Israel doch bereits verworfen
war (Röm.11:15)? Es ist richtig, dass Israel verworfen ist und das Königreich
zunächst nicht aufgerichtet werden sollte, aber dass es kommen wird, darf
allezeit verkündigt werden. Außerdem sollte zum letzten Mal in der damals zu
Ende gehenden heilsgeschichtlichen Verwaltung des Übergang von der
pfingstlichen zur gegenwärtigen die Haltung der Juden offenbar werden.
Der Ausspruch Jesaias
»Die einen
wurden von dem Gesagten überzeugt, während die anderen nicht glaubten. Da sie
aber miteinander Unstimmigkeiten hatten, entfernten sie sich, nachdem Paulus
noch einen Ausspruch getan hatte: Trefflich spricht der Geist, der heilige,
durch den Propheten Jesaia zu euren Vätern: Geh zu diesem Volk und sage: Mit
dem Gehör werdet ihr hören und doch nicht verstehen. Blickend werdet ihr
erblicken und doch nicht wahrnehmen; denn das Herz dieses Volkes ist verdickt,
mit ihren Ohren hören sie schwer, und sie schließen ihre Augen, damit sie nicht
etwa mit den Augen wahrnehmen, mit den Ohren hören, mit dem Herzen verstehen
und sich umwenden, damit Ich sie heilen würde. - Es sei euch daher bekannt
gemacht, dass diese Rettung Gottes den Nationen gesandt worden ist; sie werden
euch hören!« (Verse 24-28).
Mit diesem
Ausspruch des Propheten Jesaia verschloss der Apostel Paulus die Tür zum
Eintritt in das Königreich Israels endgültig für die Zeit der gegenwärtigen
Verwaltung der überfließenden Gnade Gottes (Eph.3:2; Kol.1:25).
Mit diesem
Ausspruch Jesaias hatte unser Herr Israel einst schon einmal verworfen, indem
Er in Erfüllung des Prophetenwortes sagte: »Deshalb spreche Ich in Gleichnissen
zu ihnen, damit sie sehend nicht sehen und hörend nicht hören noch verstehen«
(Mat.13:13; vgl. Joh.12:37-41).
Nach der
Auferstehung Jesu durfte Petrus die Tür zum Königreich wieder aufschließen
(Ap.2). Hätte Israel dem Zeugnis des heiligen Geistes - sichtbar an den vielen
Zeichen und Wundern - geglaubt, dass Jesus der Christus ist, so wäre das
Königreich angebrochen. Aber Gottes in Christus Jesus gefassten Vorsatz für den
Ablauf der Äonen war anders (Eph.3:11). Nun ist die Tür wieder zu. Israel ist
und bleibt verstockt, bis die Vervollständigung der Auswahl der Nationen in den
das Licht des Evangeliums in der Welt verbreitenden Ölbaum eingegangen ist
(Röm.11:25). Nach der Entrückung der gegenwärtigen Gemeinde, der
Herausgerufenen, die Christi Körper ist und aus Juden und Nichtjuden besteht
(Eph.1:23; 2:13-19; 3:6), wird der Zugang zum Königreich wieder möglich sein -
denen, die glauben.
Zwei Jahre in Rom
Zwei Jahre
lang, etwa von Anfang März des Jahres 59 bis Anfang des Jahres 61 n. Chr.,
durfte Paulus viele Dienste in Rom tun. In den Versen 30 und 31 fasst Lukas
dies zusammen (Vers 29 nicht im Grundtext):
»Er blieb dann
zwei ganze Jahre in eigener Mietswohnung und hieß alle willkommen, die zu ihm
kamen; er heroldete das Königreich Gottes und lehrte mit allem Freimut und
ungehindert, was den Herrn Jesus Christus betrifft.«
Wenn der
Apostel auch gebunden ist - das Wort Gottes ist nicht gebunden! Lobpreis, Dank
und Verherrlichung sei dem Gott und Vater unseres Herrn Jesus Christus! Amen!