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Ausführungen zur Apostelgeschichte,

dem Bericht über die »Taten der Apostel«

 

Die Himmelfahrt Jesu (Apostelgeschichte 1)

Am Pfingsttag, Teil I (Apostelgeschichte 2:1-31)

Am Pfingsttag, Teil II (Apostelgeschichte 2:32-47)

Die Heilung des Lahmen (Apostelgeschichte 3)

In dem Namen Jesu Christi (Apostelgeschichte 4:1-31)

Sie hatten alles gemeinsam (Apostelgeschichte 4:32 - 5:16)

Das zweite Verhör der Apostel (Apostelgeschichte 5:17-42)

Die Rede des Stephanus, Teil I (Apostelgeschichte 6:1-7:22)

Die Rede des Stephanus, Teil II (Apostelgeschichte 7:23-60)

Philippus in Samaria und am Weg nach Gaza (Apostelgeschichte 8)

Saulus vor Damaskus (Apostelgeschichte 9:1-21)

So hatte die ganze Gemeinde nun Frieden (Apostelgeschichte 9:22-43)

Petrus bei Kornelius (Apostelgeschichte 10:1-11:18)

Von der Gemeinde in Antiochien und König Herodes Agrippa (Apostelgeschichte 11:19-12:25)

Auf der ersten Missionsreise (Apostelgeschichte 13:1-31)

Die erste Verkündigung der Rechtfertigung allein durch Glauben (Apostelgeschichte 13:32-52)

In Ikonium und Lystra (Apostelgeschichte 14)

Die Apostelversammlung wegen der Frage der Beschneidung (Apostelgeschichte 15:1-35)

Auf der zweiten Missionsreise (Apostelgeschichte 15:36-16:40)

In Thessalonich, Beröa und Athen (Apostelgeschichte 17)

In Korinth und zu Beginn der dritten Missionsreise (Apostelgeschichte 18:1-19:7)

Paulus in Ephesus (Apostelgeschichte 19:8-41)

Auf dem Rückweg von der dritten Missionsreise (Apostelgeschichte 20)

Hinauf nach Jerusalem (Apostelgeschichte 21:1-39)

Die Rede des Paulus an seine Nation (Apostelgeschichte 21:40-23:11)

Paulus vor Felix (Apostelgeschichte 23:12-24:27)

Paulus vor Festus und Agrippa (Apostelgeschichte 25+26)

Die Seereise nach Rom (Apostelgeschichte 27)

Auf Melite und in Rom (Apostelgeschichte 28)

 

 

 

Die Himmelfahrt Jesu

(Apostelgeschichte 1)

 

  Der Bericht des Lukas, der gewöhnlich »Apostelgeschichte« genannt wird, trägt nach den Kodizes Sinaiticus und Vaticanus den Titel »Die Verfahrensweisen der Apostel«. Lukas, »der geliebte Arzt« (Kol.4:14), ein nichtjüdischer Mitarbeiter und zeitweiliger Begleiter des Apostels Paulus, schrieb ihn etwa im Jahre 61 n. Chr. nieder. Die Aufzeichnung zeigt zum einen die Ausbreitung des Evangeliums während der drei Jahrzehnte von Jesu Himmelfahrt im Jahre 32 bis zur Freilassung des Paulus aus seiner ersten römischen Gefangenschaft im Jahre 61 n. Chr. auf, zum andern aber den Unglauben Israels und im Zusammenhang damit den heilsgeschichtlich bedeutsamen Übergang der Evangeliumsverkündigung weg von Israel und hin zu den Nationen.

  Lukas schildert die vielfältigen Bemühungen der Apostel im Inland und dann auch des Apostels Paulus unter den Auslandsjuden, Israel davon zu überzeugen, dass Jesus der Christus ist, damit das diesem Volk verheißene Königreich anbreche. Im Laufe der Zeit wird aber immer deutlicher, dass Israel den König und damit auch das Königreich verwirft.

  Das uns, die Glieder der herausgerufenen Gemeinde, die Christi Körper ist (Eph.1:22,23), angehende, dem Paulus für die gegenwärtige heilsgeschichtliche Verwaltung der überströmenden Gnade enthüllte Evangelium (Gal.1:12; Eph.3:2), das der Apostel der Nationen in seinen Briefen darlegte und erst durch die sogenannten Gefangenschaftsbriefe, den Epheser-, den Philipper- und den Kolosserbrief, sowie die späteren Briefe vervollständigte (Kol.1:25), wird kaum berührt. Wir lesen im Grunde nur vom Dienst des Apostels Paulus für das Königreich Israels, sehr wenig aber von dem Dienst, den er durch seine Briefe an dem ihm eigens offenbarten Evangelium der Unbeschnittenheit tat (Gal.2:7). Sein Königreichsdienst schließt die Nationen insofern ein, als er ihnen den Segen austeilt (vgl. Röm.15:16), wie sie ihn im tausendjährigen Königreich unter Israels Vorherrschaft erhalten werden.

  Wir können die Apostelgeschichte auch als das Zeugnis des heiligen Geistes bezeichnen. Mit dem Tod Jesu Christi war Sein Zeugnis abgeschlossen. Es folgte das des Geistes Gottes, der durch die Worte sowie Zeichen und Wunder der Apostel in überwältigender Weise Zeugnis dafür ablegte, dass Jesus auferstanden und der von Gott beglaubigte Messias ist. Wer dieses Zeugnis ablehnte und die Wunder etwa bösen Geistern zuschrieb, für den gab es keine Vergebung »weder in diesem Äon noch in dem zukünftigen« (Mat.12:32). - Israel aber lehnte es ab. So wurde es verworfen. Ihre Verwerfung aber ist der Welt Versöhnung (Röm.11:15).

 

Der zweite Bericht

 

  Lukas schreibt: »Den ersten Bericht, o Theophilus, habe ich verfasst von allem, was Jesus anfing zu tun und auch zu lehren bis zu dem Tag, als Er den Aposteln, die Er auserwählt hatte, durch heiligen Geist Anweisungen gab und dann hinaufgenommen wurde« (Verse 1+2).

  Der erste Bericht des Lukas, den er für den »hochgeehrten Theophilus« (Luk.1:3) verfasst hatte, wird im Allgemeinen »Das Evangelium nach Lukas« genannt. Das Wort Gottes aber sagt »Bericht« dazu. Theophilus dürfte ein hochgestellter Gläubiger gewesen sein.

  Lukas knüpft mit seinem nun zweiten Bericht an den ersten an, in welchem er das Wirken unseres Herrn Jesus Christus von Anfang an bis zu Seiner Himmelfahrt geschildert hatte.

  Im Folgenden geht Lukas nochmals auf die letzten Tage und dann auf die letzten Stunden ein.

  »Ihnen [den Aposteln] hatte Er Sich auch nach Seinem Leiden in vielen Beweisen lebendig dargestellt, indem Er Sich vierzig Tage hindurch unter ihnen sehen ließ und über Dinge sprach, die das Königreich Gottes betreffen« (Vers 3).

  Den Emmaus-Jüngern zum Beispiel hatte Er, von Mose anfangend und alle Propheten durchgehend, das aus allen Schriften über Ihn Gesagte erklärt (Luk.24:27).

  Wenn auch der Begriff »das Königreich Gottes« oder »die Regentschaft Gottes« ein sehr allgemeiner ist, zumal es auch ein überhimmlisches Königreich gibt und wir im Geist bereits dort niedergesetzt sind (Eph.2:6; Kol.1:13; 2.Tim.4:18), so ist es dennoch klar, dass hier das Israel verheißene Königreich der Himmel, also das himmlischen Charakters, gemeint ist. Wie Vers 6 zeigen wird, haben die Apostel an kein anderes als das irdische Königreich für Israel gedacht. Diese ihre Erwartung ist nicht die unsere.

 

Der verheißene heilige Geist

 

  Wir lesen weiter: »Als Er mit ihnen Tischgemeinschaft hatte, wies Er sie an, nicht von Jerusalem zu scheiden, sondern die Verheißung des Vaters abzuwarten, - die ihr von Mir gehört habt; denn Johannes hat nur mit Wasser getauft, ihr aber werdet nicht sehr lange nach diesen Tagen in heiligem Geist getauft werden« (Verse 4+5).

  Jesus hatte Seinen Jüngern den Zusprecher verheißen, den der Vater senden wird, den Geist der Wahrheit, der in ihnen bleiben und sie alles lehren und an alles erinnern werde, was Er ihnen gesagt hat (Joh.14:16,17,26; 15:26; siehe auch in Joh.20:22 den nicht mit Kraftwirkungen verbundenen Empfang des heiligen Geistes).

  Von der Verheißung des heiligen Geistes als solcher hatten bereits die Propheten gesprochen (Jes.32:15; 44:3; Hes.39:29; Joel 3:1; Sach.12:10). Dann aber war es Johannes der Täufer, der, nur in Wasser taufend, Jesus als denjenigen benannte, der in heiligem Geist und Feuer taufen werden (Mat.3:11; Mark.1:8; Luk.3:16).

 

Das Königreich für Israel

 

  »Die nun zusammengekommen waren, fragten Ihn daher: Herr, stellst Du in dieser Zeit das Königreich für Israel wieder her? - Da sagte Er zu ihnen: Euch steht es nicht zu, die Zeiten oder Fristen zu erfahren, die der Vater in eigener Vollmacht festgesetzt hat« (Verse 6+7).

  Da die Propheten das Kommen des Geistes Jewes mit der Wiederherstellung des Königreichs Davids verbanden (Jer.23:5; Micha 4:8; Dan.7:27; Ap.3:21), war die Frage der Apostel folgerichtig.

  Jesus gab ihnen den Zeitpunkt der Aufrichtung des Königreichs nicht an. Seine Antwort ließ zwar dem Gedanken Raum, dass es nicht in dieser Zeit geschehen werde, was das Gleichnis von den den Sklaven anvertrauten Minas/Pfunden (Luk.19:11-27) übrigens schon erkennen ließ, es wäre aber kein Ansporn für die Verkündigung der Apostel gewesen, wenn ihnen bekräftigt worden wäre, dass ihr Zeugnis nicht angenommen und das Königreich folglich nicht in absehbarer Zeit kommen würde. Außerdem wäre der Unglaube Israels nicht so deutlich offenbar geworden, wenn sie ausgerufen hätten: »Glaubt an das Königreich, aber es kommt noch lange nicht.«

  Die Apostel mussten somit die sehnsuchtsvolle Frage Jesaias: »Bis wann noch, Jewe?« (Jes.6:11) weiterhin im Herzen tragen. Erst Paulus durfte sie beantworten (Röm.11:25).

 

»Ihr werdet Meine Zeugen sein«

 

  Dies aber verhieß ihnen der Herr: »Doch ihr werdet Kraft erhalten, wenn der heilige Geist auf euch kommt; und ihr werdet Meine Zeugen sein: in Jerusalem wie auch im gesamten Judäa und Samaria und bis zur letzten Grenze des Landes« (Vers 8).

  Der heilige Geist ist voller Kraft, denn er ist die Präsenz Gottes auf der Erde, ja Gott Selbst, der Geist ist (Joh.4:24). Gottes Geist ist nicht etwas Zweites neben Ihm, sondern Seine Wesenssubstanz. Mit heiligem Geist angetan zu werden bedeutet, Kraft aus der Höhe zu empfangen (Luk.24:49), die die Apostel nun zu ihrem mannigfaltigen Dienst befähigte, insbesondere Jesu Zeugen zu sein, indem sie Seine Auferstehung durch Worte, Zeichen und Wunder bezeugten.

  Und die Apostel wurden Jesu Zeugen, wie Er es ihnen auch beim letzten Passahmahl angekündigt hatte: »Der Geist der Wahrheit ... wird für Mich Zeugnis ablegen; aber auch ihr seid Zeugen, weil ihr von Anfang an mit Mir gewesen seid« (Joh.15:26,27). Sie bezeugten, was sie gehört und gesehen und betastet hatten: Jesus, das äonische Leben, das zum Vater hingewandt und ihnen offenbar geworden war (1.Joh.1:1,2).

  Sie dienten dem Auftrag des Herrn gemäß zunächst in Jerusalem, wie die Kapitel zwei bis sieben ausweisen, und dann, wie in den Kapiteln acht bis zwölf verzeichnet, in Judäa und Samaria und in den anderen Gebieten des Landes, zum Beispiel auch in Galiläa. In Kapitel 9:31 finden wir folgenden Situationsbericht vor: »So hatte nun die herausgerufene Gemeinde in ganz Judäa, Galiläa und Samaria Frieden.«

  Sandte der Herr Seine Apostel »bis zur letzten Grenze des Landes« oder »der Erde«? - Das griechische Wort gê bedeutet beides. Da es um die Aufrichtung des Königreichs Israels ging, wird Er die Grenzen des Landes gemeint haben. Denn zuerst muss Israel zur Umsinnung aufgerufen und für Jesus gewonnen werden, bevor es zum Segen für die ganze Erde werden kann. Erst das wiedergezeugte Israel wird bis zu den Enden der Erde gehen (Jes.43:10; 49:6; Ap.13:47). Man beachte, dass die Gläubigen, die sich infolge der wegen Stephanus entstandenen Drangsal zerstreut hatten und bis nach Phönizien, Zypern und Antiochien gezogen waren, das Wort zu niemand anders als allein zu den Juden gesprochen hatten (Ap.11:19). Erst danach - Saulus war schon berufen - erging das Wort (nach dem Kodex Vaticanus) auch an die »Hellenisten« (die griechisch geprägten Juden) oder (nach den Kodizes Sinaiticus2  und Alexandrinus) auch an die »Hellenen«, wie alle griechisch sprechenden Nichtjuden genannten wurden (Ap.11:20). Im Grunde bekamen die Nichtjuden das Evangelium erst von der Absonderung des Barnabas und Saulus an zu hören (Ap.13:2).

 

Jesu Aufnahme in den Himmel

 

  Wir lesen die Verse 9 bis 11: »Nachdem Er dies gesagt hatte, beobachteten sie, wie Er emporgehoben wurde und eine Wolke Ihn vor ihren Augen aufnahm. Als sie bei Seinem Fortgehen noch unverwandt zum Himmel aufsahen, siehe, da standen zwei Männer in weißer Kleidung bei ihnen, die sagten: Männer, Galiläer, was steht ihr und blickt zum Himmel hinauf? Dieser Jesus, der von euch fort in den Himmel hinaufgenommen wurde, wird so wiederkommen, in der Weise, wie ihr Ihn in den Himmel gehend geschaut habt.«

  In einer Wolke war Jewes Herrlichkeit vor Mose und Aaron erschienen (2.Mose 16:10; 40:34,35). Eine lichte Wolke drückte auf dem Berg der Verklärung die besondere Anwesenheit Gottes aus (Mat.17:5). Unser Herr wurde vom Himmel aufgenommen, stieg also von unserer dreidimensionalen in eine höherdimensionale, für uns unsichtbare Welt auf.

  Seitdem Er in den Himmel ging, sitzt Er zur Rechten Gottes und sind Ihm Boten, Obrigkeiten und Mächte untergeordnet (1.Pet.3:22). Jesu Fortgang war, wie Er den Jüngern erklärt hatte, die Voraussetzung dafür, dass Er ihnen den heiligen Geist sende (Joh.16:17; 14:16,26). Damit würde der Herr Sein Werk auf der Erde in die Hände Seiner Apostel legen.

  Übrigens werden auch wir von Wolken umhüllt, mithin vor der Welt verhüllt sein, wenn wir zu unserem Herrn und Haupt hin entrückt werden (1.Thess.4:17).

  Die beiden himmlischen Boten verkündigten den Aposteln die frohe Botschaft der Wiederkunft Jesu zur Aufrichtung des Königreichs. Sacharja weissagte einst: »Seine Füße werden an jenem Tag auf dem Ölberg stehen« (Sach.14:4). Jesus Selbst hatte ebenfalls davon gesprochen: »Dann wird man den Sohn des Menschen in einer Wolke mit Macht und großer Herrlichkeit kommen sehen« (Luk.21:27; vgl. Mat.24:30). »Ich komme wieder«, hatte Er Seinen Jüngern verheißen (Joh.14:3). Und Johannes schreibt im Buch der Enthüllung Jesu Christi: »Siehe, Er kommt mit den Wolken, und jedes Auge wird Ihn sehen, auch die Ihn durchstochen haben, und wehklagen werden um Ihn alle Stämme des Landes. Ja, Amen!« (Off.1:7).

  Lukas berichtet weiter: »Dann kehrten sie von dem Berg, der Ölberg heißt, nach Jerusalem zurück; er liegt nahe bei Jerusalem und ist nur einen Sabbatweg entfernt« (Vers 12).

  Ein Sabbatweg ist eine Strecke von 2.000 Ellen, einem knappen Kilometer; weiter durfte man sich nach der Überlieferung der Ältesten an einem Sabbat nicht von seinem Wohnort entfernen.

 

Die Elf in Jerusalem

 

  »Als sie hineingekommen waren, stiegen sie in das Obergemach hinauf, wo sie zu weilen pflegten: Petrus wie auch Johannes, Jakobus und Andreas, Philippus und Thomas, Bartholomäus und Matthäus, Jakobus, der Sohn des Alphäus, Simon der Eiferer und Judas, der Sohn des Jakobus. Diese alle hielten einmütig im Gebet an, samt den Frauen und Mirjam, der Mutter Jesu, und Seinen Brüdern« (Verse 13+14).

  Wir vernehmen mit Freude, dass Jesu Brüder dabei waren; sie, die nicht an Jesus geglaubt hatten (Joh.7:5), waren nach Seinem Tod und Seiner Auferstehung zum Glauben gekommen. Jesu Brüder hießen Jakobus, Joseph, Simon und Judas (Mat.13:55).

  Alle in dem Obergemach Versammelten hielten einmütig, mithin gleichgesinnt, gemäß der Gesinnung Christi Jesu (Röm.15:5), im Gebet an. Was sie wohl gebetet haben mögen? Sicherlich priesen sie Gott für die Auferweckung Seines Sohnes und dass Er jetzt beim Vater sein darf (Joh.14:28); gewiss lobten sie Gott in Erwartung des heiligen Geistes, der Wiederkunft Jesu und des Königreichs Israels.

 

»Sein Aufseheramt erhalte ein anderer!«

 

  »In diesen Tagen nun stand Petrus in der Mitte der Brüder auf (es war eine Schar von etwa hundertzwanzig Namen beieinander) und sagte: Männer, Brüder, es musste das Schriftwort erfüllt werden, das der Geist, der heilige, durch den Mund Davids über Judas vorhergesagt hat, der denen, die Jesus ergriffen, als Wegführer diente. Denn er war uns zugezählt worden, und das Los dieses Dienstes fiel ihm zu. (Dieser hatte sich nun mit dem Lohn der Ungerechtigkeit einen Freiacker erworben; doch ist er kopfüber gestürzt und in der Mitte geborsten, sodass alle seine Eingeweide ausgeschüttet wurden. Dies ist allen, die in Jerusalem wohnten, bekannt geworden; daher ist jener Freiacker in ihrer eigenen Mundart Hacheldamach genannt worden, das heißt Freiacker des Blutes.) Denn in der Rolle der Psalmen steht geschrieben: Seine Behausung soll öde werden, und es sei niemand, der darin wohne! Sein Aufseheramt erhalte ein anderer!« (Verse 15-20).

  Die 120 Menschen, die Petrus ansprach, stellten nicht die gesamte Zahl der Gläubigen dar, zumal unser Herr ja auch über 500 Brüdern auf einmal erschienen war (1.Kor.15:6).

  Das Judas Iskariot von Gott zugeteilte Los war, dass er zwar erwählt war, zum Kreis der Jünger zu gehören und seine böse Tat durchzuführen, er aber nicht zum äonischen Leben erwählt war (Joh.6:70; 13:128). Er musste Jesus verraten, damit erfüllt werde, was Psalm 41:10 sagt: »Der mit Mir das Brot isst, erhebt seine Ferse gegen Mich« (nach Joh.13:18; vgl. Ps.55:13-15).

  Er hatte einen Freiacker erworben. Das Ackerland wurde in Israel jährlich neu verlost. Es gab aber auch einige Felder, die man kaufen konnte. Dass Judas eines kaufte, zeigt, dass er nicht an das Königreich glaubte, wo jedem sein Stück Land zugelost werden wird. Es mag aber auch sein, dass Petrus den Kauf des Freiackers für dreißig Silberstücke (Sach.11:12) durch die Hohenpriester auf Judas zurückführte (Mat.27:3-10).

  Judas hatte sich erhängt und war dann gestürzt, wahrscheinlich weil der Ast brach, an dem er das Seil befestigt hatte, und fiel vielleicht auf einen Felsen.

  Mit seiner Rede nahm der Apostel Petrus die ihm aufgetragene Führung der Gläubigen auf (Mat.16:18). Da bei der Wiederwerdung, wenn der Sohn des Menschen auf dem Thron Seiner Herrlichkeit sitzt, zwölf Apostel auf zwölf Thronen sitzen und die zwölf Stämme Israels richten werden, musste die Zwölfzahl wieder hergestellt werden (Mat.19:28). Dementsprechend wies Petrus darauf hin, was in den Psalmen 69:26 und 109:8 geschrieben steht: »Lass ihr Zeltlager öde werden; es sei niemand, der in ihren Zelten wohne« und: »Sein Aufseheramt übernehme ein anderer.«

 

Es musste ein Ersatz für Judas gefunden werden

 

  Petrus fuhr fort: »Es muss daher einer von den Männern, die mit uns in all der Zeit zusammengekommen sind, in der der Herr Jesus bei uns ein- und ausging, angefangen von der Taufe des Johannes bis zu dem Tag, an dem Er von uns fort hinaufgenommen wurde - einer von diesen muss zusammen mit uns Zeuge Seiner Auferstehung werden« (Verse 21+22).

  Paulus hätte also kein Apostel werden können. Und er wurde ja auch kein Apostel Israels, sondern der der Nationen (Röm.11:13; Eph.3:1; 1.Tim.2:7).

 

Der Losentscheid

 

  »So stellten sie zwei auf: Joseph, genannt Barsabas, der den Beinamen Justus hatte, und Matthias. Dann beteten sie: Du, Herr, Herzenskenner aller, ernenne von diesen beiden den einen, den Du Dir erwählt hast, damit er die Stelle in diesem Dienst und Aposteltum erhalte, von dem Judas abgetreten ist, um an seine eigene Stätte zu gehen. - Darauf gab man ihnen Lose, und das Los fiel auf Matthias, der fortan den elf Aposteln zugerechnet wurde« (Verse 23-26).

  Sie beteten, sie wandten sich also an den, der allein weise ist (Röm.16:27), dessen Willen allein sie geschehen sehen möchten (Mat.6:10) und der alles nach dem Ratschluss Seines Willens bewirkt (Eph.1:11). Und da es um die Einsetzung eines Menschen ging, dessen Herzenseinstellung für die Ausübung eines Amtes wichtig ist, wandten sie sich an Gott als den Herzenskenner. »Der Mensch sieht, was vor Augen ist, Jewe aber sieht ins Herz« (1.Sam.16:7). »Jewe erforscht die Herzen, und alles Streben der Gedanken kennt Er« (1.Chron.28:9). Auch unserem Herrn Jesus Christus ist bekannt, was in jedem einzelnen Menschen ist (Joh.2:25; Luk.5:22).

  Dann warfen sie das Los. Dies war in Israel ein dem Wort Gottes getreues Tun, das in vielen Fällen geübt wurde, zum Beispiel bei der Verteilung des Landes an die zwölf Stämme, bei der jährlichen Verlosung der Felder und in mancherlei anderen besonderen Situationen. Sie legten die Entscheidung somit in Gottes Hände. In Sprüche 16:33 steht geschrieben: »Im Gewandbausch schüttelt man das Los, aber alle seine Entscheidung kommt von Jewe.« Wahrscheinlich hatten sie die Namen der beiden Männer auf zwei Kieselsteinchen geschrieben, die im Bausch eines Gewandes geschüttelt wurden; wessen Steinchen als erstes herausfiel, war der vom Herrn Erwählte.

  Das Los fiel auf Matthias. Dass der Name des Matthias in der Heiligen Schrift nicht wieder erwähnt wird, hat nichts zu bedeuten, da auch viele andere der zwölf Apostel nicht mehr angeführt werden.

  Nach der Ausgießung des heiligen Geistes ließen sich die Gläubigen nicht mehr durch das Losewerfen, sondern durch den Geist Gottes leiten (Ap.4:8,31; 8:29; 13:2; 15:28; 16:6,7).

  Auch heute leitet uns Gottes Geist - sofern wir nicht fleischgemäß, sondern geistgemäß wandeln (Röm.8:4) -, und alle, die vom Geist Gottes geführt werden, erweisen sich als Söhne Gottes (Röm.8:14). Wir werfen nicht das Los, sondern entscheiden wie unser Herr Jesus Christus uns aufgrund des dem Apostel Paulus geoffenbarten Evangeliums durch Seinen Geist leitet, der ein Geist der Kraft und der Liebe und der gesunden Vernunft ist (2.Tim.1:7). Mögen wir unsere Körper als ein lebendiges, heiliges und Gott wohlgefälliges Opfer bereitstellen (als unseren folgerichtigen Gottesdienst) und uns nicht auf diesen Äon einstellen, sondern uns umgestalten lassen durch die aus dem Wort erwachsende Erneuerung unseres Denksinns, damit wir zu prüfen vermögen, was der gute, wohlgefällige und vollkommene Wille Gottes ist (Röm.12:1,2).

 

 

Am Pfingsttag, Teil I

(Apostelgeschichte 2:1-31)

 

  »Als sich der Tag der Pfingsten erfüllte, waren alle zugleich am selben Ort« (Vers 1).

  Das deutsche Wort »Pfingsten« leitet sich von dem griechischen »pentêkostê« ab, was »Fünfzigster« bedeutet. Der Tag des Fünfzigsten war nach 3.Mose 23:15-21 das Fest der Erstlingsernte, an welchem das Brot vom ersten Korn der Ernte vor Jewe, dem Elohim Israels, während einer heiligen Versammlung geschwungen, Gott dankbar dargestellt wurde.

  Gerechnet wurde dieser Tag von dem Tag nach dem großen Festsabbat der ungesäuerten Brote, also vom 16. Nisan an, an welchem man die Erstlingsgarbe vor Jewe schwang. Es waren 50 Tage zu zählen, in welchen generell sieben Sabbate liegen. Die Erstlingsgarbe war ein prophetischer Hinweis auf den Erstling Jesus Christus, der Sich am Auferstehungsmorgen Seinem Gott und Vater darstellte (Joh.20:17). Das Fest der Erstlingsernte nun entsprach der Erstlingsernte von etwa dreitausend Seelen aus Israel, die die Apostel an jenem Pfingsttag des Jahres 32 n. Chr. für Gott gewannen (Ap.2:41).

  Die Apostel und die anderen Gläubigen waren in einer Halle der Weihestätte oder einem ihr nahe gelegenen Haus versammelt, denn kurz darauf hörte sie ja eine große Menschenmenge, zumal sich jeder jüdische Mann nicht nur zum Fest der ungesäuerten Brote und zum Laubhüttenfest in Jerusalem einzufinden hatte, sondern auch zum Pfingstfest (5.Mose 16:16). Das Laubhüttenfest übrigens weist auf die Rettung ganz Israels, das Israel der Auswahl, hin (Röm.11:26).

 

Sie wurden mit heiligem Geist erfüllt

 

  »Da geschah plötzlich aus dem Himmel ein Brausen, wie ein daherfahrendes, gewaltiges Wehen, und erfüllte das ganze Haus, wo sie saßen. Und es erschienen ihnen Zungen wie von Feuer, die sich zerteilten, und es setzte sich eine auf jeden von ihnen; und sie wurden alle mit heiligem Geist erfüllt und fingen an, in anderen Zungen zu reden, wie der Geist es ihnen eingab, auszusprechen« (Verse 2-4).

  Das Kommen des Geistes vom Himmel her zeigte sich an dem gewaltigen Wehen des Windes. Der Wind ist das Bild für den Geist. Die Begriffe sind sprachlich verwandt: griechisch pneõ heißt wehen und geisten, pneuma heißt Geist, Wind allerdings anemos. Im Hebräischen gibt es für beides nur ein Wort: ruach; es bedeutet Geistwind, Wind, Geist. Dies wird auch an Johannes 3:8 deutlich: »Der Windhauch weht, wo er will; du hörst sein Sausen, weißt jedoch nicht, woher er kommt und wohin er geht. Ebenso ist es mit jedem, der aus dem Geist gezeugt ist.«

  Der heilige Geist ist nichts Zweites neben Gott, sondern Seine Wesenssubstanz, denn Gott ist Geist (Joh.4:24). Der heilige Geist ist somit die Präsenz Gottes auf der Erde.

  Das das ganze Haus erfüllende Wehen des Geistes mag uns an die Tempelweihe unter König Salomo erinnern, als die Wolke und die Herrlichkeit Jewes den ganzen Tempel erfüllte (1.Kön.8:10,11).

  Eine Feuerzunge, ein Flämmchen setzte sich auf einen jeden der versammelten Gläubigen. Feuer ist in diesem Zusammenhang ein Zeichen der Anwesenheit Gottes, so wie Jewe einst dem Mose in der Feuerlohe eines Dornbuschs erschien (2.Mose 3:2), die Feuersäule das Volk Israel bei Nacht auf dem Weg durch die Wildnis leitete (2.Mose 13:21) und Feuer nachts im Zelt der Zusammenkunft, der Stiftshütte, war (2.Mose 40:38).

  Johannes der Täufer hatte vorausgesagt: »Er [Jesus] wird euch in heiligem Geist und Feuer taufen« (Mat.3:11). Dies geschah jetzt. Danach hatte Sich der Herr gesehnt, denn Er sagte: »Um Feuer auf die Erde zu werfen bin Ich gekommen; und was wollte Ich lieber, als dass es schon entzündet wäre!« (Luk.12:49). Nun war es entzündet, und die Gläubigen wurden Feuer und Flamme für ihren Herrn. Nun geschah, was Jesus angekündigt hatte, dass sie nämlich in heiligem Geist getauft (Ap.1:5), also ganz hineingetaucht und mithin völlig mit ihm erfüllt würden, sodass sie ihren Dienst in Kraft tun und Zeugnis unter außerordentlichen Begleiterscheinungen geben konnten.

  Sie wurden sichtbar mit heiligem Geist erfüllt, was sich ebenso sichtbar daran zeigte, dass sie in anderen Zungen sprachen, in einer anderen Sprache, nicht er eigenen. Etwas Ähnliches war geschehen, als der Geist auf die siebzig Mose zum Beistand gegebenen Männer gelegt wurde; sobald der Geist auf sie gekommen war, weissagten sie (4.Mose 11:25).

  Die Apostel hatten den heiligen Geist schon früher empfangen, als der Auferstandene sie angehaucht und gesagt hatte: »Nehmt heiligen Geist« (Joh.20:22). Dieser diente ihnen zunächst als Zusprecher und Lehrer, zur Erinnerung an Jesu Worte (Joh.14:26) und bevollmächtigte sie, Sünden zu erlassen (Joh.20:23). Er war in ihnen (Joh.14:17), nun aber kam er mit großer Kraft (Ap.1:8) sowie Zeichen und Wunderwirkungen auf sie.

  Eine neue heilsgeschichtliche Verwaltung hatte begonnen, die pfingstliche Haushaltung. Erst nach einer längeren Übergangszeit sollte dem Apostel Paulus die gegenwärtige Verwaltung der überströmenden Gnade Gottes gegeben werden (Eph.2:2; Kol.1:25), in der wir heute leben, die im Glauben besteht (1.Tim.1:4), in der wir durch Glauben wandeln und nicht durch Wahrnehmung (2.Kor.5:7), in der wir unsichtbar mit heiligem Geist erfüllt sind (Eph.5:18) und im Geist wandeln (Gal.5:16; Phil.3:3), der uns innerlich kräftigt, des Herrn würdig zu handeln (Kol.1:9-11).

 

Alle staunten

 

  Durch die Verse 5 bis 11 erfahren wir: »Es wohnten damals in Jerusalem Juden, ehrfürchtige Männer, aus jeder Nation unter dem Himmel. Als nun dieses Rauschen geschah, kam die Menge zusammen und war in Verwirrung, weil jeder Einzelne sie in seiner eigenen Mundart sprechen hörte. Sie waren aber alle außer sich vor Erstaunen und sagten: Siehe, sind nicht diese alle, die hier sprechen, Galiläer? Und wieso hören wir sie, jeder von uns, in der eigenen Mundart, in der wir geboren sind: Parther, Meder und Elamiter, Bewohner Mesopotamiens, Judäas wie auch Kappadoziens, von Pontus und der Provinz Asien, Phrygien wie auch Pamphylien, von Ägypten und den Gebieten Libyens bei Kyrene, ferner heimgekehrte Römer (Juden wie auch Proselyten), Kreter und Araber - wir hören sie in unseren Zungen die großen Taten Gottes sprechen.«

  Diese in Jerusalem wohnhaften Juden waren im Ausland geboren und zum Teil Nachkommen der in die assyrische und die babylonische Gefangenschaft Verschleppten (Jes.11:11; Esth.2:5,6). Das Siedlungsgebiet der Parther, Meder und Elamiter war der heutige Iran. Kappadozien, Pontus, die Provinz Asien, Phrygien und Pamphylien lagen in der heutigen Türkei. Damit kein Missverständnis aufkommt: Auch die als Römer, Kreter und Araber Bezeichneten waren Juden, die eben dort geboren waren.

  Die Volksmenge hörte die Gläubigen und insbesondere die zwölf Apostel die großen Taten Gottes preisen, gewiss bis hin zu der größten Tat Gottes, der Auferweckung Jesu Christi, des Lammes Gottes, das gerade vor Kurzem der Welt Sünde auf Sich genommen hatte.

  Wenn das wiedergezeugte Israel im tausendjährigen Königreich alle Nationen zu Jüngern machen wird, werden die Juden ebenfalls in deren Sprachen sprechen.

 

Die große Pfingstansprache des Petrus

 

  Lukas berichtet weiter: »Sie waren aber alle außer sich vor Erstaunen und sagten betroffen zueinander: Was mag das wohl sein? - Doch andere spöttelten: Mit Most sind sie angefüllt! - Petrus aber, der mit den Elf dabeistand, sprach mit laut erhobener Stimme zu ihnen: Männer, Juden, und alle, die ihr in Jerusalem wohnt, dies sei euch bekannt gemacht! Vernehmt nun meine Rede mit offenen Ohren; denn diese Männer sind nicht berauscht, wie ihr annehmt, ist es doch erst die dritte Stunde des Tages. Sondern hier erfüllt sich das, was von dem Propheten Joel angesagt war« (Verse 12-16).

  Das Eingangsargument des Petrus dürfte eingeleuchtet haben: zwischen acht und neun Uhr morgens ist man nicht betrunken.

 

Von Joel angesagt

 

  Dies war von dem Propheten Joel angesagt (Joel 3:1,2): »(In den letzten Tagen) wird es geschehen (sagt Gott): Ich werde von Meinem Geist auf alles Fleisch ausgießen, eure Söhne und eure Töchter werden prophetisch reden, eure Jünglinge werden Gesichte sehen, und eure Ältesten werden Träume träumen, und sicher werde Ich auf Meine Sklaven und auf Meine Sklavinnen in jenen Tagen von Meinem Geist ausgießen, (und sie werden prophetisch reden)« (Verse 17+18).

  Petrus sprach von den letzten Tagen als gegenwärtigen. Die letzten Tage sind so zu verstehen, dass nicht mehr viel geschehen muss, bis das Königreich Israels aufgerichtet wird. 69 Jahrsiebener waren um, es fehlte nur noch der siebzigste (Dan.9:24,27). Israel brauchte nur noch umzusinnen und zu glauben, dass Jesus der Messias ist. Zwar wird Gott besonders am Ende der siebenjährigen Endzeit von Seinem Geist auf alles Fleisch Israels ausgießen (Hes.36:27; 39:29; Sach.12:10) - von anderen Nationen ist nicht die Rede -, nun aber durfte Israel gerade den Auftakt dazu erleben, der zugleich den Anfang der Königreichsgemeinde darstellte.

  Mit dem prophetischen Reden der Apostel und der anderen war die Weissagung Joels zum Teil eingetreten. Die nur teilweise Erfüllung berührte aber keineswegs die Tatsache, dass sie nach Joel 2:27 ein Zeichen dafür war, dass Gott in ihrer Mitte ist.

  Des Weiteren hatte Joel prophezeit (Joel 3:3-5), wie Petrus zitierte: »Ich werde oben im Himmel Wunder und unten auf der Erde Zeichen geben: Blut, Feuer und Rauchdampf. Die Sonne wird in Finsternis verwandelt werden und der Mond in Blut, bevor der Tag des Herrn kommt, der große Tag, der Ihn offenbart. Und es wird geschehen: Jeder, der den Namen des Herrn anruft, wird gerettet werden« (Verse 19-21).

  Statt »der große und gefürchtete Tag«, wie es bei Joel heißt, sagte Petrus in apostolischer Vollmacht »der große und [Ihn] offenbarende Tag«; er leitete also auf die Anwesenheit des Herrn über.

  Der Tag des Herrn umfasst den sieben Jahre dauernden Tag des Zorns und Grimms Jewes der Heerscharen (Jes.13:9-13; Jer.51:6) und die tausendjährige Regentschaft des Herrn im Königreich Israels. Bevor aber jener Teil des Tages des Herrn anbricht, der herrliche Tag, an welchem Er offenbart wird, ergehen die Zornesgerichte über das abtrünnige Israel und die Welt, wie zum Beispiel in Zephania 1:14-18, Matthäus 24 und im Buch der Enthüllung Jesu Christi, gewöhnlich Offenbarung des Johannes genannt, geschildert.

  Für Petrus war entscheidend, dass jeder, der den Namen des Herrn Jesus Christus anruft, und zwar von jenem Pfingsttag an bis hin zum Ende der Zornesfrist, gerettet werden wird. Jesus Christus ist anzurufen, denn es gibt keinen anderen Namen unter dem Himmel, in welchem Rettung ist (Ap.4:12).

  An die gegenwärtige, dem Paulus gegebene heilsgeschichtliche Verwaltung, war im Jahre 32 n. Chr. nicht zu denken, weil sie ein Geheimnis war (Eph.3:9; Kol.1:26). Heute werden wir allein durch Glauben im Herzen, ohne mit dem Mund bekannt zu haben, gerettet (Röm.3:24,28; 10:9,13).

 

»Männer, Israeliten!«

 

  Und dann kam Petrus zum Hauptteil seiner Rede: »Männer, Israeliten, hört diese Worte: Jesus den Nazarener, unter euch als ein von Gott gesandter Mann durch Machttaten, Wunder und Zeichen erwiesen, die Gott durch Ihn in eurer Mitte getan hat, wie ihr selbst wisst, diesen Jesus, der euch nach dem festgesetzten Ratschluss und der Vorerkenntnis Gottes ausgeliefert wurde, habt ihr durch die Hand von Gesetzlosen ans Kreuz heften und hinrichten lassen; den hat Gott auferstehen lassen, indem Er die Wehen des Todes löste, weil Er unmöglich von ihm gehalten werden konnte« (Verse 22-24).

  »Männer, Israeliten!« - Petrus bezeugte seiner Nation die Auferstehung Jesu; er ist, wie der Herr den Aposteln verheißen hat (Ap.1:8), Jesu Zeuge, Zeuge des Auferstandenen und Lebendigen. Die Auferstehung Jesu gehört zu den Grundlagen der Evangeliumsverkündigung.

  Zunächst erinnerte Petrus, das Gewissen der Israeliten zu wecken suchend, an die Zeichen und Machttaten, die Jesus unter ihnen getan hatte und ihnen allen bekannt waren. Jesu Taten, darunter drei Totenauferweckungen (Luk.7:11-15; 8:49-56; Joh.11:38-44), hatten Ihn als den verheißenen Messias und Sohn Gottes erwiesen (Jes.35:5,6; 61:1,2; Joh.5:36; Röm.1:4).

  Dabei bekundete Petrus, dass Gott alle diese Wunder durch Jesus gewirkt hatte. Jesus tat, wie Er Selbst sagte, keine eigenen Werke, sondern die Seines Vaters (Joh.10:37; 14:10).

  Sodann sprach Petrus im festen Wissen um die Allgewalt und das Allesbewirken Gottes (Eph.1:11), des alleinigen Verfügers allen Geschehens, davon, dass Jesus den Juden nach Gottes Vorsatz und Ratschluss ausgeliefert worden war (Luk.22:22). Es war Gottes Weg und Gottes Handeln an Jesus und an Israel gewesen, wie denn auch die hebräischen heiligen Schriften angesagt hatten, dass der Christus leiden müsse (Jes.53; Ps.22; Luk.24:26).

  Statt sich an das Gesetz des Mose zu halten, hatten die Juden Jesus sogar durch die Hand von Gesetzlosen, also Menschen, die das Gesetz nicht haben, töten lassen. Alle Beteiligten aber, Herodes wie auch Pontius Pilatus mit den Nationen und den Völkern Israels, hatten nur alles ausgeführt, was Gottes Hand und Ratschluss vorherbestimmt hatten, dass es geschehe (Ap.4:28; Luk.22:22). Es musste alles erfüllt werden, was im Gesetz, in den Propheten und den Psalmen geschrieben steht (Luk.24:44).

  Wieso konnte Jesus unmöglich vom Tode gehalten werden? Weil ein Gerechter nicht im Tode gelassen werden kann (vgl. Röm.2:7). Und weil der, der die Gewalt des Todes hat, die Kraft, jemanden im Tode zu halten, der Satan, durch Jesu Tod, durch die Liebe, in der Jesus in den Tod gegangen war, überwunden ist (Heb.2:14).

 

»Du wirst meine Seele nicht im Ungewahrten lassen!«

 

  Jesus konnte des Weiteren nicht vom Tode gehalten werden, weil Gott es so wollte und vorausgesagt hatte. Diesen Schriftbeweis führte der Apostel nun an, indem er in den Versen 25 bis 28 nach Psalm 16:8-11 zitierte:

  »David sagt nämlich von Ihm: Ich sah den Herrn allezeit vor mir und hielt Ihn mir vor Augen; denn Er ist zu meiner Rechten, damit ich nicht erschüttert werde. Deshalb wurde mein Herz fröhlich, und meine Zunge frohlockt. So wird auch mein Fleisch noch zelten in Erwartung, weil Du meine Seele nicht im Ungewahrten lassen wirst, noch Deinen Huldreichen dahingeben, Verwesung zu gewahren. Du hast mir Wege des Lebens bekannt gemacht; Du wirst mich mit Frohsinn erfüllen vor Deinem Angesicht.«

  König David blickte auf Jewe, seinen Elohim; er hatte den Blick des Glaubens. Er wusste, dass Jewe zu seiner Rechten ist; darum konnte ihn nichts erschüttern. So freute sich sein Herz; und so hatte er auch für seinen Körper eine Erwartung, und zwar weil seine Seele nicht im Scheol, im Hades, im Ungewahrbaren gelassen werden wird.

  Die Seele des Menschen ist sein Bewusstsein. Wenn Gott Seinen Geist zurückzieht (Pred.12:7), kehrt der Körper zum Erdreich zurück, und die Seele ist nicht mehr; sie ist im Unwahrnehmbaren; der Mensch ist tot (Pred.9:5,6,10; Ps.104,29; 115:17; 146:4; Jes.63:16). Der Eintritt des Todes ist die Umkehrung des Schöpfungsprozesses, wonach ein Körper aus Erdreich und der hinzugegebene Lebensgeist Gottes eine »lebendige Seele« (1.Mose 2:7) ergibt, einen Menschen mit Bewusstsein.

  Alsdann sprach David in Psalm 16 nicht mehr von sich selbst, sondern von Jewes Huldreichem. Jener werde keine Verwesung erfahren. Dies war bei Jesus der Fall und traf auf David nicht zu. Auch existiert Davids Seele bis heute noch nicht wieder. David musste also prophetisch von Jesus geredet haben, dessen Auferstehung Petrus mit dieser Schriftstelle bewies. - Und wie David dann noch gesagt hatte (Vers 28): Wer auf Jewe achtet (beziehungsweise nun auf den Auferstandenen, wie Petrus sagen will), der ist auf dem Pfad des Lebens und voller Frohsinn vor dem Angesicht Gottes.

 

Einen aus den Lenden Davids

 

  Da jeder wusste, dass der Messias aus dem Geschlecht Davids stammen werde, hatte Petrus mit seinem Rückgriff auf David trefflich gehandelt, sodass er nun seinen Zuhörern erklären konnte:

  »Männer, Brüder, es sei mir erlaubt, mit Freimut von unserem Urvater David zu euch zu reden: Auch er verschied und wurde begraben, und sein Grab ist bis auf diesen Tag bei uns. Da er nun ein Prophet war und wusste, dass Gott ihm mit einem Eid geschworen hatte, einen aus der Frucht seiner Lende auf seinen Thron zu setzen, hat er voraussehend von der Auferstehung des Christus gesprochen: Weder wurde Er im Ungewahrten gelassen noch gewahrte Sein Fleisch Verwesung« (Verse 29-31).

  Petrus hatte aus Psalm 132:11 zitiert; dort heißt es: »Jewe hat dem David die Wahrheit geschworen; Er wird Sich nicht abwenden von ihr: Aus der Frucht deines Leibes werde Ich Einen auf deinen Thron setzen.« Hören wir hierzu auch Psalm 89:4,5: »Ich schloss einen Bund mit Meinem Erwählten, Ich schwor David, Meinem Diener: Ich werde deinen Samen fest gründen für den Äon und deinen Thron aufbauen von Generation zu Generation.« Es war nämlich geschehen, nachdem David König über ganz Israel geworden war (ca. 1018 v. Chr.) und er die Bundeslade nach Jerusalem überführt hatte (ca. 1017 v. Chr.), dass er Jewe ein Haus bauen wollte. Jewe antworte ihm durch den Propheten Nathan, dass sein Nachkomme (Salomo) den Tempel bauen werde und darüber hinaus, dass Jewe den Thron des Königtums eines Nachkommen Davids für den Äon festigen werde (2.Sam.7:12,13).

  Dass Jesus ein Nachkomme Davids war, und zwar sowohl nach dem Stammbaum des Joseph (Mat.1:1-17) als auch nach dem der Maria (Luk.3:23-38; Joseph war der Schwiegersohn des Heli), dies wiesen die Geschlechtsregister aus. Beim Einritt Jesu in Jerusalem hatten die Menschen ja denn auch alle ausgerufen: »Hosianna dem Sohn Davids!« (Mat.21:9).

  Dass Jesus nun aber auch der eine, bestimmte, von der Verheißung gemeinte Nachkomme Davids war, war daran erkennbar, dass David nicht von sich selbst gesprochen haben konnte, sondern von dem Christus. Jesus ist der Christus, denn an Ihm war das Prophezeite geschehen, wie Petrus alsdann verkündigte: »Diesen Jesus hat Gott auferstehen lassen, dafür sind wir alle Zeugen« (Vers 32). Dieser Jesus, den ihr gekreuzigt habt, der wurde nicht im Ungewahrten gelassen noch sah Sein Fleisch Verwesung! So wendet euch nun um und glaubt, dass Er der von Gott gesandte Messias ist!

 

 

Am Pfingsttag, Teil II

(Apostelgeschichte 2:32-47)

 

  Soeben hatte der Apostel Petrus nachgewiesen, dass die prophetischen Worte des Psalms 16:8-11 nicht von David, sondern von Christus reden, und dass Jesus der Christus ist, denn nur auf Jesus trifft zu, dass Seine Seele nicht im Ungewahrten gelassen wurde noch Sein Fleisch Verwesung gesehen hat (Verse 25-31).

  Dies bekräftigte Petrus nun mit den folgenden bezeugenden Worten, das weitere Beweismittel der Ausgießung des heiligen Geistes hinzufügend, dessen Wirken die gesamte Volksmenge ja gerade wahrnahm:

  »Diesen Jesus hat Gott auferstehen lassen, dafür sind wir alle Zeugen. Nachdem Er nun zur Rechten Gottes erhöht worden ist und die Verheißung des Geistes, des heiligen, vom Vater erhalten hat, gießt Er das aus, was ihr jetzt erblickt und hört« (Verse 32+33).

 

Der verheißene Geist

 

  Petrus bezeugte mit Nachdruck, dass Gott Jesus, diesen Jesus, der bis vor kurzem unter Israel gewirkt hatte und den sie alle kannten, auferweckt hat. Alle Apostel waren Zeugen der Auferstehung Jesu. Ein Zeuge ist ein Beweismittel. Der Herr hatte sie ausdrücklich beauftragt zu bezeugen, was sie gehört und gesehen und betastet haben (Joh.15:27; Ap.1:8; 1.Joh.1:1,2).

  Jesus ist auferstanden! Darin stimmen wir jubelnd ein! Er lebt, Er, der Christus, der Sohn Gottes, das Wort und das Abbild Gottes, dem der Vater höchste Autorität verliehen hat. Nun sitzt Er zur Rechten des Thrones des Vaters im Himmel, und Boten, Obrigkeiten und Mächte sind Ihm untergeordnet (Eph.1:20,21; 1.Pet.3:22).

  Dass Er dort ist, sieht man auch daran - so argumentierte Petrus -, dass Er nun den von den Propheten verheißenen heiligen Geist (Joel 3:1-5; Hes.36:27; Ap.2:16-21), der nur von oben her kommen kann, ausgoss, wie alle Anwesenden es gerade erlebten. Der Vater sandte den heiligen Geist in Jesu Namen, wie der Herr es Seinen Jüngern gesagt hatte (Joh.14:26).

 

Nicht David ist im Himmel

 

  Jesus ist es, der im Himmel ist; dies begründete Petrus wie folgt: »Denn nicht David ist in die Himmel hinaufgestiegen, sagte er doch selbst: Es sprach der Herr zu meinem Herrn: Setze Dich zu Meiner Rechten, bis Ich Deine Feinde zum Schemel Deiner Füße lege!« (Verse 34+35).

  David ist nicht im Himmel, denn er verschied und sein Grab ist noch vorhanden (Vers 29).

  Petrus zitierte nach Psalm 110:1; dort heißt es: »Die Erklärung Jewes an meinen Herrn: Setze Dich zu Meiner Rechten, bis Ich Deine Feinde zum Schemel Deiner Füße lege.« Gott der Vater also sprach zu dem Herrn Davids - Jesus, der Christus, ist Davids Herr. Mithin sitzt Jesus zur Rechten des Vaters im Himmel und ist es der Messias, der die Verheißung des Geistes auf Israel ausgießt. »Niemand ist in den Himmel hinaufgestiegen außer dem, der aus dem Himmel herabstieg, der Sohn des Menschen, der jetzt im Himmel ist« (Joh.3:13).

  Nur in der Kraft des Geistes Gottes wird es dem auserwählten Volk möglich sein, Gott wohlgefällig zu wandeln, wie  bei Hesekiel zu lesen: »Ich werde Meinen Geist in euer Inneres geben und machen, dass ihr in Meinen Gesetzen wandelt und Meine Rechtsbestimmungen bewahrt und tut« (36:27); »Und die vom Hause Israel werden Meinen heiligen Namen hinfort nicht mehr beflecken« (43:7).

  Bleibt nur noch übrig, die Feinde des Messias in der Zeit des Zorns umzubringen, damit kein Makel in der heiligen Nation ist (Off.6:8; 9:15; 17:8; 19:21). Die Feindschaft bestand nicht nur zwischen der Schlange und der Eva, sondern besteht auch zwischen dem Samen der Schlange, also den Menschen, die den Satan nach den Worten unseres Herrn zum Vater haben (Joh.8:44), und dem Samen der Eva, welcher der Christus ist (1.Mose 3:15; 22:18; Gal.3:16).

 

Mit Sicherheit

 

  Petrus schloss seine Ansprache sehr pointiert: »Mit Sicherheit erkenne daher das ganze Haus Israel, dass Gott Ihn sowohl zum Herrn als auch zum Christus gemacht hat, diesen Jesus, den ihr gekreuzigt habt« (Vers 36).

  Hier halten wir inne - schweigend, ergriffen und betend, dass Israel erkenne, dass Jesus der Herr und der Messias ist.

  Am Rande sei darauf hingewiesen, dass ganz Israel diese Verkündigung hörte; alle zwölf Stämme waren vertreten. Dies begründet sich wie folgt:

1.   Nach der Reichsteilung zogen die Treuen aus dem Nordreich in den Süden (2.Chron.11:13-17; 15:9).

2.   Rehabeam war auch König über die Söhne Israels, die in den Städten Judas wohnten (1.Kön.12:17).

3.   Es war nach der Wegführung in die assyrische Gefangenschaft ein Überrest von Manasse, Ephraim und dem übrigen Israel zurückgeblieben (2.Chron.30:5,6,11; 34:9; 35:18).

4.   Mithin waren alle zwölf Stämme im Süden vertreten.

5.   Juda und Israel werden heimkehren (Jer.50:4,33).

6.   Die Bücher Esra und Nehemia sprechen wiederholt von »ganz Israel« bzw. zwölf Stämmen (Esra 2:2,70; 6:17; 8:26,35; 9:1; Neh.7:72; 9:2).

7.   Mat.10:6 und 19:28 reden wie selbstverständlich von allen zwölf Stämmen.

8.   Hannah war aus dem Stamm Asser (Luk.2:36).

9.   Aus aller Herren Länder wohnten heimgekehrte Israeliten in Jerusalem (Ap.2:5-11); Petrus redete sie mit »Israeliten« und »das ganze Haus Israel« an (Ap.2:22,36).

10. Jakobus schrieb an die zwölf Stämme (Jak.1:1).

11.                   Das Zwölf-Stämme-Volk brachte zur Zeit des Paulus Gott mit

      Inbrunst Gottesdienst dar (Ap.26:7).

 

»Sinnet um!«

 

  Wir wenden uns der Reaktion der Israeliten auf die Rede des Apostels Petrus zu und dessen Antwort: »Als sie das hörten, ging ihnen ein Stich durch das Herz, und sie sagten zu Petrus und den übrigen Aposteln: Was sollen wir tun, Männer, Brüder? - Petrus erklärte ihnen: Sinnet um, und jeder von euch lasse sich auf den Namen Jesu Christi zur Erlassung eurer Sünden taufen, so werdet ihr das Geschenk des heiligen Geistes erhalten« (Verse 37+38).

  Die Menschen wussten, dass Petrus die Wahrheit gesprochen hatte. Ihr Gewissen schlug. Es traf sie bis ins Innerste. Die Worte des Petrus waren »lebendig und wirksam und schneidender als jedes zweischneidige Schwert und durchdringend bis zur Teilung von Seele und Geist sowie von Gelenken als auch Mark; es ist Richter der Überlegungen und Gedanken des Herzens« (Heb.4:12). Der heilige Geist hatte sie von ihrer Sünde überführt, dass sie nämlich nicht an Jesus geglaubt hatten (Joh.16:8,9). Nun ging es darum, wie sie sich zur Wahrheit stellten.

  Und dann fragten die Wahrheitsliebenden die Apostel, ob es für sie noch eine Rettung gebe, obwohl sie das Undenkbare getan hatten, nämlich Jesus hinrichten zu lassen.

  Ja, es gab noch eine Rettung für sie. Petrus nannte zwei Bedingungen, denen aber die eine Grundlage voranging, zu glauben, dass Jesus der Christus ist, denn in keinem anderen ist die Rettung (Ap.4:12). Er hatte auch für sie gebeten: »Vater, vergib ihnen! Denn sie wissen nicht, was sie tun« (Luk.23:34).

  Den Glauben vorausgesetzt, lautete die erste Bedingung: Sinnet um! Wörtlich: Denket mit! Das heißt: Denket um! Ändert euer Denken! Ändert eure Gesinnung! - Johannes der Täufer und unser Herr hatten ebenfalls dazu aufgerufen: »Sinnet um! Denn das Königreich der Himmel hat sich genaht!« (Mat.3:2; 4:17). Bei der Umsinnung geht es nicht nur um den Willen zur Besserung, sondern um ein neu ausgerichtetes Denken. Wie schreibt Paulus? »Stellt euch nicht auf diesen Äon ein, sondern lasst euch umgestalten durch die Erneuerung eures Denksinns, damit ihr zu prüfen vermöget, was der Wille Gottes sei - der gute, wohlgefällige und vollkommene« (Röm.12:2).

  Die zweite Bedingung war, sich in Wasser taufen zu lassen. Das Untertauchen diente zur Rettung, insofern es die Bitte des Gläubigen um Abwaschung der Sünden und um ein gutes Gewissen gegenüber Gott ausdrückte (1.Pet.3:21). Bereits Johannes der Täufer hatte »die Taufe der Umsinnung zur Erlassung der Sünden« geheroldet (Luk.3:3). Mit der Taufe wurde die Umsinnung bekundet. Eine Taufe ohne Umsinnung wäre ein Nichts.

  Glaube, Umsinnung und Wassertaufe (im Grunde als eine Einheit zu verstehen) bewirkten die Erlassung der Sünden nach dem Evangelium der Beschneidung, das die zwölf Apostel lehrten (Gal.2:7).

  Wir dagegen, die Glieder der Körpergemeinde (Eph.1:22,23), die wir in der dem Paulus gegebenen heilsgeschichtlichen Verwaltung der überströmenden Gnade leben (Eph.3:2; Kol.1:25; Röm.5:20), sind allein durch Glauben und allein in der Gnade ein für allemal gerechtfertigt von allen Sünden, weit weg von allen Sünden; an Schuld ist gar nicht mehr zu denken.

  Die Erlassung der Sünden konnte rückgängig gemacht werden (Mat.18:27-34; Heb.6:6; 10:26; 2.Pet.2:20-22); wir aber stehen allezeit in der Gnade (Röm.5:1,2) und sind sogar unverbrüchlich mit dem heiligen Geist versiegelt (2.Kor.1:22; Eph.1:13). Ja, die Gott vorherbestimmte, dem Bilde Seines Sohnes gleichgestaltet zu werden, diese beruft Er auch, und die Er beruft, diese rechtfertigt Er auch; die Er aber rechtfertigt, diese verherrlicht Er auch (Röm.8:30) - zum Lobpreis der Herrlichkeit Seiner Gnade!

  Wie Petrus erklärte, werden die Gläubigen das Geschenk des heiligen Geistes erhalten. Der Geist wird sie belehren und in alle Wahrheit leiten (Joh.16:13; 1.Joh.2:27). Und sie werden zugerüstet sein, Frucht zu bringen, die ihrer Umsinnung würdig ist (Mat.3:8).

  Wir hingegen erhielten den Geist Gottes einfach dadurch, dass wir das Wort der Wahrheit, das Evangelium unserer Rettung, hörten und glaubten (Eph.1:13) - zum Lobpreis der Herrlichkeit der Gnade!

 

Auch die in der Ferne

 

  Das Geschenk des heiligen Geistes im Sinn, fuhr Petrus fort: »Denn die Verheißung ist euer und eurer Kinder und all derer, die in der Ferne sind, so viele der Herr, unser Gott, herzurufen wird. - Auch mit anderen Worten mehr bezeugte er und sprach ihnen zu: Lasst euch aus dieser verkehrten Generation retten!« (Verse 39+40).

  Die Verheißung des heiligen Geistes, die Verheißung, dass er gegeben werde, war erfüllt. Die Nahen sowie alle Juden, die in der Ferne waren, konnten nun daran teilhaben und den Geist Gottes empfangen. Die Fernen waren die Auslandsjuden - mit den Worten des Propheten Daniel gesagt: die in all den Ländern sind, wohin Jewe sie vertrieben hat (Dan.9:7).

  Man beachte, dass diejenigen den Geist erhalten sollten, »die Gott herzurufen wird.« Es kann ja niemand zu Jesus kommen, wenn der Vater ihn nicht zieht (Joh.6:44). »Alles, was der Vater Mir gibt, wird bei Mir eintreffen« (Joh.6:37). Desgleichen kann niemand den Vater erkennen außer wem der Sohn es zu enthüllen beschließt (Mat.11:27). - Übrigens endet der Schriftabschnitt Joel 3:1-5 über die Verheißung des Geistes mit den Worten: »... die Jewe herzuruft.«

  »Lasst euch aus dieser verkehrten Generation retten!« Die Verkehrtheit jener wie auch vieler anderer Generationen erkennt man unter anderem daran, dass sie die Wahrheit auf allen Gebieten in Ungerechtigkeit niederhalten (Röm.1:18). Die Rettung in Christus Jesus war umfassend, nämlich vor dem Zorn und Gericht Gottes, aus dem Tode und für das Leben auf der Erde in den kommenden Äonen. Wer Gott glaubte, hat äonisches Leben im Königreich Israels und kommt nicht in das Gericht vor dem großen, weißen Thron, sondern ist aus dem Tod in das Leben hinübergegangen (Joh.5:24).

 

Dreitausend

 

  »Die nun sein Wort willkommen hießen, ließen sich taufen; so wurden an jenem Tag etwa dreitausend Seelen hinzugefügt« (Vers 41).

  Etwa dreitausend Menschen glaubten Petrus und ließen sich taufen. Sie empfingen den heiligen Geist und wurden der Jerusalemer herausgerufenen Gemeinde hinzugefügt. Dies war die Erstlingsernte der Apostel, eingefahren in die Scheune des Herrn zu Pfingsten, dem Fest der Erstlingsernte (3.Mose 23:15-21). Sie hatten geerntet, was nicht sie, sondern der Herr durch Sein Leiden und Sterben gesät hatte (vgl. Joh.4:38).

  Welch ein verheißungsvoller Beginn ihres Dienstes im Hinblick auf den Anbruch des Königreichs! Wir freuen uns mit ihnen.

 

Sie hielten fest

 

  Über die Gläubigen der Jerusalemer Gemeinde lesen wir in Vers 42: »Sie hielten aber fest an der Lehre der Apostel, der Gemeinschaft, dem Brechen des Brotes und den Gebeten.«

  Demnach bewahrten sie die Lehre der zwölf Apostel, das Evangelium Jesu Christi, die frohe Botschaft des Königreichs Israels (Luk.4:43), die auch das Evangelium der Beschneidung genannt wird (Gal.2:7), und ließen sich nicht von anderen Lehren verführen, etwa von den Überlieferungen der Juden oder vom Sauerteig der Pharisäer und Schriftgelehrten (Mat.15:6; 16:12).

  Sie pflegten die geschwisterliche Gemeinschaft, denn durch den heiligen Geist waren sie jetzt in einer herausgerufenen Gemeinde in Liebe vereint. Sie waren ein Herz und eine Seele, zumal sie Sündenerlassung hatten und wohl kaum noch sündigten (1.Joh.2:1; 3:6), und sie betrachteten ihren erworbenen Besitz als allen gemeinsam gehörend, da große Gnade auf ihnen war (Ap.4:32,33).

  Sie brachen das Brot immer wieder in der Gemeinschaft mit anderen Heiligen. »Brotbrechen« war die Bezeichnung für die Einnahme einer normalen Mahlzeit. Man brach das Fladenbrot in Stücke, mit denen man anstelle von Löffeln gewisse Speisen zum Mund führte. Hin und her in den Häusern (Vers 46) nahmen sie ihre Mahlzeiten zusammen mit weiteren Glaubensbrüdern und -schwestern ein.

  Und sie beteten getreulich. Sicherlich lobten und priesen sie ihren Retter, den Messias Jesus, und beteten sie für das Zeugnis der Apostel wie auch für ihren eigenen Dienst unter den Bewohnern Jerusalems.

 

Furcht überkam alle

 

  Lukas berichtet weiter: »Doch kam Furcht über jede Seele, denn es geschahen durch die Apostel viele Wunder und Zeichen in Jerusalem. Auch war die Furcht bei allen groß« (Vers 43).

  Furcht, den Gott Israels auf keinen Fall zu kränken, und heilige Scheu überkam alle Jerusalemiten angesichts der Zeichen und Wunder der Apostel, die jene in den Kräften des zukünftigen Äons (Heb.6:5) taten. Diese Furcht bot eine große Chance, wie es denn in Psalm 111:10 und Sprüche 9:10 heißt: »Die Furcht Jewes ist der Anfang der Weisheit.« - Für die Gläubigen hingegen gilt es, ihre Heiligkeit in der Furcht Gottes zu vollenden (2.Kor.7:1).

 

Sie hatten alles gemeinsam

 

  »Alle Gläubigen waren aber beieinander und hatten alles gemeinsam. Die erworbenen Güter und den Besitz veräußerten sie und verteilten den Erlös an alle, je nachdem jemand Bedarf hatte« (Verse 44+45).

  Alles gemeinsam zu haben, zeugt von einem gewaltigen Umdenken und Neugewordensein, was durch den Geist Gottes geschehen war.

  Die Gläubigen veräußerten nicht ihr Losteil, das ihnen von Jewe durch ein Los zugeteilte Land (3.Mose 25:8 ff; 27:16 ff; 4.Mose 36:4), das ihren Lebensunterhalt sicherte, sondern den darüber hinausgehenden, gekauften Besitz. Der erworbene Besitz würde im Jobeljahr ohnehin wieder dem ursprünglichen Besitzer zufallen und erst recht zu Beginn des Königreichs. Der Verkauf des zusätzlichen Besitzes zeigte, dass sie an das Kommen des Messiasreiches glaubten, in welchem jeder seine volle Genüge haben wird. Schließlich hatte ihr Herr gesagt: »Verkauft euren Besitz und gebt davon Almosen! Macht euch selbst Beutel, die nicht alt werden, einen unerschöpflichen Schatz in den Himmeln, wo sich kein Dieb naht und keine Motte etwas verdirbt; denn wo euer Schatz ist, dort wird auch euer Herz sein« (Luk.12:33,34).

  Später durfte der Apostel Paulus auch uns schreiben: »Steuert zu den Bedürfnissen der Heiligen bei« (Röm.12:13).

 

Sie hatte Gnade für alle

 

  Das Kapitel schließt mit den Versen 46 und 47: »Täglich verharrten sie einmütig in der Weihestätte und brachen Brot zu Hause. Ihre Nahrung nahmen sie mit Frohlocken und in Herzenseinfalt zu sich, lobten Gott und hatten Gnade für das ganze Volk. Der Herr aber fügte am selben Ort tätlich neue hinzu, die gerettet wurden.«

  Beständig, Tag für Tag, hielten sich die Gläubigen gleichgesonnen in der Weihestätte auf. Sie waren nicht im Tempel, bestehend aus dem Heiligen (Heb.9:2) und dem Allerheiligsten, dem »Heiligen der Heiligen« (2.Mose 26:33; Heb.9:3), den nur die Priester betreten durften, sondern in der Weihestätte, die alle den Juden zugänglichen offenen Höfe, Hallen und Nebengebäude des Tempels umfasste und von der Soreg, einer Mauer, umgeben war, die alle Nichtjuden ausgrenzte.

  Im Tempel und in der Weihestätte versahen ungläubige Leviten ein nur äußerliches Ritual; dennoch blieben die Heiligen nicht fern, und zwar deshalb, weil sich an ihrem Herrn Jesus und an ihnen das mosaische Ritual in Wahrheit erfüllt hatte:

        Der Brandopferaltar: ihre Sünden waren gesühnt;

        das eherne Waschbecken: sie waren getauft und gereinigt;

        der siebenarmige Leuchter: sie waren das Licht der Welt;

        der Schaubrotetisch: auf ihnen ruhte das Angesicht Gottes;

        der Räucheraltar: sie waren die wahren Anbeter;

        die Bundeslade: sie hatten Gemeinschaft mit Gott.

  Der Verfasser des Hebräerbriefs schrieb: »Da wir nun, Brüder, durch das Blut Jesu Freimut haben zum Eintritt in die heiligen Stätten, den Er uns eingeweiht hat (dazu wurde Er geschlachtet und ist nun ein lebendiger Weg durch den Vorhang hindurch, dies ist Sein Fleisch), und da wir einen großen Priester über das Haus Gottes haben, so lasst uns mit wahrhaftem Herzen herzukommen, in Vollgewissheit des Glaubens, durch der Herzen Besprengung los vom bösen Gewissen und den Körper gebadet in reinem Wasser« (Heb.10:19-22).

  Mit Frohlocken und in Herzenseinfalt nahmen die Gläubigen ihre Nahrung in den Häusern ein. Sie bildeten eine Gemeinde voller Freude und ohne Vorbehalte im Herzen. So wurde ihnen jede Mahlzeit, ja ihr ganzer Alltag zu einem Dienst und Lobpreis für Gott.

  Sie hatten Gnade für das ganze Volk. Die Gnade erfüllte sie mithin so sehr, dass sie darin überflossen und sich von Herzen ihrer Mitmenschen annehmen konnten.

  Aufgrund des Zeugnisses der Apostel über Jesu Auferstehung und des der Gläubigen in ihrer Freude rettete der Herr Jesus täglich weitere Juden, die der Vater gezogen und Ihm gegeben hatte (Joh.6:37,44), indem Er sie zum Glauben und zur Umsinnung führte (Mat.11:27).

  So fügte Er der herausgerufenen Gemeinde in Jerusalem neue hinzu, Psalm 115:14 erfüllend, wo es heißt: »Jewe mehre euch, euch und eure Söhne« oder: »Jewe füge euch [viele] hinzu, euch und euren Söhnen.«

  Lobpreis, Dank und Verherrlichung sei dem Herrn Jesus Christus für Sein Rettungswerk!

 

Die Heilung des Lahmen

(Apostelgeschichte 3)

 

  »Petrus und Johannes stiegen nun um die neunte Stunde (die des Gebets) zur Weihestätte hinauf. Da wurde ein Mann herbeigetragen, der von seiner Mutter Leib an lahm war und täglich an die Tür der Weihestätte gesetzt wurde, die man die »Verzierte« nannte, um von denen Almosen zu erbitten, die in die Weihestätte gingen« (Verse 1+2).

  Solange die Gläubigen nicht verfolgt wurden und aus Jerusalem vertrieben waren, war ihr Platz in der Weihestätte, zumal sie und nicht die anderen die wahren Anbeter waren.

  Es geschah zur neunten Stunde, mithin gegen 15 Uhr. Das Ereignis sollte weitreichende Folgen haben.

  Der lahme Mann darf als ein Gleichnis auf Israel verstanden werden, das Gott gegenüber lahm war, weil es nicht aus Glauben wandelte.

  Die Heilung des Lahmen war ein Zeichen (Ap.4:16), und zwar dafür, dass Jesus wiederkommen und Israel heilen werde. Er wird Sein Volk nicht nur bis zur Tür, sondern in das Haus Seines Vaters hineinbringen und sie mit Freude und Lobpreis erfüllen, so wie der Geheilte es hernach tat (Ap.3:8).

 

»Im Namen Jesu Christi: wandle!«

 

  »Als er Petrus und Johannes gewahrte, die sich anschickten, in die Weihestätte zu gehen, suchte er ein Almosen von ihnen zu erhalten. Petrus aber, der ihn ebenso wie Johannes fest ansah, sagte zu ihm: Blicke uns an! - Da hatte er Acht auf sie in der Hoffnung, etwas von ihnen zu erhalten. Weiter sagte Petrus: Silber und Gold besitze ich nicht; was ich aber habe, das gebe ich dir. Im Namen Jesu Christi, des Nazareners, wandle! - Dann nahm er ihn fest bei der rechten Hand und richtete ihn auf. Auf der Stelle wurden seine Füße im Rist und Knöchel gefestigt; er schnellte hoch, konnte stehen, ging umher und trat mit ihnen in die Weihestätte ein; dort wandelte er, schnellte hoch und lobte Gott« (Verse 3-8).

  Bei »Silber« ist an Münzgeld zu denken. Wie herrlich ist es zu wissen, dass unser Gott und Vater keine Almosen gibt, sondern viel mehr und Besseres, als wir erdenken und erbitten können.

  Ebenso wie Petrus sind auch die meisten von uns nicht reich (1.Kor.1:26), aber wir machen viele reich (2.Kor.6:10).

  Die Kräfte des zukünftigen Äons (Heb.6:5) waren jetzt in Israel ansatzweise gegenwärtig und wirkten durch Petrus, sodass geschah, was Jesaia angesagt hatte: »Dann wird der Lahme springen wie ein Hirsch« (Jes.35:6). Man konnte annehmen, dass das Königreich nahe ist. Da Petrus das Wunder im Namen Jesu Christi getan hatte, sollten dem Sohn Gottes die Herzen aller nun zufallen.

 

In der Halle Salomos

 

  »Nun sah ihn das gesamte Volk wandeln und Gott loben. Man erkannte ihn auch, dass er jener war, der um Almosen bittend an dem verzierten Tor der Weihestätte gesessen hatte. Da wurden sie mit heiliger Scheu und Verwunderung über das erfüllt, was ihm widerfahren war. Weil er sich aber zu Petrus und Johannes hielt, lief das gesamte Volk bei ihnen in der sogenannten Halle Salomos zusammen, fassungslos vor Staunen« (Verse 9-11).

  Die Halle Salomos war eine Säulenhalle an der Ostseite der Weihestätte. Dort lief eine ergriffene Menge zusammen.

 

Zur Verherrlichung Jesu

 

  »Als Petrus das gewahrte, wandte er sich an das Volk: Männer, Israeliten, was staunt ihr über diesen Mann, und was starrt ihr uns an, als ob wir ihn durch eigene Kraft oder Frömmigkeit zum Wandeln gebracht hätten? Der Gott Abrahams und Gott Isaaks und Gott Jakobs, der Gott unserer Väter, hat Seinen Knecht Jesus verherrlicht, den ihr, ja ihr, verraten und vor dem Angesicht des Pilatus verleugnet habt, als jener sich entschieden hatte, Ihn freizulassen. Da habt ihr den Heiligen und Gerechten verleugnet und für euch die Begnadigung eines Mannes gefordert, der ein Mörder war« (Verse 12-14).

  Petrus ergriff die Gelegenheit zu einer erneuten Verkündigung. Zuerst wies er von sich weg auf den alleinigen Verfüger und Allesbewirkenden hin, der Seinen Knecht Jesus durch diese Heilung verherrlicht hatte. Das Wunder war ja im Namen Jesu geschehen. Der Prophet Jesaia hatte bereits den Begriff des Knechtes gebraucht, worunter wir uns einen jungen Mann, einen Knappen, vorzustellen haben, der für persönliche Dienste bereitsteht. Der Knecht ist der Erwählte Gottes, auf dem Sein Geist ruht und an dem der Vater Sein Wohlgefallen hat (Jes.42:1; 52:13).

  Jesus, den Gottesknecht, hatten die Juden verleugnet. Mit Ihm hatten sie nichts zu tun haben wollen. Diese Tatsache verbargen sie in ihren Herzen und wussten nicht so recht, wie sie damit fertig werden sollten. So mag es für viele eine Befreiung von einer psychischen Last gewesen sein, dass Petrus ihnen klar sagte, was sie getan haben: sie haben ihren Messias in Verblendung verraten und verleugnet. Jetzt stand ihnen ihre Schuld deutlich vor Augen. Den Heiligen und Gerechten, wie Petrus den Herrn nannte - dies sind messianische Titel (Jes.11:4; 12:6; 29:19; Mark.1:24; Joh.5:29) -, hatten sie umgebracht. Wahrlich, der Gerechte starb für die Ungerechten (1.Pet.3:18)!

 

Durch den Glauben an Jesu Name

 

  Des Weiteren machte Petrus deutlich: »Den Urheber des Lebens aber habt ihr getötet! Den hat Gott aus den Toten auferweckt; dafür sind wir Zeugen! Und auf den Glauben an Seinen Namen hin hat Sein Name diesen, den ihr anschaut und mit dem ihr vertraut seid, gefestigt. Und der durch Ihn gewirkte Glaube hat ihm vor euch allen diese völlige Gesundung gegeben« (Verse 15+16).

  Jesus Christus ist der Urheber des Lebens, denn in Ihm ist das All erschaffen (Kol.1:16), Er ist das Leben (Joh.1:4; 14:6) und gibt allen Leben (2.Tim.1:10), Er, der in allem der Erste ist (Kol.1:18). Er war zu Israel gekommen, damit sie äonisches Leben haben und es überfließend haben sollten (Joh.10:10). - Den habt ihr getötet!

  Und dann bezeugte Petrus aufs neue, dass Gott Jesus aus den Toten auferweckt hat. Jesu Auferstehung beweist, dass Er der verheißene Messias, der Sohn des lebendigen Gottes ist. Die Heilung des Lahmen zeigt nicht nur, dass Jesus lebt, sondern darüber hinaus, dass Er auch in der Lage ist, alles zu tun und zu vollenden, was die Propheten gesprochen haben. Er, und nur Er, kann auch die Gesundung des Volkes Israel herbeiführen.

  Die Heilung geschah durch den Glauben an den Namen Jesu, dass nämlich der, der diesen Namen trägt, der Retter Israels aus allen Nöten ist. Der Name steht für die Person und Vollmacht des Namensträgers. Der Name Jesu - er bedeutet »Jewe, der Retter« - gibt Seine Autorität an, und zwar »Sein Volk von ihren Sünden zu retten« (Mat.1:21).

  Der Glaube des Lahmen war übrigens von dem Herrn Jesus bewirkt worden, zumal Fleisch nichts Geistliches hervorbringen kann. Der Glaube ist immer ein Gnadengeschenk Gottes (Eph.2:8; Phil.1:29). Der Vater hatte den Lahmen gezogen und Seinem Sohn als Siegespreis gegeben (Joh.6:37,44), wie es bei Jesaia heißt, dass Ihm für die Mühsal Seiner Seele die Vielen zugeteilt werden (Jes.53:11,12).

 

In Unkenntnis gehandelt

 

  Dann stellte Petrus fest: »Nun, Brüder, ich weiß, dass ihr in Unkenntnis gehandelt habt, ebenso wie auch eure Oberen. Gott aber hat so erfüllt, was Er durch den Mund aller Propheten vorher verkündigt hatte: nämlich dass Sein Christus leiden werde« (Verse 17+18).

  Trotz aller Zeichen und Wunder, die Jesus als den Messias auswiesen, hatten sie Ihn nicht als diesen erkannt. Er hatte es schon kundgetan: »Deshalb spreche Ich in Gleichnissen zu ihnen, damit sie sehend nicht sehen und hörend nicht hören noch verstehen. So wird an ihnen das Prophetenwort des Jesaia erfüllt, das besagt: Mit dem Gehör werdet ihr hören und keinesfalls verstehen. Sehend werdet ihr sehen und keinesfalls wahrnehmen; denn das Herz dieses Volkes ist verdickt, mit ihren Ohren hören sie schwer, und ihre Augen schließen sie, damit sie mit den Augen nicht wahrnehmen, noch mit den Ohren hören, noch mit dem Herzen verstehen und sich umwenden und Ich sie heilen könnte« (Mat.13:13-15; Jes.6:9,10). Des Weiteren hatte Er gesagt: »Sie kennen weder den Vater noch Mich« (Joh.16:3) und am Kreuz schließlich: »Vater, vergib ihnen, denn sie wissen nicht, was sie tun« (Luk.23:34). Dieses alles musste nach Gottes Vorsatz so sein.

  Auf diese Weise erfüllte Er die Prophetie, dass der Messias leiden müsse (Jes.50:6; 53; Ps.22) und durch Sein Opfer die Sünden der ganzen Welt gesühnt würden (Jes.53:5; Ps.22:28; 1.Joh.2:2) - zu ihrer Rettung.

  Nach dem Gesetz des Mose gab es nur für in Unkenntnis, in Unwissenheit, aus Versehen, aus Irrtum begangene Verfehlungen Vergebung. Wer aber mit erhobener Hand, das heißt vorsätzlich, überlegt, vollmächtiglich, sündigte, der lästerte gegen Jewe und war aus dem Volk Israel auszurotten (4.Mose 15:27-31).

  Übrigens hatte auch der Verfolger, Lästerer und Frevler Saulus vor Damaskus nur deshalb Erbarmen erlangt, weil er es unwissend getan hatte (1.Tim.1:13). Von der Rede des Paulus im pisidischen Antiochien an aber galt etwas Neues: »Durch diesen [Jesus] wird euch die Erlassung der Sünden verkündigt; und von allem, von dem ihr im Gesetz des Mose nicht gerechtfertigt werden konntet, wird in diesem jeder gerechtfertigt, der glaubt« (Ap.13:39).

  Es sei des Weiteren darauf hingewiesen, dass Israel nach der Ausgießung des heiligen Geistes und der Heilung des Lahmen nicht länger unwissend war. Sollten sie nun das Zeugnis des heiligen Geistes, dass Jesus auferstanden und der Christus ist, ablehnen und die Wunder etwa unreinen Geistern zuschreiben, würde ihnen diese Sünde des Unglaubens nicht vergeben werden, wie der Herr gesagt hatte: »Wer etwa ein Wort gegen den Sohn des Menschen sagt, dem wird es erlassen werden; wer aber gegen den heiligen Geist redet, dem wird es nicht erlassen werden, weder in diesem Äon noch in dem zukünftigen« (Mat.12:32; Mark.3:29,30; Luk.12:10). Solche Juden werden nicht in das Königreich Israels eingehen.

 

Sinnet um und wendet euch um!

 

  Petrus sprach weiter: Daher sinnet um und wendet euch um, damit eure Sünden ausgelöscht werden, sodass Fristen der Erfrischung vom Angesicht des Herrn kommen mögen und Er den euch zum Christus vorbestimmten Jesus sende. Ihn jedoch muss der Himmel aufnehmen bis zu den Zeiten der Wiederherstellung alles dessen, was Gott durch den Mund Seiner heiligen Propheten vom Äon an gesprochen hat« (Verse 19-21).

  Da die Juden in Unkenntnis gehandelt hatten, hatten sie die Möglichkeit, umzusinnen und sich umzuwenden. Umsinnen, mitdenken, umdenken meint nicht nur den Willen zur Besserung, sondern ein völlig neu ausgerichtetes Denken. Umwenden bedeutet, andere Schritte zu unternehmen, anders zu handeln. Dann würden sie sich wirklich von ihren Verfehlungen abgewandt haben und frei von ihren Sünden sein. Der Apostel Johannes beschreibt dies so: »Wenn wir aber im Licht wandeln, wie Er im Licht ist, so haben wir Gemeinschaft untereinander, und das Blut Jesu, Seines Sohnes, reinigt uns von jeder Sünde« (1.Joh.1:7).

  Einst hatte der Prophet Hesekiel ausgerufen: »Kehrt um, kehrt um von euren bösen Wegen« (Hes.33:11) und in Bezug auf den Umkehrenden versichert: »All seiner Sünden, die er begangen hat, soll ihm nicht gedacht werden. Recht und Gerechtigkeit tat er; folglich lebt er, um am Leben zu bleiben« (Hes.33:16).

  Die Umsinnung und Umwendung Israels ist Voraussetzung dafür, dass Jesus wiederkommt und dem Volk Fristen der Erfrischung, der Erquickung gewährt werden, und zwar im Paradies, im Königreich Israels; mit den Worten Zacharias’, des Vaters Johannes des Täufers ausgedrückt: »Gesegnet sei der Herr, der Gott Israels, weil Er Sein Volk aufsucht, ihm Erlösung verschafft und uns ein Horn der Rettung im Hause Davids, Seines Knechtes, aufrichtet, so wie Er durch den Mund Seiner heiligen Propheten gesprochen hat, die vom Äon an waren. Rettung von unseren Feinden und Bergung aus der Hand aller, die uns hassen; um Barmherzigkeit an unseren Vätern zu erweisen und Seines heiligen Bundes zu gedenken und des Eides, den Er Abraham, unserem Vater, geschworen hat; uns zu geben, dass wir aus der Hand unserer Feinde geborgen werden und Ihm furchtlos Gottesdienst darbringen in huldvoller Heiligkeit und Gerechtigkeit vor Seinen Augen alle unsere Tage« (Luk.1:68-75).

  Dann wird dem Volk Israel alles wiederhergestellt, was es unter Mose, den Richtern und König David ansatzweise schon einmal hatte, nun aber in einer viel besseren und vollkommenen Weise haben wird. Israel wird - vom Geist Gottes geleitet und vom Herrn Jesus regiert - als königliches und priesterliches Volk über alle Nationen herrschen, zum Segen für die ganze Erde. Jesus hatte Seinen Jüngern kundgetan: »Die ihr Mir gefolgt seid, in der Wiederwerdung, wenn der Sohn des Menschen auf dem Thron Seiner Herrlichkeit sitzt, werdet auch ihr auf zwölf Thronen sitzen und die zwölf Stämme Israels richten« (Mat.19:238). Und Jesaia hatte prophezeit: »Ich lasse deine Richter zurückkehren wie am Anfang und deine Berater wie zu Beginn. Danach wird man dich nennen: Stadt der Gerechtigkeit, treue Burgstadt« (Jes.1:26).

  Und vieles andere wird Israel zuteil werden, was Gott durch all Seine Propheten vom Äon an gesprochen hat. Dieser unser Äon begann nach der großen Flut zur Zeit Noahs und endet mit den Gerichten der Endzeit, die der Wiederherstellung allerdings vorausgehen, um jede Ungerechtigkeit auf der Erde auszumerzen. Und dann wird Israel als Gesamtheit gerettet werden. Nur die gläubigen Israeliten bilden das auserwählte Volk, nicht die Gesetzesübertreter, nicht die mit erhobener Hand Sündigenden, nicht die wider den heiligen Geist Lästernden. »Denn nicht der ist Jude, der es sichtbar ist; sondern der ist Jude, der es innerlich, im Verborgenen, ist; und Beschneidung des Herzens ist im Geist, nicht im Buchstaben; dem wird Lobpreis zuteil, zwar nicht von Menschen, sondern von Gott« (Röm.2:28,29). Und: »Nicht die Kinder des Fleisches, nicht diese sind Kinder Gottes, sondern die Kinder der Verheißung rechnet Er als Samen« (Röm.9:8). »Viele sind berufen, wenige aber auserwählt« (Mat.22:14). Ganz Israel ist gerufen, aber nur wenige wird der Vater ziehen (Joh.6:44). Welch eine Gnade ist es doch, wenn Gott durch Christus den Glauben bei einem Menschen wirkt (Ap.3:16)!

 

Das Zeugnis des Mose

 

  Dann verwies Petrus auf den von Mose angekündigten besonderen Propheten, von dem die Juden wussten (Joh.1:21; 6:14; 7:40; Ap.7:37), dass der Messias damit gemeint war:

  »Mose sagte bereits: Einen Propheten wie mich wird euch der Herr, euer Gott, aus euren Brüdern aufstehen lassen; auf Ihn sollt ihr in allem hören, was immer Er auch zu euch sprechen wird. Es wird aber so sein: Jede Seele, die etwa auf jenen Propheten nicht hören wird, soll aus dem Volk ausgerottet werden« (Verse 22+23).

  Wir hören diese Worte nochmals, und zwar nach dem hebräischen Text: »Einen Propheten wie mich wird Jewe, dein Elohim, aus deiner Mitte, aus deinen Brüdern, dir erstehen lassen. Auf Ihn sollt ihr hören« (5.Mose 18:15). »Und es wird geschehen: Der Mann, der nicht auf Meine Worte hört, die Er in Meinem Namen reden wird, von dem werde Ich, ja Ich es abfordern« (5.Mose 18:19). Die Septuaginta schreibt für »abfordern«: »rächen«. Petrus sprach in apostolischer Vollmacht von der Ausrottung oder Austilgung aus dem Volk.

  Mit dieser ernsten Warnung unterstrich der Apostel Petrus die elementare Notwendigkeit, an Jesus als den Christus zu glauben. Andernfalls wird man auf keinen Fall an dem äonischen Leben, am Leben im Königreich Israels in den kommenden Äonen, teilhaben, sondern umkommen. Darum auch hatte der Vater bei der Verklärung Jesu gesagt: »Dies ist Mein geliebter Sohn, an dem Ich Mein Wohlgefallen habe; hört auf Ihn« (Mat.17:5; Mark.9:7; Luk.9:35). - Hört auf Ihn, damit ihr gerettet werdet!

  Einst hatte der Herr festgestellt: »Wenn ihr Mose glaubtet, würdet ihr auch Mir glauben. Wenn ihr aber den Schriften jenes Mannes nicht glaubt, wie werdet ihr Meinen Worten glauben?« (Joh.5:46,47). Es stand somit zu befürchten, dass die Israeliten, ebenso wie sie nicht auf Mose hörten und deshalb in der Wildnis umkamen und nicht in das verheißene Land gelangten, nun auch auf Jesus nicht hören würden, der größer ist als Mose, sondern aus der Rolle des Lebens gestrichen und nach der Zeit ihres ersten Todes in den zweiten Tod gestoßen würden (2.Mose 32:32; Ps.69:29; Dan.12:1; Luk.10:20; Off.3:5; 20:15; 21:27).

  Möge Israel aber nun auf Jesus hören!

 

»Ihr seid die Söhne der Propheten«

 

  Petrus fuhr fort: »Aber auch alle anderen Propheten, die von Samuel an nacheinander gesprochen haben, verkündigten gleichfalls diese Tage. Ihr seid die Söhne der Propheten und des Bundes, den Gott mit euren Vätern geschlossen hat, als Er zu Abraham sagte: In deinem Samen sollen alle Familien der Erde gesegnet werden« (Verse 24+25).

  Ja, diese Tage des Segens, der Heilung, der Erquickung und Wiederherstellung, diese Tage des messianischen Königreichs hatten im Grunde alle Propheten verheißen. Und da ihr Juden die Söhne des Bundes seid, wird euch dies alles auch zuteil werden, insbesondere dass ihr im Samen Abrahams - dieser ist Jesus (Gal.3:16) - gesegnet werdet (1.Mose 12:3; 18:18; 22:18; 26:4). Und nicht nur ihr, sondern durch eure Vermittlung wird dieser Segen allen Nationen zufließen. Schließlich werdet ihr alle Nationen zu Jüngern machen (Mat.28:19).

  Von dieser dem Volk Israel jetzt dargebotenen Gnade hatten die Propheten geredet und dabei ernstlich gesucht und geforscht, in welcher Frist es denn geschehe (1.Pet.1:10). - Jetzt ist die Zeit gekommen!

 

Den Juden zuerst

 

  Petrus schloss seine Rede: »Für euch zuerst hat Gott Seinen Knecht auferstehen lassen und Ihn gesandt, um euch zu segnen, wenn ein jeder unter euch sich von eurer Bosheit abwendet« (Vers 26).

  Die übelste Bosheit wäre, nicht zu glauben, dass der auferstandene Jesus den Lahmen heilte, sondern dies etwa bösen Geistern zuzuschreiben (Mat.12:24,32; Mark.3:30).

  Den Juden zuerst hat Petrus das Evangelium von der Rettung durch Jesus, den Christus, verkündigt. Auch Paulus betonte: »Ich schäme mich des Evangeliums nicht, denn es ist eine Gotteskraft zur Rettung für jeden Glaubenden, dem Juden zuerst wie auch dem Griechen« (Röm.1:16). Dann führte er noch aus: »Ich sage, Christus ist der Diener der Beschneidung geworden für die Wahrhaftigkeit Gottes, um die Verheißungen der Väter zu bestätigen. Die Nationen aber werden Gott für Sein Erbarmen verherrlichen« (Röm.15:8,9).

  Lobpreis, Dank und Verherrlichung sei dem Gott und Vater unseres Herrn Jesus Christus!

 

 

In dem Namen Jesu Christi

(Apostelgeschichte 4:1-31)

 

  Unser Herr Jesus Christus hatte durch die Apostel Petrus und Johannes einen Lahmen in der Weihestätte geheilt. Nachdem die Menschen angesichts dieses Wunders zusammengelaufen waren, hatte Petrus die Gelegenheit wahrgenommen und dem Volk bezeugt, dass der auferstandene Jesus, der ihnen verheißene Messias, dies getan hatte, und zwar auf den durch Ihn in dem Lahmen bewirkten Glauben an Seinen Namen hin (Ap.3).

 

Die Priester waren aufgebracht

 

  »Während sie noch zum Volk sprachen, traten die Priester, der Hauptmann der Weihestätte und die Sadduzäer zu ihnen, aufgebracht darüber, dass sie das Volk lehrten und die in Jesus verbürgte Auferstehung verkündigten. Man legte daher die Hände an sie und setzte sie bis zum Morgen in Gewahrsam; denn es war bereits Abenddämmerung« (Verse 1-3).

  Petrus und Johannes waren um die neunte Stunde, also gegen 15 Uhr, zur Weihestätte hinaufgestiegen (Ap. 3:1). Während der gesamten Zeit von etwa drei Stunden bis zur Abenddämmerung konnten sie das Volk ausführlich belehren. Gott hatte Gnade dazu gegeben!

  Die Priester allerdings, die zum größten Teil Sadduzäer waren, der Hauptmann der Wache, die für Ruhe und Ordnung in der Weihestätte zu sorgen hatte, und die Sadduzäer waren entrüstet. Zum einen waren sie eifersüchtig auf die Apostel, weil sie es als das Privileg der Priester und Schriftgelehrten, der Pharisäer und der Sadduzäer ansahen, das Volk zu lehren, und zum anderen fühlten sich besonders die Sadduzäer, die die Auferstehung überhaupt leugneten (Mat.22:23), bis ins Mark getroffen, weil die Apostel die Auferstehung am Beispiel Jesu bewiesen hatten.

  Da eine solche Verkündigung somit unterbunden werden musste, setzte man sie fest.

 

Viele aber glaubten

 

  »Viele von denen aber, die das Wort hörten, kamen zum Glauben, sodass sich die Zahl der gläubigen Männer auf etwa fünftausend belief« (Vers 4).

  Das Wort Gottes ist lebendig und wirksam (Heb.4:12); es war nicht aufzuhalten. Und der Herr schenkte vielen den Glauben an Ihn als den Messias. Wir dürfen sicherlich noch einmal die gleiche Zahl von Frauen hinzurechnen, sodass die Herausgerufene in Jerusalem etwa zehntausend Menschen umfasste.

 

Die Verhandlung

 

  »Am anderen Morgen versammelten sich ihre Oberen, die Ältesten und Schriftgelehrten in Jerusalem, ferner der Hohepriester Hannas sowie Kaiphas, Johannes, Alexander und alle, die zu einem hohenpriesterlichen Geschlecht gehörten. Sie stellten sie in ihre Mitte und erkundigten sich: Durch welche Kraft oder in welchem Namen tut ihr dieses?« (Verse 5-7).

  Die Sache war so wichtig, dass sich das ganze Synedrium, der Hohe Rat der Juden mit 71 Mitgliedern, darunter auch die Leiter der 24 priesterlichen Dienstabteilungen (1.Chron.24), versammelten. Hannas war Hoherpriester von 6 bis 15 n. Chr., sein Schwiegersohn Kaiphas von 18 bis 36 n. Chr. Johannes und Alexander sind uns unbekannt.

  Durch welche Kraft die Apostel den Lahmen geheilt haben, wollten sie wissen. Durch welche Kraft Jesus gewirkt habe, hatten sie Ihn schon gefragt (Mat.21:23; Luk.20:2). Und in welchem Namen. Bestimmt wussten sie, dass der Lahme im Namen Jesu Christi, des Nazareners, aufgerichtet worden war (Ap.3:6); sie wollten es jedoch, um sicher zu gehen, persönlich hören.

  Und nun standen Petrus und Johannes vor hohen Herren, die Jesus als solche beschrieben hatte, die anders handeln als sie lehren, die von den Menschen angeschaut und geehrt werden wollen, die nicht in das Königreich der Himmel hineingehen noch andere hineingehen lassen und die blinde Blindenleiter sind (Mat.23:3,5,13,16).

  Das Ansehen des Synedriums stand auf dem Spiel, falls sie sich mit der Kreuzigung Jesu geirrt haben sollten. Oder werden sie jetzt Jesus doch als den Messias anerkennen?

 

Jesus ist der Hauptstein der Ecke

 

  »Dann sagte Petrus, mit heiligem Geist erfüllt, zu ihnen: Obere des Volkes und Älteste! Wenn wir heute wegen der Wohltat an einem kranken und schwachen Menschen ausgeforscht werden, wodurch dieser gerettet wurde, so sei euch allen und dem gesamten Volk Israel bekannt: In dem Namen Jesu Christi, des Nazareners, den ihr kreuzigtet, den Gott aber aus den Toten auferweckt hat, in diesem Namen steht dieser Mann gesund vor euren Augen. Dieser Jesus ist der Stein, der von euch, den Bauleuten, verschmäht wird; der ist zum Hauptstein der Ecke geworden! Und in keinem anderen ist die Rettung; denn es ist auch kein anderer Name unter dem Himmel, der unter Menschen gegeben worden ist, in welchem wir gerettet werden müssen« (Verse 8-12).

  Jetzt wird sich entscheiden, ob das Volk Israel an Jesus glauben wird, wenn nämlich seine Oberen nach diesem Zeugnis des Petrus Ja zu Jesus sagen. Jetzt sollte sich entscheiden, ob das Königreich »in dieser Zeit« (Ap.1:6) kommt oder die äonische Folge der Lästerung des Geistes über Israel hereinbricht - ihre Verwerfung wäre die Folge dieser Sünde (Mark.3:29).

  Mit heiligem Geist erfüllt, mithin freimütig, vollgewiss und freudig, sprach Petrus. Er sorgte sich nicht, wie oder was er reden sollte, wurde es ihm doch gegeben, »denn nicht ihr seid die Redenden«, hatte ihr Herr den Jüngern verheißen, »sondern der Geist eures Vaters ist es, der durch euch spricht« (Mat.10:20).

  Petrus verkündigte den Oberen, in wessen Namen der Lahme geheilt worden war, nämlich in dem Namen Jesu Christi aus Nazareth, den sie gekreuzigt hatten, den Gott aber auferweckte. Dies wussten sie alle nur zu genau, zumal sie bei Pilatus vorstellig geworden waren: »Herr, wir erinnern uns, dass jener Irreführer gesagt hatte, als Er noch lebte: Nach drei Tagen werde Ich auferweckt. Befiehl daher, die Gruft bis zum dritten Tag zu sichern« (Mat.27:63). Und nach der Auferstehung Jesu hatten ihnen die Krieger der Wache alles eingehend berichtet, was am Grab geschehen war (Mat.28:11). Somit war den Oberen klar, dass Jesus auferweckt worden war und der Auferstandene und Lebendige den Mann geheilt hatte, woraus folgte, dass Er der Messias ist.

  Jesus und kein anderer ist der verheißene Eckstein, auf dem das Königreich erbaut wird. Die Bauleute, die Ältesten Israels, hätten das ganze Volk auf diesen Stein gründen sollen; aber sie hatten Ihn längst verworfen, zweimal sogar, das erste Mal, als sie Ihn hinrichten ließen, und jetzt angesichts der Heilung des Gelähmten wieder. Psalm 118:22 weissagte dies bereits: »Der Stein, den die Bauleute verworfen haben, der wurde zum Hauptstein der Ecke«. (Für »wurde« steht im Hebräischen übrigens dasselbe Wort wie in 1.Mose 1:2, wo es heißt: »Und die Erde wurde ein Chaos.«)

  Eben diese Psalmstelle hatte unser Herr Jesus Christus den Pharisäern und Schriftgelehrten ebenfalls schon vorgehalten (Mat.21:42; Mark.12:10; Luk.20:17). In seinem ersten Brief kommt Petrus wieder darauf zurück: »Der Stein, den die Bauleute verworfen haben, der wurde zum Hauptstein der Ecke und damit ein Stein des Anstoßes und ein Fels des Strauchelns denen, die sich auch an dem Wort stoßen, weil sie widerspenstig sind, wozu sie auch gesetzt wurden« (1.Pet.2:7,8). Und Paulus schreibt: »Da es nicht aus Glauben, sondern aus Gesetzeswerken geschieht, stoßen sie sich an dem Stein des Anstoßes, so wie geschrieben steht: Siehe, Ich lege in Zion einen Stein des Anstoßes und einen Felsen des Strauchelns; und wer an Ihn glaubt, wird nicht zuschanden werden« (Röm.9:32,33; Jes.8:14; 28:16).

  »Jesus« - dies ist der einzige Name unter dem Himmel, der anzurufen ist, um gerettet zu werden (Joel 3:5; Ap.2:21; Röm.10:13). Jesus ist der einzige Mittler zwischen Gott und den Menschen (1.Tim.2:5). Niemand kommt zum Vater außer durch Ihn (Joh.14:6). »Gott hat Ihn überaus hoch erhöht und Ihn mit dem Namen begnadet, der über jedem Namen ist, damit in dem Namen Jesu sich jedes Knie beuge, der Überhimmlischen, Irdischen und Unterirdischen, und jede Zunge huldige: Herr ist Jesus Christus, zur Verherrlichung Gottes, des Vaters« (Phil.2:9-11).

 

Sie wussten nichts zu entgegnen

 

  Lukas berichtet uns nun von der Reaktion der Ältesten: »Als sie den Freimut des Petrus und Johannes schauten und es erfassten, dass sie ungeschulte und ungelehrte Menschen seien, waren sie erstaunt. Sie erkannten sie auch als solche, die mit Jesus zusammen gewesen waren. Da sie den Mann, der geheilt worden war, bei ihnen stehen sahen, hatten sie nichts zu widersprechen« (Verse 13+14).

  Die freimütigen, das heißt durch keinerlei Bedenken gehemmten Worte des Petrus und der Sachverhalt waren so klar, dass sie nichts zu antworten, geschweige denn zu entgegnen hatten. So wurde der Zuspruch des Herrn wahr: »Ich werde euch Worte in den Mund und Weisheit geben, denen alle, die euch widerstreben, nicht werden widerstehen oder widersprechen können« (Luk.21:15).

  Im Übrigen waren die Apostel vom Herrn geschulte und gelehrte Männer, nur eben nicht nach den Maßstäben der Welt, hier: der Rabbiner.

 

Die Beratung des Synedriums

 

  »Dann befahl man ihnen, aus dem Synedrium hinauszugehen, und beriet miteinander die Frage: Was sollen wir mit diesen Menschen machen? Denn dass ein klar erkennbares Zeichen durch sie geschehen ist, das ist allen, die in Jerusalem wohnen, offenbar geworden, und wir können es nicht leugnen. Damit es sich jedoch nicht noch mehr unter dem Volk verbreite, sollten wir ihnen drohen, damit sie nicht mehr aufgrund dieses Namens zu irgendeinem Menschen sprechen. - Dann ließ man sie rufen und wies sie an, aufgrund des Namens Jesu durchaus nichts mehr verlauten zu lassen noch zu lehren« (Verse 15-18).

  Dies ist die Weisheit dieser Welt. »Die Weisheit dieser Welt ist bei Gott Torheit. Denn es steht geschrieben: Er erhascht die Weisen in ihrer List. Und wiederum: Der Herr kennt die Schlussfolgerungen der Weisen, dass sie nichtig sind« (1.Kor.3:19,20); Hiob 5:13; Ps.94:11),

  Die Beratung des Synedriums war die Krisis Israels, der entscheidende Wendepunkt in seiner Geschichte.

 

Die Antwort der Apostel

 

  »Petrus und Johannes aber antworteten ihnen: Urteilt selbst, ob es vor Gottes Augen gerecht ist, auf euch eher als auf Gott zu hören. Denn für uns ist es unmöglich, nicht von dem zu sprechen, was wir gewahrt und gehört haben!« (Verse 19+20).

  So geht es auch uns: Wir glauben - darum sprechen wir auch (2.Kor.4:13; Ps.116:10). Und sollten wir Gottes Wort zurückhalten wollen, so würde es uns wie dem Propheten Jeremia ergehen, der einst erfuhr: »Sprach ich: Ich will nicht mehr an Ihn denken und nicht mehr in Seinem Namen reden, dann würde es in meinem Herzen wie ein verzehrendes Feuer, eingeschlossen in meinen Gebeinen« (Jer.20:9).

  Mit den Worten der Apostel wird übrigens nicht unser Gehorsam gegenüber der weltlichen Obrigkeit aufgekündigt; wir haben unserer Regierung zu gehorchen (Röm.13:1-7). Sollte aber - um eine Parallele zum Synedrium zu ziehen - etwa eine Kirche uns etwas verbieten - nein, wir hören auf Gott!

  »Jene ließen sie dann unter Drohungen frei, da sie nichts fanden, wie sie sie strafen sollten; dies auch um des Volkes willen, weil alle Gott über das geschehene Zeichen verherrlichten; denn der Mann, an dem dieses Zeichen der Heilung geschah, war mehr als vierzig Jahre alt« (Verse 21+22).

 

Das Gebet der Jerusalemer Gemeinde

 

  »Als sie freigelassen waren, gingen sie zu den Ihren und berichteten alles, was die Hohenpriester und Ältesten zu ihnen gesagt hatten. Als sie das hörten, erhoben sie einmütig ihre Stimme zu Gott und beteten: Du unser Eigner, der den Himmel und die Erde, das Meer und alles, was in ihnen ist, geschaffen hat ...« (Verse 23+24).

  Der Bruch war vollzogen, die Oberen des Volkes hatten sich gegen Jesus und Seine Apostel gestellt. Von nun an standen sie in Opposition zueinander. Wie sollten die Gläubigen in dieser Situation leben? - Ihr Gebet gibt die Antwort darauf: Zuerst gaben sie Gott die Ehre (Vers 24), sodann nahmen sie die Gegnerschaft aus Gottes Hand (Verse 25-28) und abschließend baten sie darum, dass Er ihnen auch weiterhin Freimut für ihre Wortverkündigung gebe (Verse 29+30).

  In Anlehnung an Psalm 95:6: »Kommt, lasst uns anbeten und uns beugen, lasst uns niederknien vor Jewe, der uns gemacht hat« wandte sich die gesamte Jerusalemer Herausgerufene einmütig, von gemeinsamer Überzeugung getragen, an ihren Eigner und Verfüger, an Gott, der alles erschaffen hat und alles bewirkt (Eph.1:121). Er ist der unumschränkte Souverän des Alls; »alles, was Jewe gefällt, tut Er in den Himmeln und auf der Erde (Ps.135:6; 115:3). Dies war auch dem König Nebukadnezar klar geworden, der einst betete: »Alle, die auf Erden weilen, sind wie nichts zu rechnen. Seinem Willen gemäß verfährt Er mit der Heerschar der Himmel und mit denen, die auf Erden weilen. Tatsächlich kann niemand Seiner Hand wehren und zu Ihm sagen: Was tust Du?« (Dan.4:32; Jes.14:24; 46:19).

 

Es war Gottes Ratschluss

 

  Es folgt der unter dem Akzent der Feindschaft gegen Christus stehende zweite Teil des Gebets:

  »... der Du durch heiligen Geist, durch den Mund unseres Vaters, Deines Knechtes David, gesagt hast: Warum schnauben die Nationen und kümmern die Völker sich um Vergebliches? Die Könige der Erde stehen dabei, und die Fürsten versammeln sich miteinander gegen den Herrn und Seinen Christus! - Denn sie haben sich in dieser Stadt in Wahrheit gegen Deinen heiligen Knecht Jesus versammelt, den Du gesalbt hast: Herodes wie auch Pontius Pilatus mit den Nationen und Völkern Israels, um alles auszuführen, was Deine Hand und Dein Ratschluss vorherbestimmt hatten, dass es geschehe« (Verse 25-28).

  Von seiner Salbung mit Öl durch den Propheten Samuel an lag der Geist Jewes auf König David (1.Sam.16:13). Er selbst bezeugte: »Der Geist Jewes redete durch mich, und Sein zu erfüllendes Wort war auf meiner Zunge« (2.Sam.23:2).

  Die prophetischen Worte Davids stehen in Psalm 2:1,2 und lauten dort fast gleich: »Warum schnauben die Nationen und kümmern die Völkerstämme sich um Vergebliches? Die Könige der Erde stehen dabei, und die Oberen versammeln sich am selben Ort gegen Jewe und gegen Seinen Gesalbten.«

  Es fällt auf, dass die Betenden das Synedrium mit den christusfeindlichen Nationen gleichsetzten und dann den König Herodes Antipas und den römischen Prokurator Pontius Pilatus mit einbezogen, ebenso wie die Völkerschaften Israels. Sie alle hatten gegen Jesus, den Gesalbten, den Messias, griechisch: den Christos, gehandelt. In der Synagoge zu Nazareth hatte Jesus aus Jesaia 61:1 vorgelesen: »Der Geist Jewes, Meines Herrn, ist auf Mir, weil Jewe Mich gesalbt hat.« Die Salbung ist die Ausrüstung mit dem Geist Gottes.

  Alles, was die Gegner Jesu Christi und damit Gottes taten, war von Gott vorherbestimmt und somit Gottes Tat. Jesus war vor dem Niederwurf der Welt (als die Erde ein Chaos wurde; 1.Mose 1:2) von Gott als ein makelloses und fleckenloses Lamm, das die Sünde der Welt auf Sich nimmt, vorhererkannt worden (1.Pet.1:20). »Es gefiel Jewe, Ihn zu zerschlagen; Er hat Ihn leiden lassen« (Jes.53:10) - auf Golgatha. Nach Seiner Auferstehung belehrte der Herr Seine Jünger: »O wie seid ihr doch ohne Verständnis und so säumig im Herzen, um an alles zu glauben, was die Propheten ausgesprochen haben! Musste Christus dies nicht leiden und dann erst in Seine Herrlichkeit eingehen? - Und mit Mose anfangend, ging Er alle Propheten durch und legte ihnen aus allen Schriften das über Ihn Selbst Gesagte aus. ... Alles muss erfüllt werden, was im Gesetz des Mose, in den Propheten und Psalmen von Mir geschrieben steht« (Luk.24:25-27+44).

  Gott bestimmt im Übrigen nicht nur alles vorher, sondern sagt es den Seinen auch an, wie bei Jesaia zu lesen: »Ich bin El! Und da ist sonst kein Elohim! Und da ist niemand gleichwie ich! Der Ich kundtue von Anfang an den Ausgang und vor alters, was noch nicht getan; der Ich sage: Mein gesamter Ratschluss soll bestätigt werden, und alles, was Mir wohlgefällt, will Ich tun. ... So habe Ich gesprochen! So will Ich es kommen lassen! Wie Ich geplant, so will Ich es tun« (Jes.46:9-11).

  Welch eine Freude ist es für uns doch zu wissen, dass der Gott und Vater unseres Herrn Jesus Christus alles nach dem Ratschluss Seines Willens bewirkt (Eph.1:11), jeden Gedanken und jedes Ereignis hervorruft und alles für Seine herrlichen Vollendungszeile gebraucht! Wahrhaftig: Aus Gott ist das All und durch Ihn und zu Ihm hin (Röm.11:36)!

 

Die Bitte um Freimut

 

  Wir kommen zum dritten Teil des Gebets:

  »Und nun, Herr, sieh ihre Drohungen an und gib Deinen Sklaven, Dein Wort mit allem Freimut zu sprechen, indem Du Deine Hand zu Heilungen ausstreckst und Zeichen und Wunder durch den Namen Deines heiligen Knechtes Jesus geschehen lässt!« (Verse 29+30).

  Das Synedrium hatte den Aposteln Petrus und Johannes gedroht, absolut nichts mehr aufgrund des Namens Jesu verlauten zu lassen (Vers 18). So baten die Gläubigen nun darum, aber auch angesichts dieser Drohung Jesus als den Auferstandenen und Christus in Freimut verkündigen zu können, wobei Gott ihren Dienst durch begleitende Zeichen und Wunder mitbezeugen möchte (Heb.2:4).

  Die Zeichen und Wunder waren Ausdruck der Kräfte des kommenden Äons (Heb.6:5), des Äons des tausendjährigen Königreichs Israels, der hier schon seinen zukünftigen Anbruch aufleuchten ließ. Der Mittler all dieser Kräfte ist Gottes Sohn und Knecht Jesus Christus.

 

Die Folgen des Gebets

 

  Gott antwortete sofort auf das Gebet: »Als sie so gefleht hatten, wurde die Stätte erschüttert, an der sie versammelt waren; und sie alle wurden mit heiligem Geist erfüllt und sprachen das Wort Gottes mit Freimut« (Vers 31).

  Gott der Vater erhörte ihr Gebet mit dem Zeichen eines Bebens, mit der völligen Erfüllung der Gläubigen mit Seinem Geist und mit dem Geschenk des Freimuts für die Verkündigung des Wortes des Lebens. Solchermaßen ausgerüstet, wirkten sie weiterhin in Jerusalem und werden sie dann auch im Königreich alle Nationen belehren und zu Jüngern Jesu machen (Mat.28:19).

  Aber auch wir, die Glieder der Körpergemeinde (Eph.1:22,23), die wir eine ganz andere Bestimmung haben, nämlich im überhimmlischen Königreich Christi zu wirken (Eph.2:6,7; 2.Tim.4:18), und die wir, solange wir noch auf der Erde sind, allein durch Glauben und nicht durch Wahrnehmung wandeln, mithin ohne Zeichen und Wunder (2.Kor.5:7), auch wir werden - erfüllt mit heiligem Geist (Eph.5:18) - unserem Herrn und Haupt hingebungsvoll dienen wollen und deshalb darum flehen, dass Er uns beim Auftun unseres Mundes den rechten Ausdruck gebe, um das Geheimnis des Evangeliums - dies ist die Versöhnung Gottes mit der Welt (2.Kor.5:19) - in Freimut bekannt zu machen (Eph.6:19).

 

 

Sie hatten alles gemeinsam

(Apostelgeschichte 4:32 - 5:16)

 

  Des Weiteren berichtet Lukas über die Anfangszeit der Jerusalemer herausgerufenen Gemeinde:

  »Die Menge der Gläubigen war ein Herz und eine Seele, und auch nicht einer sagte, dass etwas von seinem erworbenen Besitz sein eigen sei, sondern sie hatten alles gemeinsam« (Vers 32).

 

Ein Herz und eine Seele

 

  Im Grunde ist es normal, dass die Heiligen ein Herz und eine Seele sind, herzliche Gemeinschaft pflegen und in der Ehrerbietung einander höher achten, weil Gottes Geist in ihnen ist und sie mithin eins mit Gott wie auch mit jedem sind, in welchem Gottes Geist ist. Die Liebe des Christus leitete die Gläubigen in ihrer Liebe zueinander. Sie waren so sehr mit heiligem Geist erfüllt (Vers 31), dass wohl kaum einer fleischgemäß wandelte, sondern sie sich allesamt geistgemäß verhielten.

  Bei der Gemeinde zu Philippi unterstellt der Apostel Paulus, dass sie würdig des Evangeliums des Christus wandeln, in einem Geist feststehen und wie aus einer Seele gemeinsam im Glauben des Evangeliums wettkämpfen (Phil.1:27).

 

Der erworbene Besitz

 

  Was den Besitz anbelangt, so muss man wissen, dass hier nicht von dem ihnen durch das Gesetz des Mose gegebenen Losteil die Rede ist, das jedem einen Anteil am Grund und Boden garantiert und damit den Lebensunterhalt sichert (3.Mose 25:8 ff., 27:16 ff., 4.Mose 36:4), sondern von dem über dieses hinaus erworbenen Besitz sowie von anderen Vermögenswerten, wie Geld und Wertgegenständen.

  Gott war Eigentümer des Landes, die Israeliten waren nur Besitzer eines ihnen durch das Los zugefallenen Anteils. Das zusätzlich in Besitz genommene Losteil eines anderen Juden, der es wegen einer Notlage verpfänden musste, fiel im Jobeljahr ohnehin an den ursprünglichen Besitzer zurück. Und im Königreich Israels, auf das hin die Gläubigen damals lebten, wird jeder sowieso sein auskömmliches Losteil an Land besitzen (Mat.5:5), sodass es für die Gläubigen in Jerusalem nicht nötig war, jetzt daran festzuhalten. Sie hatten ja eine herrliche Erwartung.

 

Je nach Bedarf

 

  »Dazu legten die Apostel mit großer Kraft das Zeugnis von der Auferstehung des Herrn Jesus Christus ab, auch war große Gnade auf ihnen allen; denn es war kein Darbender unter ihnen. Alle nämlich, die Freiäcker oder Häuser erworben hatten, verkauften diese, brachten den Erlös des Veräußerten und legten ihn zu Füßen der Apostel. Davon wurde jedem zugeteilt, je nachdem einer Bedarf hatte« (Verse 33-35).

  Der Dienst der Apostel bestand in erster Linie in der Verkündigung der Auferstehung Jesu Christi. Das ist die grundlegende und zentrale Botschaft. So erfüllte sich, was der Herr ihnen verheißen hatte: »Ihr werdet Kraft erhalten, wenn der heilige Geist auf euch kommt; und ihr werdet Meine Zeugen sein: [zunächst] in Jerusalem ...« (Ap.1:7).

  Große Gnade war auf ihnen allen, Gnade zum Verkündigen, dazu auch Gnade zum freudigen Geben. So war kein Darbender unter ihnen. Später musste der Apostel Johannes allerdings ermahnend schreiben: »Wer aber seinen Lebensunterhalt in der Welt hat und dabei zuschaut, wie sein Bruder Bedarf hat, und dann sein Innerstes vor ihm verschließt - wie bleibt da die Liebe Gottes in ihm?« (1.Joh.3:17).

  Es gab übrigens auch Freiäcker; sie gehörten nicht zum Losland, sondern waren frei verfügbar. Sie wird es im Königreich nicht mehr geben.

  Inwieweit lässt sich dies alles auf uns heute übertragen? Wir haben ja keine Losteile. - Mögen wir mit unserem Eigentum so umgehen, als behielten wir nichts, denn die Art und Weise dieser Welt vergeht (1.Kor.7:30,31). Uns ist durch den Apostel Paulus gesagt, dass wir geben sollen »nach dem Maß, was jeder hat, und nicht nach dem, was er nicht hat. Also denn nicht so, dass andere Entspannung haben, ihr aber Bedrängnis, sondern zum Ausgleich soll bei der jetzigen Gelegenheit eure Überfülle den Mangel jener ausgleichen, sodass ein andermal die Überfülle jener eine Hilfe für euren Mangel werde« (2.Kor.8:12-14). Des Weiteren: »Dies aber sage ich euch: Wer kärglich sät, wird auch kärglich ernten. ... Mächtig aber ist Gott, jede Gnade in euch überfließen zu lassen, damit ihr in allem allezeit alle Genüge habt, ja Überfluss habt für jedes gute Werk« (2.Kor.9:6,8).

 

Joseph Barnabas

 

  »Auch Joseph, der von den Aposteln den Beinamen Barnabas (das ist verdolmetscht: Sohn des Zuspruchs) erhalten hatte, ein Levit und Cyprier von Herkunft, dem ein Feld gehörte, verkaufte dieses, brachte das Geld und legte es zu Füßen der Apostel« (Verse 36+37).

  Hier hören wir erstmals etwas von Barnabas, einem Reisegefährten des Apostels Paulus. Sein Name bedeutet auf Aramäisch »Sohn des Prophezeiens« und darf als »Sohn  des Zuspruchs« verstanden werden, denn »wer prophetisch redet, spricht zu Menschen zur Auferbauung, zum Zuspruch und zum Trost« (1.Kor.14:3).

  Das Losteil eines Leviten konnte nicht veräußert werden (3.Mose 25:34); dieses Feld muss daher ein erworbenes gewesen sein (3.Mose 25:33). Im Königreich wird Barnabas einen Anteil im Losteil der Leviten besitzen (Hes.48:13,14). Er hatte gemäß Sprüche 3:9 gehandelt: »Verherrliche Jewe aus deinem Vermögen und aus dem Besten all deines Einkommens.«

 

Ananias und Sapphira

 

  Leider gab es unter den Gläubigen in Jerusalem aber auch solche, die dem Herrn keine Ehre machten. Ein Ehepaar spendete einen Teil des Erlöses aus seinem Freiacker, gab aber vor, den ganzen Verkaufserlös zu geben. Das war eine vorsätzliche Lüge.

  Wir lesen davon in Kapitel 5:1-4:

  »Aber ein Mann namens Ananias mit seiner Frau Sapphira verkaufte erworbenes Gut und unterschlug etwas vom Erlös mit Wissen der Frau. Er brachte also nur einen Teil und legte ihn zu Füßen der Apostel. Da sagte Petrus: Ananias, warum hat Satan dein Herz erfüllt, dass du den Geist, den heiligen, belogen und von dem Erlös des Freiackers etwas unterschlagen hast? Blieb er nicht dein, wenn er unverkauft blieb? Und veräußert, gehörte er nicht unter deine Vollmacht? Wieso hast du dir diese Sache in deinem Herzen vorgenommen? Du belügst nicht Menschen, sondern Gott!« (Verse 1-4).

  Ananias und Sapphira hatten so getan, als ob sie den ganzen Erlös gäben. Der Geist Gottes aber hatte Petrus den wahren Sachverhalt offenbart; auch unser Herr Jesus Christus wusste ja, ohne dass er ein Zeugnis brauchte, was in einem jeden Menschen ist (Joh.2:25).

  Petrus nannte auch den Anstifter: der Satan. Wer Sünde tut, ist vom Satan (1.Joh.3:8). Wer lügt, hat den Satan, den Vater der Lüge, zum Vater (Joh.8:44). Jeder aber, der aus Gott gezeugt ist, tut Gerechtigkeit, sündigt nicht und bewahrt sich selbst, und der Böse rührt ihn nicht an (1.Joh.2:29; 5:18). - Wie wir uns vor dem Satan zu bewahren haben, ist uns aus Epheser 6:10-17 bekannt.

  Ananias und Sapphira hatten nicht nur die Gemeinde belogen, sondern in erster Linie Gott, der durch Seinen Geist anwesend war.

  Nachdem Petrus gesprochen hatte, geschah Folgendes:

  »Als Ananias diese Worte hörte, fiel er um und war entseelt. Da kam große Furcht über alle, die dies hörten. Die Jüngeren aber standen auf, hüllten ihn in Tücher, brachten ihn hinaus und begruben ihn« (Verse 5+6).

  Der Zeitpunkt war gekommen, dass das Urteil beim Hause Gottes, das heißt hier: bei der herausgerufenen Gemeinde, anfange (1.Pet.4:17). In der pfingstlichen heilsgeschichtlichen Verwaltung, in der die Kräfte des zukünftigen Äons wirkten (Heb.6:5), wurden Sünden recht bald und streng geahndet, um die Gemeinden rein zu erhalten. Im Königreich herrscht Gerechtigkeit; Sünden werden nicht geduldet. Die Lügner und alle Falschen werden die zwei noch kommenden Äonen im zweiten Tod verbringen (Off.21:8; 22:15), denn »wer Betrug verübt inmitten meines Hauses, wer Falschheit redet, soll nicht befestigt werden vor meinen Augen«, sagte König David (Ps.101:7). Ananias verlor seinen Platz im Königreich Israels und das äonische Leben. Er hatte seine Berufung und Auserwählung nicht durch edle Werke befestigt, sodass er hätte da hineingelangen können (2.Pet.1:10,11).

  Ananias hatte eine Sünde zum Tode begangen, für die man nicht bitten soll (1.Joh.5:16). Er hatte freiwillig, vorsätzlich, vollmächtiglich gehandelt, nachdem er die Wahrheit hatte erkennen dürfen; mithin blieb für ihn kein Opfer mehr übrig, es gab keine Möglichkeit der Vergebung mehr, sondern nur ein furchtbares Abwarten des Gerichts (Heb.10:26,27). Dies entsprach dem Gesetz des Mose, wonach jemand, der mit hoher Hand, also wissentlich und willentlich, sündigte und somit das Wort Jewes verachtete und Seine Gebote unterhöhlte, Jewe lästerte und aus dem Volk auszurotten war (4.Mose 15:30,31).

  »Nach Verlauf von etwa drei Stunden aber trat auch seine Frau herein, die nichts von dem Geschehenen wusste. Da wandte sich Petrus mit der Frage an sie: Sage mir, ob ihr den Freiacker für so viel weggabt? - Und sie erwiderte: Ja, für so viel. - Darauf sagte Petrus zu ihr: Wieso habt ihr vereinbart, den Geist des Herrn zu versuchen? Siehe, die Füße derer, die deinen Mann begruben, stehen vor der Tür und werden auch dich hinausbringen!« (Verse 7-9).

  Petrus sprach gegenüber Sapphira von der Versuchung des Geistes Jesu, mit anderen Worten: von einem Auf-die-Probe-stellen Jesu. Dies war dem Ehepaar wahrscheinlich gar nicht klar gewesen; es war aber Tatsache, dass sie Gott praktisch herausforderten, wie weit man gegen Ihn handeln könne oder wie viel Er Sich gefallen ließe, bis Er richtend reagiert.

  »Und auf der Stelle fiel sie zu seinen Füßen nieder und war entseelt. Als die jungen Männer hereinkamen, fanden sie sie tot; sie brachten sie hinaus und begruben sie neben ihrem Mann. Da kam große Furcht über die ganze herausgerufene Versammlung und über alle, die dies hörten« (Verse 10+11).

  Mögen wir ebenfalls Gott fürchten, nicht etwa, weil wir tot umfallen, sondern weil wir Ihn kränken, mit einer Sünde verletzen könnten. So sind uns Ananias und Sapphira warnende Vorbilder geworden (1.Kor.10:6). Diese beiden Gläubigen hatten also das äonische Leben nicht bleibend in sich (1.Joh.3:15).

  Nach dem Evangelium der überströmenden Gnade, das dem Apostel Paulus für uns, die Glieder der Gemeinde, die Christi Körper ist, und für die gegenwärtige heilsgeschichtliche Verwaltung enthüllt wurde (Gal.1:12; Eph.1:22,23; 3:2; Kol.1:25), verhält es sich ganz anders. Wir sind mit heiligem Geist versiegelt (2.Kor.1:22; Eph.1:13) und können unsere Rettung zum Leben in den beiden zukünftigen Äonen nicht verlieren - zum Lobpreis der Herrlichkeit Seiner Gnade! Im Übrigen: »Die Er aber vorherbestimmte [dem Bilde Seines Sohnes gleichgestaltet zu werden], diese beruft Er auch; und die Er beruft, diese rechtfertigt Er auch; die Er aber rechtfertigt, diese verherrlicht Er auch« (Röm.8:30).

  Wir werden vor der Bühne des Christus, vor Seiner Preisrichterbühne, offenbar gemacht werden, und jeder von uns wird wiederbekommen, was er im Körper verübte, sei es gut oder schlecht (2.Kor.5:10; Röm.14:10; Eph.5:5), also Lob und Lohn erhalten oder Verlust an Lob und Lohn hinnehmen müssen (1.Kor.3:8,14; 4:5). Als Gerettete erfahren wir diesen Gnadenerweis zum Zweck unserer völligen Zurechtbringung.

 

Das gesegnete Wirken der Apostel

 

  Die folgenden Verse 12 bis 16 berichten nicht von einem besonderen Ereignis, sondern vom allgemeinen, alltäglichen Geschehen in der Gemeinde und ihrem Umfeld.

  »Durch die Hände der Apostel geschahen viele Zeichen und Wunder unter dem Volk. Alle Gläubigen waren einmütig in der Halle Salomos zusammen« (Vers 12).

  Was die Gemeinde erbeten hatte, nämlich trotz der Drohungen des Synedriums (Ap.4:21) Freimut zur Verkündigung zu haben, begleitet von durch den Namen Jesu geschehenden Zeichen und Wundern (Ap.4:29,30), war ihr gewährt worden. Das Zeugnis der Apostel, dass Jesus der Auferstandene und der Messias ist, bestätigte der Herr durch sichtbare Ereignisse (Heb.2:4). Das Königreich Israels wurde somit in idealer Weise durch jene dereinst darin wirkenden Kräfte (Heb.6:5) verkündigt. Man konnte ansatzweise einen Blick in das Königreich tun.

  Glückselig ist, wer glaubt, ohne zu schauen (Joh.20:29); generell aber war es Gottes Weg mit Israel, es durch Schauen zum Glauben zu führen. - Heute wandeln wir hier auf Erden nur durch Glauben und nicht durch Wahrnehmung (2.Kor.5:7). Wir leben in der heilsgeschichtlichen Verwaltung, die im Glauben besteht (1.Tim.1:4).

  Die Gläubigen in Jerusalem trafen sich natürlich auch hin und her in den Häusern (Ap.2:46; 5:42), ihr allgemeiner Treffpunkt aber war die Halle Salomos, ein Wandelgang in der Weihestätte. Wieder wird die Einmütigkeit der Heiligen betont (Ap.2:46); sie waren eines Sinnes auf den Lobpreis Gottes ausgerichtet.

 

Die Gemeinde wuchs

 

  »Aber von den Übrigen dort wagte niemand, sich ihnen anzuschließen; doch das Volk erhob sie hoch. Immer mehr glaubten an den Herrn, und so wurde eine Menge Männer wie auch Frauen hinzugefügt« (Verse 13+14).

  Unter den Übrigen dort dürften die zu verstehen sein, die regelmäßig in der Weihestätte zu tun hatten und es ihres Ansehens wegen nicht wagten, sich den Gläubigen anzuschließen, wahrscheinlich aber auch viele aus dem Volk, die die Apostel und die Gläubigen zwar hoch schätzten, sich ihnen aber deshalb nicht angliedern wollten, weil seit dem Tod von Ananias und Sapphira große Furcht vor Gott auf ihnen lag, der keine Sünde duldete (Ap.4:11). Die dem Königreich Israels eigene, absolute Gerechtigkeit Jesu Christi würde absichtlich begangene Sünden nicht ungestraft lassen. Es war also ein Wagnis, das man ohne entschiedene Umsinnung nicht eingehen konnte.

  Im Königreich wird die Furcht vor der Herrlichkeit des Königs nicht nur zur Folge haben, dass die Sünde eingedämmt wird, sondern auch, dass manche ihre Unterwerfung heucheln (Ps.66:3; 81:16).

  Nun, viele aus dem Volk glaubten und gesellten sich zu den Gläubigen; so wuchs die Herausgerufene.

  Am Rande sei angemerkt, dass es bei uns Gläubigen heute nicht die Furcht, sondern die Gnade ist, die uns erzieht, die Unfrömmigkeit und die weltlichen Begierden abzulegen und vernünftig, gerecht und fromm in dem jetzigen Äon zu leben (Tit.2:11,12). Und wenn wir unsere Heiligkeit auch in der Furcht Gottes vollenden (2.Kor.7:1), so ist es doch die Gnade, die uns dazu kräftigt (2.Tim.2:1).

 

Viele wurden geheilt

 

  Es schließen sich die Verse 15 und 16 an: »Daher brachte man auch die Kranken und Schwachen auf die breiten Straßen hinaus und legte sie auf Tragbetten und Matten, damit, wenn Petrus käme, wenigstens sein Schatten einen von ihnen beschattete. Es kam aber auch die Bevölkerung der um Jerusalem gelegenen Städte zusammen und bracht Kranke und Schwache sowie von unreinen Geistern Belästigte, die sämtlich geheilt wurden.«

  Dies erinnert uns an Matthäus 10:1-8: »Dann rief Er Seine zwölf Jünger zu Sich und gab ihnen Vollmacht, unreine Geister auszutreiben und jede Krankheit und jede Gebrechlichkeit zu heilen. ... Jesus wies sie an: Geht nicht auf den Weg zu den Nationen hin und geht nicht in eine Stadt der Samariter hinein! Geht vielmehr zu den verlorenen Schafen des Hauses Israel! Wo ihr geht, da heroldet: Das Königreich der Himmel hat sich genaht! - Heilt Kranke und Schwache, erweckt Tote, reinigt Aussätzige, treibt Dämonen aus! Umsonst habt ihr es erhalten, umsonst gebt es weiter!«

  Was den Schatten des Petrus betrifft: nicht der Schatten hatte Heilkraft, sondern sogar ohne aktive menschliche Betätigung sollte der vom Schatten Getroffene nach Gottes Willen und Kraft geheilt werden - zum Lobpreis Seines Herrlichkeit. Niemand konnte auf den Gedanken kommen, dass die Heilung des Petrus Werk gewesen wäre; es war allein des Herrn Werk. Wie heißt es in Jesaia 26:12? »All unser Tun wirktest Du, Jewe, uns.« Gott tut Seine Werke - auch durch uns.

  Des Petrus Schatten darf den Schatten Jewes in uns anklingen lassen, wovon wir in Psalm 36:8 lesen: »Wie kostbar ist Deine Huld, Elohim! Die Menschensöhne nehmen Zuflucht in dem Schatten Deiner Flügel«; und in Psalm 63:1+8: »Elohim, mein El bist Du. ... Im Schatten Deiner Flügel darf ich jubeln.«

  Die Kranken mögen durchaus geglaubt haben, dass Jesus Christus sie heilen werde und sie geheilt hat, und viele werden darüber auch wirklich zum Glauben gekommen sein; gleichwohl steht hier aber das Zeichen auf das kommende Königreich im Vordergrund. Dem Volk Israel sollte dieses deutliche Zeichen seines Messias gegeben werden.

  Der Anbruch des Königreichs schien nahe bevorzustehen! Möge doch ganz Israel glauben, dass Jesus der Messias ist!

 

 

Das zweite Verhör der Apostel

(Apostelgeschichte 5:17-42)

 

  Viele Zeichen und Wunder geschahen durch die Hände der Apostel unter dem Volk, darunter auch viele Krankenheilungen.

 

Die Gefangennahme der Apostel

 

  »Dagegen trat nun der Hohepriester auf samt allen, die es mit ihm hielten (das war die Sekte der Sadduzäer). Sie wurden von Eifersucht erfüllt, legten die Hände an die Apostel und setzten sie in öffentlichen Gewahrsam« (Verse 17+18).

  Es muss für die Sadduzäer, die jede Auferstehung und die Existenz von Geistern leugneten, unerträglich gewesen sein, dass Jesus auferstanden sein und Wunder tun solle sowie in Seinem Namen böse Geister ausgetrieben wurden. Aber auch alle anderen Oberen mussten dringend eingreifen, damit die neue Bewegung nicht ihrer Kontrolle entgleite. Ihre Eifersucht, die Wegbereiterin weiterer Sünden bis hin zum Mord, war nicht mehr zu bremsen, wie es auch in den Sprüchen 27:4 geschrieben steht: »Grausam ist der Grimm und überflutend der Zorn, die Eifersucht aber - wer kann vor ihr bestehen?« Die Eifersucht walzt alle Hemmungen nieder.

  Die Apostel - vermutlich alle zwölf - widersetzten sich ihrer Festnahme nicht. Eingedenk von 2.Mose 14:14: »Jewe wird für euch streiten, und ihr, ihr sollt stille schweigen«, vertrauten sie ihrem Herrn und überließen Ihm ihr weiteres Ergehen.

 

Ihre Befreiung

 

  »Doch während der Nacht öffnete ein Bote des Herrn die Türen des Gefängnisses, führte sie hinaus und sagte: Geht hin, tretet in der Weihestätte auf und sprecht zu dem Volk alle diese Lebensworte. - Als sie das gehört hatten, gingen sie in der Frühe in die Weihestätte und lehrten« (Verse 19-21 a).

  Bei Gott sind alle Dinge möglich (Mat.19:26). Es erfüllte sich Psalm 34:8: »Der Bote Jewes lagert sich ringsum die, welche Ihn fürchten, und Er wird sie befreien.« Boten sind ein Amt versehende Geister, zum Dienst ausgeschickt um derer willen, denen die Rettung zugelost werden soll (Heb.1:14).

  Und dann sprachen die Apostel weiterhin alle die Lebensworte, die Worte des Auferstandenen und Lebendigen, die zum Leben zeugen. Jesus hat Worte äonischen Lebens (Joh.6:68). Wer Jesus hat, hat das äonische Leben (1.Joh.5:11,12), wird also in den kommenden Äonen leben.

  Bei der ersten Gefangennahme, und zwar der Apostel Petrus und Johannes, wurden sie nicht aus dem Gefängnis befreit (Ap.4:3-7). Das Zeugnis des geheilten Gelähmten war schon eindrücklich genug. Nun aber bekamen die Oberen Israels ein weiteres, noch gewaltigeres Zeugnis der Kraft Jesu Christi und zugleich der Schwachheit des Synedriums. Damit sollte allen eigentlich klar sein, dass jede Gegnerschaft gegen den Herrn und die Seinen Unsinn ist.

  Das Zeugnis der wunderbaren Befreiung wird noch übertroffen von dem Freimut der Apostel, wieder in die Weihestätte zu gehen und zu lehren.

  Was den Dienst der Boten anbelangt, ist es in der gegenwärtigen, dem Paulus gegebenen heilsgeschichtlichen Verwaltung (Eph.3:2) anders. Da sind wir es, die den Boten dienen. Heute macht Gott Seine mannigfaltige Weisheit durch uns den Fürstlichkeiten und Obrigkeiten inmitten der überhimmlischen Geschöpfe bekannt (Eph.3:10). Nirgendwo steht geschrieben, dass Boten uns dienen. Wir, die Körpergemeinde, sind Glieder Christi, unseres Hauptes (Kol.1:18). Wir sind nicht mit den Boten verbunden, sondern mit dem Haupt der Boten (Kol.2:10,18,19). Seiner Braut, dem wiedergezeugten Israel, lässt Er Botendienste angedeihen, für die Glieder Seines Körpers aber sorgt unser Haupt unmittelbar.

 

»Wir fanden niemand darinnen!«

 

  Sodann begab es sich an jenem Morgen: »Nachdem der Hohepriester und die mit ihm herzugekommen waren, riefen sie das Synedrium und den gesamten Greisenrat der Söhne Israels zusammen und schickten ins Gefängnis, um sie vorführen zu lassen. Als die Gerichtsdiener dort ankamen, fanden sie sie im Gefängnis nicht vor. Da kehrten sie um und berichteten: Wir fanden das Gefängnis mit aller Sorgfalt verschlossen und die Wächter an den Türen stehen; doch als wir diese öffneten, fanden wir niemand darinnen. - Als der Hauptmann die Weihestätte wie auch die Hohenpriester diese Worte hörten, waren sie ihretwegen betroffen und wussten nicht, was wohl daraus werden möchte« (Verse 21 b-24).

  Die Gerichtsdiener müssen an ihrem Verstand gezweifelt haben, und dem Hohen Rat hatte es die Sprache verschlagen. Es musste ihnen bewusst geworden sein, dass sie es mit einer höheren Macht zu tun hatten. Ob sie jetzt Jesus als den Messias anerkennen? Ihre Entscheidung wäre für das ganze Volk maßgebend.

 

Die gewaltlose Verführung der Apostel

 

  »Da kam jemand herzu und berichtete ihnen: Siehe, die Männer, die ihr ins Gefängnis legtet, sind in der Weihestätte; dort stehen sie und lehren das Volk! - Dann ging der Hauptmann mit den Gerichtsdienern hin und ließ sie abführen, doch nicht mit Gewalt, um nicht etwa gesteinigt zu werden; denn sie fürchteten das Volk. So führte man sie herbei und stellte sie vor das Synedrium. Darauf befragte der Hohepriester sie und sagte: Mit strenger Anweisung hatten wir euch geheißen, nicht aufgrund dieses Namens zu lehren. Und siehe, ihr habt Jerusalem mit eurer Lehre erfüllt in der Absicht, das Blut dieses Menschen über uns zu bringen!« (Verse 25-28).

  Der Hohepriester fragte sie nichts; er wollte nichts wissen, noch nicht einmal, wie sie aus dem Gefängnis herausgekommen waren, denn das Wunder war zu deutlich, und die Antwort der Apostel hätte ihn nur noch mehr in Verlegenheit gebracht. So warf er ihnen vor, gegen seine Anweisung, aufgrund des Namens Jesu nichts mehr verlauten zu lassen, gehandelt zu haben (Ap.4:18). Den Aposteln war es aber unmöglich, nicht von dem zu sprechen, was sie gewahrt und gehört hatten (Ap.4:20).

  Der Hohepriester unterstellte den Aposteln die böse Absicht, das Blut Jesu über sie bringen zu wollen. Diese Redewendung bedeutet, dass die Strafe für den Tod eines Menschen auf jemanden komme oder dass man für das vergossene Blut eines Menschen zur Rechenschaft gezogen werde. Als Pilatus sagte: »Ich bin unschuldig am Blut dieses Gerechten; seht ihr zu!«, antwortete das gesamte Volk: »Sein Blut komme über uns und über unsere Kinder!« (Mat.27:24,25); das heißt wir sind bereit, die Strafe zu tragen, falls es Unrecht sein sollte, oder wir werden Rechenschaft ablegen, wobei sich unsere Unschuld erweisen wird.

 

Die Entgegnung der Apostel

 

  Die Entgegnung beginnt mit Vers 29: »Petrus und die [anderen] Apostel antworteten: Man muss sich Gott eher fügen als den Menschen!«

  Die Apostel wiederholten im Grunde das beim ersten Verhör bereits Klargestellte: »Urteilt selbst, ob es vor Gottes Augen gerecht ist, auf euch eher als auf Gott zu hören« (Ap.4:19). Damit verkündigten sie mit aller Entschlossenheit, dass sie Gott gehorchen werden und nicht dem Synedrium.

  Jesus Christus hatte die Apostel beauftragt, Seine Zeugen zu sein, Zeugen Seiner Auferstehung (Ap.1:8). Und da sie ihren Herrn liebten, hielten sie Seine Gebote (Joh.14:15).

  Hätten die Ältesten Israels doch ebenfalls Gott gehorcht, wie der Prophet Samuel einst gesagt hatte: »Hat Jewe denn mehr Gefallen an Brandopfern und Schlachtopfern als daran, der Stimme Jewes zu gehorchen? Siehe, gehorchen ist gut, besser als Schlachtopfer, aufzumerken besser als das Fett der Widder!« (1.Sam.15:22).

  Der erklärte Ungehorsam der Apostel gegenüber ihrer ungläubigen, religiösen Obrigkeit war genau richtig und Gott wohlgefällig. Unser Verhältnis zur politischen Obrigkeit ist davon nicht berührt. Wir gehorchen ihr (Röm.13:1-7). Sollte die Regierung uns aber vorschreiben wollen, was wir zu glauben hätten oder wie wir unseren Glauben auszuüben hätten, werden wir ihr allerdings nicht folgen können. Über die normalen Rechtsmittel hinaus haben wir kein Widerstandsrecht, sondern werden uns dann zum Leiden anschicken müssen.

  Nicht nur Paulus, sondern auch Petrus schrieb klar: »Ordnet euch jeder menschlichen Ordnung unter um des Herrn willen, sei es dem König als dem über allen Stehenden oder den Regierenden als den von ihm Gesandten. ... Ehret alle Menschen, liebt die Bruderschaft, fürchtet Gott und ehret den König« (1.Pet.2:13-17).

  Für den Fall, dass die politische Obrigkeit die Grenzen ihres Regierungsauftrags überschreitet und sich in Glaubensdinge einmischt, haben wir in Daniel 3:16-18 ein gutes Beispiel für unser Verhalten: »Sadrach, Mesach und Abednego gaben dem König zur Antwort: Nebukadnezar, es ist wohl nicht notwendig, dass wir dir auf diesen Bescheid etwas erwidern. Sollte es tatsächlich geschehen, unser Elah in den Himmeln, dem wir dienen, vermag uns aus dem glühenden Feuerofen zu erretten. Sollte Er es aber nicht tun, so sei dir kundgetan, o König, dass wir tatsächlich deinen Göttern nicht dienen und die goldene Bildsäule, die du aufgestellt hast, nicht anbeten werden.«

 

Jesus wurde auferweckt

 

  Sodann bezeugten die Apostel: »Der Gott unserer Väter hat Jesus auferweckt, an den ihr die Hand gelegt und Ihn ans Holz gehängt habt« (Vers 30).

  Hiermit brachten die Apostel deutlich zum Ausdruck, dass die Ältesten des Volkes die Mörder des Messias waren. Jene werden es zähneknirschend vernommen haben.

  Wenn der »Gott der Väter«, also Jewe, der Elohim Abrahams, Isaaks und Jakobs (2.Mose 3:15), auf den das Synedrium so stolz war, Jesus auferweckt hatte, dann hat Er Ihn als den Messias bestätigt, und dann galt es allen, sich Ihm zuzuwenden und Ihm zu gehorchen.

  Die Formulierung »ans Holz gehängt« wird die Oberen an 5.Mose 21:23 erinnert haben, wonach ein ans Holz Gehängter ein Fluch Gottes für das Land ist. Nun aber war Er auferweckt worden und lebte. Es wäre zuviel verlangt, dass das Synedrium hätte erkennen sollen, dass der, der den Fluch der Sünde trug und aus dem Land wegtrug, dem Land nunmehr nur noch Segen bringen kann. Christus hatte die Juden aus dem Fluch des Gesetzes erkauft (Gal.3:13). Und des Weiteren wurde Er zum Träger des Fluchs, »damit der Segen Abrahams in Jesus Christus unter die Nationen gebracht werde, sodass wir« - so schreibt der Apostel Paulus in Galater 3:14 - »die Verheißung des Geistes durch den Glauben erhalten mögen.«

 

Zum Retter erhöht

 

  Und dann durften die Apostel den Ältesten das herrliche Evangelium verkündigen: »Diesen hat Gott zum Urheber und Retter zu Seiner Rechten erhöht, um Israel Umsinnung und Sündenerlass zu geben« (Vers 31).

  Gott hat den Christus - Jesus ist der Christus - zu Seiner rechten Hand erhöht. Nachdem Jesus die Reinigung von den Sünden vollbracht hatte, hat Er Sich zur Rechten der Majestät in den Himmeln niedergesetzt (Eph.1:20; Heb.1:3; 8:1; 1.Pet.3:22). Um Seines Gehorsams bis zum Tode willen hat Gott Ihn so überaus hoch erhöht (Phil.2:9).

  Da Jesus die Sünden in Seinem Körper an das Holz hinaufgetragen hat, damit Israel von den Sünden abkomme und - durch dessen Striemen geheilt - der Gerechtigkeit lebe (1.Pet.2:24), ist Er nun zum Urheber ihrer Rettung geworden (Heb.2:10). Er ist übrigens auch der Urheber des Glaubens (Heb.12:2) und der Urheber des Lebens (Ap.3:15).

  Er war auf die Erde gekommen, um Sein Volk von ihren Sünden zu retten (Mat.1:21). Dies geschieht dadurch, dass Er ihnen ihre Sünden erlässt, und zwar aufgrund der Tatsache, dass Er ihre Vergehungen auf Sich nahm, wie bereits in Jesaia 53:11 zu lesen.

  Der Sündenerlass wird denen zuteil, die Jesus glauben und umsinnen. Er Selbst gibt Israel Umsinnung (oder: Sinnesänderung), indem Seine Auserwählten Seine Stimme hören, die sie zur Umsinnung führt.

  Umsinnung und Sündenerlass (oder: Sündenvergebung) sind zwei eng zusammenhängende Begriffe: der eine nennt die Bedingung, der andere die Folge. Dies geht auch aus Lukas 3:3 hervor, wo es von Johannes dem Täufer heißt: »Daraufhin zog er durch die gesamte Gegend um den Jordan und heroldete die Taufe der Umsinnung zur Erlassung der Sünden.« Ebenso hatte es auch Petrus zu Pfingsten verkündigt: »Sinnet um, und jeder von euch lasse sich auf den Namen Jesu Christi zur Erlassung eurer Sünden taufen, so werdet ihr das Geschenk des heiligen Geistes erhalten« (Ap.2:38). Die Wassertaufe war das Zeichen der Umsinnung.

  Wir dagegen, die Glieder der Körpergemeinde (Eph.1:22,23), werden nach dem Evangelium des Apostels Paulus in der gegenwärtigen heilsgeschichtlichen Verwaltung der überströmenden Gnade (Eph.3:2; Kol.1:25) allein durch Glauben von allen Sünden gerechtfertigt - weit weg von allen Sünden; an Schuld ist nicht mehr zu denken. Wir sind übrigens nicht nur frei von den Sünden, sondern darüber hinaus sogar gerechtfertigt, für gerecht erklärt.

 

Wir sind Zeugen!

 

  Die Apostel schlossen ihre Rede mit den Worten: »Für diese Dinge sind sowohl wir Zeugen als auch der Geist, der heilige, den Gott denen gibt, die sich Ihm fügen« (Vers 32).

  Dieses Wort räumte den Mitgliedern des Synedriums die Möglichkeit ein, sich zu fügen, also an Jesus zu glauben und umzusinnen, sich Ihm unterzuordnen und Ihm zu gehorchen. Dann würden sie den Geist Gottes erhalten (Joh.7:39).

  Die Apostel waren Zeugen, weil sie den Auferstandenen gesehen haben, und der Geist war Zeuge, weil er ihr Zeugnis durch Zeichen und Wunder bestätigte (Joh.15:26; Heb.2:4). - Leider wird Israel die Sünde wider den heiligen Geist begehen (Mat.12:31,32), indem es dieses Zeugnis des Geistes ablehnt.

 

Die Beratung des Synedriums

 

  Wie wird das Synedrium reagieren? Lukas berichtet: »Als jene das hörten, waren sie zutiefst verletzt und hatten die Absicht, sie hinrichten zu lassen« (Vers 33).

  Der Hohe Rat verbohrte sich immer tiefer in seinen Hass gegen Jesus. Hatten sie nicht gezögert, den Gesalbten Gottes kreuzigen zu lassen, so waren sie auch jetzt entschlossen, Seine Apostel zu töten. Es ist in dieser Welt nun einmal so, dass man Sünden dadurch zu vertuschen sucht, dass man diejenigen, die sie offenlegen, beseitigt.

 

Die Rede Gamaliels

 

  »Da stand ein gewisser Pharisäer namens Gamaliel im Synedrium auf, ein vom gesamten Volk geehrter Gesetzeslehrer, und befahl, die Menschen kurze Zeit hinausgehen zu lassen. Dann sagte er zu den Versammelten: Männer, Israeliten, nehmt euch selbst bei eurem Vorhaben in Acht, was ihr diesen Menschen antun wollt! Denn vor diesen Tagen stand Theudas auf und behauptete, er sei etwas Besonderes; und ihm war eine Anzahl Männer, etwa vierhundert, zugeneigt; doch er wurde hingerichtet, alle, die sich von ihm hatten überreden lassen, wurden völlig aufgelöst und sind zunichte geworden. Nach diesem stand in den Tagen der Eintragung der Galiläer Judas auf und brachte das Volk, das ihm nachfolgte, zum Abfall. Jener kam ebenfalls um, und alle, die sich von ihm hatten überreden lassen, wurden versprengt« (Verse 34-37).

  Bei Gamaliel dürfte es sich um denselben Mann handeln, zu dessen Füßen der Pharisäer Saulus von Tarsus in Jerusalem in der genauen Auslegung des väterlichen Gesetzes unterwiesen wurde (Ap.22:3). Gamaliel soll der Sprecher der Partei der Pharisäer im Synedrium gewesen sein. Er riet von einem unüberlegten und voreiligen Handeln ab.

  Über Theudas wissen wir weiter nichts.

  Der Galiläer Judas war von der Zeit der Eintragung im Jahre 3 v. Chr. unter Kaiser Augustus an aktiv (Luk.2:1). Der jüdische Geschichtsschreiber Josephus Flavius berichtet über ihn in seinen Büchern »Jüdische Altertümer« (18,1,1) und »Geschichte des Jüdischen Krieges« (2,8,1).

 

Der Rat Gamaliels

 

  Gamaliel fuhr fort: »Und nun sage ich euch: Steht von diesen Menschen ab und lasst sie frei; denn wenn dieser Ratschluss oder dieses Werk von Menschen ausgeht, wird es zerstört werden. Wenn es aber aus Gott ist, werdet ihr sie nicht zerstören können - damit ihr nicht gar als gegen Gott kämpfend erfunden werdet!« (Verse 38+39 a).

  Der Rat des Gamaliel war ernst zu nehmen, damit der Hohe Rat nicht gar als Gegner Gottes erfunden werde! Zwar kämpften sie längst ständig gegen Gott, von ihrer Feindschaft gegen Jesus an, in diesem Falle aber - nach der wunderbaren Befreiung der Apostel aus dem Gefängnis und da sie nicht wie der Galiläer Judas zum Abfall vom Gesetz aufriefen - sollten sie auf Gott vertrauen, der es in der Hand hat, ob die Lehre Jesu untergehe oder Bestand habe.

  Im Grunde wich Gamaliel der Entscheidung, den Aposteln zu glauben oder nicht, feige aus; gleichwohl gebrauchte Gott dessen Rat, um die Apostel vor der Hinrichtung zu retten. Außerdem war seine Annahme, dass ein von Menschen ausgehendes Werk zerstört würde, falsch; sie stimmt nur im Hinblick auf die Zukunft, noch aber hat Jesus Christus die Werke des Satans nicht niedergerissen (1.Joh.3:8).

  Hören wir hierzu drei Bibelworte: »Wenn Jewe nicht das Haus baut, so mühen sich seine Erbauer an ihm mit Nichtigkeit« (Ps.127:1). »Es gibt keine Weisheit und kein Verständnis und keinen Ratschluss von Bestand, wenn gegen Jewe gerichtet« (Spr.21:30; vgl. Jes.8:10). Und unser Herr Jesus bestätigte dies mit den Worten: »Jede Pflanze, die Mein himmlischer Vater nicht gepflanzt hat, wird entwurzelt werden« (Mat.15:13).

  Nun, das Werk der Apostel war aus Gott, mit den Worten von Jesaia 26:12 gesagt: »Jewe, ... all unser Tun wirktest Du uns.«

  Im Übrigen wird auch das dem Apostel Paulus eigens für uns enthüllte (Gal.1:12; 2:7) und ihm anvertraute Evangelium der überströmenden Gnade bis zum Tag Christi nicht mundtot gemacht werden können (2.Tim.1:12). Auch die herausgerufene Gemeinde, die Christi Körper ist (Eph.1:22,23), wird bis zum Tag Christi auf der Erde bestehen, zumal wir zwar alle verwandelt, aber nicht alle entschlafen werden (1.Kor.15:51; 1.Thess.4:15-17).

 

Die Freilassung und Freude der Apostel

 

  Das Ergebnis der Beratung des Synedriums war: »Da ließen sie sich von ihm überzeugen. Man rief die Apostel herein, peitschte sie aus und wies sie an, nicht mehr aufgrund des Namens Jesu zu sprechen; dann ließ man sie frei. Nun gingen sie freudevoll vom Angesicht des Synedriums fort, weil sie gewürdigt worden waren, um Seines Namens willen entehrt zu werden« (Verse 39 b-41).

  Die Auspeitschung war wohl als Strafe für den Verstoß gegen das frühere Verbot, aufgrund des Namens Jesu zu lehren, gedacht (Ap.4:18; 5:28).

  Ja, es ist eine Ehre, die Gott den Seinen zuteil werden lässt, ihre Liebe zum Herrn auch unter Drangsalen erweisen zu dürfen. In diesem bösen Äon (Gal.1:4) muss man um des Namens Jesu willen leiden (Ap.9:16). »Aber auch alle, die fromm leben wollen in Christus Jesus, werden verfolgt werden« (2.Tim.3:12). Paulus schrieb: »In Gnaden ist euch für Christus gewährt: nicht allein an Ihn zu glauben, sondern auch für Ihn zu leiden, indem ihr denselben Ringkampf habt, derart wie ihr ihn an mir gewahrt und nun von mir hört« (Phil.1:29,30). Petrus führte aus: »Geliebte, lasst euch die unter euch zur Probe entstandene Feuersbrunst der Leiden nicht befremdlich sein, als ob euch etwas Fremdes widerführe, sondern in dem Maße, wie ihr an den Leiden des Christus teilnehmt, freut euch, damit ihr auch bei der Enthüllung Seiner Herrlichkeit frohlocken und euch freuen mögt. Wenn ihr wegen des Namens Christi geschmäht werdet, seid ihr glückselig, da der Geist der Herrlichkeit und der Kraft und der Geist Gottes auf euch ruht« (1.Pet.4:12-14). Und unser Herr Jesus Christus sagte: »Glückselig seid ihr, wenn man euch Meinetwegen schmäht und verfolgt« (Mat.5:11).

 

Jesus ist der Christus!

 

  Am Ende unseres Kapitels vernehmen wir mit Freude: »Sie hörten nicht auf, jeden Tag in der Weihestätte und in Häusern zu lehren und als Evangelium zu verkündigen: Jesus ist der Christus!« (Vers 42).

  Die Apostel hatten trotz der erbitterten Feindschaft des Synedriums in der Kraft heiligen Geistes weiterhin den Freimut, das Wort Jesu zu lehren. Das Evangelium vom Königreich Israels, das sie verkündigten, hatte die Aussage zum Kern, dass Jesus der Christus ist. Jesus von Nazareth und kein anderer ist der verheißene Messias!

  Es lässt sich auch übersetzen: Sie verkündigten den Christus Jesus oder: den Gesalbten: Jesus!

  Auch wir bezeugen und verkündigen freudigen Herzens: Jesus ist der Christus, Er ist der Retter aus Sünde und Tod, Er hat alles vollbracht! In Seinem Blut sind wir gerechtfertigt, durch Seinen Tod mit dem Vater ausgesöhnt (Röm.5:9,10).

  Ihm sei Lobpreis, Dank und Verherrlichung dargebracht!

 

 

Die Rede des Stephanus, Teil I

(Apostelgeschichte 6:1-7:22)

 

  »In jenen Tagen, als die Zahl der Jünger sich mehrte, entstand ein Murren unter den Hellenisten gegen die Hebräer, weil ihre Witwen bei der täglichen Handreichung übersehen wurden« (Ap.6:1).

  Zwei Kapitel vorher, in Apostelgeschichte 4:32-34, hatten wir gelesen, dass die Gläubigen in Jerusalem ein Herz und eine Seele waren; auch nicht einer von ihnen sagte, dass etwas von seinem erworbenen Besitz sein eigen sei, sondern sie hatten alles gemeinsam, und kein Darbender war unter ihnen - dies alles aufgrund der Gnade, die auf ihnen allen war.

  Einige Zeit später aber, etwa Ende des Jahres 32 oder Anfang des Jahres 33 n. Chr., hatte sich eine Ungerechtigkeit eingeschlichen. Bei der täglichen Versorgung der Witwen mit Gaben der Gemeinde wurden die Witwen der Hellenisten gegenüber denen der Hebräer benachteiligt.

  Hellenisten waren Juden, die die Sitten und die Kultur der Griechen angenommen hatten und die jüdischen Überlieferungen nicht mehr sonderlich beachteten. Hebräer waren Juden, die die Traditionen des Judentums ernsthaft pflegten (Mat.15:2). Die Hebräer schauten auf die Hellenisten herab.

 

Die Aufteilung der Dienste

 

  »Darauf riefen die Zwölf die Menge der Jünger zu sich und erklärten: Es ist nicht wohlgefällig, dass wir das Wort Gottes vernachlässigen müssen, um die Tische zu bedienen. Daher, meine Brüder, seht euch nach sieben Männern voll Geist und Weisheit unter euch um, denen ein guter Ruf bezeugt wird; die wollen wir für dieses Bedürfnis einsetzen. Wir aber werden im Gebet und dem Dienst am Wort anhalten« (Verse 2-4).

  Beachten wir, dass die Aufgaben in der Gemeinde, und seien sie von noch so praktischer Art, nur von Gläubigen voll Geist und Weisheit und mit gutem Ruf ausgeübt werden dürfen, weil jeder Dienst Gottesdienst ist und nach Gottes Willen zur Auferbauung der Heiligen und zu Seiner Verherrlichung dienen soll.

  Den Geist hatten alle Gemeindeglieder aufgrund ihres Glaubens, ihrer Umsinnung und der Wassertaufe (Ap.2:38), erfüllt damit waren aber nur die dem Herrn von ganzem Herzen Treuen. Die Weisheit ist eine Gabe Gottes, um die man bitten möge (Jak.1:3). Und ein guter Ruf - Paulus schreibt sogar: auch vor denen draußen; 1.Tim.3:7,8) - gehört auch dazu, um mit einer Aufgabe betraut zu werden.

  Mit dieser Aufteilung der Dienste nehmen wir Einblick in die Anfänge einer Gemeindeordnung.

  »Dieses Wort war wohlgefällig in den Augen der gesamten Menge, und sie erwählten Stephanus, einen Mann voll Glauben und heiligem Geist, ferner Philippus und Prochoros, Nikanor und Timon, Parmenas und Nikolaus, einen Proselyten aus Antiochien. Diese stellten sie vor die Augen der Apostel, die ihnen betend die Hände auflegten« (Verse 5+6).

  Die Handauflegung unter Gebet war nicht nur ein Zeichen der Beauftragung unter der Bitte um die Leitung durch den heiligen Geist, sondern damals auch die definitive Ausrüstung mit geistgetragener Vollmacht und Kraft, einer Kraft, die auch einschloss, Wunder zu tun (vgl. 5.Mose 34:9).

  Die sieben uns namentlich genannten Diakone nahmen nicht nur diese eine Aufgabe wahr. Über fünf von ihnen wissen wir nichts Weiteres. Über Stephanus werden wir sogleich Näheres hören. Über Philippus wird berichtet, dass er alsdann Christus in Samaria verkündigte (Ap.8:5). Er durfte auch dem Kämmerer der äthiopischen Königin auf der Straße nach Gaza dienen (Ap.8:26). Später wohnte er in Cäsarea und wirkte dort als Evangelist (Ap.21:8).

 

Die Gemeinde wuchs weiter

 

  Vers 7 unterrichtet uns über die allgemeine Situation: »Das Wort Gottes breitete sich aus, und die Zahl der Jünger in Jerusalem mehrte sich überaus. Auch eine große Schar von Priestern gehorchte dem Glauben.«

  Die von Wundern begleitete Verkündigung des Wortes, das Zeugnis der Apostel und ihr Freimut hatten viel Frucht gebracht. Sogar Priester ordneten sich von Herzen der Lehre der Apostel unter.

 

Streitgespräche mit Stephanus

 

  »Stephanus aber, voll Gnade und Kraft, tat große Wunder und Zeichen unter dem Volk. Da standen einige aus der Synagoge der sogenannten Libertiner, Kyrenäer und Alexandriner auf sowie derer von Cilicien und der Provinz Asien. Diese führten mit Stephanus Streitgespräche; doch vermochten sie der Weisheit und dem Geist, mit dem er sprach, nicht zu widerstehen« (Verse 8-10).

  Es gab sehr viele Synagogen in Jerusalem und auch viele Gruppierungen von Anhängern bestimmter Synagogen, großenteils nach ihrer Herkunft. Vielleicht gehörte Saulus von Tarsus der cilicischen Synagoge an, weil er von dort stammte. Die Libertiner waren Freigelassene, wahrscheinlich die von Pompeius 63 v. Chr. nach Rom verschleppten Juden, die später freigelassen wurden und nach Judäa zurückgekehrt waren.

  Keiner der mosaisch-gläubigen Juden vermochte dem Stephanus zu widerstehen, weil sie den Sohn und damit auch den Vater ablehnten (Luk.10:16) und sie somit in Wirklichkeit Ungläubige waren. Auch unserer Weisheit und unserem Geist wird man nicht sachgerecht widersprechen können, wenn Jesus Christus, und dieser als gekreuzigt, unsere Weisheit ist (1.Kor.1:30; 2:2) und wenn wir unsere Lenden mit dem Wort der Wahrheit umgürtet, ja die gesamte Waffenrüstung Gottes angezogen haben (Eph.6:10-17).

 

Die Anklage gegen Stephanus

 

  Es dauerte nicht lange bis man Stephanus anfeindete. Lukas berichtet: »Dann stifteten sie Männer an, die behaupteten: Wir haben ihn lästernde Reden gegen Mose und Gott aussprechen hören! - So wiegelten sie das Volk samt den Ältesten und Schriftgelehrten auf, traten ihm dann entgegen, packten ihn und führten ihn vor das Synedrium. Dort stellten sie falsche Zeugen auf, die aussagten: Dieser Mensch hört nicht auf, in seinen Reden gegen die heilige Stätte und gegen das Gesetz zu sprechen. Wir haben ihn nämlich sagen hören: Dieser Jesus, der Nazarener, wird diese Stätte zerstören und die Sitten verändern, die Mose uns überliefert hat« (Verse 11-14).

  Die Anklagen trafen den Nerv des Judentums: das Gesetz des Mose und die heilige Stätte. Wer etwas dagegen sagte, war des Todes.

  Niemals hatte unser Herr etwas gegen Mose und das Gesetz gesagt; Er hatte aber geäußert: »Das Gesetz und die Propheten reichen bis auf Johannes [den Täufer]; von da an wird das Königreich als Evangelium verkündigt« (Luk.16:16); und: »Nicht Mose hat euch das Brot aus dem Himmel gegeben, sondern Mein Vater gibt euch das wahrhafte Brot aus dem Himmel« (Joh.6:32); und: »Mose gestattet euch wegen eurer Hartherzigkeit, eure Frauen zu entlassen; aber von Anfang an ist es nicht so gewesen« (Mat.19:8); sowie: »Ihr habt gehört, dass geboten worden ist: Du sollst deinen Nächsten lieben und deinen Feind hassen (3.Mose 19:18; Ps.139:21,22); Ich aber sage euch: Liebet eure Feinde und betet für die, die euch verfolgen« (Mat.5:43,44). - Mithin kann auch Stephanus nur gesagt haben, dass Jesus nicht etwa kam, um das Gesetz und die Propheten aufzulösen, sondern um sie zu erfüllen (Mat.5:17).

  Stephanus hat auch nichts gegen den Tempel gesagt. Schon unserem Herrn hatte man vorgeworfen, Er habe gesagt, dass Er den Tempel abbrechen könne (Mat.26:61). Dies aber hatte Jesus gesprochen: »Reißt diesen Tempel nieder, und in drei Tagen werde Ich ihn aufrichten! - Nun sagten die Juden: Sechsundvierzig Jahre wird an diesem Tempel gebaut, und Du willst ihn in drei Tagen aufrichten? - Er aber hatte von dem Tempel Seines Körpers gesprochen« (Joh.2:19-21). Im Übrigen hatte Er nicht behauptet, dass Er diesen Tempel niederreiße, sondern dass sie dies tun würden. - Vielleicht hatte Stephanus auch davon gesprochen, dass die Jünger dem Herrn einst die Weihestätte bewundernd zeigten und Er ihnen geantwortet hatte: »Seht ihr nicht dies alles? Wahrlich, Ich sage euch: Keinesfalls wird hier Stein auf Stein gelassen werden, den man nicht abbrechen wird« (Mat.24:2) - wie dann im Jahre 70 n. Chr. geschehen.

 

Alle sahen auf Stephanus

 

  »Als alle, die im Synedrium saßen, unverwandt auf ihn [Stephanus] sahen, gewahrten sie sein Angesicht, als wäre es das Angesicht eines Boten« (Vers 15).

  Die Herrlichkeit der Gegenwart Gottes erleuchtete das Angesicht des Stephanus, der jetzt wie ein Bote Gottes für sie wurde. Schließlich sprach er nicht seine eigenen Worte, wie der Herr verheißen hatte: »Wenn man euch überantwortet, so sorgt euch nicht, wie oder was ihr sagen sollt; denn in jener Stunde wird euch gegeben werden, was ihr sagen sollt; denn nicht ihr seid die Redenden, sondern der Geist eures Vaters ist es, der durch euch spricht« (Mat.10:19,20).

 

»Hört mich an!«

 

  »Der Hohepriester aber fragte ihn: Verhält sich dies so? - Da erklärte er mit Nachdruck: Männer, Brüder und Väter, hört mich an!« (Ap.7:1+2 a).

  Des Stephanus’ Ansprache war keine Verteidigungsrede, sondern eine Verkündigung Jesu Christi auf dem Hintergrund Seiner Vorschattungen, die ebenso wie Jesus Absonderung erfuhren oder von den Urvätern und dann vom Volk Israel zunächst verworfen wurden. Die großen Männer der Geschichte Israels waren vorausweisende Bilder auf den Messias. Stephanus bewies den Juden, dass sie schon immer gegen den von Gott gesandten Träger der Verheißung gehandelt haben, zuletzt gegen den Gerechten, dessen Mörder sie geworden waren ebenso wie sie auch die Propheten verfolgt hatten. Im Verlauf der Rede wurde immer zwingender deutlich, dass Jesus der Messias ist.

 

Abraham

 

  Stephanus sprach: »Der Gott der Herrlichkeit erschien unserem Vater Abraham, als er noch in Mesopotamien war, ehe er in Haran wohnte, und sagte zu ihm: Zieh aus deinem Land hinaus und aus deiner Verwandtschaft und komm herzu in das Land, das Ich dir zeigen werde. - Da zog er aus dem Land der Chaldäer und wohnte in Haran« (Verse 2 b-4 a).

  Stephanus bezeichnete Gott in rechter Erkenntnis und in verehrender Weise als Gott der Herrlichkeit, der Abraham bereits in Ur in Chaldäa erschienen war (1.Mose 11:31; 15:7; Neh.9:7); dort schon erhielt er die göttliche Weisung, in das Land Kanaan auszuziehen, die der in 1.Mose 12:1-3 niedergeschriebenen entsprach.

  Dass Abraham seinen Zug in Haran unterbrach und er bis zum Tode seines Vaters Terach einige Jahre dort wohnte, dürfte mit der Altersgebrechlichkeit Terachs zusammenhängen - er starb mit 205 Jahren -, gewiss aber mit dem heilsgeschichtlich begründeten Willen Gottes, dass nicht Terach, sondern Abraham in das Land Kanaan einziehen sollte.

  So zog Abraham etwa im Jahre 1890 v. Chr. im Alter von 75 Jahren von Haran weiter nach Kanaan (1.Mose 12:4).

  »Von dort ließ Gott ihn nach dem Sterben seines Vaters in dieses Land übersiedeln, in dem ihr nun wohnt. Er gab ihm aber kein Losteil darin, auch nicht einen Fußbreit als festen Standort. Doch verhieß Er, es ihm und seinem Samen nach ihm zum Innehaben zu geben, als er noch kein Kind hatte« (Verse 4 b+5).

  Es ist prophetisch bezeichnend, dass Abraham nicht das geringste Stück Land in Kanaan bekam außer einer Grabstelle (1.Mose 23). Ebenso war auch Jesus in Sein Eigentum gekommen, zu Seinem Eigentumsvolk und -land, sie aber nahmen Ihn nicht an (Joh.1:11), sondern brachten Ihn ins Grab.

 

Die Versklavung des Samens Abrahams

 

  Und nun zitierte Stephanus nach 1.Mose 15:13+14 (sowie 2.Mose 3:12): »So aber sprach Gott: Sein Same wird ein in einem fremden Land Verweilender sein, und man wird ihn vierhundert Jahre lang versklaven und übel behandeln. Doch die Nation, der sie versklavt sein werden, will Ich richten, sagte Gott; und danach werden sie ausziehen und Mir an dieser Stätte Gottesdienst darbringen« (Verse 6+7).

  Stephanus bezog sich auf den Tag, als das Grauen einer großen Finsternis auf Abraham fiel und Jewe mit ihm über zerteilten Tierkadavern den Bund schloss, ihm das Land zu geben (1.Mose 15:7-20).

  Die vierhundert Jahre der »Demütigung«, wie es 1.Mose 15:13 heißt, rechnen von 1860 bis 1460 v. Chr., von der Entwöhnung Isaaks an, als Ismael sich über ihn lustig machte (1.Mose 21:9), bis zum Auszug aus Ägypten.

  »Dann gab Er ihm den Bund der Beschneidung; und so zeugte er Isaak und beschnitt ihn am achten Tag, desgleichen Isaak den Jakob und Jakob die zwölf Urväter« (Vers 8).

  Der Bund der Beschneidung weist auf die Notwendigkeit des Abtuns des Fleisches und in Bezug auf Jesus insbesondere darauf hin, dass dessen Fleisch am Kreuz völlig abgeschnitten wurde (Kol.2:11).

 

Joseph

 

  Dann wandte sich Stephanus der Zeit des Joseph zu: »Da aber die Urväter auf Joseph eifersüchtig waren, gaben sie ihn nach Ägypten weg. Doch Gott war mit ihm: Er nahm ihn aus allen seinen Drangsalen heraus und gab ihm Gnade und Weisheit vor Pharao, dem König von Ägypten, der ihn als regierenden Bevollmächtigten über Ägypten und über sein ganzes Haus einsetzte« (Verse 9+10).

  Joseph ist ein markanter Typus auf Jesus, den zunächst leidenden und sodann verherrlichten Messias. Josephs Brüder waren eifersüchtig auf ihn und hassten ihn (1.Mose 37:4,8,11), sie verkauften ihn nach Ägypten, wo er ins Gefängnis kam. Aber Jewe war mit ihm und setzte ihn über Ägypten, auf den höchsten Platz auf der Erde nach dem Pharao (1.Mose 41:41; Ps.105:21).

  Die Mitglieder des Synedriums verstanden sehr genau, was Stephanus sagte, und müssen von der Wucht der Wahrheit seiner Worte tief getroffen worden sein. Sie, ja sie waren wie die Brüder Josephs, sie waren die Brüder des mit Joseph gleichgesetzten Messias. Sie waren auf Jesus eifersüchtig und neidisch (Mat.27:18) und hatten sich Seiner entledigt. Aber ebenso wie Joseph während der Hungersnot der Retter ihrer Urväter, ja der Retter der Welt wurde, so ist Jesus Christus der Retter und Erlöser der Welt.

 

Joseph gab sich zu erkennen

 

  »Da kam eine Hungersnot und große Drangsal über ganz Ägypten und Kanaan, und unsere Väter fanden nichts für ihren Unterhalt. Als Jakob hörte, dass in Ägypten Getreide vorhanden sei, schickte er unsere Väter das erste Mal aus. Beim zweiten Mal gab Joseph sich seinen Brüdern zu erkennen. So wurde für Pharao Josephs Herkunft offenbar« (Verse 11-13).

  Als die Brüder das erste Mal nach Ägypten zogen, um Getreide zu kaufen, erkannten sie Joseph nicht (1.Mose 42:5,6); ebenso erkannte Israel den Messias bei Seinem ersten Erscheinen nicht (Ap.2:36; 3:17). Beim zweiten Mal erst gab Joseph sich seinen Brüdern zu erkennen (1.Mose 45:3); so wird auch Israel Jesus erst bei Seinem zweiten Kommen erkennen. »Siehe, Er kommt mit den Wolken, und jedes Auge wird Ihn sehen, auch die Ihn durchstochen haben, und wehklagen werden um Ihn alle Stämme des Landes« (Off.1:7). Weinen wird Israel wie einst Benjamin und gewiss auch die anderen Brüder (1.Mose 45:14).

  In der Hungersnot (ca. 1676-1670 v. Chr.) erkannten sie Joseph; dementsprechend wird Israel Jesus in der Zeit der Heimsuchung, der des Endes dieses Äons und der großen Drangsal, als seinen Messias annehmen.

 

Und Jakob verschied

 

  »Dann schickte Joseph hin und ließ seinen Vater Jakob und die gesamte Verwandtschaft herbeirufen, im ganzen fünfundsiebzig Seelen. Und Jakob zog nach Ägypten hinab, wo er verschied - er und unsere Väter. Sie wurden nach Sichem übergeführt und in das Grab gelegt, das Abraham für einen Preis in Silber von den Söhnen Hemors in Sichem erstanden hatte« (Verse 14-16).

  Nach dem hebräischen Text von 1.Mose 46:8-27 bestand das ganze Haus Jakobs aus siebzig Seelen. Da die Septuaginta fünf Söhne und Enkel Ephraims und Manasses hinzufügt (1.Mose 46:20; 4.Mose 26:20; 1.Chron.7:14,15,20-25), sprach Stephanus von fünfundsiebzig Seelen.

  Die prophetische Bedeutung der Zahl 70 (Buchstabe Ajin = o) ist »Übergang«.

  Was die Grabstellen anbelangt: Abraham hatte dem Hethiter Ephron das Feld und die Höhle Machpela bei Mamre, heute Hebron, abgekauft (1.Mose 23:16); dort sind Abraham und Sara, Isaak und Rebekka sowie Jakob und Lea begraben (1.Mose 49:31; 50:13). Jakob hatte von den Söhnen Hemors in Sichem ein Feld erworben (1.Mose 33:19); dort liegen Joseph und - wie Josephus Flavius in »Jüdische Altertümer« berichtet - auch seine Brüder begraben (Jos.24:32).

  Stephanus fasst die Grabstellen und ihre Käufer aufs Kürzeste zusammen und erlaubt sich, das Handeln Jakobs als im Sinne Abrahams geschehen jenem zuzuschreiben.

  Da Joseph Anweisungen bezüglich seiner Gebeine gegeben hatte, sie nämlich nach Israel zu bringen (1.Mose 50:25; 2.Mose 13:19), was nur im Glauben an die Auferstehung sinnvoll ist (Heb.11:22), wurde das Synedrium durch Stephanus auch an die Auferstehung Jesu erinnert.

 

Die Versklavung in Ägypten

 

  Im Folgenden kam Stephanus auf die Zeit des Mose zu sprechen.

  »So wie sich die Zeit der Verheißung nahte, zu der Gott Sich dem Abraham bekannt hatte, wuchs das Volk in Ägypten an und mehrte sich, bis ein anderer König über Ägypten auftrat, der nichts von Joseph wusste. Dieser verfuhr berechnend gegen unser Geschlecht, behandelte die Väter übel und zwang sie, ihre neugeborenen Kinder auszusetzen, damit sie nicht zum Leben gezeugt würden« (Verse 17-19).

  Näheres hierzu ist in 2.Mose 1 nachzulesen.

  Joseph starb etwa im Jahre 1604 v. Chr. Der Name des Pharaos der XIII. Dynastie (die von ca. 1640 bis in die Zeit des Mose hinein dauerte), der nichts von Joseph wusste, konnte bisher nicht festgestellt werden.

  Die an Abraham ergangene Verheißung war, dass seine Nachkommen in der vierten Generation ihres Aufenthalts in Ägypten, gerechnet vom Kommen Levis an (erste Generation) über Jochebed (zweite Generation) und Mose (dritte Generation) (4.Mose 26:58,59; 2.Mose 6:20), nach Kanaan zurückkehren werden (1.Mose 15:16). Das Verweilen Jakobs und seiner Nachkommen in Ägypten währte von 1675 bis 1460 v. Chr., also 215 Jahre.

 

Mose

 

  »Zur rechten Zeit wurde Mose geboren; er war hold auch vor Gott und wurde drei Monate im Haus des Vaters aufgezogen. Nach seiner Aussetzung aber nahm ihn die Tochter Pharaos zu sich und zog ihn als ihren eigenen Sohn auf. So wurde Mose in aller Weisheit der Ägypter erzogen, und er war mächtig in seinen Worten und Werken« (Verse 20-22).

  Die hebräische Redewendung »Mose war hold dem Gott« (so wörtlich in Vers 20) bedeutet, dass er durch Gottes Segen überaus hold war. Die Eltern des Mose fürchteten aufgrund ihres Glaubens die Anordnung des Pharaos nicht (Heb.11:23).

  Zur rechten Zeit wurde nicht nur Mose geboren, sondern zur rechten Zeit geschieht aber auch alles, da der Gott und Vater unseres Herrn Jesus Christus der Allgewaltige ist, der alles nach Seinem in Christus gefassten Vorsatz für den Ablauf der Äonen (Eph.3:11) und nach dem Ratschluss Seines Willens bewirkt und hervorruft (Eph.1:11). Außerdem machte Gott nicht nur die Weisheit des Pharao zunichte, der die Ausrottung der Hebräer geplant hatte und dennoch ihren Befreier erzog und in aller Gelehrsamkeit ausbildete, sondern Gott wird auch offenbar machen, dass die Weisheit aller Weisen dieser Welt Torheit ist (1.Kor.3:19).

  Mögen wenigstens die Gläubigen die wahre Weisheit erkennen, nämlich Jesus Christus, und diesen als gekreuzigt, der uns von Gott zur Weisheit gemacht worden ist (1.Kor.1:24,30; 2:2). »Weisheit aber sprechen wir unter den Gereiften, jedoch nicht Weisheit dieses Äons noch der Oberen dieses Äons, die abgetan werden. Sondern wir reden von Gottes Weisheit in einem Geheimnis, von der verborgen gewesenen [Weisheit], die Gott vor den Äonen zu unserer Herrlichkeit vorherbestimmt hatte. Diese Weisheit hat keiner der Oberen dieses Äons erkannt. Denn hätten sie sie erkannt, so hätten sie den Herrn der Herrlichkeit nicht gekreuzigt. Es ist doch so, wie es geschrieben steht: Was kein Auge gewahrt und kein Ohr gehört hat und wozu kein Menschenherz hinaufgestiegen ist, all das hat Gott denen bereitet, die Ihn lieben. Uns aber enthüllt es Gott - durch Seinen Geist; denn der Geist erforscht alles, auch die Tiefen Gottes« (1.Kor.2:6-10).

 

 

Die Rede des Stephanus, Teil II

(Apostelgeschichte 7:23-60)

 

  Lukas zitiert weiterhin, was Stephanus dem Synedrium vortrug:

  »Als er [Mose] nun volle vierzig Jahre alt wurde, stieg der Gedanke in seinem Herzen auf, sich nach seinen Brüdern, den Söhnen Israels, umzusehen. Als er gewahrte, wie einem von ihnen Unrecht zugefügt wurde, stand er ihm bei und rächte den, der gepeinigt wurde, indem er den Ägypter erschlug. Er meinte aber, seine Brüder würden verstehen, dass Gott ihnen durch seine Hand Rettung gebe; doch sie verstanden es nicht« (Verse 23-25).

  Die Erwähnung des Mose und dieser Begebenheit (2.Mose 2:11,12) wird von den Oberen des Volkes zunächst gelassen aufgenommen worden sein, zumal sie sich als Jünger des Mose verstanden (Joh.9:28). Zugleich wussten sie aber auch, dass zwischen Mose und dem Messias viele Parallelen bestehen würden, weil Mose verheißen hatte, dass Jewe einen Propheten wie ihn aus ihrer Mitte erstehen lassen werde (5.Mose 18:15). Deshalb muss es sie sehr betroffen gemacht haben, als Stephanus herausstellte, dass ihre Vorväter die ihnen durch Mose angebotene Rettung nicht verstanden hatten. Genau das, was sie in ihrer Verbissenheit verdrängen wollten, dass sie nämlich der ihnen durch Jesus nahe gebrachten Rettung mit Unverständnis begegnet waren, hatte Stephanus ihnen vorgehalten.

 

Mose musste fliehen

 

  »Am folgenden Tag erschien er bei ihnen, während sie sich zankten. Da wollte er ihren Streit schlichten und Frieden stiften, indem er sagte: Männer, ihr seid doch Brüder! Warum tut ihr einander Unrecht? - Der aber seinem Nächsten Unrecht tat, stieß ihn von sich und erwiderte: Wer hat dich zum Fürsten und Richter über uns eingesetzt? Willst du mich etwa ermorden, auf dieselbe Weise, wie du gestern den Ägypter ermordet hast? - Bei diesem Wort floh Mose und wurde ein Verweilender im Land Midian, wo er zwei Söhne zeugte« (Verse 26.29).

  Die Flucht des Mose wird in 2.Mose 2:14,15 berichtet. Seine zwei Söhne waren Gersom und Eliezer (2.Mose 2:22; 18:3,4).

  Mose erlitt die Schmach des Christus, als die Vorväter den für’s Erste zurückwiesen, den sie später als ihren Retter hoch verehrten. Ebenso hatten die Oberen gerade vor Kurzem Jesus verstoßen - was aber, wenn Gott Ihn als ihren Retter eingesetzt hat?

 

  Hören wir hierzu Hebräer 11:24-26: »Durch Glauben verweigerte Mose, als er groß geworden war, Sohn der Tochter Pharaos genannt zu werden, und zog es vielmehr vor, gemeinsam mit dem Volk Gottes Übles zu erdulden, als eine befristete Annehmlichkeit in der Sünde zu haben, da er die Schmach des Christus für größeren Reichtum erachtete als die Schätze Ägyptens; denn er blickte (davon fort) auf die Belohnung hin.«

  Ebenso wie Mose einst zurückkam und Israel aus Ägypten herausführte, so wird auch Jesus wiederkommen und sie in den Segen des Königreichs hineinbringen.

 

Der brennende Dornbusch

 

  Stephanus fuhr fort, 2.Mose drei ansprechend: »Nachdem weitere vierzig Jahre verflossen waren, erschien ihm in der Wildnis des Berges Sinai ein Bote in der Feuerflamme eines Dornbuschs. Als Mose das Gesicht gewahrte, war er darüber erstaunt. Während er hinzutrat, um es zu betrachten, erscholl die Stimme des Herrn: Ich bin der Gott deiner Väter, der Gott Abrahams, Isaaks und Jakobs. - Da begann Mose zu zittern und wagte nicht, es näher zu betrachten« (Verse 30-32).

  Die Zahl vierzig (im Hebräischen der Buchstabe Mem=m) steht für eine bemessene Zeit eines Durchgangs, insbesondere durch ein Gericht hindurch.

  Jewe, der Elohim Abrahams, Isaaks und Jakobs, erschien und sprach damals durch Boten (2.Mose 3:2; Heb.2:2).

  Da Feuer ein Symbol für Drangsale ist, steht der brennende Dornbusch für die Nation Israel in ihren Drangsalen und Verfolgungen. Doch Israel wird, ebenso wenig wie der Dornbusch, vom Feuer nicht verzehrt, sondern wird für diesen wie auch für die weiteren Äonen bestehen.

  Von dem Ereignis am Dornbusch rief Stephanus noch das Folgende in Erinnerung: »Der Herr aber sagte zu ihm: Löse die Sandalen von deinen Füßen; denn die Stätte, auf der du stehst, ist heiliges Land. Aufmerkend gewahrte Ich die üble Behandlung Meines Volkes in Ägypten und habe sein Ächzen gehört. Deshalb bin Ich herabgestiegen, um sie herauszureißen. Und nun komm herzu, Ich will dich nach Ägypten senden« (Verse 33+34).

 

»Diesen, diesen, diesen!«

 

  Dann kam Stephanus zum Schwerpunkt seiner Rede. Fünfmal gebrauchte er hierbei mit nicht zu überbietender Schärfe den Ausdruck: »Diesen Mose!«

  »Diesen Mose, den sie verleugneten, als sie sagten: Wer hat dich zum Fürsten und Richter über uns eingesetzt? (2.Mose 2:14), diesen hat Gott als Fürsten, Erlöser und Richter ausgesandt durch die Hand des Boten, der ihm im Dornbusch erschienen war. Dieser führte sie hinaus und tat Wunder und Zeichen im Land Ägypten, im Roten Meer und vierzig Jahre lang in der Wildnis. Dieser Mose ist es, der den Söhnen Israels sagte: Einen Propheten wie mich wird euch Gott aus euren Brüdern aufstehen lassen (5.Mose 18:15). Dieser ist es, der sich in der herausgerufenen Schar in der Wildnis befand, sowohl bei dem Boten, der auf dem Berg Sinai zu ihm sprach, als auch bei unseren Vätern, der lebendige Aussagen empfing, um sie euch zu geben. Dem wollten unsere Väter nicht gehorsam sein, sondern sie stießen ihn von sich, wandten sich in ihren Herzen nach Ägypten um und sagten zu Aaron: Mache uns Götter, die vor uns hergehen werden; denn von diesem Mose, der uns aus dem Land Ägypten herausführte, wissen wir nicht, was mit ihm geschehen ist« (Verse 35-40).

  Das heißt: Diesen Jesus, den Gott zu euch gesandt hatte, um Israel von seinen Sünden zu retten (Mat.1:21), diesen habt ihr verleugnet! Diesen Jesus hat Gott zum Messias, Erlöser und König über euch eingesetzt! - Das Synedrium wusste sehr wohl, dass Stephanus als ein an Jesus Gläubiger von niemand anderem sprach als von Jesus, dem es genau so erging wie Mose. - Dieser Jesus, der dreieinhalb Jahre lang Zeichen und Wunder unter euch tat, dieser ist dadurch als der Messias ausgewiesen! Dieser Jesus ist der von Mose angesagte Prophet, auf den sie - wie Mose ausdrücklich sagte - hören sollten (5.Mose 18:15). Dieser Jesus empfing lebendige Aussagen von Gott, Seinem Vater. Er hatte nur die Worte gesprochen, die Er vom Vater gehört hatte (Joh.8:26; 12:49; 15:15). Jesus ist das Wort des Lebens, das Leben vermittelnde Wort. Diesem Jesus wolltet ihr nicht gehorchen, sondern stießt Ihn von euch. Eure Herzen sind ebenso wie die eurer Väter auf Ägypten und auf Götzen ausgerichtet!

 

Götzen dientet ihr!

 

  Stephanus hielt nicht mit der Anklage Israels zurück: »In jenen Tagen machten sie ein Kalb, führten zum Altar dieses Götzen ein Opfer hinauf und waren fröhlich über die Werke ihrer Hände. Da wandte Sich Gott von ihnen und gab sie dahin, dem Heer des Himmels Gottesdienst darzubringen, so wie es in der Rolle der Propheten geschrieben steht: O Haus Israel, habt ihr Mir etwa vierzig Jahre in der Wildnis Schlachttiere und andere Opfer dargebracht? Nein, ihr nahmt das Zelt des Moloch und das Sternbild eures Gottes Raiphan mit, die Bildwerke, die ihr gemacht hattet, um sie anzubeten. Deshalb werde Ich euch noch über Babylon hinaus verbannen« (Verse 41-43).

  Stephanus nahm zunächst Bezug auf das goldene Kalb, das sich das Volk in der Wildnis gemacht hatte, als Mose verzog, vom Berg Horeb herabzusteigen (2.Mose 32:1-6+23; 5.Mose 9:16; Ps.106:19,20). Dieser Götzendienst war eine unsagbare Kränkung Jewes, ihres Elohims.

  Ein Götze oder ein Idol (griech. eidõlon), ein Trugbild, ein falsches Ideal, ist von der Wortbedeutung her etwas Ganzgewahrbares. Gott aber ist unsichtbar und will kein Abbild Seiner Selbst außer einem - Seinem geliebten Sohn. Jesus Christus ist das Abbild des unsichtbaren Gottes (Kol.1:15), Er ist die Ausstrahlung Seiner Herrlichkeit und das Gepräge Seines Wesens (Heb.1:3). Jeder Dienst aber an sichtbaren Dingen, an Idolen, die Gott repräsentieren sollen, ist Götzendienst.

  Stephanus hatte zwar nur ein Beispiel des Götzendienstes Israels angeführt, den sie aber all die Jahrhunderte bis zur Babylonischen Gefangenschaft verübten und der ihrer Herzenseinstellung entsprach; mithin konnte er jetzt die den gesamten Zeitraum umfassende Aussage machen, dass Gott sie dahingegeben hatte, dem Heer des Himmels, den Gestirnen also, Götzendienst darzubringen. Diese Dahingabe, diese Preisgabe an einen dämonischen Dienst (1.Kor.10:20), ist eine zerrüttende Plage Gottes.

  In Psalm 81:12,13 lesen wir hierzu: »Mein Volk hat nicht auf Meine Stimme gehört, und Israel wollte Mir nicht zu Willen sein. So gab Ich sie preis in die Verstocktheit ihres Herzens: sie gingen in ihren eigenen Ratschlüssen dahin.« Auch der Apostel Paulus schreibt, und zwar in Bezug auf die Menschen im Allgemeinen: Darum, weil sie den Schöpfer an der Schöpfung erkennen, die Wahrheit aber in Ungerechtigkeit niederhalten, und weil sie. Gott kennend, Ihn nicht als Gott verherrlichen noch Ihm danken, darum hat Gott sie in den Begierden ihrer Herzen dahingegeben, in Unreinheit ihre Körper unter sich zu verunehren; Er hat sie in ehrlose Leidenschaften dahingegeben und in ihren unbewährten Denksinn (Röm.1:18-23,24,26,28). Und die Endzeit unter dem Menschen der Gesetzlosigkeit im Blick, weissagt Paulus: »Gott wird ihnen eine Wirksamkeit des Irrtums senden, damit sie der Lüge glauben« (2.Thess.2:11).

  Neben der Stiftshütte, dem Zelt der Zusammenkunft, dem Zelt des Zeugnisses, führten die Israeliten auch das Zelt des Moloch mit sich. Moloch ist das Scheusal der Ammoniter, dem man sogar Kinder opferte (1.Kön.11:7). Raiphan ist eine Gestirnsgottheit. Mose hatte ihnen ausdrücklich verboten, sich vor Sonne, Mond oder Sternen niederzuwerfen und sie anzubeten (5.Mose 4:19; 2.Kön.17:16; Jer.7:18).

  Stephanus zitierte nach Amos 5:25-27. In Amos 5:27 steht zwar:»So werde Ich euch bis Damaskus verschleppen, ja noch weiter hinaus, spricht Jewe; Elohim der Heere ist Sein Name«, doch Stephanus darf diese Aussage in prophetischer Vollmacht erweitern und sagen, wie es ja auch in Jeremia 25:11 angekündigt und ohnehin längst geschehen war, dass sie über Babylon hinaus verbannt würden.

 

»Der Himmel ist Mein Thron«

 

  In den folgenden Versen 44 bis 50 ging Stephanus auf den Vorwurf der falschen Zeugen ein, er habe gesagt, dass Jesus den Tempel zerstören werde (Ap.6:13,14). Der Herr hatte aber von dem Tempel Seines Körpers gesprochen, den die Juden, nicht Er, niederreißen würden (Joh.2:19-21).

  Nun war der Tempel der Gegenstand höchster Verehrung, da die Juden meinten, dass Gott darin wohne. Darüber trat die wahre Verherrlichung Gottes mehr oder weniger in den Hintergrund.

  Deshalb sprach Stephanus: »Das Zelt des Zeugnisses war bei unseren Vätern in der Wildnis (so wie Er es angeordnet hatte, als Er dem Mose sagte, es nach dem Vorbild anzufertigen, das er gesehen hatte); das haben auch unsere Väter, die auf ihn folgten, unter Josua in das Land gebracht, das die Nationen innehatten, die Gott vor dem Angesicht unserer Väter ausstieß, bis in die Tage Davids. Er fand Gnade vor den Augen Gottes und erbat sich, für den Gott Jakobs ein Zelt zu finden (2.Sam.7:2; Ps.132:5)« (Verse 44-46).

  Stephanus erkannte die Stiftshütte durchaus an, die er hier »Zelt des Zeugnisses« nannte, weil die Lade des Zeugnisses darin stand (2.Mose 25:22; 27:21). Die beiden Gesetzestafeln bezeugten den Bund und die verpflichtende Ordnung für Israel. Mose hatte das Zelt nach dem Vorbild bauen lassen, das Jewe ihm auf dem Berg gezeigt hatte (2.Mose 25:40; Heb.8:5).

  Die Stiftshütte war nicht die Wohnung Gottes, sondern der Ort der Zusammenkunft Jewes mit Mose (2.Mose 33:7-11), und die Herrlichkeit Jewes erfüllte sie, »denn die Wolke Jewes war bei Tag über der Stiftshütte, und bei Nacht war es in ihr wie Feuer für die Augen des ganzen Hauses Israel auf all ihren Zügen« (2.Mose 40:38).

  Fortfahrend kam Stephanus auf den Punkt, dabei Jesaia 66:1+2 zitierend:

  »Salomo baute Ihm dann ein Haus (1.Kön.6:1). Jedoch wohnt der Höchste nicht in einem von Menschenhänden gemachten Haus, wie der Prophet sagt: Der Himmel ist Mein Thron und die Erde Meiner Füße Schemel. Was für ein Haus wollt ihr Mir bauen?, sagt der Herr, oder welches ist die Stätte Meines Feierns: Hat nicht Meine Hand dies alles geschaffen?« (Verse 47-50).

  Der Tempel Salomos war wiederum nicht der Aufenthaltsort Jewes, wenngleich Sein Name dort wohnte (1.Kön.8:29), den man anrufen sollte, denn der Tempel war ein Haus des Gebets; die Gebete wollte Jewe im Himmel erhören (1.Kön.8:30,34,43; Mat.21:13). Außerdem hatte Salomo gebetet: »Siehe, die Himmel und die Himmel der Himmel können Dich nicht fassen, wie viel weniger dieses Haus, das ich gebaut habe« (1.Kön.8:27).

  Im Übrigen hatte die Herrlichkeit Jewes den Tempel zur Zeit Hesekiels etwa im Jahre 592 v. Chr. verlassen (Hes.9:3; 10:4,18; 11:23).

  Hatten die Oberen des Volkes nicht gelesen, was in Jesaia 66:1 geschrieben steht: »Die Himmel sind Mein Thron, und die Erde ist der Schemel Meiner Füße«? Es muss den Mitgliedern des Synedriums die Zornesglut in die Schläfen getrieben haben, als sie Jesaias Worte vorgehalten bekamen: »Was für ein Haus wollt ihr Mir bauen?« - Dann war ja der Tempel kaum noch etwas wert!

  Der Tempel war jetzt kaum noch etwas wert, weil Gott in Seinem Sohn wohnt. Wer Ihn sah, der sah den Vater (Joh.14:9). Gott hatte den von den Juden niedergerissenen Tempel Jesus Christus wieder aufgerichtet, indem Er Ihn auferweckt hatte!

  Und des Weiteren sah das Synedrium gerade die Herrlichkeit Gottes auf dem Angesicht des Stephanus (Ap.6:15).

  Nebenbei gesagt: Heute, in der dem Paulus gegebenen heilsgeschichtlichen Verwaltung (Eph.3:2; Kol.1:25), sind wir, die Glieder der Körpergemeinde (Eph.1:22,23), der Tempel Gottes und die Wohnstätte Seines Geistes (1.Kor.3:16; 6:19).

  Zurück zum Synedrium: Wütende Blicke müssen dem Stephanus entgegengeschleudert worden sein und zischende Zwischenrufe des Missfallens.

 

»Ihr Halsstarrigen!«

 

  Stephanus schloss seine Rede mit den gewaltigen Worten der Wahrheit:

  »Ihr Halsstarrigen, ihr an Herzen und Ohren Unbeschnittenen, stets prallt ihr mit dem Geist, dem heiligen zusammen! Wie eure Väter, so auch ihr. Welchen der Propheten haben eure Väter nicht verfolgt? So töteten sie auch die, die das Kommen des Gerechten vorherverkündigten; dessen Verräter und Mörder seid ihr nun geworden, die ihr das Gesetz zur Anordnung durch Boten erhalten und doch nicht bewahrt habt! -

  Als sie das hörten, waren sie in ihren Herzen zutiefst verletzt und knirschten mit den Zähnen über ihn« (Verse 51-54).

  Überaus halsstarrig war das Synedrium, denn sie wandten sich trotz der eindeutigen Beweisführung des Stephanus nicht zu Jesus um. Schon Mose hatte die Israeliten als halsstarrig bezeichnet (2.Mose 32:9; 33:3).

  Dies war die Krisis Israels, der entscheidende Wendepunkt seiner Geschichte. Denn jetzt hatten sie in Jerusalem und in Judäa das Zeugnis des heiligen Geistes, dass Jesus der Christus ist, verworfen. Diese Sünde wird ihnen weder in diesem Äon noch in dem zukünftigen erlassen werden (Mat.12:32). Damit ist Israel verworfen (Röm.11:15).

  Die Frage des Apostels: »Herr, stellst Du in dieser Zeit das Königreich für Israel wieder her?« (Ap.1:6) beantwortete sich schon jetzt mit: »Nein, nicht zu dieser Zeit!«, wenngleich das Evangelium noch nicht »in Samaria und bis zur letzten Grenze des Landes« (Ap.1:8) sowie durch Paulus unter den Auslandsjuden verkündigt worden war.

  An Ohren und Herzen unbeschnitten waren die Söhne Jakobs, obwohl Mose sie aufgerufen hatte: »Beschneidet die Vorhaut eures Herzens und verhärtet euren Nacken nicht« (5.Mose 10:16; Jer.6:10). Sie hatten das Fleisch, die alte, selbstbezogene Menschheit, nicht abgeschnitten und weggeworfen, sondern an ihrem Eigensinn festgehalten. Stets waren sie widerspenstig; Gott hatte sie darin eingeschlossen, damit auch sie dereinst Erbarmen erlangen können (Röm.11:28-32).

  Wie der geschichtliche Rückblick des Stephanus gezeigt hatte, stand Israel immer wieder gegen Gott. Stets prallten sie mit Seinem Geist zusammen; mit den Worten Jesaias gesagt: »Sie verlassen Jewe, missachten den Heiligen Israels; entfremdet sind sie, sind rückwärts gewichen«; »Sie empörten sich und betrübten Seinen heiligen Geist« (Jes.1:4; 63:10). Und darunter hatten alle Männer Gottes zu leiden. Aber so wie ihre Väter gehandelt hatten, so wird auch das Synedrium jetzt sogleich wieder tun.

  Welchen Propheten haben sie nicht verfolgt? Stets hatten sie die Boten Gottes verhöhnt, Seine Worte verachtend, und Seine Propheten verspottet oder mit dem Schwert umgebracht, wie die hebräischen heiligen Schriften es viele Male bezeugen (1.Kön.19:10; 2.Chron.36:16; Neh.9:26) und unser Herr mit den traurig-mahnenden Worten bestätigte: »Jerusalem, Jerusalem, das die Propheten tötet und die steinigt, die zu ihm geschickt werden!« (Luk.13:34).

  Nach alldem hat Israel das Gesetz des Mose, das vom Kommen des Gerechten, nämlich Jesus, dem Messias, spricht, nicht bewahrt, nicht in Treue beachtet und befolgt. Das Gesetz war ihnen - um auf Vers 33 einzugehen - als Anordnungen, in Form von Anordnungen, gegeben worden, und zwar durch Boten. Hier sind nicht Engel gemeint, sondern die siebzig Ältesten, die als Boten dienten und die Anordnungen an die Sippen des Volkes weitergaben (2.Mose 19:7; 24:9; 34:31). Diese Boten waren in der Hand des Mittlers Mose; der Mittler vermittelte zwischen Gott, dem Einen, und Israel, den Vielen (Gal.3:19; 3.Mose 26:46; 5.Mose 5:5). Übrigens wurden dementsprechend die die Botschaft weitergebenden Vorleser in den Synagogen »Boten« genannt (Off.2:1,8 usw.).

  Als Stephanus seine Rede beendet hatte, erfüllte sich erneut, was in Psalm 37:12 geschrieben steht: »Der Frevler plant Böses gegen den Gerechten und knirscht mit seinen Zähnen über ihn.« Die Oberen Israels waren zutiefst verletzt.

 

Stephanus sah den Himmel offen

 

  »Er [Stephanus] aber, voll Glauben und heiligem Geist unverwandt in den Himmel sehend, gewahrte Gottes Herrlichkeit und Jesus zur Rechten Gottes stehen und sagte: Siehe, ich schaue die Himmel aufgetan und den Sohn des Menschen zur Rechten Gottes stehen! - Da schrien sie mit lauter Stimme, hielten sich die Ohren zu und stürmten einmütig gegen ihn an. Dann stießen sie ihn aus der Stadt hinaus und steinigten ihn; die Zeugen legten dazu ihre Obergewänder zu Füßen eines jungen Mannes ab, der Saulus hieß« (Verse 55-58).

  Stephanus konnte in den Himmel schauen, wie es einst dem Propheten Hesekiel gewährt worden war (Hes.1:1) und der Herr den Gläubigen Israels verheißen hatte: »Wahrlich, wahrlich, Ich sage euch: Von jetzt an werdet ihr den Himmel offen sehen und die Boten Gottes über dem Sohn des Menschen hinaufsteigen und herabsteigen« (Joh.1:51).

  Da die gegenwärtige heilsgeschichtliche Verwaltung im Glauben besteht (1.Tim.1:4), wandeln wir hier durch Glauben und nicht durch Wahrnehmung (2.Kor.5:7).

  Stephanus hatte seine Rede mit den Worten »der Gott der Herrlichkeit« (Ap.7:2) begonnen, und nun durfte er die Herrlichkeit Gottes schauen. Er sah den Lichtglanz der Herrlichkeit Gottes und den Herrn Jesus Christus zur Rechten.

  Stephanus nannte Jesus den »Sohn des Menschen«; dies ist nach Daniel 7:13 der bezeichnende Ausdruck für den Messias. Das war eine Gotteslästerung in den Augen der Oberen.

  Und dass Jesus im Himmel sei - das hieß für das Synedrium: Dann war Er auferstanden, und dann war Er Gottes Sohn und der Messias. Da dies aber nicht sein durfte, war diese Behauptung für sie wiederum eine Gotteslästerung.

  Und zur Rechten Gottes stehe Er, beanspruche also, was nach Psalm 110:1 nur dem Messias zusteht - wieder hatte Stephanus Gott gelästert, wie sie meinten (vgl. Mark.14:62-64). Psalm 110:1 lautet: »Die Erklärung Jewes an meinen Herrn: Setze Dich zu Meiner Rechten, bis Ich Deine Feinde zum Schemel Deiner Füße lege.«

  Auf Gotteslästerung stand nach dem Gesetz die Todesstrafe, die außerhalb des Lagers zu vollstrecken war (3.Mose 24:14; 4.Mose 15:35). Dabei hatten die Zeugen der bösen Tat - hier das Synedrium - die ersten Steine zu werfen (5.Mose 17:7).

  So steinigten sie Stephanus, der aber sicherlich den folgenden Zuspruch des Herrn im Herzen hatte: »Glückselig seid ihr, wenn man euch Meinetwegen schmäht und verfolgt und euch lügnerisch alles Böse nachsagt. Freuet euch und frohlockt, weil euer Lohn in den Himmeln groß ist. Denn ebenso verfolgte man die Propheten, die vor euch waren« (Mat.5:11,12).

  Mit einer Nebenbemerkung führt Lukas den Namen des jungen Pharisäers Saulus ein.

 

»Herr Jesus, nimm meinen Geist auf!«

 

  »Als sie Stephanus steinigten, rief er betend aus: Herr Jesus, nimm meinen Geist auf!« (Vers 59).

  Stephanus bat nicht um das Aufnehmen seiner Seele, seines Bewusstseins, sondern seines Geistes, weil er das Wort Gottes über den Todeszustand kannte.

  Der Eintritt des Todes ist die Umkehrung des Schöpfungsprozesses, von welchem wir in 1.Mose 2:7 lesen: »Dann formte Jewe Elohim den Menschen aus Erdreich vom Boden und hauchte Lebensodem in seine Nase; und der Mensch wurde eine lebende Seele.« Der Mensch stirbt, wenn Gott Seinen Odem, den Lebensgeist (1.Mose 6:17), zu Sich zurückzieht (Ps.104:29; Pred.12:7; Hiob 34:15). Der Körper kehrt wieder zum Erdreich zurück. Und die Seele - sie ist nicht mehr. Im Todeszustand gibt es kein Bewusstsein (Pred.9:5,6,10; Ps.115:17; 146:4; Jes.63:16).

  Einst sprach Jesus: »Mädchen, erwache!« - »Und ihr Geist kehrte zurück, und sie stand auf der Stelle auf« (Luk.8:54,55). Tote sind nicht wach, sondern schlafen - eine treffliche Verdeutlichung des Todeszustands.

  Auch unser Herr Jesus Christus hatte gerufen: »Vater, in Deine Hände befehle Ich Meinen Geist!« (Luk.23:46; Ps.31:6).

 

Stephanus entschlief

 

  »Dann kniete er nieder und schrie mit lauter Stimme: Herr, stelle diese Sünde nicht gegen sie! - Als er dies gesagt hatte, entschlief er« (Vers 60).

  Stephanus war ein wahrer Jünger seines Herrn, der ebenfalls keinen Hass auf Seine Feinde gehabt, sondern gebetet hatte: »Vater, vergib ihnen! Denn sie wissen nicht, was sie tun« (Luk.23:34). Stephanus handelte getreu gemäß dem Wort Jesu: »Liebet eure Feinde und betet für die, die euch verfolgen« (Mat.5:44).

  Secharja, der Sohn des Priesters Jojada, der wegen seines Bußrufs auf Befehl des Königs Joasch von Juda etwa im Jahre 825 v. Chr. gesteinigt wurde, hatte in einer Zeit, in der die durch Jesus gewordene Gnade und Wahrheit noch nicht verkündigt wurde, dem Gesetz gemäß ganz anders als Stephanus gesprochen, nämlich: »Jewe möge es sehen und von euch fordern« (2.Chron.24:22).

  Zurück zur Apostelgeschichte: »Saulus aber hatte mit den anderen Wohlgefallen an seiner Ermordung« (Ap.8:1a).

 

Philippus in Samaria und am Weg nach Gaza

(Apostelgeschichte 8)

 

  Der Widerstand in Jerusalem und Judäa gegen die an Jesus Christus Gläubigen war im Jahre 33 n. Chr., ein Jahr nach Jesu Kreuzigung und Auferstehung, gewachsen. Und gerade eben hatte das Synedrium Stephanus, einen der sieben Diakone (Ap.6:5), gesteinigt; die Zeugen seiner vermeintlichen Gotteslästerung hatten ihre Obergewänder zu Füßen eines jungen Mannes abgelegt, der Saulus hieß (Ap.7:58).

 

Saulus

 

  »Saulus aber hatte mit den anderen Wohlgefallen an seiner Ermordung« (Ap.8:1a).

  Dieser junge, vielversprechende Pharisäer, dem vielleicht zum ersten Mal die Ehre zuteil geworden war, einer Sitzung des Synedriums beizuwohnen, war ganz und gar mit dem Urteil einverstanden.

 

Eine große Verfolgung

 

  »An jenem Tag brach eine große Verfolgung über die herausgerufene Gemeinde in Jerusalem herein; alle außer den Aposteln wurden in die Gegend von Judäa und Samaria zerstreut. Ehrfürchtige Männer aber trugen Stephanus zu Grabe und hielten eine große Wehklage um ihn« (Verse 1b+2).

  Jetzt nach der von vielen für gerecht gehaltenen Steinigung des Stephanus gab es keine Zurückhaltung mehr; diese neue Sekte, die nur Unruhe brachte, musste vernichtet werden. - Damit war die Hoffnung auf den baldigen Anbruch des Königreichs Israels (Ap.1:6) zunichte. Gott aber eröffnete mit Saulus einen neuen Weg der Rettung, nicht einen der Umsinnung, sondern den der bedingungslosen Gnade für alle Sünder und Feinde, sogar die größten Hasser.

  Die Apostel harrten wohl deshalb in Jerusalem aus, weil diese Stadt ihr Platz war, sollten sie doch im Königreich auf zwölf Thronen sitzen und über Israel herrschen (Mat.19:28). Gleichwohl wurden sie Jesu Zeugen auch in Judäa und Samaria sowie bis zur letzten Grenze des Landes, wie der Herr ihnen verheißen hatte (Ap.1:8), und zwar zunächst durch die Gläubigen, die dorthin kamen, zwar anders als ursprünglich gedacht, aber getreu dem Wort des Herrn: »Wenn man euch in dieser Stadt verfolgt, so flieht in die andere« (Mat.10:23).

 

Saulus wütete maßlos

 

  »Saulus wütete maßlos gegen die herausgerufene Gemeinde; er ging der Reihe nach in ihre Häuser, schleppte Männer wie auch Frauen fort und überantworte sie ins Gefängnis. Die Zerstreuten nun zogen umher und verkündigten das Wort als Evangelium« (Verse 3+4).

  Saulus ließ die Gläubigen einkerkern und auspeitschen; er verfolgte sie außerordentlich, ja bis in den Tod (Ap.22:4,19; 26;10; Gal.1:13; Phil.3:6; 1.Tim.1:13). Die Zerstreuten kamen bis nach Phönizien, Cypern und Antiochien in Syrien und sprachen das Wort zu niemand anders als allein zu den Juden (Ap.11:19), weil die Verheißung des Königreichs Israel galt und niemandem anders und weil zuerst Israel gewonnen und gläubig werden muss, denn nur das wiedergeborene Israel kann alle Nationen zu Jüngern Jesu machen (Mat.28:19).

  Statt »die Zerstreuten« kann man nach dem griechischen Wortstamm auch »die Ausgesäten« sagen; schließlich wurden sie unter die Menschen in anderen Gebieten gesät, ausgesät, um Frucht zu bringen. So bewirkte die Verfolgung eine Ausbreitung des Evangeliums.

 

Der Dienst des Philippus

 

  »So kam Philippus in die Stadt Samarias hinab und heroldete ihnen den Christus. Die Volksmenge achtete einmütig auf die von Philippus gesprochenen Worte, als sie ihm zuhörte und die Zeichen erblickte, die er tat; denn aus vielen von denen, die unreine Geister hatten, fuhren diese mit lauter Stimme schreiend aus. Auch wurden viele Lahme und Hinkende geheilt. Hierüber herrschte viel Freude in jener Stadt« (Verse 5-8).

  Philippus war einer der sieben Diakone (Ap.6:5).

  Da Lukas schreibt: »... die Stadt Samarias«, dessen gewiss, dass die Leser wissen, welche gemeint ist, handelt es sich sehr wahrscheinlich nicht um die von griechischer Kultur geprägte Hauptstadt Samaria, von Herodes d. Gr. in Sebaste umbenannt, sondern um Sichem, die mit der Geschichte Israels aufs Engste verbundene Stadt.

  Die Zerstreuten verkündigten das Wort - wie bereits gesagt - nur den Juden (Ap.11:19); demnach muss Philippus die Samariter, das Mischvolk aus Israeliten und von Assur Angesiedelten aus anderen Nationen, mit dem die Juden keine Gemeinschaft pflegten, entgegen der Tradition doch als Juden im weitesten Sinne angesehen haben. Viele Jahre später, im Jahr 49, als Paulus nach Jerusalem reiste und durch Samaria kam, berichtete er dort von der Umkehr derer aus den Nationen, was besagt, dass die Gläubigen in Samaria nicht aus den Nationen, sondern gewissermaßen Israeliten waren (Ap.15:3). Sprach nicht auch unser Herr Jesus Christus, der nur zu den verlorenen Schafen vom Hause Israel gesandt war (Mat.15:24), mit der Samariterin (Joh.4:9)? Gewiss dienten die Samariter mancherlei Göttern, waren aber auch (oder zumindest Teile von ihnen) bemüht, nach dem Gesetz des Mose zu leben. Sie beteten auf dem Berg Garizim bei Sichem an und erwarteten den Messias (Joh.4:20,25).

 

Der Zauberer Simon

 

  Dann begab sich Folgendes (Verse 9 bis 13): »Ein Mann namens Simon aber war schon vorher da und hatte in der Stadt schwarze Magie betrieben und die samaritische Nation außer Fassung gebracht, indem er von sich behauptete, ein Großer zu sein. Auf den achteten alle, vom Kleinen bis zum Großen, und sagten: Dieser ist die Kraft Gottes, die man die »große« nennt. - Sie achteten deshalb auf ihn, weil er sie geraume Zeit mit Zaubereien außer Fassung gebracht hatte. Als sie aber dem von Philippus verkündigten Evangelium vom Königreich Gottes und vom Namen Jesu Christi glaubten, ließen sie sich taufen, Männer wie auch Frauen. Und auch Simon selbst glaubte; und nachdem er getauft war, hielt er sich zu Philippus und war außer sich vor Verwunderung, als er die Zeichen und die großen Machttaten schaute, die geschahen.«

  Der Zauberer Simon war sicherlich ein Jude, da es heißt, dass er »schon vorher da war.« Philippus verkündigte das Evangelium vom Königreich Gottes, dem Königreich Israels himmlischen Charakters auf der Erde, das Jesus, den verheißenen Messias, zum Mittelpunkt hat. Und die Samariter glaubten - durchaus auch aufgrund der Zeichen und Wunder. Auch Simon glaubte, wahrscheinlich vorwiegend angesichts der Zeichen und Machttaten und weniger aufgrund des Wortes.

 

Geistesempfang durch Handauflegung

 

  »Als die Apostel in Jerusalem hörten, dass Samaria das Wort Gottes angenommen habe, sandten sie Petrus und Johannes zu ihnen aus. Die zogen hinab und beteten für sie, damit sie heiligen Geist erhalten möchten; denn bisher war er noch auf keinen von ihnen gefallen, sondern sie waren nur in den Namen des Herrn Jesus getauft. Dann legten sie ihnen die Hände auf, und sie erhielten heiligen Geist« (Verse 14-17).

  Warum erhielten die Samariter den Geist Gottes nicht gemäß Apostelgeschichte 2:38 durch Glauben, Umsinnung und Wassertaufe, sondern erst durch die Handauflegung der Apostel? - Weil es zur Aufhebung der Trennung zwischen den Juden und den Samaritern notwendig war, dass die gläubigen Samariter anerkannten, dass die Rettung von den Juden kommt und nicht an der Anbetung auf dem Berg Garizim festzuhalten ist (Joh.4:20-23), indem sie sich der Oberhoheit Israels unterordneten und dies, indem sie ihre Abhängigkeit von den Aposteln Israels erfuhren.

  Die Taufe in den Namen Jesu Christi hatte sie mit dem Namensträger verbunden, aber erst durch die Handauflegung der Apostel, die Vollmacht über das ganze Land einschließlich Samarias hatten (Ap.1:8), waren die gläubigen Samariter eins mit der jüdischen Gemeinde, die nach dem Evangelium der Beschneidung in der Erwartung des Königreichs Israels wandelte.

  Wir, die Glieder der Gemeinde, die Christi Körper ist (Eph.1:22,23), die wir in der dem Paulus gegebenen heilsgeschichtlichen Verwaltung der überströmenden Gnade leben (Eph.3:3; Kol.1:25), erhielten den Geist allein durch Glauben, als wir zu glauben begannen, ja sind sogar mit ihm versiegelt (2.Kor.1:22; Gal.3:3; Eph.1:13).

 

Das üble Ansinnen Simons

 

  »Als Simon gewahrte, dass der Geist durch Handauflegung der Apostel gegeben wurde, brachte er ihnen Geld und sagte: Gebt auch mir diese Vollmacht, damit jeder, dem ich die Hände auflege, heiligen Geist erhalte. - Petrus aber sagte zu ihm: Dein Silber sei mit dir zum Untergang, da du meinst, das Geschenk Gottes durch Geld zu erwerben! Dir ist kein Anteil und kein Los an diesem Wort beschieden; denn dein Herz ist nicht aufrichtig gegenüber Gott. Daher sinne um von diesem deinen üblen Wesen und flehe zum Herrn, ob dir wohl der Einfall deines Herzens vergeben werden wird; denn ich sehe, dass du in »Galle der Bitterkeit« und »Fesseln der Ungerechtigkeit« geraten bist« (Verse 18-23).

  Simon war in eine Falle Satans geraten, sodass sein Ansinnen eines von bitterer Galle und Ungerechtigkeit war (vgl. 5.Mose 29:17). Er hatte das Wesen des Handelns Gottes nicht erkannt: Gott gibt doch nicht für Geld, sondern nach Seinem Erbarmen und konstruktiven Willen; gern beschenkt Er die Seinen, großmütig rüstet Er sie aus.

  Deutlich sagte Petrus, dass das Geschenk Gottes nicht für Geld zu haben ist. Petrus wird auch persönlich nicht in Versuchung geraten sein, da das Wort seines Herrn: »Umsonst habt ihr es erhalten, umsonst gebt es weiter« (Mat.10:8) ihn festigte.

  Sollte Simon umsinnen, so soll ihm vergeben werden, wie es auch in Jesaia 55:7 heißt: »[Der Frevler] kehre um zu Jewe, und Er wird Sich seiner erbarmen, und zu unserem Elohim, denn Er ist reich an Vergebung.«

  Die Worte des Petrus brachten Simon wieder auf den rechten Weg, wie man aus dessen Antwort ersieht.

  »Da antwortete Simon: Fleht ihr für mich zum Herrn, damit nichts von dem, was ihr angesagt habt, über mich komme!« (Vers 24).

  Es war durchaus berechtigt von Simon, die Apostel um Fürbitte für ihn zu bitten, zumal Jakobus schreibt: »Bekennet nun einander offen die Sünden und betet füreinander, damit ihr geheilt werdet« (Jak.5:16).

  Wohl war es die scharfe Ermahnung des Petrus, im Grunde aber war es Gott, der dem Simon Umsinnung verliehen hatte (vgl. 2.Tim.2:25).

  »Nachdem sie nun das Wort des Herrn bezeugt und gesprochen hatten, kehrten sie nach Jerusalem zurück und verkündigten noch in vielen Dörfern der Samariter das Evangelium« (Vers 25).

 

Der äthiopische Kämmerer

 

  »Ein Bote des Herrn aber sprach zu Philippus: Steh auf und gehe gegen Mittag auf den Weg, der sich von Jerusalem nach Gaza hinabzieht; dieser ist einsam. - Da stand er auf und ging hin. Und sieh, ein Mann, ein äthiopischer Verschnittener und Machthaber der äthiopischen Königin Kandace, welcher Verwalter über ihren gesamten Staatsschatz war, der war nach Jerusalem gekommen, um dort anzubeten, und kehrte jetzt zurück. Er saß in seinem Wagen und las den Propheten Jesaia« (Verse 26-28).

  Äthiopien war das Land südlich des ersten Nilkatarakts bei Assuan und nördlich vom heutigen Khartum im Sudan, also etwa das heutige Nubien.

  Der Kämmerer war ein Proselyt, der dem jüdischen Glauben gemäß in Jerusalem angebetet hatte. Verschnittene (Eunuchen) konnten nach 5.Mose 23:2 zwar nicht Vollproselyten werden und in die Versammlung Jewes kommen, haben aber Verheißungen für das Königreich Israels (Jes.56:3-5). Mit den zwölf Aposteln war der Finanzminister im abgefallenen Jerusalem nicht in Kontrakt gekommen - die übrigen Gläubigen hatten sich ja wegen der Verfolgung zerstreut -, und so hatte er nichts von dem Einen gehört, der Jesaia dreiundfünfzig erfüllt hatte. Wenn Gott Sich aber einen solchen Leser Seines Wortes zubereitet hat, dann sendet Er ihm auch einen Lehrer.

  Ein Bote des Herrn gab Philippus die konkrete Anweisung, wohin er sich begeben sollte. Boten sind ein Amt versehende Geister, zum Dienst ausgeschickt um derer willen, denen die Rettung zugelost werden soll (Heb.1:14).

  In der gegenwärtigen heilsgeschichtlichen Verwaltung, in der wir durch Glauben wandeln und nicht durch Wahrnehmung (2.Kor.5:7; 1.Tim.1:4) und mithin nicht gesagt bekommen, wann und wo und wie wir was im Einzelfall tun sollen, gebraucht Gott uns zum Dienst, indem Er uns durch Sein geisterfülltes Wort bewegt und als der Allesbewirkende auch jeden unserer Gedanken hervorruft (Eph.1:11).

  Und nun sollte sich das Gebet Salomos bei der Tempelweihe (1.Könige 8:41-43; 2.Chron.6:32,33) erfüllen, dass nämlich Jewe auf die Ausländer hören wolle, die um Seines Namens willen aus der Ferne kommen, um zu Seinem Haus, dem Tempel, hin zu beten.

 

»Du erkennst doch wohl ...?«

 

  »Da sagte der Geist zu Philippus: Tritt hinzu und schließ dich diesem Wagen an! - Als nun Philippus hinzulief, hörte er ihn den Propheten Jesaia lesen und fragte: Du erkennst doch wohl die Bedeutung von dem, was Du liest? - Er aber antwortete: Wie sollte ich das denn können, wenn mich niemand anleitet? - Dann sprach er dem Philippus zu, aufzusteigen und sich zu ihm zu setzen« (Verse 29-31).

  Jetzt sprach Gott Selbst, der Geist ist (Joh.4:24), durch Seinen Geist zu Philippus.

  Da man damals ohne Wortzwischenräume schrieb, war es nötig, laut zu lesen. So konnte Philippus es hören und sofort Bescheid wissen. Seine Frage: »Du erkennst doch wohl die Bedeutung von dem, was du liest?« darf uns ein Vorbild für die Anknüpfung eines Gesprächs sein, leicht abgewandelt etwa so: »Sie verstehen doch sicher, was Sie lesen?«

  Auch wir bedürfen der Lehrer, die Christus Seiner Gemeinde als besondere Gnadengabe gibt (Eph.4:11) - seien wir dankbar für sie! -, aber auch wir alle, die wir uns das Wort Christi reichlich innewohnen lassen, können andere belehren (Kol.3:16).

  Der Geist Gottes leitete die Apostel und dann auch die an Jesus Gläubigen in alle Wahrheit (Joh:16:13); so weit aber war es bei dem Kämmerer noch nicht.

 

Von wem spricht Jesaia?

 

  »Der Inhalt der Schriftstelle, die er las, war dieser: Wie ein Schaf wurde Er zur Schlachtung geführt, und wie ein Lamm vor seinem Scherer verstummt, so tat auch Er Seinen Mund nicht auf. In Seiner Erniedrigung wurde das Gericht über Ihn aufgehoben. Wer wird in Seiner Generation davon erzählen? Denn Sein Leben wird von der Erde hinweggenommen. - Da wandte sich der Verschnittene an Philippus: Ich flehe dich an, von wem sagt der Prophet dies? Von sich selbst oder von jemand anders? - Nun tat Philippus seinen Mund auf, und mit dieser Schriftstelle beginnend, verkündigte er ihm Jesus als Evangelium« (Verse 32-35).

  Wir wissen: Jesaia sagte dies von Jesus, dem Lamm Gottes, das der Welt Sünde auf Sich nahm (Joh.2:29).

  Der Kämmerer las den Propheten in der griechischen Übersetzung, der Septuaginta; daher die Unterschiede gegenüber dem hebräischen Text des Alten Testaments.

  Der schwierige Satz: »In Seiner Erniedrigung wurde das Gericht über Ihn aufgehoben« sei kurz erläutert: Infolge Seiner Erniedrigung bis zum Tod, ja bis zum Kreuzestod (Phil.2:8), »dafür, dass Er Seine Seele in den Tod dahingab« (Jes.53:12), wurde das Gericht über Ihn aufgehoben, wurden die Folgen des Todesurteils aufgehoben, indem der Vater Ihn auferweckte.

  Und nun tat Philippus seinen Mund auf und holte, wie ein jeder Jünger des Königreichs der Himmel, aus seinem Schatz Neues und Altes hervor (Mat.13:52). Er sprach von der Weissagung Jesaias und ihrer Erfüllung in Jesus, dem Messias Israels. Den alten Schriften gemäß starb Jesus für unsere Sünden (1.Kor.15:3; 1.Joh.2:2). Beachten wir, dass Jesus Selbst das Evangelium ist, die frohe Botschaft. In Ihm fand auch der Kämmerer die Erlösung von seinen Sünden, in Ihm hat er das äonische Leben (1.Joh.5:11), und zwar aufgrund seines Glaubens und seiner Umsinnung sowie seiner Taufe (Ap.2:38), von der wir gleich hören.

 

Die Taufe des Kämmerers

 

  »Als sie so des Weges zogen, kamen sie an ein Wasser. Da sagte der Verschnittene nachdrücklich: Siehe, da ist Wasser! Was hindert mich noch, getauft zu werden? - Und er befahl, dass der Wagen stehen bleibe; dann stiegen beide, Philippus wie auch der Verschnittene, in das Wasser hinab, und er taufte ihn« (Verse 36+38; Vers 37 nicht in den ältesten Handschriften).

  Philippus hatte keine Bedenken, den Kämmerer zu taufen. Er muss von dessen Glauben überzeugt gewesen sein - der ist ja Gottes lebendiges und kraftvolles Geschenk - wie auch davon, dass der Herr Jesus Christus diesen Mann auch ohne längeren Bibelunterricht und ohne eine Gemeinschaft von Gläubigen in seinem Heimatland durch Seinen Geist auf dem weiteren Glaubensweg leiten werde.

 

Die Entrückung des Philippus

 

  »Als sie aber aus dem Wasser heraufstiegen, entrückte der Geist des Herrn den Philippus, und der Verschnittene gewahrte ihn nicht mehr; doch er zog mit Freuden seines Weges. Philippus aber befand sich in Asdod; von dort aus zog er umher und verkündigte das Evangelium in allen Städten, bis er nach Cäsarea kam« (Verse 39+40).

  Philippus hatte seinen Auftrag erfüllt; nun hob der Geist des Herrn ihn empor und versetzte ihn nach Asdod, das in der Küstenebene westlich von Jerusalem lag.

  Dass der Kämmerer freudig seines Weges zog, darf durchaus mit dem Empfang des heiligen Geistes in Verbindung gebracht werden.

  Philippus nun zog in den Städten umher und verkündigte das Evangelium vom Eintritt in das Königreich Israels auf der Erde durch den Glauben, dass Jesus der Christus ist, und durch die Taufe der Umsinnung zur Erlassung der Sünden (Luk.3:3). Später dann nahm er seinen Wohnsitz in Cäsarea, 85 km nördlich von Asdod am Mittelmeer (Ap.21:8).

 

Saulus vor Damaskus

(Apostelgeschichte 9:1-21)

 

  Die Berufung des jungen Pharisäers Saulus vor Damaskus in den Dienst des Herrn Jesus Christus im Jahre 34 n. Chr. ist die herrlichste Darstellung der Gnade Gottes, die je einem Gläubigen widerfuhr. Saulus war der schlimmste aller Sünder, ein Verfolger, Frevler und Lästerer, aber der Herr machte ihn zum Ersten Seiner Heiligen. Gnade über Gnade überströmte ihn und gewann sein Herz. Ja, überwältigend ist die Gnade unseres Herrn und unwiderstehlich Seine Liebe (1.Tim.1:14).

  Die Berufung des Saulus ist das Muster für unsere Rettung in diesen Tagen der Gnade Christi (1.Tim.1:16), denn ebenso wie er wurden auch wir allein in der Gnade gerettet. Nichts ist aus uns - alles ist Gnade, pure Gnade. Wollte jemand selbst etwas zu seiner Rettung beitragen, würde er die Gnade schmälern, ja das Kreuz des Christus inhaltslos machen (1.Kor.1:17).

  Das Ereignis vor Damaskus ist so bedeutsam und eine so einschneidende Änderung des Heilsweges Gottes, dass Lukas dreimal darüber berichtet (Ap.9:1-19; 22:3-16; 26:9-18) und Paulus in seinen Briefen wiederholt auf diese entscheidende Wende seines Lebens eingeht (1.Kor.15:9,10; Gal.1:13-16; 1.Tim.1:12-16; Heb.10:34).

 

Saulus erhielt Vollmachten für Damaskus

 

  »Saulus nun, der noch immer Drohen und Mord gegen die Jünger des Herrn schnaubte, ging zum Hohenpriester und erbat von ihm Briefe an die Synagogen in Damaskus, damit er, wenn er einige Männer wie auch Frauen fände, die sich an den Weg der neuen Lehre hielten, diese gebunden nach Jerusalem abführen möge« (Verse 1+2).

  Noch immer wütete Saulus maßlos gegen die herausgerufene Gemeinde in Jerusalem; er ging der Reihe nach in die Häuser der Anhänger des neuen Glaubensweges und schleppte sie ins Gefängnis (Ap.8:3). Jesus war zwar gekommen, um das Gesetz und die Propheten zu erfüllen (Mat.5:17), Saulus meinte aber, der Glaube an Jesus als den Messias führe zum Umsturz des mosaischen Systems. Im Grunde aber war er deshalb voller Hass, weil er auf Fleisch vertraute (Phil.3:4) und all sein Tun nicht aus Glauben, sondern aus Gesetzeswerken geschah; deshalb war Jesus ihm der Stein des Anstoßes (Röm.9:32). So hielt er es zur Rettung Israels für zwingend notwendig, dass diese neue Sekte ausgerottet werden musste, und zwar restlos, weshalb er sich vom Hohenpriester Vollmachten ausstellen ließ, um auch die Gläubigen in Damaskus gefangen nehmen zu dürfen. Der Rat seines Lehrers Gamaliel, es Gott zu überlassen, was aus der Bewegung des Nazareners werden würde (Ap.5:38), kam für den konsequenten und stürmischen Mann nicht in Betracht.

 

Die Berufung des Saulus

 

  »Als er sich auf seiner Reise Damaskus näherte, geschah es, dass ihn unversehens ein Licht aus dem Himmel umstrahlte. Auf die Erde fallend, hörte er eine Stimme, die zu ihm sagte: Saul, Saul, was verfolgst du Mich? - Da antwortete er: Wer bist Du, Herr? - Er aber sagte: Ich bin Jesus, den du verfolgst! Doch steh auf und geh in die Stadt hinein! Dort wird man dir sagen, was du tun sollst« (Verse 3-6).

  Es ist unfassbar! Wer kann dies begreifen? Dass nämlich Saulus zwar mit der Feststellung, dass er Jesus verfolge, gerügt wurde, ansonsten aber kein Strafurteil über ihn gefällt, sondern ihm bedingungslose Gnade zuteil wurde, um die er nicht einmal nachgesucht hatte. Saulus hätte vom Herrn getötet werden müssen, wird doch niemand, der nicht an den Messias Jesus glaubt, Ihm sogar feind ist, im Königreich leben. Saulus hätte aus seinem Volk ausgerottet werden müssen, denn er dachte nicht im Geringsten daran umzusinnen, was nach dem Evangelium der Beschneidung eine unabdingbare Voraussetzung für die Rettung und Teilhabe am Königreich ist (Mat.3:2; 4:17; Ap.2:38).

  Saulus erlangte Erbarmen, weil er unwissend gegen Jesus gekämpft hatte, im Unglauben (1.Tim.1:13). Wissentliche, vorsätzliche Sünden, Sünden mit erhobener Hand (4.Mose 15:30), konnten nach dem Gesetz des Mose nicht vergeben werden. Saulus hatte aber gemeint, das Richtige zu tun und Gott zu dienen.

  Das Licht aus dem Himmel, das Saulus umstrahlte, war für ihn eindeutig eine Gottesoffenbarung; Gott ist Licht, wie Saulus aus den hebräischen heiligen Schriften wusste (Jes.66:1,2; Ps.4:7; 27:1; Jak.1:17; 1.Joh.1:5). Er sah Jesus in diesem Licht, ohne es zunächst zu wissen. Jesus war ihm in dem Licht erschienen; anders ausgedrückt: das Licht war Jesus in Seinem Herrlichkeitsglanz (Ap.9:17,27; 22:14; 26:14; 1.Kor.9:1; 15:8).

  Auf die Erde fallend beugte sich Saulus der himmlischen Erscheinung. Es war sicherlich ein Bote Jewes. Eine Stimme sprach ihn ganz persönlich an: »Saul, Saul, was verfolgst du Mich?« - Sollte Saulus etwa Jewe verfolgen, den Elohim Israels, der durch einen Boten zu ihm redete?

  Saulus fragte: »Wer bist Du, Herr?« Nun würde der Bote seinen Namen nennen. Doch die Antwort lautete: »Ich bin Jesus, den du verfolgst!« - Saulus war bis ins Innerste erschüttert. Das war der Schock seines Lebens. Alles in ihm brach in diesem Moment zusammen, sein Selbstverständnis, sein Plan, sein Pharisäertum, seine Theologie.

  Saulus hatte Jesus, den verheißenen Messias, verfolgt! Wer die Gläubigen verfolgt, verfolgt Jesus Selbst, dem sie zu eigen sind (Luk.10:16).

  Nach Apostelgeschichte 22:10 fragte Saulus sodann: »Was soll ich tun, Herr?« Und der Herr Jesus Christus nahm ihn in Seinen Dienst, und zwar mit den in Kapitel 26:16-18 verzeichneten Worten: »Dazu bin Ich dir erschienen, dich zum untergebenen Gehilfen und Zeugen dessen zu bestimmen, was du wahrgenommen hast, wie auch dessen, womit Ich dir noch erscheinen werde. Ich nehme dich heraus aus dem Volk und aus den Nationen, zu denen Ich dich sende, um ihnen die Augen zu öffnen, damit sie sich von der Finsternis zum Licht und von der Obrigkeit Satans zu Gott umwenden, sodass sie Sündenerlass erhalten und ein Losteil unter denen, die durch den Glauben an Mich geheiligt worden sind.«

  Allein durch die Gnade Christi wurde Saulus in die Gemeinschaft mit dem Sohn Gottes und in den Dienst berufen (Gal.1:15). Die zwölf Apostel waren vom Herrn, als Er in Knechtsgestalt war, berufen worden; Saulus wurde von dem verherrlichten Herrn berufen. Saulus ist der einzige Augenzeuge der überhimmlischen Herrlichkeit Jesu Christi.

  So also hatte Gott Seinen Sohn in Saulus enthüllt, damit er Ihn, den Verherrlichten und zur Rechten Gottes Sitzenden, als Evangelium unter den Nationen verkündige (Gal.1:16).

 

Man führte Saulus nach Damaskus

 

  »Die Männer aber, die mit ihm unterwegs waren, standen starr vor Schrecken, weil sie zwar die Stimme hörten, aber niemand schauten. Saulus erhob sich dann von der Erde; obwohl seine Augen geöffnet waren, erblickte er nichts. So leitete man ihn bei der hand und führte ihn nach Damaskus hinein. Drei Tage lang konnte er nicht sehen, auch aß er nicht noch trank er« (Verse 7-9).

  Die Reisebegleiter waren wahrscheinlich Gerichtsdiener. Sie schauten das Licht, wie ergänzend zu Vers 7 in Kapitel 22:9 berichtet, sahen aber niemand, weil die Erscheinung Jesu nur für Saulus bestimmt war. Nun heißt es aber an der einen Stelle (9:7), dass sie die Stimme hörten, und an der anderen (22:9), dass sie die Stimme des Sprechenden nicht hörten. Da das griechische Wort phonê auch Geräusch, Ton und Rauschen bedeutet, liegt es auf der Hand, dass sie das Geräusch der Stimme, ihr Tönen hörten, aber die eigentliche Stimme nicht verständlich vernahmen. Und wer da sprach, wussten sie auch nicht, wollte Jesus doch nur Saulus ganz persönlich ansprechen.

  Die Sehbehinderung des Saulus kam durch die Herrlichkeit jenes Lichts, das heller als der Glanz der Sonne war (Ap.22:11; 26:13). Er erfuhr nach des Herrn Willen eine Blindheit, die ihm zeigen sollte, wie blind er geistlicherweise gewesen war. Nur die Augen seines Herzens sollten sich an die Herrlichkeit Jesu Christi erinnern; und nur diese sollte jetzt und von nun an sein Innerstes ausfüllen. Der Gott, der gebot: Aus der Finsternis leuchte das Licht!, der ließ es im Herzen des Saulus aufleuchten zum Lichtglanz der Erkenntnis der Herrlichkeit Gottes im Angesicht Jesu Christi (2.Kor.4:6).

  Was Saulus ansonsten in seinen Gedanken bewegt haben mag, wissen wir nicht. Vielleicht dachte er an Ananias und Sapphira, die wegen nur einer Lüge tot zu Boden gefallen waren (Ap.5:1-11). Er aber hatte Schlimmeres verdient. Sollte der Herr noch einen anderen Weg eröffnet haben? Gott hatte ihm die Kränkungen, die er Ihm zugefügt hatte, nicht angerechnet (2.Kor.5:19). Sollte Saulus schon geahnt haben, dass dies Versöhnung ist, griech. katallagê, wörtlich Herab-Veränderung, mithin eine völlige Veränderung des Handelns Gottes? - Im Übrigen hatte Gott nicht Petrus zu Saulus geschickt, sondern der Herr Jesus Christus Selbst war zu ihm gekommen, und dies in überhimmlischer Herrlichkeit.

 

Der Jünger Ananias

 

  »In Damaskus befand sich ein Jünger namens Ananias; zu ihm sagte der Herr in einem Gesicht: Ananias! - Dieser antwortete: Siehe, hier bin ich, Herr! - Da sprach der Herr zu ihm: Steh auf, geh in die sogenannte »Gerade« Gasse und suche im Haus des Judas einen Mann aus Tarsus namens Saulus auf; denn siehe, er betet. In einem Gesicht gewahrte er einen Mann namens Ananias hereinkommen und ihm die Hände auflegen, damit er wieder sehend werde. - Da antwortete Ananias: Herr, ich habe von vielen über diesen Mann gehört, wieviel Übles er Deinen Heiligen in Jerusalem angetan hat. Auch hier hat er von den Hohenpriestern Vollmacht, alle mit Fesseln zu binden, die Deinen Namen anrufen« (Verse 10-14).

  Saulus musste warten - drei Tage lang -, bis man ihm Weiteres sagen würde. Er betete. Dies konnte er nun in Wahrheit, denn er hatte den gesehen, dem die Anbetung gebührt (Ps.45:12; Joh.20:28; Ap.7:59,60; 1.Kor.1:2). Und Jesus Christus gewährte ihm die Vision, dass Ananias hereinkäme und ihm seine Sehkraft wiedergeben würde.

  Auch Ananias erhielt eine Vision. Er sollte in die Gerade Gasse - sie heißt übrigens heute noch so - gehen, und zwar ausdrücklich zu Saulus, über den er viel Übles gehört hatte und dessen Spezialauftrag ihm bekannt war. Ananias trug seine begründeten Bedenken seinem Herrn in aller Aufrichtigkeit vor. Er war ein ehrfürchtiger Mann nach dem Gesetz (Ap.22:12). Mithin wird er sich auch die Frage gestellt haben, wie es denn mit der Gerechtigkeit Gottes zu vereinbaren sein, einem solchen Feind wie Saulus die Gunst zu erweisen, dass er wieder sehend werde? Er wusste ja noch nichts von der Berufung des Saulus vor Damaskus.

  Übrigens nannte er die Gläubigen in Jerusalem »Deine Heiligen«. Die an Jesus glaubenden Juden (und Proselyten) waren die wahren Heiligen.

 

»Dieser ist Mir ein auserwähltes Gerät!«

 

  »Aber der Herr sagte zu ihm [Ananias]: Geh hin! Denn dieser ist Mir ein auserwähltes Gerät, Meinen Namen vor die Augen der Nationen wie auch der Könige und der Söhne Israels zu tragen; denn Ich werde ihm anzeigen, wie viel er um Meines Namens willen leiden muss« (Verse 15+16).

  Saulus war von seiner Mutter Leib an abgesondert (Gal.1:15), um das auserwählte Gerät zu sein, das der Herr gebrauchen wird, um Seine Werke durch ihn zu tun. Gott bereitet stets die Gefäße zu, die einen zur Unehre und die anderen zu Seiner Ehre (Röm.9:21).

  Saulus sollte den Namen Jesu - denn allein in Jesus ist die Rettung (Ap.4:12) - vorrangig vor die Augen der Nationen - Ananias wird darüber sehr verwundert gewesen sein - tragen wie auch, zweitens, vor die von Königen und erst in dritter Linie vor die Israels. Nach den bisherigen Offenbarungen sollte das wiedergeborene und mithin gläubige Israel alle Völker zu Jüngern machen (Mat.28:19). Mit der Steinigung des Stephanus und der Berufung des Saulus aber ist Israel bereits als verworfen anzusehen (Röm.11:15).

  Gott hatte Seinen Sohn in Saulus enthüllt, damit er Ihn als Evangelium unter den Nationen verkündige (Gal.1:16). Er erhielt Gnade und das Aposteltum, den Glaubensgehorsam unter den Nationen zu lehren (Röm.1:5). Jesus Christus setzte ihn als Herold, Apostel und Lehrer der Nationen in Seinen Dienst ein (1.Tim.1:12; 2:7).

  Die Antwort des Herrn wird bei Ananias einen vertieften Glauben zum Beispiel an das Wort in 2.Mose 33:19 bewirkt haben, welches lautet: »Ich bin gnädig, wem Ich gnädig sein will, und Ich erbarme Mich, wessen Ich Mich erbarmen will« (vgl. Röm.9:15). Am unwürdigsten Menschen lässt sich die Gnade am deutlichsten darstellen.

  Vers 16 beginnt mit einem begründenden »denn«, da dem Ananias deutlich werden sollte, dass gerade daran, dass Saulus leiden müsse, erkennbar ist, dass er ein auserwähltes Gerät ist. Alle zum Dienst Eingesetzten müssen leiden. Ihr Leiden bezeugt ihre Auserwählung. - Wie wir wissen, litt Saulus alsdann mehr als alle anderen Apostel (2.Kor.11:23-27; Kol.1:24).

 

Geistempfang und Taufe des Saulus

 

  »Da ging Ananias hin und trat in das Haus, legte ihm die Hände auf und sagte: Saul, Bruder, der Herr hat mich geschickt, Jesus, der dir auf dem Weg, den du kamst, erschienen ist, damit du wieder sehend werdest und mit heiligem Geist erfüllt wirst. - Sofort fiel es ihm wie Schuppen von den Augen, und er wurde sehend. Dann stand er auf und wurde getauft. Auch nahm er Nahrung zu sich und stärkte sich« (Verse 17-19 a).

  Dem Ananias standen die Kräfte des Königreichs Israels, die des zukünftigen Äons (Heb.6:5), zur Verfügung, sodass Saulus mit der Handauflegung heiligen Geist empfing und sein Sehvermögen wiedererlangte. Dies unterstrich die Tatsache, dass er in der Gnade des Herrn stand.

  Ananias hatte Saulus mit »Bruder« angesprochen, was von herzlicher Verbundenheit zeugt und dem Saulus ein großer Zuspruch gewesen sein dürfte. So wie Saulus von seiner Blindheit zum Licht kam, so sollte er nun allen Menschen den Weg »von der Finsternis zum Licht« (Ap.26:18) weisen.

  Von den Worten des Ananias an Saulus erfahren wir in Kapitel 22:13-16 noch mehr. Dort heißt es: »Saul, Bruder, blicke auf! ... Der Gott unserer Väter hat dich dazu bestimmt, Seinen Willen zu erkennen, den Gerechten zu gewahren und die Stimme aus Seinem Mund zu hören; denn du sollst Ihm für alle Menschen ein Zeuge dessen sein, was du gesehen hast und noch hörst. Und nun, was zögerst du? Steh auf, lass dich taufen und dir die Sünden abwaschen, und rufe Seinen Namen an!«

  Die Wassertaufe war eine Bekräftigung der Umsinnung, die zur Erlassung der Sünden und zur Reinigung von jeder Ungerechtigkeit nötig war (Luk.3:3; 1.Joh.1:9). Die eigentliche Reinigung hatte Saulus drei Tage zuvor »durch das Wasserbad in einem Ausspruch seines Mundes« (Eph.5:26), durch das Wort Jesu an ihn, erfahren. Sein Wort hat die Kraft, die Menschen umzuwandeln.

 

Des Saulus erster Dienst

 

  »Einige Tage nur befand er [Saulus] sich bei den Jüngern in Damaskus, wo er sofort in den Synagogen von Jesus heroldete, dass dieser der Sohn Gottes ist. Da waren alle, die das hörten, außer sich und sagten: Ist dieser nicht derselbe, der in Jerusalem denen nachstellte, die diesen Namen anrufen? War er nicht dazu hierher gekommen, um sie gebunden zu den Hohenpriestern abzuführen?« (Verse 19 b-21).

  Anstatt die an Jesus Gläubigen in den Synagogen gefangenzunehmen, verkündigte Saulus ihnen und allen anderen dort wie ein Herold, der höchstamtliche Verfügungen ausrief, dass Jesus, den er verfolgt hatte, der Sohn Gottes ist. Jesus ist es und kein anderer! Dies konnte er ihnen wahrhaftig bezeugen.

  Saulus nannte Jesus nicht »Sohn Davids«, was eine Beschränkung auf Israel ausgedrückt hätte, sondern »Sohn Gottes«, was alle Menschen angeht. Die anderen Apostel hatten Jesus bisher noch nicht als Sohn Gottes verkündigt, sondern betont als den Sohn Davids (Ap.2:29,30), somit als den König Israels. Dem Saulus aber hatte der Herr Sich außerhalb Israels offenbart - was sehr bedeutsam ist -, alle Eingrenzungen auf Israel mithin sprengend.

  Sofort war Saulus in die Synagogen gegangen. Noch konnte er keine Streitgespräche anhand der hebräischen heiligen Schriften führen, da er diese unter dem neuen Gesichtspunkt, dass Jesus der Christus ist, noch nicht durchgearbeitet hatte. So bestand sein erster Dienst in der Bezeugung Dessen, den er gesehen und gehört hatte.

  Aber auch aller weitere Dienst gründete darauf, dass Gott Seinen Sohn in Saulus enthüllt hatte (Gal.1:16).

 

So hatte die ganze Gemeinde nun Frieden

(Apostelgeschichte 9:22-43)

 

  Lukas berichtete in den vorangehenden Versen 1 bis 21 von der Berufung des Saulus vor Damaskus und über dessen ersten Dienst in dieser Stadt, bei dem er verkündigte, dass Jesus der Sohn Gottes ist. Den darauf folgenden Aufenthalt des Saulus in Arabien übergeht Lukas.

  Über die drei Jahre von seiner Berufung an bis zu seinem Hinaufgehen nach Jerusalem schreibt Paulus in Galater 1:15-18: »Als es aber Gott (der mich von meiner Mutter Leib an abgesondert und durch Seine Gnade berufen hat) wohlerschien, Seinen Sohn in mir zu enthüllen, damit ich Ihn als Evangelium unter den Nationen verkündige, da unterbreitete ich es nicht sofort Fleisch und Blut, noch ging ich nach Jerusalem zu denen hinauf, die schon vor mir Apostel waren, sondern ich begab mich nach Arabien, von wo aus ich wieder nach Damaskus zurückkehrte. Darauf (nach drei Jahren) ging ich nach Jerusalem hinauf ...«

  Mit Arabien ist gewiss das Königreich der Nabatäer in Nordwestarabien gemeint. Es gehörte damals nicht zum römischen Reich.

 

Saulus wurde im Glauben gekräftigt

 

  Wir lesen Vers 22: »Saulus wurde nun im Glauben immer mehr gekräftigt und brachte dann die Juden, die in Damaskus wohnten, in Verwirrung, als er aus der Schrift den Nachweis führte, dass dieser der Christus ist.«

  Die erste Aussage dieses Satzes bezieht sich nach meiner Überzeugung auf die Zeit in Arabien. Dort konnte Saulus die hebräischen heiligen Schriften in Ruhe unter der neuen Erkenntnis studieren, dass sie von Jesus sprechen. Früher hatte er gemeint, dass der Messias noch kommen würde, jetzt aber las er die Schriften im Licht des gekommenen und ihm erschienenen Herrn. Die Pharisäer hatten sich vom Messias erhofft, dass er die Römer aus dem Land jage. Doch wer von ihnen hatte über Jesaia 53 nachgedacht (Jes.53:8)? Was Jesus tun sollte und getan hat, war: »Rechtfertigen soll Mein gerechter Knecht die Vielen, und ihre Vergehungen wird Er Sich aufbürden« (Jes.53:11). Nun dachte Saulus darüber nach; und, um ein weiteres Beispiel zu nennen, auch über Psalm 22. Und alle Opfervorschriften des Gesetzes: hat Jesus sie nicht in Vollkommenheit erfüllt?

  Nach Damaskus zurückgekehrt, war Saulus in der Lage, aus der Schrift den Nachweis zu führen, Beweise zusammentragend und Zusammenhänge aufzeigend, dass Jesus der Christus ist. Wir schreiben das Jahr 37 n. Chr.

 

Der erste Mordversuch

 

  »Als so eine beträchtliche Zahl von Tagen verflossen war, beschlossen die Juden gemeinsam, ihn zu ermorden. Doch wurde ihr Anschlag dem Saulus bekannt. Sie ließen nun tags sowohl wie nachts auch die Tore scharf beobachten, damit sie ihn ermorden können. Daher nahmen ihn die Jünger und ließen ihn bei Nacht hinaus, indem sie ihn in einem Korb durch ein Fenster in der Mauer hinabsenkten« (Verse 23-25).

  Die feindseligen Juden hatten die Stadtregierung für ihren Anschlag gewonnen, wie aus 2.Korinther 11:32,33 hervorgeht: »In Damaskus ließ der Landesoberst [Ethnarch] des Königs Aretas die Stadt der Damaszener überwachen, weil er mich festnehmen wollte; doch wurde ich in einem Weidenkorb  durch ein Fenster in der Mauer hinabgesenkt und entrann seinen Händen.«

  Die Bemühungen des Saulus, die Juden für Christus zu gewinnen, waren fehlgeschlagen. Der einstige Verfolger wurde von nun an zum Verfolgten. Die heimliche Flucht war alles andere als eine Rettung durch ein Wunder Gottes. Aber Gott hatte Größeres vor. Die Flucht lehrte den Saulus seine Schwachheit, derer er sich rühmte, damit die Kraft des Christus über ihm zelte (2.Kor.11:30; 12:9).

  Übrigens spricht Vers 25 wörtlich von »seinen Jüngern«. Saulus war also bereits ein Lehrer, dem Lernende - das ist die eigentliche Bedeutung von mathêtês - anhingen, um von ihm zu lernen.

 

Das erste Hinaufkommen nach Jerusalem

 

  »Als er in Jerusalem angekommen war, versuchte er, sich den Jüngern anzuschließen, doch alle fürchteten sich vor ihm, weil sie nicht glaubten, dass er ein Jünger sei. Aber Barnabas nahm sich seiner an, führte ihn zu den Aposteln und erzählte ihnen, wie er auf dem Weg den Herrn gewahrt und dass Er zu ihm gesprochen hatte, auch wie er dann in Damaskus freimütig im Namen Jesu geredet habe« (Verse 26+27).

  Aus dem Galaterbrief erfahren wir hierzu: »Darauf (nach drei Jahren) ging ich nach Jerusalem hinauf, um Kephas von mir zu berichten, und blieb fünfzehn Tage bei ihm. Jemand anders als die Apostel sah ich nicht, außer Jakobus, den Bruder des Herrn« (Gal.1:18,19).

  Die Gläubigen in Jerusalem hatten allen Grund, misstrauisch zu sein und sich von Saulus fernzuhalten, hatten sie den fanatisch Wütenden doch kennengelernt, der viele aus ihren Reihen einst durch Folter zum Lästern zwang und einkerkern, auspeitschen und hinrichten ließ.

  Aber Barnabas, ein Jünger, der später ein Reisegefährte des Paulus werden sollte, nahm sich seiner an. Über ihn hatten wir in Kapitel 4:36,37 bereits gelesen: »Auch Joseph, der von den Aposteln den Beinamen Barnabas (das ist verdolmetscht: Sohn des Zuspruchs) erhalten hatte, ein Levit und Cyprier von Herkunft, dem ein Feld gehörte, verkaufte dieses, brachte das Geld und legte es zu Füßen der Apostel.«

  Die Apostel - welche von ihnen gerade in Jerusalem anwesend waren, wissen wir nicht - und Jakobus, der Halbbruder des Herrn, diese jedenfalls hatten ein Ohr für Saulus und erkannten ihn als Jünger an.

 

Der zweite Mordversuch

 

  »So ging er bei ihnen in Jerusalem ein und aus und redete freimütig im Namen des Herrn. Auch sprach er zu den Hellenisten und führte Streitgespräche mit ihnen. Doch sie nahmen es in die Hand, ihn zu ermorden. Als die Brüder das erfuhren, geleiteten sie ihn nach Cäsarea hinab und schickten ihn nach Tarsus weiter« (Verse 28-30).

  Hellenisten waren Juden, die griechische Sitten und Gebräuche angenommen hatten.

  Nach den erfolglosen Streitgesprächen am Ende der fünfzehn Tage (Gal.1:18) wurde dem Saulus eine Vision vom Herrn zuteil. Er berichtet darüber in Kapitel 22:17-21: »Als ich nach Jerusalem zurückkehrte und in der Weihestätte betete, geschah es, dass ich in Verzückung geriet und Ihn [Jesus] wahrnahm, der mir gebot: Eile und geh schnell aus Jerusalem hinaus, weil sie dein Zeugnis für Mich nicht annehmen werden. Da entgegnete ich: Herr, sie selbst wissen darüber Bescheid, dass ich es war, der die an Dich gläubig Gewordenen einkerkern und überall in den Synagogen auspeitschen ließ. Und als das Blut Deines Zeugen Stephanus vergossen wurde, da war ich selbst es, der dabeistand und mit den anderen daran Wohlgefallen hatte und die Obergewänder derer bewachte, die ihn hinrichteten. - Doch Er sagte zu mir: Geh, denn Ich werde dich in die Ferne zu den Nationen hinausschicken!«

  Des Saulus Herz schlug für sein Volk, seine Stammverwandten dem Fleisch nach (Röm.9:3); darum trug er dem Herrn seine Einwendungen vor. Er sollte aber zu den Nationen gehen - dies war der Wille und die klare Führung des Herrn. Um Saulus zum Verlassen der Stadt zu bewegen, bedurfte es dieser Vision.

  So geleiteten ihn die Brüder nach Cäsarea und schickten ihn nach Tarsus weiter. Tarsus war die Hauptstadt der römischen Provinz Cilicien und der Geburtsort des Saulus. In Galater 1:21 erwähnt Paulus kurz: »Darauf ging ich in die Landschaften von Syrien und Cilicien.«

  Der Aufenthalt in Jerusalem hatte Saulus in aller Deutlichkeit gezeigt, dass diese Stadt die Basis für seinen Dienst unter den Nationen nicht sein konnte. Dies war völlig entgegen der bisherigen prophetischen Linie, wonach nämlich die Nationen von Jerusalem aus unterwiesen werden sollten, »denn von Zion geht das Gesetz hervor und das Wort Jewes von Jerusalem« (Jes.3:3).

 

Die Gemeinde hatte Frieden

 

  »So hatte nun die herausgerufene Gemeinde in ganz Judäa, Galiläa und Samaria Frieden. Sie erbaute sich, ging ihren Weg in der Furcht des Herrn und mehrte sich durch den Zuspruch des heiligen Geistes« (Vers 31).

  Alles hat seine Zeit, sowohl Verfolgung als auch Frieden. Über die nun angebrochene Zeit berichtet Paulus in Galater 1:22-24: »... den Gemeinden in Judäa, die in Christus herausgerufen sind, war ich von Angesicht unbekannt. Sie hatten nur gehört: Der uns einstmals verfolgte, verkündigt nun als Evangelium den Glauben, dem er einst nachstellte. Und sie verherrlichten Gott im Hinblick auf mich.«

  Die herausgerufene Gemeinde des an Jesus gläubigen Teils Israels hatte sich vorwiegend in den zentralen Wohngebieten der Juden ausgebreitet, in Judäa, Galiläa und Samaria. Im Übrigen waren Gläubige, die sich infolge der wegen Stephanus entstandenen Drangsal zerstreut hatten, bis nach Phönizien, Cypern und dem syrischen Antiochien gezogen und hatten dort das Wort zu niemand anders gesprochen als allein zu Juden (Ap.11:19). Schließlich musste zuerst ganz Israel für den Herrn gewonnen und eine gläubige Nation werden, bevor es alle Völker zu Jüngern machen kann (Mat.28:19).

  Die Gläubigen gehörten zu dem »auserwählten Geschlecht, dem königlichen Priestertum, der heiligen Nation, dem Volk Gottes« (1.Pet.2:9,10). Der Apostel Petrus konnte Gott dafür nur preisen, etwa mit den Worten, die er später in seinem ersten Brief, Kapitel 1:3-5, niederschrieb: »Gesegnet sei der Gott und Vater unseres Herrn Jesus Christus, der uns wiedergezeugt hat nach Seiner großen Barmherzigkeit zu einer lebendigen Erwartung durch die Auferstehung Jesu Christi aus den Toten, zu einem unvergänglichen, unentweihten und unverwelklichen Losteil, das in den Himmeln verwahrt wird für euch, die ihr in der Kraft Gottes sicher bewahrt werdet durch den Glauben, für eine Rettung, die bereit ist, in der letzten Frist enthüllt zu werden.«

  Die Gläubigen erbauten sich durch das Lesen und Hören des Wortes Gottes und Seines Sohnes Jesu, des Christus, sowie durch den Zuspruch des heiligen Geistes. Sie fürchteten den Herrn, indem sie sorgsam darauf bedacht waren, Ihm in allem genau zu gehorchen. Die Gemeinde mehrte sich, da der Geist Gottes ihr Zeugnis über den Auferstandenen bestätigte, indem er Glauben in weiteren Menschen hervorrief.

 

Die Heilung des Äneas

 

  Der Bericht über die Berufung des Saulus und sein erstes Wirken ist abgeschlossen. Lukas wendet sich wieder dem Dienst des Apostels Petrus zu. Der kümmerte sich um die Gläubigen; er belehrte sie und sprach ihnen zu.

  »Als Petrus zu all den Heiligen umherzog, geschah es, dass er auch hinabkam zu denen, die in Lydda wohnten. Dort fand er einen Mann namens Äneas, der seit acht Jahren auf einer Matte darniederlag, weil er gelähmt war. Petrus sagte zu ihm: Äneas, dich heilt Jesus Christus! Steh auf und breite deine Matte selbst aus. - Da stand er sofort auf, und alle Bewohner von Lydda und Saron gewahrten ihn, und sie wandten sich zum Herrn« (Verse 32-35).

  Lydda (heute Lod) lag in der Nähe von Joppe, dem heutigen Jaffa. Saron (oder Scharon) heißt die Küstenebene zwischen Joppe und Cäsarea.

  Man darf annehmen, dass Äneas nicht gläubig war und Petrus sich ihm aus reiner Barmherzigkeit Gottes zuwandte. Diese Heilung eines Sünders symbolisiert die künftige Heilung Israels.

  Petrus gebot im Namen des Lebensfürsten Jesus Christus, der den Tod überwunden hat. Und der Herr heilte den Gelähmten durch die göttlichen Kräfte, die im Königreich Israels herrschen werden (Heb.6:5). Dann wird Gott dem Volk Israel ein neues Herz und einen neuen Geist geben (Hes.11:19; 36:26), und Kranke wird es nicht mehr geben. Lahme werden springen wie ein Hirsch (Jes.35:6).

  Aufgrund des Heilungswunders wandten sich die Bewohner der gesamten Gegend zum Herrn um. Unter einer Umwendung dürfen wir einen gelebten Glauben verstehen, einen Glauben, der sich im Gehorsam und treuen Dienen ausdrückt.

 

Die Auferweckung der Tabitha

 

  Es begab sich Weiteres. »Da war in Joppe eine Jüngerin namens Tabitha, was übersetzt »Gazelle« heißt. Diese war voll guter Werke und gab viele Almosen. Nun geschah es in jenen Tagen, dass sie hinfällig wurde und starb. Man wusch sie dann und legte sie in ein Obergemach. Da aber Lydda nahe bei Joppe gelegen war, schickten die Jünger (die gehört hatten, dass Petrus dort sei) zwei Männer zu ihm, die ihm zusprachen: Zögere nicht, bis zu uns herüberzukommen! - So stand Petrus auf und ging mit ihnen. Dort angekommen, führte man ihn zum Obergemach hinauf. Da traten all die Witwen herzu, jammerten und zeigten ihm alle Gewänder und Kleider, die »Gazelle« gemacht hatte, als sie noch bei ihnen war« (Verse 36-39).

  Lukas übersetzte den hebräischen Namen der Tabitha mit »Dorkas« ins Griechische, was »Gazelle« heißt. Er tat dies sicherlich mit der Absicht, den in ihren edlen Werken bestehenden, gazellengleichen Anmut dieser Frau hervorzuheben. Welch ein liebliches Bild des Dienstes einer Gläubigen Lukas hier zeichnet!

  »Petrus aber trieb alle hinaus, kniete nieder und betete. Dann wandte er sich zu dem Körper um und sagte: Tabitha, steh auf! - Da öffnete sie ihre Augen, und als sie Petrus gewahrte, setzte sie sich aufrecht. Er gab ihr die Hand und ließ sie aufstehen; dann rief er die Heiligen und die Witwen herein und stellte sie ihnen lebend vor« (Verse 40+41).

  Dieses Wunder an der Tabitha war eine Vorschattung der Auferweckung der Heiligen Israels, die ihren Glauben ja durch gute Werke bestätigt haben müssen, um gerettet zu werden. Sie wurden damals und werden auch künftig, und zwar nach der gegenwärtigen heilsgeschichtlichen Verwaltung der reinen Gnade, die dem Paulus gegeben wurde (Epoh.3:2), also nach unserer Entrückung, aus Werken gerechtfertigt und nicht aus Glauben allein. Ein Glaube ohne Werke kann sie nicht retten (Jak.2:14,24). Petrus schreibt: »... befleißigt euch ..., Brüder, dass eure Berufung und Auserwählung durch edle Werke bestätigt werde. Denn wenn ihr diese tut ..., wird euch der Eintritt in das äonische Königreich unseres Herrn und Retters Jesus Christus reichlich dargeboten werden« (2.Pet.1:10,11). Die das Gute getan haben, diese werden bei der ersten Auferstehung, die Israel verheißen ist, bei der Auferstehung des Lebens, aus den Gräbern hervorgehen (Joh.5:19).

  Wer gehört der Braut Jesu Christi an, dem wiedergezeugten Israel? - Hören wir den Lobpreis der großen Schar zu Beginn des tausendjährigen Königreichs Israels: »Halleluja! Nun herrscht der Herr, unser Gott, der Allgewaltige! Freuen wir uns und lasst uns frohlocken und Ihm die Verherrlichung geben; denn die Hochzeit des Lämmleins ist gekommen, und Seine Braut hat sich bereit gemacht« (Off.19:6,7). Und dann sah der Apostel Johannes Folgendes: »Und ihr [der Braut] wurde gegeben, sich mit glänzendem, reinem Batist zu umhüllen; denn der Batist, das sind die gerechten Taten der Heiligen« (Off.19:8).

  Ganz anders verhält es sich bei uns: Wir sind allein durch Glauben gerechtfertigt und gerettet (Röm.3:24,28), und zwar deshalb, damit es der Gnade gemäß sei (Röm.4:16). Selbst wenn alle unsere Werke vor Christi Augen keinen Bestand haben sollten, sind und bleiben wir Gerettete (1.Kor.3:10-15). »Denn in der Gnade seid ihr Gerettete, durch Glauben, und dies ist nicht aus euch, sondern Gottes Nahegabe, nicht aus Werken, damit sich niemand rühme« (Eph.2:8,9). Und selbst wenn wir schlummern sollten wie Eutychus (Ap.20:9) oder (im übertragenen Sinn) träge und faul wären: wir sind zur Rettung gesetzt (1.Thess.5:6,9,10) - zum Lobpreis der Herrlichkeit der Gnade unseres Herrn Jesus Christus! Diese überwältigende Gnade ist es, die uns kräftigt, sodass unser Glaube wirksam ist, und zwar durch die Liebe (Gal.5:6).

  Wir lesen die letzten Verse des Kapitels neun: »Das wurde in ganz Joppe bekannt, und viele wurden an den Herrn gläubig. So kam es, dass er noch eine beträchtliche Reihe von Tagen in Joppe bei einem Gerber Simon blieb« (Verse 42+43).

  Noch wurde das Evangelium in der Kraft der Zeichen und Wunder verkündigt. Mögen die Gläubigen damals aber auch an das Wort Jesu gedacht haben, das Er dem ungläubigen Jünger Thomas gesagt hatte: »Glückselig sind, die nicht gewahren und doch glauben« (Joh.20:29).

  Viele in Joppe waren zum Glauben gekommen. Petrus hatte den neuen Jüngern (griech., mathêtês, wörtlich Lernende) das Evangelium umfassend darzulegen und sie darin zu festigen, weshalb er sich längere Zeit dort aufhielt.

  Im Geist des Evangeliums hatte Petrus übrigens kein Problem, bei dem Gerber Simon zu wohnen, einem nach der jüdischen Tradition verachteten Mann. Simon übte nämlich einen unreinen Beruf aus, weil er ständig mit den Häuten toter Tiere in Berührung kam und nach dem Gesetz des Mose deshalb jeweils bis zum Abend unrein war (3.Mose 11:39,40).

  Petrus sollte aber noch lernen, und zwar durch die Ereignisses des Kapitels zehn, dass Gott selbst Unbeschnittene nicht als unrein ansieht, sondern dass Ihm in jeder Nation der annehmbar ist, der Ihn fürchtet und Gerechtigkeit wirkt (Ap.10:28,35).

 

Petrus bei Kornelius

(Apostelgeschichte 10:1-11:18)

 

  »Ein Mann in Cäsarea namens Kornelius, ein Hauptmann bei der sogenannten Italischen Truppe, war fromm und fürchtete Gott mit seinem gesamten Haus, gab dem Volk viele Almosen und flehte allezeit zu Gott« (Verse 1+2).

  Welch ein beeindruckender Mann! Dieser Römer war fromm, verehrte mithin den Gott Israels recht, den einzig wahren Gott. Er fürchtete Gott, wandelte also in Geradheit (Spr.14:2). Er war somit ein Proselyt des Tores. Er war kein Proselyt der Gerechtigkeit, das heißt er war nicht völlig in das Judentum eingegangen, und zwar deshalb, weil er sich nicht hatte beschneiden lassen. Kornelius hatte seinen Glauben durch viele Almosen erwiesen, galt aber nach wie vor wie einer aus den Nationen, mit denen ein Jude keine Tischgemeinschaft haben durfte (Ap.10:28; 11:3). Dass auch solche Menschen vom Evangelium des Königreichs erfasst werden würden, konnte sich kein an Jesus Gläubiger vorstellen, selbst Petrus nicht!

  Im Folgenden sollte Kornelius gesegnet werden so wie zukünftig die Israel im Königreich untergeordneten Nationen. Gott gedachte an das Gebet des Königs Salomo bei der Tempeleinweihung, dass Er auch die Gebete der Ausländer, die nach Ihm rufen, erhören möge (1.Kön.8:41-43).

 

Die Vision des Kornelius

 

  »Er [Kornelius] gewahrte etwa um die neunte Stunde des Tages in einem Gesicht deutlich, wie ein Bote Gottes zu ihm hereinkam und ihm sagte: Kornelius! - Dieser sah ihn unverwandt an, geriet in Furcht und fragte: Was ist, Herr? - Da erwiderte der Bote ihm: Deine Gebete und deine Almosen sind zum Gedenken vor Gott hinaufgestiegen. Und nun sende Männer nach Joppe und lass einen gewissen Simon herbeiholen, der den Beinamen Petrus hat. Dieser ist zu Gast bei einem Gerber Simon, dessen Haus am Meer liegt« (Verse 3-6).

  Das Meer ist in der Heiligen Schrift ein Symbol für die heidnische Völkerwelt, genau gesagt: für die Nationen - Israel rechnet sich nicht zu den Nationen (4.Mose 23:9). Nach dem Auftrag des Herrn sollten die Apostel Seine Zeugen in Jerusalem sein, im gesamten Judäa und Samaria sowie bis zur letzten Grenze des Landes (Ap.1:8). Mit Joppe und Cäsarea, die am Meer lagen, war die letzte Grenze des Landes erreicht. Jesu Auftrag erstreckte sich nicht über diese Grenze hinaus, sollte aber nun auch den äußersten Rand des Judentums, nämlich die Proselyten des Tores, erfassen und ihnen den Eintritt ins Königreich Israels vermitteln.

  Kornelius betete zur neunten Stunde, einer jüdischen Gebetsstunde (Ap.3:1), etwa gegen 15 Uhr. Und Gott erhörte das Gebet des Gerechten, wie es verheißen ist (Spr.15:8,29; Joh.9:31; 1.Pet.3:12).

  »Als dann der Bote, der mit ihm gesprochen hatte, fortgegangen war, rief er zwei Haussklaven und einen frommen Krieger von denen, die ihm treu ergeben waren, schilderte ihnen alles und schickte sie nach Joppe« (Verse 7+8).

  Der fromme Krieger und die Tatsache, dass Kornelius auch den Haussklaven alles schildern, ja erklären (griech. exêgeomai, herleiten), verständlich machen konnte, deuten darauf hin, dass er eine kleine Hausgemeinde hatte.

 

Die Vision des Petrus

 

  »Tags darauf, als jene unterwegs waren und sich der Stadt näherten, stieg Petrus um die sechste Stunde des Tages auf das Flachdach hinauf, um zu beten. Da wurde er heißhungrig und wollte etwas essen. Während man es ihm zubereitete, kam eine Verzückung über ihn: Er schaute den Himmel geöffnet und ein Gefäß herabkommen wie ein großes Tuch, das an vier Zipfeln auf die Erde heruntergelassen wurde. Darin waren alle Vierfüßler und Reptilien der Erde und Flügler des Himmels. Da sprach eine Stimme zu ihm: Steh auf, Petrus, schächte und iss! - Petrus aber erwiderte: Nur das nicht, Herr; denn bisher habe ich noch nie irgendetwas Gemeines oder Unreines gegessen! - Und wieder (zum zweiten Mal) erscholl die Stimme zu ihm: Was Gott gereinigt hat, halte du nicht für gemein! - Dies geschah dreimal hintereinander, und dann wurde das Gefäß sogleich in den Himmel hinaufgenommen« (Verse 9-16).

  Was das Gesicht wohl bedeutet haben mag? - Das Verzehren von unreinen Tieren war nach dem Gesetz des Mose streng verboten (3.Mose 11) - nun aber hatte Gott sie für rein erklärt. Wie konnte das sein? Wer kann das fassen?

  Die zeremoniell unreinen Tiere müssen solche Menschen aus den Nationen darstellen, die Gott gereinigt hat. Mithin müssen wir beachten, dass Kornelius schon gereinigt war, bevor Petrus zu ihm kam.

 

Die drei Abgesandten trafen ein

 

  »Als Petrus bei sich selbst noch betroffen war, was das Gesicht, das er gewahrt hatte, wohl zu bedeuten habe, siehe, da standen die Männer am Tor, die von Kornelius geschickt worden waren und das Haus des Simon erfragt hatten. Sie riefen und erkundigten sich, ob Simon mit dem Beinamen Petrus hier zu Gast sei. - Während Petrus über das Gesicht nachsann, sagte der Geist zu ihm: Siehe, drei Männer suchen dich! Steh nun auf, steig hinab und geh mit ihnen; habe keine Bedenken, denn Ich habe sie geschickt. - Da stieg Petrus zu den Männern hinunter und sagte: Siehe, ich bin es, den ihr sucht. Was ist die Ursache für euer Hiersein? - Da antworteten sie: Hauptmann Kornelius, ein gerechter und Gott fürchtender Mann, dem auch von der ganzen Nation der Juden Gutes bezeugt wird, erhielt von einem heiligen Boten Weisung, dich in sein Haus holen zu lassen, um Aussprüche von dir zu hören. - Nun rief er sie herein und bewirtete sie« (Verse 17-23 a).

  Gott bewirkt alles nach dem Ratschluss Seines Willens (Eph.1:11), Er ruft alles hervor und koordiniert alles - nicht nur auf die Sekunde genau, sondern auch wesensmäßig aufs feinste. Petrus war noch am nachdenken, als der Geist Jesu ihn auf die drei Abgesandten hinwies - so deren Kommen mit der Vision verknüpfend. Die drei waren unrein - in den Augen des Petrus jedenfalls noch, ebenso wie die Tiere, die er geschaut hatte.

 

Petrus in Cäsarea

 

  »Am folgenden Morgen machte er sich auf und zog mit ihnen hinaus; auch einige Brüder aus Joppe gingen mit ihm. Tags darauf kam er nach Cäsarea hinein. Kornelius wartete schon auf sie und hatte seine Verwandten und nahe stehenden Freunde zusammengerufen. Als nun Petrus eintreten wollte, kam ihm Kornelius entgegen und warf sich kniefällig zu seinen Füßen hin. Petrus aber richtete ihn auf und sagte: Steh auf, ich selbst bin auch nur ein Mensch. - Während er sich mit ihm unterhielt, trat er ein und fand dort viele zusammengekommen. Da sagte er mit Nachdruck zu ihnen: Ihr wisst Bescheid, wie unerlaubt es für einen jüdischen Mann ist, sich Andersstämmigen anzuschließen oder zu ihnen zu gehen; doch mir hat Gott gezeigt, keinen Menschen als gemein oder unrein zu bezeichnen. Darum kam ich auch ohne Widerrede, als nach mir gesandt wurde. Ich möchte mich nun erkundigen, aus welchem Anlass ihr mich habt herbeiholen lassen« (Verse 23 b-29).

  Petrus war zum Durchbruch gekommen: Jetzt sah er keinen Nichtjuden allein wegen dieser Eigenschaft mehr als gemein oder unrein an. Und mit den Worten: »Ich bin auch nur ein Mensch« schob er jeder kultischen Verehrung von führenden Gläubigen den Riegel vor.

  Es war klug von Petrus, Brüder aus Joppe - sechs an der Zahl (Ap.11:12) - mitzunehmen, die als Zeugen fungieren könnten, weil er sehr wohl wusste, dass er sich wegen des Kontaktes mit Unbeschnittenen zu verteidigen haben würde. Im Übrigen war die Begleitung durch die Brüder ein Beispiel für eine gute Bruderschaft und den gemeinsamen Dienst.

  Die von Kornelius Zusammengerufenen waren sehr wahrscheinlich schon sei geraumer Zeit durch ihn auf den jüdischen Glauben aufmerksam und dafür empfänglich gemacht worden.

 

Die Antwort des Kornelius

 

  »Da entgegnete Kornelius: Vor vier Tagen fastete ich bis zu dieser Stunde, und um die neunte Stunde betete ich in meinem Haus. Und siehe, da stand ein Mann in glänzender Kleidung vor meinen Augen und erklärte: Kornelius, dein Gebet ist erhört worden, und deiner Almosen ist vor Gottes Augen gedacht worden. Sende daher nach Joppe und lass einen gewissen Simon herbeirufen, der den Beinamen Petrus hat. Dieser ist zu Gast im Haus des Gebers Simon am Meer. Folglich sandte ich unverzüglich zu dir. Du hast nun trefflich gehandelt, gleich zu kommen. Daher sind wir nun alle hier vor Gottes Augen, um alles zu hören, was dir vom Herrn angeordnet worden ist « (Verse 30-33).

  Das Übereinstimmen der Visionen des Kornelius und des Petrus sowie das vom heiligen Geist wunderbar geführte Zusammentreffen gaben Petrus die volle Gewissheit, das Neue wagen und das Wort des Herrn Jesus Christus nun verkündigen zu können. Der Segen Jesu Christi und Seines Königreichs sollte auch auf die Gottesfürchtigen und Gerechten aus den Nationen kommen. - Im Gegensatz dazu ist das uns angehende, dem Paulus enthüllte Evangelium für Sünder und Gottesfeinde bestimmt (Röm.5:8-10).

 

Die Rede des Petrus

 

  Die Versammlung war bereit zu hören.

  »Da tat Petrus seinen Mund auf und sagte: In Wahrheit erfasse ich es nun, dass Gott nicht die Person ansieht, sondern dass Ihm in jeder Nation der annehmbar ist, der Ihn fürchtet und Gerechtigkeit wirkt. Ihr kennt das Wort, das Er den Söhnen Israels gesandt hat: den Frieden als Evangelium durch Jesus Christus zu verkündigen (dieser ist Herr über alle). Ihr wisst auch um die Dinge, die sich in ganz Judäa zugetragen haben, angefangen von Galiläa nach der Taufe, die Johannes geheroldet hatte, wie Gott Jesus von Nazareth mit heiligem Geist und mit Kraft salbte, Ihn, der umherzog, Wohltaten erwies und alle heilte, die vom Widerwirker unterdrückt waren; denn Gott war mit Ihm« (Verse 34-38). (So weit der erste Teil seiner Rede.)

  Nicht Gottesfurcht und gerechte Taten allein können einen Menschen aus den Nationen Gott angenehm machen, sondern der diese Dinge hervorrufende Glaube, dass Jesus der Sohn Gottes und der Messias ist. Die Verkündigung Jesu, des Christus, durch Petrus war das entscheidende Wort, das Kornelius retten sollte (Ap.11:14).

  »Ohne Ansehen der Person« - diese Redewendung bedeutet, dass niemand aus irgendwelchen sachfremden Gründen bevorzugt wird.

  Das zu den Söhnen Israels gesandte Wort ist Jesus (Joh.1:1,11,14) und hat den Frieden im Königreich Israels zum Inhalt, wie Jesaia 52:7 sagt: »Wie anmutig sind auf den Bergen die Füße derer, die die Botschaft des Friedens verkündigen und gute Kunde bringen, die Rettung verkündigen und zu Zion sagen: König ist dein Elohim!«

  Dieser ist der Herr über alle, denn der Vater hat Ihm alle Vollmacht im Himmel und auf Erden gegeben (Mat.28:19), und Er rettet auch alle für Sein Königreich, die Seinen Namen glaubend anrufen; da ist kein Unterschied zwischen einem Juden und einem Griechen (Röm.10:11-13).

  Gott hat Jesus mit heiligem Geist und Kraft gesalbt (Luk.3:21), ja Er ist der Gesalbte schlechthin, der Messias. Auch dies legte Petrus seinen Zuhörern dar. Auf Jesus ruht der Geist Jewes (Jes.11:2; 61:1), der Geist der Kraft (Luk.4:14).

  Petrus setzte seine Rede fort:

  »Wir sind Zeugen von allem, was Er im Land der Juden wie auch in Jerusalem tat; den hat man ans Holz gehängt und hingerichtet. Diesen [Jesus] hat Gott am dritten Tag auferweckt, und Er hat Ihm gegeben, offenbar zu werden, nicht dem gesamten Volk, sondern den von Gott zuvor erwählten Zeugen, uns, die wir nach Seiner Auferstehung aus den Toten mit Ihm gegessen und getrunken haben. Er hat uns nun angewiesen, dem Volk zu herolden und zu bezeugen, dass dieser [Jesus] der von Gott ausersehene Richter über Lebende und Tote ist. Diesem bezeugen alle Propheten: Durch Seinen Namen erhält jeder, der an Ihn glaubt, Erlassung der Sünden« (Verse 39-43).

  Petrus heroldete Jesus nicht nur, sondern bezeugte Ihn. Er war Zeuge all der Ereignisse. Er hat mit dem Auferstandenen gegessen und getrunken.

  Jesus ist nicht dem gesamten Volk erschienen, sondern nur den Seinen, damit sie Seine Zeugen an das Volk seien. Nur denen, die Ihn lieben, werde Er Sich offenbaren, hatte der Herr gesagt (Joh.14:21).

  Dieser ist der Richter. Christus entscheidet, wer das äonische Leben, das Leben in den künftigen Äonen, bekommt, denn der Vater hat alles Gericht dem Sohn übergeben (Joh.5:22).

  Der Herr Jesus Christus ist es auch, der die Sünden erlässt und Sich auf diese Weise Sein Volk reinigt. Die Propheten hatten die Erlassung der Sünden durch den Messias bereits verheißen. Jeremia sagte: »Ich [Jewe] werde ihre Vergehungen verzeihen und ihrer Verfehlungen nicht mehr gedenken« (Jer.31:34). Jesaia prophezeite: »Dem Volk werden die Sünden getragen« (Jes.33:24). »Er wurde durchbohrt aufgrund unserer Übertretungen und zerschlagen um unserer Vergehungen willen. Jewe ließ Ihn einstehen für all unsere Verfehlungen« (Jes.53:5,6). »Er bürdet Sich ihre Verschuldungen auf« (Jes.53:11).

 

Da fiel der heilige Geist auf alle

 

  »Noch während Petrus diese Worte sprach, fiel der Geist, der heilige, auf alle, die das Wort hörten. Da waren alle Gläubigen aus der Beschneidung, die mit Petrus gekommen waren, außer sich vor Verwunderung, dass auch auf die Nationen das Geschenk des heiligen Geistes ausgegossen wurde; denn sie hörten sie mit Zungen sprechen und Gott hoch erheben« (Verse 44-46).

  Der Geist Gottes - Seine Kraft (Luk.1:35), ja das Innewohnen Gottes Selbst, der Geist ist (Joh.4:24) - war also nicht nur für Israel bestimmt. Wir können verstehen, dass die Juden außer sich waren. Leider gab es später viele, die den Nationen das Evangelium nicht gönnten, das Paulus zu ihnen brachte (Ap.22:21,22).

  Der Geist kam auf alle, die an Jesus als den Christus glaubten; ihnen waren aufgrund ihres Glaubens auch die Sünden vergeben.

  Noch etwas war neu und anders als Petrus zu Pfingsten verkündigt hatte. Bisher war dies die Reihenfolge: Umsinnung, Taufe, Geistempfang (Ap.2:38). Jetzt war der Geist vor der Wassertaufe auf sie gefallen. Die Taufe in den Geist gewann mithin gegenüber der Wassertaufe an Gewicht. Die Wassertaufe behielt aber ihre Bedeutung der Bekräftigung der Umsinnung (Luk.3:3).

  »Dann antwortete Petrus: Diesen kann man doch nicht das Wasser verwehren, damit sie nicht getauft würden - diesen, die den Geist, den heiligen, ebenso erhalten haben wie wir. - Darauf ordnete er an, dass sie im Namen Jesu Christi getauft würden. Dann ersuchten sie ihn, noch einige Tage bei ihnen zu bleiben« (Verse 47+48).

  Die Taufe verband das gläubige Haus des Kornelius mit den gläubigen Juden; allerdings nicht völlig, denn als Unbeschnittene durften sie nach wie vor nicht die Weihestätte betreten. Und viele gläubige Juden lehnten auch in den weiteren Jahrzehnten eine Tischgemeinschaft mit ihnen ab, wie zum Beispiel die Anhänger des Jakobus, des Halbbruders unseres Herrn, des späteren Gemeindeleiters von Jerusalem, deren Druck selbst Petrus nicht standhalten konnte (Gal.2:12).

  Das Ereignis im Hause des Kornelius trug übrigens nach Gottes feiner Führung dazu bei, dem Paulus den Weg zu den Nationen zu bahnen.

 

Petrus wird beschuldigt

 

  »Die Apostel und die Brüder, die in Judäa waren, hörten nun davon, dass auch die aus den Nationen das Wort Gottes annahmen. Als dann Petrus nach Jerusalem hinaufkam, äußerten die aus der Beschneidung ihm gegenüber Bedenken und sagten: Du bist zu Männern gegangen, die unbeschnitten sind, und hast mit ihnen gegessen!« (Ap.11:1-3).

  Es kam, wie es kommen musste: Petrus musste sich verantworten. Ein Angehöriger des heiligen Volkes hatte mit denen aus den Nationen nichts zu tun. Ein gemeinsames Essen aber war Ausdruck engster Gemeinschaft und uneingeschränkter Annahme der Person. Sollten die aus den Nationen neuerdings auf derselben Stufe wie die Juden stehen? Verträgt es sich mit der Heiligkeit Gottes, dass auch Nichtjuden jetzt zu Gottes Volk zählen sollten?

  Eigentlich hatte Jesus es Seinen Aposteln schon vor Seiner Himmelfahrt gesagt, dass »in Seinem Namen Umsinnung zur Erlassung der Sünden unter allen Nationen zu herolden ist« (Luk.24:47). Dies aber war noch weit außerhalb alles dessen, was sie sich vorstellen konnten. So musste Petrus es durch seine eindrücklichen Erlebnisse im Zusammenhang mit Kornelius lernen, und so mussten sich nun auch die anderen Apostel und Brüder damit vertraut machen.

 

Petrus rechtfertigte sich

 

  »Da begann Petrus, ihnen eins nach dem anderen auseinanderzusetzen, und sagte: Ich war in der Stadt Joppe und betete; da gewahrte ich in einer Verzückung ein Gesicht: ein Gefäß kam herab wie ein großes Tuch, das an vier Zipfeln aus dem Himmel heruntergelassen wurde, und bis zu mir kam. Ich sah unverwandt hinein, und beim Betrachten gewahrte ich die Vierfüßler der Erde, das Wildgetier, die Reptilien und die Flügler des Himmels. Ich hörte auch eine Stimme zu mir sagen: Steh auf, Petrus, schächte und iss! Ich aber erwiderte: Nur das nicht, Herr; denn bisher ist noch nie etwas Gemeines oder Unreines in meinen Mund gekommen! Doch die Stimme antwortete zum zweiten Mal aus dem Himmel: Was Gott gereinigt hat, halte du nicht für gemein! Dies geschah dreimal hintereinander. Dann wurde alles wieder in den Himmel emporgezogen. - Und siehe, alsbald standen drei Männer, die man von Cäsarea zu mir geschickt hatte, vor dem Haus, in dem wir waren. Der Geist sagte mir aber, mit ihnen zu ziehen und keine Bedenken zu haben. Es gingen auch diese sechs Brüder mit mir, und wir kamen in das Haus des Mannes. Er berichtete uns dann, wie er den Boten gewahrt hatte, der in seinem Haus stand und sagte: Schicke nach Joppe und lass Simon mit dem Beinamen Petrus herbeiholen; der wird Worte zu dir reden, durch die du gerettet werden wirst, du und dein gesamtes Haus« (Verse 4-14).

  Eine Zwischenbemerkung: Damals erstreckte sich der Segen auf das ganze Haus, den ganzen Hausstand, also alle Familienangehörigen wie auch Knechte und Mägde und Sklaven, so wie es auch im Königreich sein wird. Dies beruht auf der Verheißung an Abraham, dass »in ihm alle Familien des Erdboden gesegnet werden sollen« (1.Mose 12:3). Der Familienvater und Hausherr war der bestimmende Faktor.

  Alle sollten gerettet werden. Der Begriff Rettung schloss alles ein: Sündenerlass, äonisches Leben, Teilhabe am Segen des Königreichs Israels, Freude über das Heil.

  Petrus fuhr fort:

  »Als ich aber zu sprechen anfing, fiel der Geist, der heilige, auf sie ebenso wie auch auf uns im Anfang. Da erinnerte ich mich des Ausspruchs des Herrn, wie Er sagte: Johannes hat zwar in Wasser getauft, ihr aber werdet in heiligem Geist getauft werden. Folglich, wenn Gott ihnen das gleiche Geschenk gegeben hat wie auch uns, die wir an den Herrn Jesus Christus glauben, wer war ich denn? Wie wäre ich imstande gewesen, Gott zu wehren?« (Verse 15-17).

  Die Ausdrucksweise des Petrus, ob er Gott hätte wehren können, ist zum einen sehr bezeichnend für seine Verteidigungssituation, zum anderen aber auch für seine feste Überzeugung, dass man Gott nicht widerstreben darf.

  Petrus erinnerte die Apostel und Brüder an den Ausspruch Jesu vor Seiner Himmelfahrt: »Johannes hat nur mit Wasser getauft, ihr aber werdet nicht sehr lange nach diesen Tagen in heiligem Geist getauft werden« (Ap.1:5). Dieses Wort leuchtete Petrus nun in einer neuen Qualität auf. Aus der Unterscheidung zwischen der geringeren und der größeren Taufe folgerte er angesichts der Geistesausgießung auf das Haus des Kornelius, dass jenen das Geringere nicht verwehrt werden könne, wenn sie doch das Größere schon erhalten haben. Die Geistestaufe war die Rechtfertigung für Petrus, die Wassertaufe an den Unbeschnittenen zu vollziehen; sie waren ja schon durch den Geist in die Gemeinde der an Jesus Gläubigen aufgenommen.

 

Die neue Erkenntnis

 

  »Als sie dies hörten, wurden sie still, verherrlichten Gott und sagten: Demnach hat Gott auch den Nationen die Umsinnung zum Leben gegeben« (Vers 18).

  Die Apostel und Brüder schwiegen, während Petrus redete. Wenn Gott spricht, geziemt es sich, schweigend zuzuhören. Im Stillesein liegt ein Warten und Vertrauen darauf, dass Gott die Sache dem Ziel zuführt. Und so wurde nun allen die neue Erkenntnis zuteil, dass auch Menschen aus den Nationen, die umsinnen und Gott fürchten und Gerechtigkeit wirken (Ap.10:35), das äonische Leben gegeben wird. Dann verherrlichten sie Gott über Seinem neuen Weg mit denen aus den Nationen, die das äonische Leben ohne Volljude werden zu müssen durch Umsinnung erhalten und Israel untergeordnet am Königreich teilhaben werden.

 

 

Von der Gemeinde in Antiochien und König Herodes Agrippa

(Apostelgeschichte 11:19-12:25)

 

  Mit Kapitel elf, Vers 19, beginnt Lukas einen neuen Abschnitt seines Berichts über das Wirken der Apostel. Er schreibt: »Die Gläubigen, die sich infolge der Drangsal, die wegen Stephanus entstanden war, zerstreut hatten, waren nun bis nach Phönizien, Cypern und Antiochien gezogen und hatten das Wort zu niemand anders gesprochen als allein zu Juden« (Vers 19).

  Lukas knüpft hier an das Wüten des Saulus gegen die herausgerufene Gemeinde in Jerusalem an, wovon er in Kapitel 8:1 geschrieben hatte: »Saulus aber hatte mit den anderen Wohlgefallen an seiner [des Stephanus] Ermordung. An jenem Tag brach eine große Verfolgung über die herausgerufene Gemeinde in Jerusalem herein; alle außer den Aposteln wurden in die Gegend von Judäa und Samaria zerstreut.« Inzwischen hatte unser Herr Jesus Christus dem Saulus vor Damaskus Gnade erwiesen und ihn in Seinen Dienst berufen (Ap.9:1-21). Drei Jahre später, im Jahre 37 n. Chr., gelangte Saulus nach Tarsus (Ap.9:30; Gal.1:18).

  Bis nach Phönizien (etwa das heutige Libanon), Cypern und Antiochien waren die Verfolgten gezogen. Antiochien am Orontes war die Hauptstadt der römischen Provinz Syrien und nach Rom und Alexandrien die drittgrößte Stadt im römischen Reich mit etwa 200.000 Einwohnern, wovon cirka 60.000 Sklaven waren.

  Nur zu Juden hatten sie das Wort der Rettung in Jesus gesprochen. Dies war durchaus richtig, denn zuerst musste Israel zum Glauben, dass Jesus der Messias ist, geführt werden; schließlich konnte nur das wiedergezeugte, gläubige und gesegnete Israel die Nationen im Königreich zu Jüngern machen (Mat.28:19). Dass sie nur zu Juden sprachen, lag aber auch daran, dass Nichtjuden in ihrer Sicht gemeine und unreine Menschen waren. Sogar Petrus dachte ebenso (Ap..10:28), bis er im Haus des Kornelius lernte, was er wie folgt beschrieb: »In Wahrheit erfasse ich es nun, dass Gott nicht die Person ansieht, sondern dass Ihm in jeder Nation der annehmbar ist, der Ihn fürchtet und Gerechtigkeit wirkt« (Ap.10:34,35).

 

Auch zu den Hellenisten

 

  »Es waren aber einige cyprische und kyrenäische Männer unter ihnen, die, als sie nach Antiochien kamen, auch zu den Hellenisten sprachen und den Herrn Jesus als Evangelium verkündigten. Die Hand des Herrn war mit ihnen, und eine große Anzahl derer, die glaubten, wandte sich zum Herrn um« (Verse 20+21).

  Hellenisten waren Juden, die griechische Sitten und Gebräuche angenommen hatten. Wenn auch die Kodizes Alexandrinus und Sinaiticus 2 (S2) »Hellenen« schreiben, also Griechen, Menschen aus den Nationen, und nur der Kodex Vaticanus »Hellenisten« hat, so dürfte aufgrund der Art der Korrektur in S2 dennoch »Hellenisten« richtig sein, auch deshalb, weil die Gemeinde in Antiochien erst nach der ersten Missionsreise des Paulus es als etwas Neues erfuhr, dass Gott den Nationen eine Tür des Glaubens aufgetan hatte (Ap.14:27).

  Viele glaubten und wandten sich dem Herrn zu, führten mithin sodann ein anderes Leben.

 

Barnabas nach Antiochien geschickt

 

  »Der Bericht über sie kam der herausgerufenen Gemeinde zu Ohren, die in Jerusalem war, und man schickte Barnabas bis nach Antiochien aus. Als dieser dort ankam und die Gnade, die Gottes ist, gewahrte, freute er sich und sprach allen zu, mit dem Vorsatz des Herzens im Herrn zu verharren; denn er war ein guter Mann, voll heiligen Geistes und voller Glauben. So wurde dem Herrn eine beträchtliche Schar hinzugefügt« (Verse 22-24).

  Wir freuen uns mit Barnabas. Er sprach allen zu. Nicht von  ungefähr trug er den Namen, der »Sohn des Zuspruchs« bedeutet (Ap.4:36). Er sprach ihnen zu, im Herrn zu bleiben, denn jene damals konnten ihre Rettung andernfalls wieder verlieren (Joh.15:6; 1.Joh.2:28; 3:15; 4:16). Wir dagegen, die wir in der dem Paulus gegebenen heilsgeschichtlichen Verwaltung der überfließenden Gnade leben (Eph.3:2), sind mit heiligem Geist versiegelt und können unsere Rettung nicht wieder verlieren (Eph.1:13; Röm.8:30).

 

Barnabas brachte Saulus nach Antiochien

 

  »Dann zog er [Barnabas] nach Tarsus weiter, um dort nach Saulus zu suchen. Als er ihn gefunden hatte, geleitete er ihn nach Antiochien. Dort wurde ihnen in der herausgerufenen Gemeinde die Gnade zuteil, ein ganzes Jahr lang eine beträchtliche Schar um sich zu sammeln und zu belehren. Hier in Antiochien wurden die Jünger zuerst als »Christen« bezeichnet« (Verse 265+26).

  Ob Barnabas die Unterstützung des Saulus für seinen Dienst in der wachsenden Gemeinde suchte oder den jungen Mann fördern wollte - wie dem auch sei (wahrscheinlich beides), er holte ihn nach Antiochien. Auf jeden Fall konnte er diese Stadt als ein geeignetes Arbeitsfeld für Saulus ansehen, der ja zu den Nationen gehen sollte. Dort wurde den beiden in den Jahren 39 und 40 n. Chr. ein Jahr lang der herrliche Dienst zuteil, die Gläubigen auferbauen zu dürfen. Und sie wuchsen zu einer Arbeitsgemeinschaft zusammen.

  »Christen« (griech. Singular: christianos) nannten die Mitmenschen die Heiligen, was so viel wie »die des Christus« bedeutet. Paulus gebraucht diesen Ausdruck nicht.

 

Die Hungersnot unter Klaudius

 

  »In jenen Tagen kamen Propheten von Jerusalem nach Antiochien hinab. Einer von ihnen namens Agabus trat auf und kündigte durch den Geist an, dass eine große Hungersnot demnächst über die ganze Wohnerde kommen würde, die dann unter Klaudius auch eintrat. Da setzte man fest, dass jeder der Jünger, so wie er die Mittel habe, eine Spende zur Unterstützung der in Judäa wohnenden Brüder senden solle. Das taten sie auch und schickten sie zu den Ältesten durch die Hand des Barnabas und Saulus« (Verse 27-30).

  Kaiser Klaudius herrsche von 41 bis 54 n. Chr. Während seiner Regierungszeit gab es mehrere Dürreperioden, die erste dürfte schon im Jahre 41 eingetreten sein. Da sandte die Gemeinde zu Antiochien aller Wahrscheinlichkeit nach Geld durch Barnabas und Saulus nach Judäa. Sie gingen nicht nach Jerusalem; in diese Stadt kam Saulus zum zweiten Mal erst 14 Jahre nach seiner Berufung (Gal.2:1), also im Jahre 47.

  Jeder in der Gemeinde gab - nicht etwa den Zehnten, sondern - nach seinem Vermögen, wie Paulus auch in 2.Korinther 8:12-15 schreibt: »Wenn die Eifrigkeit vorliegt, ist die Gabe wohlannehmbar, nach dem Maß, was jeder hat, und nicht nach dem, was er nicht hat. Also nicht so, dass andere Entspannung haben, ihr aber Bedrängnis, sondern zum Ausgleich soll bei der jetzigen Gelegenheit eure Überfülle den Mangel jener ausgleichen, sodass ein andermal die Überfülle jener eine Hilfe für euren Mangel werde, damit ein Ausgleich stattfinde, so wie geschrieben steht: Wer viel gesammelt hatte, dessen Teil nahm nicht zu; und wer wenig gesammelt hatte, dessen Teil war nicht geringer (2.Mose 16:18).«

  Im Übrigen schrieb Paulus im Jahre 55 n. Chr. in 2.Korinther 12:2, dass er 14 Jahre zuvor bis zum dritten Himmel entrückt worden war. Dies geschah mithin im Jahre 41, also zu der Zeit, die wir gerade betrachten.

 

König Herodes Agrippa I

 

  Eine weitere Zeit der Verfolgung brach über die Gemeinde herein. Der Apostel Jakobus wurde hingerichtet (Ap.12:2), und der führende Apostel Petrus musste Jerusalem verlassen (Ap.12:17).

  Lukas berichtet in Kapitel 12; Verse 1+2: »Zu jener Frist legte der König Herodes die Hände an einige aus der herausgerufenen Gemeinde, um ihnen Übles anzutun. So ließ er Jakobus, den Bruder des Johannes, durch das Schwert hinrichten.«

  Herodes Agrippa I war von 41 bis 44 n. Chr. König über Judäa und Samaria. Im Jahre 44 ließ er Jakobus, den Sohn des Zebedäus (Mat.10:2), enthaupten. Mithin trank Jakobus den Leidensbecher, wie der Herr es ihm verheißen hatte, als seine Mutter die Plätze zur Rechten und zur Linken Jesu im Königreich für ihre beiden Söhne Johannes und Jakobus erbat (Mat.20:23; Mark.10:39).

  Die Tat Agrippas war den Juden wohlgefällig (Ap.12:3). Damit ist der Abfall Israels offenbar. Die Juden hatten das Zeugnis des heiligen Geistes, dass Jesus der Christus ist, wie die Zeichen und Wunder der Apostel bewiesen, längst verworfen; sie hatten also die Sünde wider den heiligen Geist begangen, die ihnen weder in diesem Äon noch in dem zukünftigen erlassen wird (Mat.12:32).

  Bislang hatten die Apostel in Jerusalem ausgeharrt (Ap.8:1,14; 9:27; 11:22). Jetzt aber war deutlich geworden, dass das Königreich nicht in dieser Zeit kommen würde (Ap.1:6). So wurde auch Jakobus nicht durch einen anderen Apostel ersetzt; er wird seinen Thron im Königreich (Mat.19:28) nach seiner Auferstehung einnehmen. Die Apostel erfuhren zwar noch mancherlei Bewahrung und Wunder, im Grundsatz aber war ihre Zeit um; selbst für Petrus war es nun viel zu gefährlich, in Jerusalem zu bleiben (Ap.12:17).

 

Petrus wurde festgenommen

 

  »Als er [König Herodes] gewahrte, dass es den Juden wohlgefällig war, fügte er eine weitere Untat hinzu und ließ auch Petrus ergreifen. Es waren gerade die Tage der ungesäuerten Brote. Nach dessen Festnahme ließ er ihn ins Gefängnis legen und übergab ihn zur Bewachung an vier Kommandos von je vier Kriegern, in der Absicht, ihn nach dem Passah dem Volk zur Aburteilung vorzuführen« (Verse 3+4).

  Nach den Feiertagen würde Herodes seine Popularität durch einen öffentlichen Prozess gegen den Führer der Christen und dessen Tod steigern. Aber des Petrus Zeit war noch nicht gekommen. Er sollte ja als alter Mann hingerichtet werden (Joh.21:18). Keine Kraft der Welt kann einen Diener Gottes vor der festgesetzten Zeit antasten.

 

Die wunderbare Befreiung des Petrus aus dem Gefängnis

 

  »Daher wurde Petrus inzwischen im Gefängnis verwahrt, während von der herausgerufenen Gemeinde inbrünstig für ihn zu Gott gebetet wurde. Noch bevor Herodes sich anschickte, ihn vorführen zu lassen, schlief Petrus in jener Nacht zwischen zwei Kriegern, mit Ketten gebunden; dazu bewachten Wächter vor der Tür das Gefängnis. Und siehe, ein Bote des Herrn trat herzu, und ein Licht leuchtete in der Zelle auf; er stieß Petrus in die Seite, weckte ihn und sagte: Stehe schnell auf! - Und die Ketten fielen ihm von den Händen ab. Dann sagte der Bote zu ihm: Gürte dich und binde dir die Sohlen unter! - Dies tat Petrus. Weiter sagte der Bote zu ihm: Wirf dein Obergewand um und folge mir! - Als Petrus hinaustrat und ihm folgte, wusste er nicht, dass das, was durch den Boten geschah, wahr sei; er meinte daher, ein Gesicht zu erblicken. Als sie durch die erste und die zweite Wache gegangen waren, kamen sie an das eiserne Tor, das in die Stadt führte; und das öffnete sich ihnen von selbst. Dort traten sie hinaus und gingen noch eine Gasse entlang. Da kam Petrus zu sich und sagte. Nun weiß ich wahrhaftig, dass der Herr Seinen Boten ausgeschickt und mich aus der Hand des Herodes samt all der gierigen Hoffnung des Volkes der Juden herausgerissen hat!« (Verse 5-11).

  Lobpreis, Dank und Verherrlichung sei dem Gott und Vater unseres Herrn Jesus Christus für diese wunderbare Befreiung des Petrus aus dem Gefängnis! Wieder hatte sich Psalm 34:8 erfüllt: »Der Bote Jewes lagert sich ringsum die, welche Ihn fürchten, und Er wird sie befreien.«

  Mögen wir uns von dem ergreifenden Fürbittegebet der Gemeinde für Petrus anregen lassen, die Gemeinschaft der Heiligen zu pflegen, indem wir füreinander beten. Hebräer 13:3 fordert uns dazu auf: »Gedenket der Gebundenen wie Mitgebundene, der Übles Duldenden als solche, die noch selbst im Körper sind.« Dabei haben wir die Verheißung, dass unser Flehen um die Bergung der Heiligen hilfreich mitwirkt (2.Kor.1:11; Phil.1:19; 2.Thess.3:2; Phmn.22). Der alles Entscheidende ist und bleibt natürlich unser Gott und Vater, der allein weise (Röm.16:27), der alles bewirkende (Eph.1:11), alles hervorrufende, welcher alles in Christus zum herrlichen Ziel führt.

 

Petrus berichtete der Gemeinde

 

  »Sobald er [Petrus] sich dessen bewusst war, ging er zum Haus der Maria, der Mutter des Johannes, der den Beinamen Markus hatte, wo eine beträchtliche Zahl beisammen war und betete. Nachdem er an die Tür der Torhalle geklopft hatte, kam eine Magd namens Rhode herzu, um zu horchen, wer da sei. Als sie die Stimme des Petrus erkannte, öffnete sie vor Freude nicht das Tor, sondern lief ins Haus hinein und berichtete, Petrus stehe vor dem Tor. Da sagten sie zu ihr: Du bist von Sinnen! - Sie jedoch behauptete mit Bestimmtheit, dass es sich so verhalte. Darauf sagten sie: Es ist sein Bote! - Petrus aber fuhr fort zu klopfen. Da öffneten sie, gewahrten ihn und waren vor Verwunderung außer sich. Doch er gab ihnen mit der Hand einen Wink zu schweigen und erzählte ihnen, wie der Herr ihn aus dem Gefängnis herausgeführt hatte. Auch gebot er ihnen: Verkündet dies Jakobus und den Brüdern! - Danach ging er hinaus und zog an einen anderen Ort« (Verse 12-17).

  Sehr anschaulich berichtet Lukas über Rhode, die vor Freude das Tor zu öffnen vergaß, und über die betende Gemeinde, die die Entscheidung Gottes nicht wissen und das Wunder Seines Handelns zunächst nicht fassen konnte. Petrus selbst hatte ja zuerst nicht verstanden, was ihm geschah. - Ob es der Bote des Petrus sei? Jeder Israelit hatte seinen eigenen Boten (Engel, Beauftragten) Jewes (1.Mose 48:16; Mat.18:10).

  Der erwähnte Johannes Markus ist der Verfasser des »Berichts des Markus«. Er begleitete Barnabas und Paulus zu Anfang der ersten Missionsreise.

  Da Israel Jesus ablehnte und Seine Apostel verfolgte und das Königreich mithin vorerst nicht kommen würde, war das Verbleiben des Petrus in der künftigen königlichen Hauptstadt nicht mehr erforderlich, ja neuerdings sehr gefährlich. Er zog deshalb wahrscheinlich zunächst nach Antiochien und sodann zu denen in der Zerstreuung in Kleinasien.

  Die Leitung der Herausgerufenen in Jerusalem lag nun in den Händen des Jakobus, des Halbbruders unseres Herrn (Mat.13:55).

  Die durch den Tod des Apostels Jakobus eingetretene Reduzierung der Apostel auf elf und die damit verbundene Minderung der Bedeutung des Apostelkollegiums, die Flucht des Petrus und der Übergang der Leitung der Jerusalemer Gemeinde an Jakobus stellen einen tiefen Einschnitt und einen Schritt abwärts in der Königreichsverkündigung dar. Und wenn es zutreffen sollte, dass Jakobus nur deshalb Gemeindeleiter wurde, weil er mit dem Herrn Jesus verwandt war, würde dies eine Tendenz weg von geistlichen Schwerpunkten hin zu fleischlichem Gebaren aufzeigen, die immerhin darin mündete, dass die gesamte Gemeinde zu Eiferern für das Gesetz wurde (Ap.21:20).

 

Die Wächter wurden hingerichtet

 

  »Mit Anbruch des Tages war unter den Kriegern nicht wenig Erregung darüber, was wohl mit Petrus geschehen sei. Als Herodes ihn suchen ließ und man ihn nicht finden konnte, forschte er die Wächter aus und befahl, sie abzuführen. Dann zog er von Judäa nach Cäsarea hinab und hielt sich dort auf« (Verse 18+19).

  Römische Krieger, die ihre Gefangenen laufen ließen, wurden hingerichtet.

  Cäsarea war die Residenzstadt der römischen Statthalter.

  Es fällt auf, dass die Rettung des Petrus keine weiteren segensreichen Auswirkungen, sondern den Tod seiner Wächter zur Folge hatte. Dies entspricht der strengen Gerechtigkeit im Königreich Israels. Bei der Befreiung des Paulus und Silas aus dem Gefängnis in Philippi (Ap.16:25-34) wurden der Gefängnisaufseher und sein Haus gerettet. Die Befreiung des Petrus bildet die Israels ab, welches dann Gericht über die Nationen üben wird (Mat.25:31-46; Off.2:26,27). Das Freikommen des Paulus und Silas brachte Gnade für die Menschen aus den Nationen.

 

Streit mit den Tyrern und Sidoniern

 

  »Damals war er [Herodes] über die Tyrer und Sidonier erbittert. Diese begaben sich einmütig zu ihm und überredeten Blastus, den Kämmerer des Königs, und baten um Frieden, weil ihr Land von dem königlichen [Land] ernährt wurde« (Vers 20).

  König Herodes Agrippa I war aus einem uns unbekannten Grund über die reichen Handelsstätte Tyrus und Sidon erzürnt und willens, sich mit ihnen anzulegen. Diese erreichten (sicherlich durch ein Bestechungsgeld) die Fürsprache des Kämmerers und baten um Frieden, weil ihre Städte auf Nahrungsmitteleinfuhren aus dem Herrschaftsgebiet des Königs angewiesen waren, wie schon zu Zeiten der Könige Salomo und Hiram (1.Kön.5:25; Hes.27:17). Der Handelskrieg wurde friedlich beigelegt. Vermutlich sollte dies gefeiert werden. Dafür boten sich Festtage zu Ehren des Kaisers Klaudius an (Quelle: Josephus Flavius: »Jüdische Altertümer«, XIX.8.2). Von einem dieser Tage lesen wir im Folgenden.

 

Das Ende des Königs Herodes Agrippa I

 

  »An einem dafür angesetzten Tag zog Herodes königliche Kleidung an, setzte sich auf die Bühne und hielt eine öffentliche Ansprache an sie. Da rief ihm die Volksmenge zu: Das ist Gottes Stimme und nicht die eines Menschen! - Auf der Stelle schlug ihn darum ein Bote des Herrn, weil er nicht Gott die Verherrlichung gab; er wurde den Würmern zum Fraß, bis er entseelt war« (Verse 21-23).

  Des Herodes Sünde war, die schmeichlerische göttliche Verehrung nicht von sich gewiesen zu haben. Er starb am 10. 3. 44 nach Chr. im Alter von 54 Jahren nach - wie Josephus berichtet - fünf Tagen starker Schmerzen in den Gedärmen.

 

Das Wort wuchs

 

  Mit dem Tod des Herodes endete die Verfolgung. Im folgenden Vers 24 wird der allgemeine Verlauf der Evangeliumsverkündigung während der Jahre 44 bis 46 n. Chr. beschrieben.

  »Das Wort Gottes jedoch wuchs und mehrte sich« (Vers 24).

  Schließlich ist das Wort Gottes lebendig und wirksam (Heb.4:12) und kehrt nicht leer zu Jewe zurück, sondern richtet aus, was Ihm gefällt, und lässt gelingen, wozu Er es entsandte (Jes.55:11). Das Wort Gottes bringt Frucht (Kol.1:6).

  Hiermit schließt Lukas einen Abschnitt seines Berichts.

 

In Jerusalem

 

  Es folgt Vers 25: »Barnabas und Saulus aber kehrten nach Erfüllung ihres Dienstauftrags aus Jerusalem zurück und nahmen Johannes mit, der den Beinamen Markus hatte.«

  Dieser Vers wirft die Frage auf, ob es nach den Kodizes Sinaiticus und Vaticanus »nach Jerusalem zurück« heißt oder nach dem Kodex Alexandrinus »aus Jerusalem zurück«. Im Übrigen lässt sich »nach Erfüllung ihres Dienstauftrags« auch mit »in Vervollständigung ihres Dienstes« wiedergeben.

  In dem einen Fall würde es bedeuten, dass Barnabas und Saulus ihren Dienstauftrag, der allerdings schon 6 Jahre zurückliegt und in Vers 25 nicht genannt wird, nämlich während der Hungersnot Spenden nach Judäa zu bringen, durch eine weitere Reise, und zwar nach Jerusalem, vervollständigten. Dieses zweite Heraufkommen des Paulus nach Jerusalem fand nach Galater 2:1-10 vierzehn Jahre nach seiner im Jahre 34 (vor dem Monat Etanim) geschehenen Berufung statt, das heißt im Jahre 47 (nach Etanim; das angebrochene Jahr zählt mit). Lukas schildert in der Apostelgeschichte, was Paulus für das Königreich Israels tat, und Paulus berichtet in Galater 2:1-10 über diesen Besuch in Jerusalem, was sein Evangelium betrifft.

  In dem anderen Fall würde die Rückkehr nach Antiochien geschildert. Auf jeden Fall erwähnt der Vers 25 die zweite Anwesenheit des Paulus in Jerusalem. Zum dritten Mal war er sodann im Jahre 49 beim sogenannten Apostelkonzil in der Stadt.

  Um noch einige Daten hinzuzufügen: Des Paulus erste Missionsreise fand in den Jahren 47 und 48 statt, im Jahre 49 schrieb er vom syrischen Antiochien aus den Galaterbrief, und kurz darauf ging er zum Apostelkonzil nach Jerusalem, wovon Kapitel 15 der Apostelgeschichte berichtet. Galater 2:1-10 aber entspricht Apostelgeschichte 12:25 und ist nicht mit Kapitel 15 kompatibel.

  Johannes Markus war der Vetter des Barnabas (Kol.4:10).

  Ein Dienstabschnitt des Barnabas und Saulus war zu Ende gegangen. Mit ihrer Absonderung zur ersten Missionsreise (Apü.13:2) wird in Kürze die neue heilsgeschichtliche Verwaltung (oikonomia, Haushaltung) des Übergangs von der pfingstlichen zur gegenwärtigen beginnen.

 

Auf der ersten Missionsreise

(Apostelgeschichte 13:1-31)

 

  Ein neuer Dienstabschnitt des Barnabas und Saulus beginnt, ja eine neue heilsgeschichtliche Verwaltung (oikonomia, Haushaltung) zeichnet sich ab, nämlich die des Übergangs von der pfingstlichen zur gegenwärtigen (Eph.3:2).

  Die zwölf Apostel hatten ihren Dienst im Wesentlichen ausgerichtet (Ap.1:8); der hat leider gezeigt, dass die Juden im Lande Jesus nicht als ihren Messias annehmen. Nun soll Jesus auch all den in der Zerstreuung lebenden Juden und Proselyten verkündigt werden; diese werden den Herrn allerdings ebenfalls ablehnen. Zugleich beginnt Paulus seinen Dienst an den Nationen, der schon ansatzweise geschehen war (Gal.1:21; 2:2), nun im ausgesprochenen Sinne. Wir schreiben das Jahr 47 n. Chr.

 

Die Gemeinde in Antiochien

 

  »Der in Antiochien bestehenden herausgerufenen Gemeinde entsprechend gab es dort Propheten und Lehrer: Barnabas wie auch Simeon (genannt »Niger«) und Lucius (der Kyrenäer), außerdem Manaen (den Pflegebruder des Vierfürsten Herodes) und Saulus«

(Vers 1).

  So wie es damals für eine Gemeinde normal war, gab es auch in der im syrischen Antiochien Propheten und Lehrer. Ein Prophet redete aufgrund einer Eingebung Gottes, ein Lehrer schöpft aus dem gesamten offenbarten Wort.

  Barnabas ist uns bekannt. Er war ein bewährter Mann, ein Levit und Cyprier von Herkunft (Ap.4:36). Er hatte Saulus bei dessen erstem Hinaufkommen nach Jerusalem zu den Aposteln geführt (Ap.9:27), war von der Jerusalemer Gemeinde nach Antiochien ausgesandt worden (Ap.11:22), hatte Saulus nach dort geholt (Ap.11:25) und zusammen mit jenem Spenden nach Judäa gebracht (Ap.11:30).

  Manaen war zusammen mit Herodes Antipas I, dem Tetrarchen von Galiläa und Peräa (4 v. Chr. - 39 n. Chr.), der Johannes den Täufer hinrichten ließ, erzogen worden. Gott aber in Seiner Gnade führte Manaen einen völlig anderen Lebensweg.

  Saulus wird als letzter erwähnt, wohl weil er zuletzt hinzugekommen war. Wenn er auch einen besonderen Auftrag vom Herrn erhalten hatte, nämlich zu den Nationen zu gehen (Ap.9:15), so wird er sich dennoch zurückgehalten und auf die rechte Zeit gewartet haben. Die sollte mit seiner Absonderung jetzt kommen.

  Im Übrigen verkündigte die wohl überwiegend aus Hellenisten, das heißt griechisch geprägten Juden, und Proselyten sowohl der Gerechtigkeit, also beschnittenen, als auch des Tores, also unbeschnittenen, bestehende Gemeinde das Königreich Israels und hielt sich an die Lehre der zwölf Apostel (Ap.2:42).

 

Die Absonderung des Barnabas und Saulus

 

  »Während sie ihren Dienst für den Herrn versahen und fasteten, sagte der Geist, der heilige: Sondert Mir auf jeden Fall Barnabas und Saulus für das Werk ab, zu dem Ich sie berufen habe. - Dann fasteten und beteten sie, legten ihnen die Hände auf und entließen sie« (Verse 2+3).

  Der Dienst, den die fünf Propheten und Lehrer versahen, konnte nur eine geistliche Darbringung im Sinne von 1.Petrus 2:5 sein, der Auferbauung der Gläubigen als lebendige Steine zu einem geistlichen Haus, zu einem heiligen Priestertum dienend, geistliche Opfer darbringend, Gott wohl annehmbar durch Jesus Christus. Dabei fasteten sie. Beim Fasten geht es weniger um die Enthaltung von Speisen, sondern um die »Demütigung der Seele« (3.Mose 23:27), anders ausgedrückt: um Selbstverleugnung und völlige Hingabe an den Herrn. Dann hat der Geist Gottes Raum in den Herzen.

  Da der Herr Jesus den Saulus berufen hatte, war es wohl Jesu Geist, der durch einen der Propheten sprach. Was der Prophet aussprach, mag in ihren Herzen schon seit längerem herangereift sein.

  Barnabas und Saulus sollten zu einem besonderen Werk abgesondert werden. Ein Werk ist im Allgemeinen das Ergebnis eines Wirkens, in diesem Fall ein bereits mit der Aufgabenstellung angefangenes Wirken. Zunächst wurden sie nur von der Gemeinde abgesondert, insofern sie für eine neue Aufgabe freigegeben wurden. Die Absonderung hatte aber eine viel größere Dimension, wie uns Römer 1:1-5 verdeutlicht: »Paulus, Sklave Christi Jesu, berufener Apostel, abgesondert für das Evangelium Gottes ... über Seinen Sohn ... über Jesus Christus, unseren Herrn, durch den wir Gnade erhielten und Aposteltum zum Glaubensgehorsam unter allen Nationen für Seinen Namen.« Paulus wird ein anderes Evangelium als die Zwölf verkündigen (Gal.1:7,12; 2:7).

  Die Berufung des Saulus, den Namen Jesu vor die Augen der Nationen zu tragen (Ap.9:15), sollte nun erfüllt werden. Der Zeitpunkt war gekommen. Jetzt sollte er in die Ferne gehen (Ap.22:21).

  Fastend und betend legten die drei zurückbleibenden Propheten und Lehrer dem Barnabas und Saulus gewiss im Beisein der gesamten Gemeinde die Hände auf und entließen sie. Das Händeauflegen drückt das gemeinschaftliche Mittragen des Dienstes und den Wunsch nach einem gesegneten Verlauf aus. An eine Kraftübertragung oder eine Amtseinsetzung ist nicht zu denken. Der Herr Jesus Christus hatte sie berufen.

 

Auf Cypern

 

  »Darauf gingen sie nun, vom heiligen Geist ausgesandt, nach Seleucia hinab und segelten von dort nach Cypern. In Salamis angekommen, verkündigen sie das Wort Gottes in den Synagogen der Juden. Als Gehilfen hatten sie noch Johannes« (Verse 4+5).

  Sie waren vom heiligen Geist ausgesandt; ihre Reise war somit ein geistliches Geschehen und der Wille Gottes. Die erste Missionsreise begann im Herbst des Jahres 47 n. Chr. und endete wahrscheinlich mit dem Sommer des Jahres 48 n. Chr.

  Seleucia war die Hafenstadt Antiochiens.

  Als erstes Ziel bot sich Cypern an, zumal Barnabas von dort stammte (Ap.4:36).

  Die Synagogen waren die geeigneten Ansatzpunkte für die Arbeit von Barnabas und Saulus, weil dort auch Gottessfürchtige aus den Nationen hinkamen, die mithin schon eine gewisse Bibelkenntnis hatten. Wichtig war dabei aber auch, dass das Vorrecht der Juden, das Evangelium als Erste zu hören, gewahrt wurde (Ap.13:46; Röm.1:16).

  Johannes mit dem Beinamen Markus war der Vetter des Barnabas (Kol.4:10). Im Hause seiner Mutter hatte die herausgerufene Gemeinde für den von Herodes Agrippa I ins Gefängnis gelegten Petrus gebetet (Ap.12:12).

 

Bei Sergius Paulus

 

  Lukas berichtet weiter: »Nachdem sie die ganze Insel bis Paphos durchzogen hatten, fanden sie dort einen jüdischen Mann namens Bar-Jesus, einen Magier und falschen Propheten, der mit dem Prokonsul Sergius Paulus, einem verständigen Mann, zusammen war. Dieser ließ Barnabas und Saulus zu sich rufen und suchte das Wort Gottes zu hören« (Verse 6+7).

  Der Zauberer trug den täuschenden Namen »Sohn des Jesus«. »Bar« ist aramäisch und bedeutet Sohn. Führende Personen umgaben sich nicht nur mit klugen Ratgebern, sondern gern auch mit Menschen, die aufgrund ihrer übersinnlichen Fähigkeiten und guten Verbindungen zu Göttern und Dämonen zu den richtigen Entscheidungen beitragen sollten. Sergius Paulus hatte jedenfalls ein echtes Interesse am Wort Gottes und hörte Barnabas und Saulus aufmerksam zu.

  Dieser Prokonsul war der erste Mensch aus den Nationen, der das Evangelium hörte, ohne bereits ein Proselyt des Judentums zu sein.

  »Da widerstand ihnen Elymas, der Magier (denn so wird sein Name vedolmetscht), und suchte, den Prokonsul vom Glauben abzuwenden« (Vers 8).

  Elymas ist der zweite Name des Magiers und vermutlich die Übersetzung des hebräischen Wortes Älam (Verheimlichter).

  Nun begann der Kampf zwischen Licht und Finsternis um das Herz des Sergius Paulus. Elymas war dabei ein typischer Vertreter des Judentums, das der Verkündigung Jesu Christi als Evangelium unter den Nationen immer wieder Widerstand leistete.

 

Das Strafwunder an Elymas

 

  »Saulus aber, der auch Paulus heißt, war mit heiligem Geist erfüllt; er sah ihn fest an und sagte: O du, voll allen Betrugs und aller Heimtücke, du Sohn des Widerwirkers und Feind aller Gerechtigkeit, wirst du nicht aufhören, die geraden Wege des Herrn zu verdrehen? Und nun siehe, die Hand des Herrn ist auf dir, und du wirst blind sein und bis zum festgesetzten Zeitpunkt die Sonne nicht erblicken! - Auf der Stelle fiel Nebel und Finsternis auf ihn; er ging umher und suchte jemand, der ihn an der Hand leite« (Verse 9-11).

  Saulus hieß auch Paulus. Sein hebräischer Name erinnert uns an Saul, den ersten König Israels, bei dem körperliche Vorzüge dominierten, was durchaus auf Saulus passt, der auf Fleisch vertraute und hinsichtlich der im Gesetz geforderten Gerechtigkeit nahezu untadelig war (Phil.3:3-6). Seinen griechischen Namen Paulos hatte er wahrscheinlich von Geburt an, der aber erst hier angeführt wird, an der Schnittstelle der Hinwendung zu den Nationen. Paulos bedeutet Pausierender, Ruhender, was ein prophetischer Hinweis darauf ist, dass die Heilsgeschichte nun eine Pause mit Israel einlegt. Nun geht das Evangelium zu den Nationen und dann von den Nationen zu weiteren Nationen aus - und nicht mehr von Israel aus. Mit der Einführung des griechischen Namens des Paulus begann sein Dienst als der Apostel der Nationen, für den er bestimmt war (Ap.9:15).

  Von nun an war nicht mehr Barnabas, sondern Paulus der Führende.

  Paulus, voll heiligen Geistes, erkannte den wahren geistlichen Zustand des Magiers und sprach ein alles offen legendes, richtendes Wort der Wahrheit über ihn aus. Die Wege Jewes sind gerade (Hos.14:10); wer aber das Wort und die Wege des Herrn verdreht, ist ein Sohn des Satans, wie auch jeder, der nicht Gerechtigkeit übt, sondern Sünde tut, den Satan zum Vater hat (1.Joh.3:8-10). Der Zorn des Paulus kam über Elymas, ebenso wie der Zorn Gottes im Voraus über Israel kam (1.Thess.2:16) und heute noch auf diesem Volk liegt.

  Selten tat Paulus ein Strafwunder (siehe 1.Kor.5:5; 11:27-32; 1.Tim.1:20). Kein Gericht aber ohne das Ziel der Rettung, wie Paulus ja denn  auch sagte, dass Elymas bis zum festgesetzten Zeitpunkt blind sein solle. Elymas steht für das blinde Israel, das bis zur bestimmten Frist blind und verworfen sein wird, bis es dann als Gesamtheit gerettet und den Nationen zum Segen sein wird (Röm.11:25,26). Doch für die gegenwärtige, dem Paulus gegebene heilsgeschichtliche Verwaltung der überströmenden Gnade Gottes (Eph.3:2; Kol.1:25) ist Israel blind und taub (Ap.28:25-28). Israel als Nation ist verworfen, und die Juden sind zum Teil verstockt (Röm.11:15,25).

  Beachten wir, dass wir nicht durch ein gläubiges Israel gesegnet sind, sondern aufgrund des Abfalls Israels (Röm.11:11).

 

Sergius Paulus glaubte

 

  »Als dann der Prokonsul gewahrte, was geschehen war, glaubte er und verwunderte sich über die Lehre des Herrn« (Vers 12).

  In der gegenwärtigen Heilsverwaltung glaubt man nicht aufgrund von Wundern, sondern allein aufgrund des Wortes, zumal es heute keine Zeichen und Wunder gibt. In der damaligen Übergangszeit aber wurde die Verkündigung noch von den Kräften des zukünftigen Äons begleitet (Heb.6:5). Doch Sergius Paulus hatte die Lehre des Herrn von Paulus gehört, sodass sein Glaube auf dem Wort Gottes beruhte. Schon zu dem ungläubigen Thomas hatte der Herr Jesus gesagt: »Glückselig sind, die nicht gewahren und doch glauben« (Joh.20:29).

 

In Perge

 

  Sodann lesen wir: »Paulus und die um ihn waren gingen von Paphos aus in See und kamen nach Perge in Pamphylien. Dort trennte Johannes sich von ihnen und kehrte nach Jerusalem zurück« (Vers 13).

  Pamphylien war eine römische Provinz an der Südküste Kleinasiens.

  Warum mag sich ihr Gehilfe Johannes mit dem Beinamen Markus (Ap.12:12; 13:5; 15:37-39; Kol.4:10,11; 2.Tim.4:11) von Paulus und Barnabas getrennt haben? Vielleicht störte er sich daran, dass Menschen aus den Nationen, die keine Verbindung mit Israel hatten und sich Israel auch nicht unterordnen würden, nach der Verkündigung des Paulus gerettet werden konnten. Möglicherweise war er aufgrund seiner Verwandtschaft mit Barnabas auf der Missionsreise dabei, was zeigen mag, dass er nicht die geistliche Qualität hatte, den Nationen den Segen des Kreuzes Jesu Christi zu gönnen. Jedenfalls hatte Johannes falsch gehandelt (Ap.15:38). Auch die Tatsache, dass er nach Jerusalem, der jüdischsten Stadt, zurückkehrte anstatt nach Antiochien, von wo aus sie ausgezogen waren, dürfte andeuten, dass er Zweifel an der Missionierung der Nationen hatte.

  Einen solchen Mitarbeiter, der sich nicht auf das Evangelium, das dem Paulus für die aus den Nationen vom Herrn enthüllt worden war (Gal.1:12; 2:7), einstellen konnte, konnte Paulus natürlich nicht auf die zweite Missionsreise mitnehmen (Ap.15:37-39).

 

Im pisidischen Antiochien

 

  »Sie aber zogen von Perge aus weiter und kamen nach Antiochien in Pisidien, wo sie am Tag der Sabbate in die Synagoge gingen und sich dort setzten. Nach der Lesung aus dem Gesetz und den Propheten schickten die Synagogenvorsteher zu ihnen und ließen sagen: Männer, Brüder, wenn ihr ein Wort des Zuspruchs an das Volk habt, so sprecht!« (Verse 14+15).

  Antiochien lag im pisidisch-phrygischen Grenzgebiet (genau genommen in Phrygien) im Süden der römischen Provinz Galatien.

  In den Synagogen konnte jeder Jude von den Vorstehern aufgefordert werden, Ausführungen zu den Lesungen vorzutragen; auch Durchreisenden tat man gern die Ehre an, dass sie ein Wort sagen mögen.

 

Die Rede des Paulus

 

  »Da stand Paulus auf, winkte mit der Hand und sagte: Männer, Israeliten! Und ihr, die ihr Got fürchtet! Hört mich an!« (Vers 16).

  Mit der Anrede beider in der Synagoge anzutreffenden Gruppen, und zwar der Juden und der Gottesfürchtigen aus den Nationen, also der Proselyten, die zwar glaubten, sich aber noch nicht hatten beschneiden lassen, begann Paulus seine erste große Ansprache, die Lukas uns hier recht ausführlich wiedergibt.

  Paulus knüpfte an die Gnade der Erwählung an, die den Vätern zuteil wurde, betonte die Fürsorge Gottes für Sein Volk über all die Jahrhunderte und zeigte dann auf, dass der dem David verheißene Sohn und Retter Israels Jesus ist.

  Paulus sagte: »Der Gott dieses Volkes Israel erwählte unsere Väter; Er erhöhte das Volk während seines Verweilens im Land Ägypten und führte sie mit hocherhobenem Arm von dort heraus. Über eine Zeit von etwa vierzig Jahren trug Er sie wie eine Nährende in der Wildnis. Nachdem Er sieben Nationen im Land Kanaan gestürzt hatte, verteilte Er deren Land durch das Los - in etwa vierhundertfünfzig Jahren« (Verse 17-20 a).

  Damit erinnerte der Apostel an Folgendes: Jewe, der Elohim Israels, hatte die Väter geliebt und ihre Nachkommen in Seinem verheißenen Samen erwählt (5.Mose 4:37; 7:6). In Ägypten erhöhte Er das Volk, indem Er es überaus fruchtbar und stärker als seine Bedränger machte (Ps.105:24). Mit großer Kraft führte Er sie aus Ägypten heraus (2.Mose 14:8). Die in Kanaan beseitigten sieben Nationen waren die Hethiter, Girgasiter, Amoriter, Kanaaniter, Perisiter, Hewiter und die Jebusiter (5.Mose 7:1). Danach wurde das Land an die zwölf Stämme verlost (Jos.14-19).

  Die Zuteilung des Landes erfolgte in etwa vierhundertfünfzig Jahren und ist, da in Vers 17 von der Erwählung der Väter die Rede ist, von der Geburt Jakobs im Jahre 1865 v. Chr. an zu rechnen. Von da an bis zum Auszug aus Ägypten im Jahre 1460 v. Chr. sind es 405 Jahre. Hinzu kommen die 40 Jahre in der Wildnis von Sinai und die sechs Jahre der Dauer der Eroberung Kanaans.

  »Danach gab Er ihnen Richter bis auf den Propheten Samuel (1.Sam.3:20; 7:15; Richt.2:16). Von da an baten sie um einen König (1.Sam.8:5,10), und Gott gab ihnen Saul, den Sohn des Kis, einen Mann aus dem Stamm Benjamin, vierzig Jahre lang (1.Sam.10:1,21,24). Nachdem Er ihn abgesetzt hatte (1.Sam.15:23), erweckte Er ihnen David zum König, von dem Er bezeugte: Ich fand David, den Sohn Isais, einen Mann nach Meinem Herzen (1.Sam.13:14; 16:1), der Meinen gesamten Willen ausführen wird« (Verse 20 b-22).

  Von David ausgehend, ist es nicht schwierig, auf Jesus zu sprechen zu kommen, da Jewe dem David die Wahrheit geschworen hatte: »Aus der Frucht deines Leibes werde Ich Einen auf deinen Thron setzen« (Ps.132:11), und zwar für äonisch (Ps.89:5; 2.Sam.7:12-14; 23:5; Jer.33:17). So verkündigte Paulus:

  »Aus dessen Samen hat Gott nach der Verheißung für Israel als Retter Jesus zugeführt« (Vers 23).

  Jesus ist der verheißene Nachkomme Davids (Mat.1:1), der Christus und Retter Israels aus aller Not, der König Israels für die Äonen! Der Name »Jesus« bedeutet »Jewe, der Retter«; von Jewe und Hosea (Retter). Er rettet von den Sünden (Mat.1:21; Luk.1:77), den Feinden (Luk.1:71) und aus dem Tod (Joh.11:25).

  Paulus setzte seine Rede fort:

  »Angesichts Seines Auftretens heroldete Johannes vorher dem gesamten Volk Israel die Taufe der Umsinnung. Als dann Johannes seine Laufbahn vollendet hatte, sagte er: Was ihr mutmaßt, dass ich sei, bin ich nicht; sondern siehe, es kommt Einer nach mir, und ich bin nicht würdig, Ihm die Sandale der Füße zu lösen« (Verse 24+25).

  Johannes der Täufer hatte Jesus als das Lamm Gottes, das der Welt Sünde auf Sich nimmt, verkündigt (Joh.1:29). Zur Teilhabe an der Vergebung und am Königreich war es erforderlich, sich der »Taufe der Umsinnung zur Erlassung der Sünden« (Luk.3:3) zu unterziehen. Ohne Umsinnung und Wassertaufe keine Vergebung und kein äonisches Leben. Im Übrigen lese man Weiteres über Johannes in Johannes 1:19-28 nach.

 

Das Wort der Rettung

 

  Mit seiner neuerlichen Anrede der Söhne Abrahams und der Gott Fürchtenden betonte Paulus, dass das Wort der Rettung in Jesus ganz konkret und jetzt zu ihnen gesandt ist:

  »Männer, Brüder, Söhne aus Abrahams Geschlecht! Und die unter euch, die Gott fürchten! Zu uns ist das Wort dieser Rettung ausgeschickt worden. Denn die Bewohner Jerusalems und ihre Oberen haben diesen (Jesus) nicht erkannt, sondern Ihn verurteilt und so die Stimme der Propheten, die an jedem Sabbat gelesen werden, erfüllt. Wiewohl sie keine Schuld an Ihm fanden, die den Tod verdient, forderten sie Pilatus auf, Ihn hinrichten zu lassen« (Verse 26-28).

  Petrus hatte einst gesagt: »... den habt ihr hinrichten lassen« (Ap.2:23); »den Urheber des Lebens habt ihr getötet« (Ap.3:15). Dies traf auch die Zuhörer des Paulus nicht zu; deshalb beschuldigt er nicht, sondern berichtet nur davon.

  Die Oberen Israels hatten Jesus nicht als den Messias erkannt, ebenso wenig wie diesen Weg Gottes zur Rettung. »Ihr habt in Unkenntnis gehandelt«, hatte Petrus festgestellt (Ap.3:17). Die Oberen dieses Äons hatten die Weisheit Gottes, nämlich Jesus Christus, und diesen als gekreuzigt (1.Kor.2:2), völlig verkannt; sonst hätten sie den Herrn der Herrlichkeit nicht gekreuzigt (1.Kor.2:8). Nach Gottes Vorsatz aber (Ap.3:23; 4:28; Eph.3:11) musste Israel das wahre Opferlamm darbringen.

  So wurde die Stimme der Propheten erfüllt, die Jesu Leiden und Sterben vorausgesagt hatten (5.Mose 18:15; Ps.22; Jes.53; Sach.11:12; vgl. Luk.24:44).

  Paulus fuhr fort:

  »Als man mit allem, was von Ihm geschrieben ist, zum Abschluss gekommen war, nahm man Ihn vom Holz herab und legte Ihn in ein Grab. Gott aber erweckte Ihn aus den Toten, und Er ist an mehreren Tagen denen erschienen, die mit Ihm von Galiläa nach Jerusalem hinaufgezogen waren; die sind nun Seine Zeugen an das Volk« (Verse 29-31).

  Auch Paulus hatte den Auferstandenen gesehen, und zwar den erhöhten und verherrlichten, aber nun sprach er von den zwölf Aposteln, die von der Taufe des Johannes bis zur Himmelfahrt dabei waren, die alles gehört und gesehen und mit ihren Händen betastet hatten (1.Joh.1:1). Da diese all die auf der Erde geschehenen Dinge bezeugen, berief sich Paulus auf sie.

  Zu Seinen Zeugen hatte der Herr Seine Jünger mit den Worten eingesetzt: »Ihr werdet Kraft erhalten, wenn der heilige Geist auf euch kommt; und ihr werdet Meine Zeugen sein: in Jerusalem wie auch im gesamten Judäa und Samaria und bis zur letzten Grenze des Landes« (Ap.1:8). Und so kam es auch: Mehrfach bezeugten Petrus und die anderen Apostel die Auferweckung Jesu, zum Beispiel mit den Worten: »Den hat Gott auferweckt; dafür sind wir Zeugen!« (Ap.3:15; siehe auch 2:32; 4:20; 5:32; 10:39,41).

 

Die erste Verkündigung der Rechtfertigung allein durch Glauben

(Apostelgeschichte 13:32-52)

 

  Wir setzen die Betrachtung der Rede des Apostels Paulus im pisidischen Antiochien fort.

 

»Du bist Mein Sohn!«

 

  »Und wir verkündigen euch die unseren Vätern zuteil gewordene Verheißung als Evangelium, da Gott diese an uns und unseren Kindern voll erfüllt hat, als Er Jesus auferstehen ließ, wie auch im zweiten Psalm geschrieben steht: Du bist Mein Sohn; heute habe Ich Dich gezeugt!« (Verse 32+33).

  Zur Verheißung des Evangeliums zählen alle dem Volk Israel gegebenen Prophezeiungen, insbesondere das Königreich; auf den Punkt gebracht aber ist der Auferstandene Selbst die Verheißung, Jesus, der Sohn Gottes. Er wird der Schlange den Kopf zermalmen (1.Mose 3:15). In Jesus werden alle Familien des Erdbodens gesegnet werden (1.Mose 12:3). In Ihm wird die Sünde beendet, ist die Verwerflichkeit des Volkes gesühnt und wird die Gerechtigkeit für die Äonen herbeigeführt (Dan.9:24).

  Das von Paulus zitierte Wort steht in Psalm 2:7. Die Verse 6 bis 8 lauten: »Doch Ich gieße ein Trankopfer auf Meinen König, auf Zion, Meinen heiligen Berg. Ich zähle es zu einer Satzung: Jewe sagt zu Mir: Mein Sohn bist Du, heute habe Ich Dich gezeugt. Heische von Mir, und Ich werde Dir Nationen als Dein Losteil geben und Dir zum Besitz die Enden der Erde!« - Nach diesen Psalmworten kann unter der Zeugung auch Jesu Inthronisierung als König Israels verstanden werden. Nach unserem Vers 33 darf Seine Auferstehung mit einer Zeugung verglichen werden. Auf jeden Fall aber haben wir hier die Grundaussage, dass das Wort »Du bist Mein Sohn!« auf Jesus allein zutrifft, der durch die Auferstehung als Sohn Gottes erwiesen ist.

 

Jesus gewahrte keine Verwesung

 

  Mit den folgenden Worten bewies Paulus in vertiefender Weise, dass Jesus der Sohn Gottes ist, da das Wort, keine Verwesung zu sehen, nicht auf David zutreffen konnte, sondern nur auf Jesus, den Auferweckten:

  »Dass Er Ihn aus den Toten auferstehen ließ, Ihn, der künftig nicht mehr zur Verwesung zurückkehren wird, hat Er mit diesen Worten gesagt: Ich werde euch die huldreichen und unverbrüchlichen Gnadengüter Davids geben (Jes.55:3). Darum sagt Er auch an anderer Stelle: Du wirst Deinen Huldreichen nicht dahingeben, um die Verwesung zu gewahren (Ps.16:10). Denn David, der seiner eigenen Generation nach dem Ratschluss Gottes beistand, ist zwar entschlafen; er wurde zu seinen Vätern beigesetzt und gewahrte die Verwesung. Der aber, den Gott auferweckte, hat keine Verwesung gewahrt« (Verse 34-37).

  Die David verheißenen Gnadengüter können - da David tot ist - Israel nur in Jesus, dem Lebendigen, zuteil werden. Werfen wir einen Blick auf Psalm 16:9 b - 11 a: »So wird auch mein (des Davids) Fleisch sicher wohnen, weil Du meine Seele nicht im Ungewahrten lassen noch Deinen Huldreichen (Jesus) dahingeben wirst, Verwesung zu sehen. Du hast mich mit dem Pfad des Lebens bekannt gemacht.« Auch David wird mithin nur deshalb auferweckt werden und leben, weil der Huldreiche Gottes lebt. David wusste damals bereits um den Pfad des Lebens, um Jesus, den lebendig machenden Geist.

 

Die Rechtfertigung allein durch Glauben

 

  Jetzt kam Paulus zu seiner Hauptaussage:

  »Daher sei euch bekannt, Männer, Brüder, dass euch durch diesen (Jesus) die Erlassung der Sünden verkündigt wird; und von allem, von dem ihr im Gesetz des Mose nicht gerechtfertigt werden konntet, wird in diesem jeder gerechtfertigt, der glaubt« (Verse 38+39).

  Die Verkündigung der Erlassung (oder: Vergebung) der Sünden durch eben diesen Auferweckten, Jesus, war bereits eine gewaltige Botschaft, die hier in der Synagoge erklang. Sie lag ganz auf der Linie des Evangeliums der Beschneidung, wie auch Petrus es ausgesprochen hatte: »Diesen hat Gott zum Urheber und Retter zu Seiner Rechten erhöht, um Israels Umsinnung und Sündenerlass zu geben« (Ap.5:31). Denken wir hierbei daran, dass Vergebung jeweils für bestimmte Sünden gewährt wurde und bei Nichtbewährung rückgängig gemacht werden konnte (Mat.18:23-35; 2.Pet.2:20-22).

  Sodann hörten die Juden und Proselyten zum ersten Mal überhaupt von der überwältigenden Gnade, allein durch Glauben gerechtfertigt zu werden. Rechtfertigen heißt für gerecht erklären, gerechtsprechen. Der Mensch als solcher, der Glaubende wird in Person von Gott für gerecht erklärt.

  In dem das Königreich Israels zum Thema habenden Bericht des Lukas hören wir nur an dieser einen Stelle etwas von dem dem Apostel Paulus für uns, die aus den Nationen, enthüllten Evangelium (Gal.1:12; 2:7), und zwar von dessen Kernstück, der Rechtfertigung allein durch Glauben.

  Über die Rechtfertigung wird den Juden bekannt gewesen sein, dass es in Jesaia 53:11 in Bezug auf den Messias heißt: »Rechtfertigen soll der Gerechte, Mein Diener, die Vielen, und ihre Verworfenheit (oder: Vergehungen) wird Er Sich aufbürden.« Diese Rechtfertigung ist im Rahmen der Vergebung zu verstehen, da man insofern Gerechtigkeit erlangt hatte, als keine Sünde mehr auf einem lastete.

  Nach dem Gesetz des Mose gab es nur für versehentliche und unwissentliche Sünden Vergebung (4.Mose 15:22-29; Ap.3:17; Heb.9:7). Wovon aber konnte man nach dem Gesetz nicht gerechtfertigt werden? - Von Sünden mit erhobener Hand (4.Mose 15:30,31), das heißt von vorsätzlichen, freiwilligen, in Übereinstimmung mit sich selbst ausgeführten Sünden (vgl. Heb.10:26).

  Was Paulus nun aber verkündigte, dass man nämlich auch von solchen Sünden gerechtfertigt werden konnte, sprengte das Gesetz völlig, und dass man allein durch Glauben gerechtfertigt werde, war eine weitere umwälzende Botschaft.

  Die Rechtfertigung durch Glauben hat Paulus sodann nach der ersten Missionsreise im Galaterbrief näher ausgeführt und vollends später im Römerbrief. Aus diesen Briefen sei kurz zitiert: »Wir sind von Natur Juden und nicht Sünder aus den Nationen; weil wir aber wissen, dass der Mensch nicht aus Gesetzeswerken gerechtfertigt wird, sondern nur durch den Glauben Christi Jesu, so glauben auch wir an Christus Jesus, damit wir aus dem Glauben Christi und nicht aus Gesetzeswerken gerechtfertigt werden« (Gal.2:15,16). »Umsonst gerechtfertigt in Seiner Gnade durch die Freilösung, die in Christus Jesus ist ... zum Erweis Seiner Gerechtigkeit zur jetzigen Frist, damit Er gerecht sei und den rechtfertige, der aus dem Glauben Jesu ist - wo bleibt nun das Rühmen? ... Denn wir rechnen damit, dass der Mensch durch Glauben gerechtfertigt wird, ohne Gesetzeswerke« (Röm.3:24,26,28).

 

»Hütet euch!«

 

  Paulus schloss seine Rede mit einer ernsten Ermahnung: »Hütet euch nun, damit nicht das über euch komme, was in den Propheten angesagt ist: Seht, ihr Verächter, staunet und vergeht; denn Ich tue ein Werk in euren Tagen, ein Werk, das ihr überhaupt nicht glauben würdet, auch wenn es euch jemand ausführlich berichtete« (Verse 40+41).

  Den Zuhörern muss sehr eindrücklich bewusst geworden sein, dass sie sich zu entscheiden hatten und im Falle der Verleugnung Jesu der Zorn Gottes über sie kommen würde.

  Paulus hatte den Propheten Habakuk frei nach der Septuaginta zitiert: »Sehet, ihr Verächter, staunet und vergeht ...« Es war noch nicht an der Zeit, dieses Wort in der hebräischen Fassung anzuführen, die da lautet: »Seht, was unter den Nationen geschieht, und schaut und erstaunt, ja staunt ...«, weil die Position der Nationen sich erst in den nächsten Tagen herausschälen sollte (Verse 46-48).

 

Viele folgten Paulus und Barnabas

 

  »Als sie sich hinausbegaben, sprach man ihnen zu, über diese Dinge am Zwischensabbat zu ihnen zu sprechen. Nachdem sich die Synagogenversammlung aufgelöst hatte, folgten viele der Juden und der Gott verehrenden Proselyten dem Paulus und Barnabas; die sprachen zu ihnen und redeten ihnen zu, in der Gnade Gottes zu verharren« (Verse 42+43).

  Wir freuen uns mit Paulus und Barnabas darüber, dass viele Menschen sie um weitere Belehrung baten. Diese sollte an einem Zwischensabbat geschehen. Der Zwischensabbat war vermutlich ein zwischen zwei gewöhnlichen Sabbaten liegender Festsabbat. Viele der Juden und unbeschnittenen Proselyten glaubten Paulus und Barnabas aber nun schon; diesen sprachen die beiden zu, in der Gnade zu verharren, was besagt, dass sie sich allein durch Glauben gerechtfertigt wussten und dies als eine besondere Gnade erkannt hatten. Eine solche Gnade war bislang nicht bekannt gewesen. Die Gnade leuchtete auf; die damalige heilsgeschichtliche Verwaltung des Übergangs von der pfingstlichen zur gegenwärtigen bekam ihre Prägung: die Gnade gelangte zur Herrschaft!

 

Die erste Verkündigung vor vielen aus den Nationen

 

  »Am folgenden Sabbat versammelte sich beinahe die gesamte Stadt, um das Wort Gottes zu hören. Als die Juden die Scharen gewahrten, wurden sie mit Eifersucht erfüllt, widersprachen dem, was Paulus sagte, und lästerten« (Verse 44+45).

  Die Verkündigung des Paulus und Barnabas hatte sich in ganz Antiochien herumgesprochen und großes Interesse gefunden. So kam es, dass Paulus zum ersten Mal vor zahlreichen Menschen sprach, die überwiegend aus den Nationen waren.

  Sehr wahrscheinlich betonte Paulus erneut die Rechtfertigung allein durch Glauben. Lukas schreibt nichts davon, weil das Evangelium des Apostels Paulus nicht Gegenstand seines Berichts ist. Es muss überwältigend für die Antiochier gewesen sein zu hören, dass man nun »getrennt vom Gesetz« (Röm.3:21) den vollen Segen des Messias erlangen könne, und sogar umsonst, geschenkweise (Röm.3:24), ohne die Opfer nach dem Gesetz des Mose, sondern aufgrund des einzig wahren Opfers Jesu Christi, und zwar allein durch Glauben. Die aus Glauben würden mit dem gläubigen Abraham gesegnet werden (Gal.3:9). Den heiligen Geist würde man durch den Glauben beim Hören von Jesu Glaubenstreue empfangen (Gal.3:5,14), ohne zum Judentum übertreten zu müssen.

  Da wurden die Juden von Eifersucht erfüllt angesichts der Scharen, die sich nunmehr wohl kaum noch der Synagoge zuneigen würden. Ein Zugang zu Gott ohne die Vermittlung Israels war für die Juden undenkbar. Da sie außerdem stolz auf das Gesetz waren, wurden sie Feinde der Gnade.

  Eifersucht ist eine gewaltige üble Kraft. »Grausam ist der hitzige Grimm und überflutend der Zorn; wer aber kann vor der Eifersucht bestehen?« (Spr.27:4). Eifersucht kann zwar für Einzelne durchaus ein Weg oder besser: ein Umweg zur Rettung sein, sofern sie zu intensivem Nachdenken gebracht werden. Paulus schreibt: »Insofern ich nun der Apostel der Nationen bin, verherrliche ich meinen Dienst, ob etwa ich die von meinem Fleisch zur Eifersucht reizen und einige aus ihnen retten könnte« (Röm.11:13,14). Bei den meisten aber wird Eifersucht zu einer völligen Blockade des Denkens und zur Verstockung führen.

  Und die Juden widersprachen, wie Jewe es bereits durch Jesaia von Israel sagte: »Den ganzen Tag breite Ich Meine Hände aus zu einem widerspenstigen und widersprechenden Volk« (Röm.10:21; Jes.65:2).

  Und sie lästerten. Eifersucht ist eine Wegbereiterin für das Lästern.

 

»So wenden wir uns an die Nationen«

 

  »Freimütig entgegneten Paulus wie auch Barnabas: Es war notwendig, dass zuerst euch das Wort Gottes gesagt wurde. Weil ihr es aber von euch stoßt und euch selbst des äonischen Lebens nicht für würdig erachtet, siehe, so wenden wir uns an die Nationen. Denn so hat uns der Herr geboten: Ich habe Dich zum Licht der Nationen gesetzt, damit Du ihnen bis zum letzten Ende der Erde zur Rettung gereichst« (Verse 46+47).

  Über die Jahrhunderte, ja Jahrtausende hatte Gott in erster Linie zu Israel und seinen Vorvätern gesprochen, und noch im Römerbrief heißt es: »... dem Juden zuerst und auch dem Griechen« (Röm.1:16). Das Volk, durch das die anderen erreicht werden sollen, muss zuerst gewonnen werden. Auch Petrus hatte einst in der Weihestätte darauf hingewiesen: »Ihr seid die Söhne der Propheten und des Bundes, den Gott mit euren Vätern geschlossen hat, als Er zu Abraham sagte: In deinem Samen (Jesus) sollen alle Familien der Erde gesegnet werden. Für euch zuerst hat Gott Seinen Knecht (Jesus) auferstehen lassen und Ihn gesandt, um euch zu segnen« (Ap.3:25,26).

  Und dennoch geschah es nun, dass auch die Auslandsjuden das Wort Gottes und damit ihren Messias Jesus von sich stießen, sich selber das Urteil sprechend, wie der Herr es ihnen verdeutlicht hatte: »Wer Mich ablehnt und Meine Worte nicht annimmt, der hat, was ihn richtet: Das Wort, das Ich gesprochen habe, dasselbe wird ihn am letzten Tag richten« (Joh.12:48).

  Mithin werden die aus den Nationen heute nicht durch ein gläubiges Israel gerettet und gesegnet, sondern auf dem Hintergrund der Verstockung Israels. Durch die Kränkung Gottes vonseiten Israels wurde den Nationen die Rettung zuteil. Ihre jetzige Verwerfung ist der Welt Versöhnung (Röm.11:11,15).

  »Siehe, so wenden wir uns an die Nationen!« Nicht zum letzten Mal werden wir diese Worte des Paulus in der Apostelgeschichte lesen. Immer wieder opponierten die Juden, und immer mehr wandte sich Paulus den Nationen zu (Ap.18:6; 19:9; 28:28).

  Vers 47 ist ein Zitat nach Jesaia 49:6: »Siehe, Ich gebe dich (Israel) auch zum Licht der Nationen, dass Meine Rettung werde bis zu den Enden der Erde.« Wenn Israel in Christus, dem Licht, sein wird, dann wird es auch selbst Licht für andere sein. Paulus aber bezieht den Vers auf Jesus, den Messias, der zum Licht der Nationen gesetzt ist, nicht nur für Israel. Auch aus Jesaia 42:6 hätten die Juden wissen sollen, dass der Knecht Gottes auch zum Licht der Nationen gesetzt ist und ihnen deshalb die Rettung gönnen sollen.

  Auch vor König Agrippa erwähnte Paulus später, dass Christus dem Volk Israel wie auch den Nationen das Licht verkündige (Ap.26:23).

  Eines Tages aber wird für das wiedergezeugte Volk wahr werden, was der Herr ihnen sagte: »Ihr seid das Licht der Welt« (Mat.5:14).

 

Die aus den Nationen freuten sich

 

  Paulus und Barnabas hatten zu den Menschenscharen gesprochen und das Wort der Gnade verkündigt.

  »Als die aus den Nationen das hörten, freuten sie sich und verherrlichten das Wort des Herrn; und alle, die zu äonischem Leben verordnet waren, kamen zum Glauben« (Vers 48).

  Welch ein herrlicher Vers! Sie freuten sich über das Evangelium, das sie in Christi Gnade berief (Gal.1:6), und gaben Gott die Ehre, den Dank und die Verherrlichung. Ja, Gott Selbst ist glückselig über die Herrlichkeit dieses Evangeliums (1.Tim.1:11).

  Die aus den Nationen wussten jetzt, dass der Mensch durch Glauben gerechtfertigt wird, ohne Gesetzeswerke (Röm.3:28). Und deshalb ist es aus Glauben, damit es der Gnade gemäß sei (Röm.4:16).

  »Und alle, die zu äonischem Leben verordnet waren, kamen zum Glauben.« - Gott war es, der welche zum äonischen Leben verordnet hatte, zum Leben in den kommenden Äonen, während die Nichtauserwählten noch tot sind - wo, im Himmel oder auf der Erde, war damals noch nicht bekannt gemacht.

  Zum Glauben kann nur kommen, wen der Vater zieht (Joh.6:44), wen Er vor dem Niederwurf der Welt, als die Erde ein Tohuwabohu wurde, auserwählte (Eph.1:4; 1.Mose 1:2). »Die Er zuvor erkannte (im Sinne von: ins Auge fasste), die hat Er auch vorherbestimmt, dem Bilde Seines Sohnes gleichgestaltet zu werden, damit Er der Erstgeborene unter vielen Brüdern sei. Die Er aber vorherbestimmte, diese beruft Er auch; und die Er beruft, diese rechtfertigt Er auch; die Er aber rechtfertigt, diese verherrlicht Er auch« (Röm.8:29,30).

  Unser Glaube ist ein Geschenk. »In Gnaden ist euch für Christus gewährt ... an Ihn zu glauben« (Phil.1:29). »In der Gnade seid ihr Gerettete, durch Glauben, und dies ist nicht aus euch, sondern Gottes Nahegabe, nicht aus Werken, damit sich niemand rühme« (Eph.2:8,9). Alles ist Gnade - nichts ist aus uns.

  Das Wissen um die Auserwählung und die Vorherbestimmung zum Sohnesstand nach dem Wohlgefallen des Willens Gottes, zum Lobpreis der Herrlichkeit Seiner Gnade, die uns in dem geliebten Sohn begnadet, gibt den Gläubigen einen alle Krisen bestehenden, festen Halt. - Wer das Wort der Wahrheit, das Evangelium unserer am Kreuz geschehenen Rettung, hört und glaubt, wird sogar mit dem Geist der Verheißung, dem heiligen, versiegelt (Eph.1:13), unverbrüchlich, sodass man die Rettung nicht mehr verliert.

  So kamen nun durch Gottes herrliches Wirken in Antiochien viele zum Glauben, nicht ganze Nationen, wie unter Israel im tausendjährigen Königreich (Mat.28:19), sondern Einzelne aus den Nationen.

Das Wort zog Kreise

 

  »So wurde das Wort des Herrn durch die ganze Gegend getragen. Die Juden aber reizten die Gott verehrenden und angesehenen Frauen und die Ersten der Stadt auf und erweckten eine Verfolgung gegen Paulus und Barnabas und trieben sie von ihren Grenzen fort. Da schüttelten die beiden den Staub von ihren Füßen über sie ab und gingen nach Ikonium weiter. Die Jünger aber wurden mit Freude und heiligem Geist erfüllt« (Verse 50-52).

  Die Mund-zu-Mund-Propaganda war nicht aufzuhalten. Wer glaubte, der sprach auch, so wie geschrieben steht: »Ich glaube, darum spreche ich« (Ps.116:10; 2.Kor.4:13). So hörten viele im weiten Umkreis das Wort des Herrn.

  Die Juden jedoch - Gott hatte sie in die Widerspenstigkeit eingeschlossen (Röm.11:32) - gingen gegen Paulus und Barnabas vor, nicht götzendienerische Heiden, sondern Juden, die ihre eigene Gerechtigkeit aufzustellen suchten (Röm.10:31), deren gesetzliches Ich verletzt war. - Paulus erwähnt diese Verfolgung übrigens gegenüber Timotheus: »Du aber bist meiner Lehre vollends gefolgt, auch meinem Beweggrund, Vorsatz und Glauben, meiner Geduld und Liebe, meinem Ausharren, meinen Verfolgungen und Leiden, derart wie sie mir in Antiochien, in Ikonium, in Lystra widerfahren sind; doch ich überstand derartige Verfolgungen, und aus ihnen allen barg mich der Herr« (2.Tim.3:10,11).

  Die beiden Männer schüttelten den Staub von ihren Füßen über ihre Gegner ab - der Anweisung des Herrn folgend (Mat.10:14) -, eine Sitte, mit der sie alle Verantwortung auf ihre Verfolger abluden. Sie gingen nach Ikonium weiter, etwa 140 km von Antiochien entfernt. Antiochien war Zentrum der phrygischen, Ikonium die Hauptstadt der lykaonischen Region in Galatien.

  Zwei Jahre später, Ende des Jahres 50 n. Chr., schrieb Paulus von den Juden: »... die sowohl den Herrn Jesus wie die Propheten töteten und uns verjagen. Sie können Gott nicht gefallen und sind allen Menschen entgegen. Uns verwehren sie, zu den Nationen zu sprechen, dass diese gerettet werden, und machen so allezeit ihr Sündenmaß voll. Es kommt aber der Zorn, der zum Abschluss führt, schon im Voraus über sie« (1.Thess.2:15,16).

  Die Jünger, wörtlich: die Lernenden, ließen angesichts der Verfolgung im Glauben nicht nach, denn sie hatten ihre Lektion gelernt, die der überströmenden Gnade, sodass sie im Glauben wuchsen und voller Freude und heiligen Geistes waren. Die frohe Botschaft gab ihnen tiefe, wahre Freude. Jesus Christus, der Sohn des lebendigen Gottes, war nun ihr Retter und Herr.

  Lukas berichtet nichts von einer Gemeindegründung, zumal sie von Anfang an eine herausgerufene Gemeinde waren, weil sie alle zusammen durch den einen Geist in den einen Körper getauft waren, ob Juden oder Griechen, ob Sklaven oder Freie; sie waren alle mit dem einen Geist getränkt (1.Kor.12:13) und allesamt Einer in Christus Jesus (Gal.3:28).

 

In Ikonium und Lystra

(Apostelgeschichte 14)

 

  Auf der in den Jahren 47 und 48 n. Chr. stattgefundenen ersten Missionsreise hatte der Apostel Paulus im pisidischen Antiochien zum ersten Mal die Rechtfertigung allein durch Glauben verkündigt (Ap.13:39). Die aus den Nationen freuten sich darüber, die Juden aber wurden mit Eifersucht erfüllt und brachten eine Verfolgung über Paulus und Barnabas (Ap.13:48-52). So zogen sie - es wird im Jahre 48 n. Chr. gewesen sein - nach Ikonium weiter. Diese Stadt lag am Ostrand des Gebiets Phrygien in der Landschaft Lykaonien im Süden der römischen Provinz Galatien in Kleinasien.

 

In Ikonium

 

  »Dasselbe geschah in Ikonium, als sie in die Synagoge der Juden gingen und so sprachen; daher kam eine große Menge Juden wie auch Griechen zum Glauben. Die widerspenstigen Juden aber erweckten und erbosten die Seelen derer aus den Nationen über die Brüder. Dennoch hielten sie sich nun geraume Zeit dort auf und redeten freimütig im Vertrauen auf den Herrn, der für das Wort Seiner Gnade Zeugnis ablegte, indem Er es gab, dass durch ihre Hände Zeichen und Wunder geschahen« (Verse 1-3).

  »Dasselbe geschah in Ikonium« - dasselbe, nämlich eine von den Juden erwirkte Verfolgung der Apostel Paulus und Barnabas. Das verstockte Volk konnte nicht anders handeln. Jewe hatte zu Jesaia gesagt: »Geh und sage zu diesem Volk: Höret, um zu hören, und verstehet doch nicht! Sehet, um zu sehen, und erkennet doch nicht! Mache das Herz dieses Volkes undurchdringlich dick! Und seine Ohren mache schwerhörig! Und verklebe seine Augen, damit es nicht sehe mit seinen Augen, noch mit seinen Ohren höre und mit seinem Herzen verstehe und umkehre und Heiligung ihm werde« (Jes.6:9,10).

  Das vom Herrn verfluchte Volk - wie sollte es anders handeln können? Hatte Jesus doch zu dem Feigenbaum gesagt: »Nie mehr komme Frucht von dir für den Äon!« - Und der Feigenbaum verdorrte auf der Stelle (Mat.21:19). Der Feigenbaum ist ein Symbol für Israel und die Feigen für Israels Fruchtbarkeit und Süße (Richt.9:11; Jer.2:2-10; Hos.9:10).

  In Ikonium sprachen Paulus und Barnabas ebenso wie in Antiochien; sie verkündigten also die Rechtfertigung allein durch Glauben. Eine gewaltige Botschaft! Die Menschen, die Gott glauben, dass Er Seinen Sohn Jesus Christus um ihrer Kränkungen willen dahingegeben und um ihrer Rechtfertigung willen  auferweckt hat, diese erklärt Gott für gerecht, weit weg von allen Sünden; an Schuld ist gar nicht mehr zu denken, zumal ihre alte Menschheit mitgekreuzigt, mitgestorben und mitbegraben ist.

  Und alle, die zu äonischem Leben verordnet waren, kamen zum Glauben (vgl. Ap.13:48).

  Die Juden aber brachten die aus den Nationen gegen die Brüder - damit sind wohl alle Gläubigen gemeint - auf. Immer klarer trat die Scheidung zwischen den mosaisch gläubigen Juden und denen allen zutage, die glaubten, dass Jesus der Messias ist.

  Die Juden waren Söhne der Widerspenstigkeit, so wie der Herr gesagt hatte: »Ihr sucht Mich zu töten, weil Mein Wort in euch keinen Raum gewinnt. ... Ihr seid von dem Vater, dem Widerwirker, und wollt nach den Begierden eures Vaters handeln. ... Wer aus Gott ist, der hört die Worte Gottes. Ihr hört deshalb nicht, weil ihr nicht aus Gott seid!« (Joh.8:37,44,47). Sie waren Antichristusse, wie der Apostel Johannes schrieb: »Wer ist ein Lügner, wenn nicht der, welcher leugnet und sagt: Jesus ist nicht der Christus? Der ist ein Antichrist, der den Vater und den Sohn leugnet. Jeder, der den Sohn leugnet, hat auch den Vater nicht« (1.Joh.2:22,23).

  Die Stimmungsmache gegen die Gläubigen nahm einige Zeit in Anspruch und ließ Paulus und Barnabas noch genügend Raum für ihre Verkündigung der Gnade Gottes. Ein wesentliches Wort der Gnade ist die Rechtfertigung durch Glauben (vgl. Röm.4:16). Und Gott bezeugte ihren Dienst durch Zeichen und Wunder, wie sie in der damaligen heilsgeschichtlichen Verwaltung des Übergangs von der pfingstlichen zur gegenwärtigen üblich waren.

 

Paulus und Barnabas wichen der Gefahr

 

  »Doch die Volksmenge der Stadt spaltete sich: die einen hielten es mit den Juden, die anderen mit den Aposteln. Als aber die aus den Nationen wie auch die Juden samt ihrer Obrigkeit das Vorhaben billigten, sie zu misshandeln und zu steinigen, nahmen sie, als sie sich dessen bewusst wurden, Zuflucht in den Städten Lykaoniens, Lystra und Derbe und Umgegend. Dort verkündigten sie ebenfalls das Evangelium« (Verse 4-7).

  Das Evangelium ist das Evangelium Gottes über Seinen Sohn Jesus Christus, der dem Fleisch nach aus dem Samen Davids kommt, der als Sohn Gottes erwiesen ist in Kraft nach dem Geist der Heiligkeit durch Auferstehung Toter (Röm.1:3,4).

  Angesichts des Wortes der Gnade, das die Herzen der Menschen gewann, regte sich der wahre Feind des Paulus und Barnabas, der Satan, der Geist, der in den Söhnen der Widerspenstigkeit wirkt (Eph.2:2), der auch in den Einwohnern von Ikonium samt ihrer Obrigkeit bewirkte, dass sie nichts mehr vom Wort der Gnade hören wollten (vgl. 2.Kor.4:3,4). Satan ist ein Menschentöter von Anfang an (Joh.8:44). Die Lebensgefahr für die beiden Apostel wuchs, sodass sie ausweichen mussten und nach Lystra in Lykaonien flohen, getreu dem Wort des Herrn: »Wenn man euch in dieser Stadt verfolgt, so flieht in die andere« (Mat.10:23).

  Wer fliehen muss, erfährt seine Schwachheit. Paulus konnte sich nur seiner Schwachheit rühmen (2.Kor.11:30). Der Herr hatte ihm versichert: »Dir genügt Meine Gnade; denn Meine Kraft wird in Schwachheit vollkommen gemacht« (2.Kor.12:9), ... denn Meine Kraft kommt in deiner Schwachheit vollkommen zum Ausdruck. Und Paulus bezeugt: »Sehr gern werde ich daher eher die Schwachheiten an mir rühmen, damit die Kraft des Christus über mir zelte« (2.Kor.12:9).

  Hier in Lystra scheint Paulus zum ersten Mal nicht in eine Synagoge gegangen zu sein - vermutlich gab es dort keine -, sondern direkt zu denen aus den Nationen gesprochen zu haben (Juden waren sicherlich auch unter seinen Zuhörern). Dies war ein weiterer Schritt weg von Israel hin zu den Nationen.

 

Die Heilung eines Lahmen in Lystra

 

  »Da saß in Lystra ein Mann mit kraftlosen Füßen, gelähmt von seiner Mutter Leib an, der noch nie hatte umhergehen können. Dieser hörte Paulus sprechen; als der ihn fest ansah und gewahrte, dass er den Glauben hatte, gerettet zu werden, sagte er mit lauter Stimme: Steh auf, stell dich aufrecht auf deine Füße! - Da schnellte er hoch und ging umher« (Verse 8-10).

  Als Paulus den Lahmen konzentriert ansah, musste ihm der Geist Christi deutlich gemacht haben, dass der Lahme dem Evangelium glaubte. Da befahl Paulus ihm in der Kraft heiligen Geistes, aufzustehen. Jener Mann wurde nicht nur für das äonische Leben gerettet, sondern auch von seiner Krankheit. Seine Rettung geschah allein durch Glauben, den der Herr Jesus Christus ihm in Gnaden gewährte (Ap.3:16; Eph.2:8; Phil.1:29).

  Hier lesen wir zum dritten Mal in der Apostelgeschichte von der Heilung eines Gelähmten (Ap.3:1-8; 9:32-35). In Jesaia 35:6 steht geschrieben: »Dann wird der Lahme springen wie ein Hirsch.« Die Erfüllung dieser Verheißung für das tausendjährige Königreich Israels war während der Zeit der Apostelgeschichte zeichenhaft im Anbruch begriffen.

 

Sie wollten dem Zeus opfern

 

  »Als die Scharen gewahrten, was Paulus getan hatte, erhoben sie ihre Stimme und sagten auf lykaonisch: Die Götter sind den Menschen gleich geworden und zu uns herabgestiegen! - Dann nannten sie den Barnabas Zeus, den Paulus aber Hermes, weil er es war, der das Wort führte. Auch der Priester des Zeus, der vor der Stadt war, brachte Stiere und Girlanden an die Tore und wollte mit der Volksmenge opfern« (Verse 11-13).

  Nach heidnischer Auffassung konnten die Götter durchaus in Menschengestalt erscheinen. Zeus war der oberste der griechischen Götter, Hermes der Götterbote, auch der Gott der Reisenden, des Handels und der Redner. Die Menschen in Lystra sahen in Paulus Hermes, weil er als Redner auftrat, und in Barnabas Zeus, weil er ihnen der aus dem Hintergrund alles Dirigierende zu sein schien.

  Der Priester des Zeus und die Volksmenge wollten nun dem Barnabas und Paulus Stiere opfern.

  Dies war Satans Versuch, dem wahren Gott eine abgöttische Verehrung darzubringen. Die Taktik Satans ist es, den Glauben zu einer Religion herabzuwürdigen. Religionen knechten ihre Anhänger zwar und beuten sie aus, sind aber menschengemäß, sodass man im Grunde nicht gegen sie eingestellt ist. Religionen pressen den Glauben in ihre Vorstellungswelt und Rituale. Das ist die Vorgehensweise Satans.

 

Barnabas und Paulus wehrten ihnen

 

  »Als die Apostel Barnabas und Paulus das hörten, zerrissen sie ihre Kleider, sprangen hinaus unter die Volksmenge und riefen laut: Männer, warum tut ihr dies? Auch wir sind nur Menschen, mit gleicher Empfindung wie ihr; wir verkündigen das Evangelium, damit ihr euch von diesen eitlen Dingen umwendet zu dem lebendigen Gott, der den Himmel, die Erde und das Meer geschaffen hat samt allem, was in ihnen ist. Er ließ in den verflossenen Generationen alle Nationen ihre eigenen Wege gehen, obwohl Er Sich nicht unbezeugt gelassen hat, indem Er Gutes wirkte, Regen vom Himmel und fruchtbringende Fristen gab und unsere Herzen mit Nahrung und Fröhlichkeit erquickte. - Als sie dies sagten, konnten sie der Volksmenge kaum Einhalt gebieten, ihnen nicht zu opfern« (Verse 14-18).

  Wahrscheinlich hatten Barnabas und Paulus das auf Lykaonisch Gesprochene zunächst nicht verstanden; als ihnen aber bewusst wurde, was die Menge und der Priester des Zeus vorhatten, zerrissen sie zum für alle erkennbaren Zeichen ihrer Empörung über die ihnen zugedachte abgöttische Verehrung ihre Kleider und versuchten, die Menschen zur Vernunft zu bringen.

  Da die Lykaonier wohl kaum etwas von der Bibel wussten, bezogen sich die beiden nicht auf sie, sondern sprachen nur die elementaren Dinge an, die die Menschen aus den heidnischen Nationen ohne Weiteres verstehen konnten. So bezeugten sie von sich selbst, dass sie auch nur Menschen seien, von gleicher Empfindung wie alle anderen auch. Sie seien keine Götter, sondern verkündigten ihnen die frohmachende Botschaft des einzigen und wahren Gottes, der sie von der Sklaverei ihres eitlen Götzendienstes befreie, wenn sie sich nur zu dem lebendigen Gott umwenden, der alles erschaffen hat. - Die Schöpfung von Himmel und Erde ist eine in der Bibel wiederholt betonte Tatsache und gehört zu den grundlegenden Verkündigungsinhalten. Nach Röm.1:19,20 erkennen die Menschen den Schöpfer sowie Seine unwahrnehmbare Kraft und Göttlichkeit an der Schöpfung.

  In Vers 16 stoßen wir auf die bemerkenswerte Aussage, dass Gott alle Nationen in den vergangenen Generationen ihre eigenen Wege gehen ließ. Ja, Er hatte Sich im Wesentlichen nur mit Israel befasst, um dieses Volk für dessen königliche und priesterliche Aufgabe vorzubereiten. Jetzt aber ist es so weit, dass Gott Sich an die Nationen wendet - durch Paulus. Dieser Mann erhielt Gnade und Aposteltum zur Aufrichtung des Glaubensgehorsams unter allen Nationen (Röm.1:5). Damit gingen die Zeiten der Unkenntnis für die Völkerwelt zu Ende (Ap.17:30). Wege der Sünde nur waren die Völker gegangen; nunmehr aber wird ihnen das Wort der Erlösung gebracht.

  Sodann hoben Barnabas und Paulus hervor, dass Gott Sich nicht nur durch die Schöpfung bezeugt hat, sondern auch durch Sonne und Regen und Früchte zum Wohlergehen der Menschen. Gott ist der Geber aller Gaben, die Quelle aller Wohltaten.

  Schließlich gelang es den beiden Aposteln, der Volksmenge mit diesen Hinweisen auf den lebendigen Gott Einhalt zu gebieten.

  Gewiss werden sie in den folgenden Tagen und Wochen des Weiteren gesagt haben, dass Gott Sich auch mit der Heilung des gelähmten Mannes durch Jesus Christus bezeugte. Paulus wird ihnen Jesus Christus, und diesen als gekreuzigt, vor ihre Augen gezeichnet haben, woran er sie etwa ein Jahr später mit Galater 3:1 erinnerte. Und die Menschen in Lystra werden sich ebenso wie die in Antiochien über das Wort der Gnade, allein durch Glauben gerechtgesprochen zu werden, gefreut und Gott verherrlicht haben; und alle, die zu äonischem Leben verordnet waren, kamen zum Glauben (Ap.13:48).

 

Die Steinigung des Paulus

 

  »Dann kamen von Antiochien und Ikonium Juden herüber und überredeten die Volksmenge; sie steinigten Paulus, schleiften ihn zur Stadt hinaus und meinten, er sei gestorben. Als ihn aber die Jünger umringten, stand er auf und ging in die Stadt zurück. Tags darauf zog er mit Barnabas nach Derbe weiter« (Verse 19+20).

  Wieder trat die Eifersucht und Feindschaft der Juden gegen Jesus und Seinen Apostel sowie das Wort der überfließenden Gnade zutage. Im Einklang mit der von ihnen umgestimmten Menge, die zudem das Evangelium als eine Bedrohung ihrer Religion empfunden haben wird, steinigten sie Paulus. Der Satan hatte die Gedanken jener Ungläubigen geblendet, sodass ihnen der Lichtglanz der Herrlichkeit des Christus nicht erstrahlt war (2.Kor.4:4). Über die Juden schreibt Paulus zwei Jahre später, im Jahre 50 n. Chr.: »... die sowohl den Herrn Jesus wie die Propheten töteten und uns verjagen. Sie können Gott nicht gefallen und sind allen Menschen entgegen. Uns verwehren sie, zu den Nationen zu sprechen, dass diese gerettet werden, und machen so allezeit ihr Sündenmaß voll. Es kommt aber der Zorn, der zum Abschluss führt, schon im Voraus über sie« (1.Thess.2:15,16).

  Es geschah dem Paulus, wie es ihm angesagt worden war, dass er nämlich um des Namens des Herrn willen viel leiden müsse (Ap.9:16). Aber auch wir heute sind zu Drangsalen bestimmt (1.Thess.3:3) und erfahren Feindschaft gegen unsere Verkündigung des Evangeliums des Apostels Paulus, wenn auch sehr subtil, das heißt fein strukturiert und daher schwer zu durchschauen.

  Paulus kommt in seinen Briefen mehrmals auf dieses einschneidende Erlebnis des Jahres 48 n. Chr. zurück. Er schreibt: »... einmal wurde ich gesteinigt« (2.Kor.11:25); »Du aber bist meiner Lehre vollends gefolgt, auch ... meinen Verfolgungen und Leiden, derart wie sie mir in Antiochien, in Ikonium, in Lystra widerfahren sind« (2.Tim.3:11). Paulus tat seinen Dienst »als sterbend, und siehe, wir leben, als gezüchtigt und doch nicht zu Tode gebracht« (2.Kor.6:9).

  Bei alledem wusste Paulus aber, dass er sich gerade nur der Dinge rühmen konnte, die seine Schwachheit erwiesen (2.Kor.11:30); so schrieb er: »Darum ist mir wohl zumute selbst in Schwachheiten, unter Misshandlungen, in Nöten, in Verfolgungen, unter Druck um Christi willen; denn wenn ich schwach bin, dann bin ich kraftvoll« (2.Kor.12:10).

  Als sich die in Lystra bereits zum Glauben Gekommenen dem gesteinigten und bewusstlosen Apostel mitleidsvoll zuwandten, geschah ein gewaltiges Heilungswunder. Paulus erhob sich und ging wieder in die Stadt. Und tags darauf machte er sich mit Barnabas auf den Weg in das 80 km entfernte, südöstlich von Lystra gelegene Derbe.

 

Die Befestigung der ersten Gemeinden

 

  »Nachdem sie auch in jener Stadt das Evangelium verkündigt und eine beträchtliche Zahl von Jüngern gewonnen hatten, kehrten sie nach Lystra, Ikonium und Antiochien zurück, befestigten dort die Seelen der Jünger und sprachen ihnen zu, im Glauben zu bleiben, »da wir durch viele Drangsale in das Königreich Gottes eingehen müssen.« Dann wählten sie ihnen Älteste für die herausgerufene Gemeinde [oder: gemäß der jeweiligen Herausgerufenen] und befahlen sie unter Gebet und Fasten dem Herrn, an den sie gläubig geworden waren« (Verse 21-23).

  In der Stadt Derbe kamen durch den Dienst der beiden unter anderen Gajus und Timotheus zum Glauben (Ap.20:4).

  Paulus und Barnabas war es ein Anliegen - und deshalb kehrten sie in die Städte ihres vorigen Wirkens zurück -, die neu gewonnenen Jünger Jesu fest im Glauben zu gründen, damit niemand in den Drangsalen schwankend werde. Wie aus den Versen 21 bis 23 hervorgeht, festigten sie die ersten Gemeinden aus den Nationen

-       durch die Verkündigung des Evangeliums der Rechtfertigung allein durch den Glauben an Jesus Christus, den Gekreuzigten, Auferstandenen und Verherrlichten;

-       durch die wiederholende und vertiefende Belehrung;

-       durch den Zuspruch, im Glauben zu bleiben (die Gläubigen waren damals mit dem heiligen Geist noch nicht versiegelt); wer Gott glaubt, hat Festigkeit;

-       durch die Unterweisung, warum Drangsale sein müssen (weil unsere Schwachheit deutlich werden soll und in ihr die Kraft des uns innewohnenden heiligen Geistes; Röm.5:3-5; 8:11; 2.Kor.4:7-11+17):

-       durch die Einsetzung von Ältesten;

-       durch die Fürbitte für sie, wobei hier in Vers 23 wohl die Ältesten gemeint sind.

  Im Übrigen dürfte Paulus den Gläubigen bezeugt haben, dass er nichts gegen die ihm feindlich gesinnten Menschen habe und seinen Verfolgern nichts nachtrage, ebenso wie Gott den Menschen ihre Kränkungen, die sie Seinem Vaterherzen zufügen, nicht anrechnet (2.Kor.5:19). Mithin wird er neben der Rechtfertigung nun auch bereits die Versöhnung verkündigt haben.

  Paulus bemühte sich aber auch weiterhin um diese Gemeinden, indem er ihnen im Jahre 49 n. Chr. den Galaterbrief schrieb.

 

Sie beendeten die erste Missionsreise

 

  »Als sie Pisidien durchzogen hatten, kamen sie nach Pamphylien, sprachen das Wort des Herrn in Perge und zogen nach Attalia hinab. Von dort segelten sie nach Antiochien, von wo aus sie der Gnade Gottes zu dem Werk übergeben worden waren, das sie nun ausgerichtet hatten« (Verse 24-26).

  Paulus und Barnabas zogen denselben Weg zurück, den sie gekommen waren. Und nun verkündigten sie auch in Perge, der Hauptstadt der Provinz Pamphylien, das Wort. Dort hatte sich auf der Hinreise Johannes Markus von ihnen getrennt (Ap.13:13). Dann gingen sie nach Attalia (heute Antalya) am Mittelmeer hinab. Von dort aus segelten sie zurück zu ihrer Heimatgemeinde im syrischen Antiochien.

  Dort waren sie bei ihrer Ausreise der Gnade Gottes übergeben worden (Ap.13:3). Alles, was Gott durch sie gewirkt hatte, war Gnade, sowohl dass sie die Gnade der Rechtfertigung allein durch Glauben verkündigen durften wie auch, dass Gott vielen Menschen aus den Nationen die Gnade zum Glauben gab, und des Weiteren, dass die Gnade sie in den Strapazen, Verfolgungen und Gefahren ihrer Reise in ihrem Dienst kräftigte. Später bezeugte Paulus: »In der Gnade Gottes aber bin ich, was ich bin; und Seine Gnade, die in mir wirkt, ist nicht vergeblich gewesen; sondern weit mehr als sie alle mühe ich mich, jedoch nicht ich, sondern die Gnade Gottes, die mit mir ist« (1.Kor.15:10).

  Zu einem Werk waren sie vom Herrn berufen worden (Ap.13:2). Das Werk bestand nicht nur in der Reise, sondern in der Verkündigung Jesu Christi, der zum Licht der Nationen gesetzt ist, zur Rettung der Nationen bis zum letzten Ende der Erde (Jes.49:6; Ap.13:47), in der Verkündigung des Sohnes Gottes als Evangelium unter den Nationen (Gal.1:16). Ihr Werk bestand zudem in der Gründung von vier oder auch mehr Gemeinden aus den Nationen (in Antiochien, Ikonium, Lystra und Derbe). Der Herr Jesus Christus hatte ihren Dienst gesegnet und einen wesentlichen Fortschritt in der Heilsgeschichte geschenkt, dass nämlich die aus den Nationen, ohne Proselyten Israels werden zu müssen, allein durch Glauben gerechtfertigt und für das äonische Leben gerettet werden.

 

Eine Tür des Glaubens für die Nationen

 

  »Nach ihrer Ankunft versammelten sie die herausgerufene Gemeinde und verkündigten alles, was Gott durch sie vollbracht hatte, und dass Er den Nationen eine Tür des Glaubens aufgetan habe. Sie hielten sich dann ziemlich lange Zeit bei den Jüngern auf« (Verse 27+28).

  Sie berichteten ihrer Gemeinde alles - nicht, was sie vollbracht hatten, sondern - wie es in Wahrheit ist -, was Gott durch sie getan hatte. Keiner bringt etwas aus sich hervor, jede Frucht ist nur durch Jesus Christus (Phil.1:11). Schon bei Jesaia ist zu lesen: »All unser Tun wirktest Du uns« (jes.26:12).

  Ebenso eindeutig hält Lukas fest, dass Gott den Nationen eine Tür aufgetan hat, und zwar des Glaubens. Durch Glauben also gehen sie in den Segen des Kreuzes Jesu Christi ein, in die Rechtfertigung, die Versöhnung und die Rettung zum äonischen Leben.

  Allein durch Glauben - ohne die Voraussetzungen eines gottesfürchtigen Wandels und der Umsinnung, die bei Kornelius vorlagen (Ap.10:2; 11:18), ohne Vermittlung der an Jesus gläubigen Synagogengemeinden - das war neu! Diese Tür war bisher verschlossen gewesen. Mit der ersten Missionsreise wurde sie geöffnet.

  Eine neue heilsgeschichtliche Verwaltung (griech. oikonomia, Haushaltung, Vefahrensordnung) zeichnete sich ab, die, die im Glauben besteht (1.Tim.1:4; Eph.3:2).

  Die Heimatgemeinde des Barnabas und Paulus wird im Übrigen mit Wehmut die heilsgeschichtlich bedeutsame Tatsache zur Kenntnis genommen haben, dass nun auch die Auslandsjuden in ihrer Mehrzahl ebenso wie die in Judäa Jesus als den Messias abgelehnt hatten, und sich bewusst geworden sein, dass der König das Königreich Israels daher vorerst nicht heraufführen werde.

  Während der ziemlich langen Zeit in Antiochien erfuhr Paulus von den in seinen galatischen Gemeinden aufgekommenen Irrtümern, woraufhin er ihnen im Jahre 49 n. Chr. eilends den Galaterbrief schrieb.

 

Die Apostelversammlung wegen der Frage der Beschneidung

(Apostelgeschichte 15:1-35)

 

  Zu der jüdischen herausgerufenen Gemeinde im syrischen Antiochien gehörten auch an Jesus, den Christus, gläubige Menschen aus den Nationen, die sich nicht hatten beschneiden lassen und mithin nicht zum Judentum übergetreten waren. Im Übrigen wird es sich bis nach Jerusalem herumgesprochen haben, dass Paulus und Barnabas in Galatien Gemeinden gegründet hatten, die keinerlei Bindung an Israel hatten, sondern sich allein durch Glauben allen Segens erfreuten.

 

Einige forderten die Beschneidung

 

  »Einige, die von Judäa herabgekommen waren, belehrten dann die Brüder: Wenn ihr nicht nach der Sitte des Mose beschnitten werdet, könnt ihr nicht gerettet werden« (Vers 1).

  Für die hebräisch geprägten Gläubigen war das Gesetz des Mose die unabdingbare Norm, in deren Rahmen der Glaube an Jesus, den Messias, auszuüben war. Und das Gesetz forderte die Beschneidung (2.Mose 12:48; 3.Mose 12:3).

  So entstand die Frage: Können die Gläubigen aus den Nationen nur als Proselyten des Judentums die Rettung erlangen oder auch ohne Beschneidung und damit ohne Beachtung des Gesetzes? Kurz gesagt: Ist die Beschneidung heilsnotwendig? Genügt der Glaube an Jesus Christus oder ist zusätzlich das Gesetz zu halten?

  Paulus und Barnabas waren im Jahr zuvor, im Jahre 48 n. Chr., von der ersten Missionsreise zurückgekehrt, auf der Gott den Nationen eine Tür aufgetan hatte, und zwar die des Glaubens (Ap.14:27). Sollte sie jetzt sogleich wieder zugeschlagen werden? Was sollte nun gelten: der Glaube oder das Gesetz, die Gnade oder die Werke?

 

Es entstand eine Auseinandersetzung

 

  In Vers 2 lesen wir nun von der Reaktion auf die Forderung der Beschneidung:

  »Als man sich dagegen auflehnte und zwischen denen aus Judäa und Paulus und Barnabas eine ziemlich lange Auseinandersetzung entstand, ordnete man an, dass Paulus und Barnabas samt einigen anderen aus ihrer Mitte wegen dieser Frage zu den Aposteln und Ältesten nach Jerusalem hinaufziehen sollten.«

  Man kann sich vorstellen, dass die Wogen hochschlugen. Paulus wird wohl so argumentiert haben, wie er es gerade zuvor in seinem Brief an die Galater ausgedrückt hatte: »Für die Freiheit hat Christus uns frei gemacht. Stehet nun fest in ihr und lasst euch nicht wieder im Joch der Sklaverei festlegen. Siehe, ich, Paulus, sage euch: Wenn ihr euch beschneiden lasst, wird Christus euch nichts nützen. Nochmals bezeuge ich es jedem Menschen, der sich beschneiden lässt, dass er es schuldig ist, das ganze Gesetz zu halten. Ihr seid des Segens enthoben und von Christus abgetrennt, die ihr durch das Gesetz gerechtfertigt werden wollt: ihr seid aus der Gnade gefallen« (Gal.5:1-4).

  Hier sei darauf hingewiesen, dass der in Galater 2:1-10 berichtete zweite Besuch des Paulus in Jerusalem nicht mit der Apostelversammlung von Apostelgeschichte 15 in eins zu setzen ist, sondern mit Apostelgeschichte 12:25. Das in Galater zwei Geschilderte fand 14 Jahre nach der Berufung des Paulus (Gal.2:1), und zwar im Jahr 47 n. Chr., kurz vor der ersten Missionsreise statt. Damals zog Paulus infolge einer Enthüllung nach Jerusalem (Gal.2:2), nicht aufgrund eines Gemeindebeschlusses (Ap.15:2). Titus war nicht genötigt worden, sich beschneiden zu lassen (Gal.2:3), was besagt, dass diese Frage noch nicht entschieden war; die Entscheidung erfolgte erst mit Apostelgeschichte 15:19. Beim zweiten Besuch in Jerusalem hatten Jakobus, Kephas und Johannes dem Paulus nichts auferlegt (Gal.2:6); beim dritten Besuch wurden denen aus den Nationen die Erlasse des Jakobus auferlegt (Ap.15:20,29).

  Den Galaterbrief verfasste Paulus im Jahre 49 n. Chr. während seines längeren Aufenthalts im syrischen Antiochien (Ap.14:28). Und dann geschah im selben Jahr dieses, was wir jetzt in unserem Kapitel 15 lesen.

  Nun also schickte die Gemeinde Paulus und Barnabas sowie einige andere, die durchaus auch als Zeugen der zu erwartenden Entscheidung angesehen werden dürfen, nach Jerusalem zu den Aposteln und Ältesten, die hier in einem Atemzug genannt werden, was für ihre Eintracht und Zusammenarbeit spricht.

 

Die Reise

 

  »Von der herausgerufenen Gemeinde wurde ihnen nun das Geleit gegeben. Sie kamen dann durch Phönizien wie auch Samaria, wo sie ausführlich von der Umkehr derer aus den Nationen berichteten und allen Brüdern damit große Freude bereiteten« (Vers 3).

  Das Geleit, das einige aus der Gemeinde ihnen für eine Strecke Weges gaben, zeigt, dass ihr Zug nach Jerusalem von der ganzen Gemeinde mitgetragen wurde.

  In Phönizien und Samaria nahmen sie die Gelegenheit wahr, den Gläubigen dort von Gottes Wirken unter den Nationen zu berichten. Außerdem pflegten sie auf diese Weise den Kontakt unter den einzelnen Gemeinden.

 

In Jerusalem

 

  »Als sie in Jerusalem ankamen, wurden sie von der herausgerufenen Gemeinde, den Aposteln und Ältesten empfangen und verkündigten alles, was Gott durch sie getan hatte. Da standen einige von der Sekte der Pharisäer auf, die gläubig geworden waren, und sagten: Man muss sie beschneiden und anweisen, auch das Gesetz des Mose zu halten« (Verse 4+5).

  Der Bericht der Gesandtschaft über das, was Gott unter den Nationen getan hatte, war bereits die Beweisführung des Paulus, dass an eine Beschneidung nicht zu denken ist, denn Gott hatte sie durch Glauben angenommen. Wer wollte Gott wehren?

  Die an Jesus gläubigen Pharisäer hatten die heilsgeschichtliche Wende nicht erkannt, dass Gott nämlich etwas Neues begonnen hatte, nachdem Israel in seiner Mehrheit Jesus als den Messias abgelehnt hatte und das Königreich mithin zunächst nicht kommen würde. Würde es alsbald anbrechen, so wären die Nationen Israel und dem Gesetz unterzuordnen. Jetzt aber handelte Gott ohne Israel, zumal mit einem ungläubigen Israel ohnehin nichts anzufangen war.

 

Der Schiedsspruch des Petrus

 

  »Darauf versammelten sich die Apostel und Ältesten, um sich in diesen Fall Einblick zu verschaffen. Als es zu einer längeren Auseinandersetzung kam, stand Petrus auf und sagte zu ihnen: Männer, Brüder, ihr wisst Bescheid, dass Gott mich schon in den Anfangstagen unter euch erwählt hat, damit die Nationen durch meinen Mund das Wort des Evangeliums hören sollten und so zum Glauben kämen. Gott, der Herzenskenner, bezeugte Sich an ihnen, indem Er ihnen so wie auch uns den Geist, den heiligen, gab. Er machte zwischen uns und ihnen keinen Unterscheid und reinigte ihre Herzen durch den Glauben. Was versucht ihr denn nun Gott, indem ihr auf den Hals der Jünger ein Joch legt, das weder unsere Väter noch wir zu tragen vermochten? Nein, durch die Gnade des Herrn Jesus glauben wir, in derselben Weise gerettet zu werden wie auch jene« (Verse 6-11).

  Der Apostel Petrus hatte mit diesem seinem Schiedsspruch keinerlei Zugeständnisse an die Beschneidungseiferer gemacht, sondern deutlich zum Ausdruck gebracht, dass er aufgrund der Gnade des Herrn Jesus davon überzeugt ist, dass die Herzen der Menschen, seien es Juden oder Griechen, durch den Glauben gereinigt werden.

  Dass die Juden nach wie vor die Beschneidung als äußeres Zeichen der Reinigung hatten und ihren Glauben unter Beachtung des Gesetzes ausübten sowie ihre Rettung durch edle Werke zu bestätigen hatten (2.Pet.1:10), tat dem keinen Abbruch. Durch das Halten des Gesetzes aber wurde kein Jude gerettet, weil das Gesetz durch das Fleisch schwach war (Röm.8:3), das heißt kein Mensch die Kraft hatte, es zu erfüllen.

  Wie Petrus eingangs sagte, hatten die Nationen auch durch ihn das Evangelium gehört; dabei denken wir an den römischen Hauptmann Kornelius und sein Haus (Ap.10). Damals hatte Petrus verkündigt: »Diesem (Jesus) bezeugen alle Propheten: Durch Seinen Namen erhält jeder, der an Ihn glaubt, Erlassung der Sünden« (Ap.10:43). Und Lukas berichtete: »Noch während Petrus diese Worte sprach, fiel der Geist, der heilige, auf alle, die das Wort hörten« (Ap.10:44; siehe auch 11:17).

  Das Joch des Gesetzes auf den Hals der Jünger aus den Nationen zu legen, hatte Petrus als eine Versuchung Gottes bezeichnet. Es wäre also eine Sünde gewesen - völlig gegen den Willen Gottes, der ja bereits ganz anders unter den Nationen gewirkt hatte. - Ein Joch wird das Gesetz genannt, weil es die Menschen unter die Ordnungen Gottes zwang und mit einem Fluch verbunden war: »Verflucht ist jeder, der nicht bei allen in der Rolle des Gesetzes geschriebenen Geboten bleibt, um sie zu erfüllen« (5.Mose 27:26; Gal.3:10).

 

Sie schwiegen

 

  »Da schwieg die gesamte Menge, und sie hörten Barnabas und Paulus alles schildern, was Gott durch sie an Zeichen und Wundern unter den Nationen getan hatte« (Vers 12).

  Auf diese geistgewirkte Darlegung und Entscheidung des Petrus hin konnte man nur schweigen und Gott im Herzen verherrlichen. Das schloss auch die Pharisäer ein.

  Und wie zur Bestätigung schilderten Barnabas und Paulus sodann das gesetzesfreie Wirken Gottes unter den Nationen. Und wieder konnten die Gläubigen nur ergriffen schweigen (Vers 13 a).

 

Die Rede des Jakobus

 

  »Als sie dann schwiegen, nahm Jakobus das Wort und sagte: Männer, Brüder, hört mich an! Simeon hat geschildert, wie zuerst Gott darauf gesehen hatte, Sich aus den Nationen ein Volk für Seinen Namen anzunehmen. In diesem Punkt stimmen die Worte der Propheten überein, so wie geschrieben steht: Danach werde Ich wiederkehren und das zerfallene Zelt Davids wieder aufbauen, seine umgestürzten Wände werde Ich wieder aufbauen und es wieder aufrichten, damit die übrig gebliebenen Menschen den Herrn ernstlich suchen samt allen Nationen, über die Mein Name angerufen wird, sagt der Herr, der dieses tut. Dem Herrn sind Seine Werke vom Äon an bekannt« (Verse 13-18).

  Jakobus, der Halbbruder unseres Herrn Jesus (Mat.13:55) und der Leiter der Gemeinde zu Jerusalem, hatte erkannt, dass Israel, das mehrheitlich ungläubig war, deshalb jetzt zurücktreten musste, was aber die Verheißung, dass es wiederhergestellt und das Königreich kommen werde, nicht aufhob. Die Verheißung hatte »in den Anfangstagen« (Vers 7) mit dem Wirken des Petrus ihre erste Erfüllung gefunden. Genau daran knüpfte Jakobus an, dass Gott nämlich »zuerst« (Vers 14) durch Petrus welche aus den Nationen angenommen habe. Gott wisse, was Er tue; Er habe es vom Beginn des Äons an angesagt (Jes.45:21; 46:10).

  Jakobus zitierte nach Amos 9:11,12, wo es heißt: »An jenem Tag richte Ich die verfallene Hütte Davids auf, Ich vermaure ihre Breschen, und ihre Trümmer richte Ich auf, und Ich baue sie auf wie in den Tagen des Äons, damit sie den Überrest Edoms und all die Nationen in Besitz nehmen, über die Mein Name ausgerufen wird, spricht Jewe, der dieses Tut.« - Israel wird also alle Nationen in Besitz nehmen, zumal alle den Herrn Jesus annehmen werden, wird das wiedergezeugte und gläubige Israel doch alle Nationen zu Jüngern machen (Mat.28:19).

  Jakobus gebrauchte die Worte »danach« (Vers 16) und »die übrig gebliebenen Menschen« (Vers 17) und meinte damit die Zeit nach den Zorngerichten Gottes sowie die dann noch übrigen Menschen; jene werden dann, nach der »Wiederkehr« (Vers 16) Jesu (Sach.14:4; Mat.24:30; Ap.1:11) »den Herrn suchen« (Vers 17; Sach.8:22; Ps.22:27-29).

  Jakobus hatte mithin zum Ausdruck gebracht, dass man - weil dem Volk Israel alle Verheißungen erfüllt werden - die Gläubigen aus den Nationen, die jetzt dem dem Apostel Paulus enthüllten Evangelium (Ga.1:12), dem »Evangelium der Unbeschnittenheit« (Gal.2:7), glauben, keineswegs dem Gesetz unterordnen muss. Dies wusste er übrigens seit bald zwei Jahren (Gal.2:1-10).

 

Des Jakobus Urteil

 

  Und dann gab Jakobus sein Urteil ab: »Ich entscheide darum, die aus den Nationen, die sich zu Gott umwenden, nicht weiter zu belasten, sondern ihnen einen Brief zu schreiben, damit sie sich von zeremoniellen Verunreinigungen durch Götzen, von Hurerei, von Ersticktem und Blut fernhalten. Denn Mose hat seit den Generationen der Altvordern in jeder Stadt seine Herolde; wird er doch an jedem Sabbat in den Synagogen gelesen« (Verse 19-21).

  Im Wissen um das von dem Apostel Paulus unter den Nationen geheroldete Evangelium der Unbeschnittenheit (Gal.2:2,7) und entsprechend der Vorgabe des Petrus sollen die Gläubigen aus den Nationen also mit überhaupt keiner dem Gesetz entlehnten Forderung, die etwa zu tun wäre, belastet werden. Mose wird dadurch keinen Abbruch getan, denn aus dem Gesetz wird überall an jedem Sabbat vorgelesen.

  Sie sollen aber Rücksicht auf die Juden nehmen, seien sie gläubig oder ungläubig, und von vier Dingen Abstand halten, die die Empfindungen der Juden sehr verletzen würden:

1.   Sie sollen kein Götzenopferfleisch essen; das ist Fleisch, das bei der Schlachtung Götzen geweiht worden war. »Denn wenn um einer Speise willen dein Brüder betrübt wird, wandelst du nicht mehr der Liebe gemäß« (Röm.14:15). Wohl konnten die aus den Nationen Götzenopferfleisch essen (12.Kor.10:25), »doch hütet euch, dass diese eure Vollmacht den Schwachen nicht etwa zum Anstoß werde« (1.Kor.8:9).

2.   Sie sollen sich von Hurerei fernhalten; das ist Geschlechtsverkehr ohne miteinander verheiratet zu sein. Auch Paulus betont, dass wir Gläubige mit Gläubigen, die Hurerei treiben, keinen Umgang haben und nicht einmal mit ihnen essen sollen (1.Kor.5:9,11; 1.Thess.4:3,8; 1.Kor.7:2,9).

3.   Sie sollen nichts Ersticktes, also kein Fleisch von mit der Schlinge erdrosselten Tieren essen, bei denen das Blut anders als bei einer Schlachtung nicht ausfließen konnte (3.Mose 17:13).

4.   Sie sollen kein Blut verzehren und kein Fleisch, in welchem noch Blut ist (1.Mose 9:4; 3.Mose 3:17; 17:10-14). Blut durfte von den Menschen nicht genossen werden, weil es überaus kostbar war und zur Sühnung der Sünden auf den Altar Gottes gehörte.

  Diesen vier Rücksichtnahmen entsprechend schreibt Paulus: »Benehmt euch unanstößig bei Juden wie auch Griechen und in der herausgerufenen Gemeinde Gottes, so wie auch ich danach trachte, allen in allem zu gefallen, indem ich suche, nicht was mir selbst, sondern den Vielen förderlich ist, damit sie gerettet werden« (1.Kor.10:32,33). Des Weiteren stellt er fest: »Edel ist es, kein Fleisch zu essen, noch Wein zu trinken, noch sonst etwas zu tun, an dem dein Bruder sich stößt« (Röm.14:21).

  Die Erlasse des Jakobus stellten übrigens sicher, dass das, was in der Gemeinde zu Antiochien passiert war, sich nicht wiederhole. Man lese Galater 2:11-14. Bei Beachtung der vier Punkte gibt es keinen Grund mehr für einen Juden, die Tischgemeinschaft mit Gläubigen aus den Nationen zu meiden.

  Gewiss stellten die Erlasse ein Zugeständnis an das Fleisch dar, auf Empfindungen, die aus dem Gesetz erwuchsen. Denn die Herzen derer aus den Nationen sind durch den Glauben gereinigt. Das ist die geistliche Tatsache.

  Es war auch so, dass die Erlasse die Nationengemeinden Jerusalem in gewisser Weise unterordneten (Kol.2:14). Paulus hob sie daher auf, als der aus dem Fleisch, sprich: der Abstammung, resultierende Vorrang der Juden sein Ende gefunden hatte (Eph.2:15; Kol.2:14).

 

Das Schreiben

 

  »Dann erschien es den Aposteln und den Ältesten samt der ganzen herausgerufenen Gemeinde gut, Männer aus ihrer Mitte zu erwählen, um sie mit Paulus und Barnabas nach Antiochien zu senden, nämlich Judas (genannt Barsabas) und Silas, führende Männer unter den Brüdern. Durch deren Hand sandten sie folgendes Schreiben:

  Die Apostel, Ältesten und Brüder grüßen die Brüder aus den Nationen in Antiochien, Syrien und Cilicien: Freuet euch!

  Weil wir gehört haben, dass einige, denen wir keinen Auftrag gegeben hatten, von uns ausgegangen sind und euch mit ihren Worten beunruhigen und eure Seelen verstören, erscheint es uns gut - so haben wir einmütig beschlossen -, Männer zu erwählen und sie mit unseren geliebten Barnabas und Paulus zu euch zu senden. Beide sind Menschen, die ihre Seelen für den Namen unseres Herrn Jesus Christus hingegeben haben. Daher haben wir Judas und Silas geschickt, sie werden euch dasselbe auch noch mündlich verkünden. Denn es erscheint dem Geist, dem heiligen, und uns gut, euch keine weitere Bürde aufzuerlegen außer diesem, was unerlässlich ist: nämlich euch fernzuhalten von Götzenopfern, von Blut und Ersticktem und von Hurerei. Wenn ihr euch sorgfältig davor bewahrt, werdet ihr wohl handeln. Lebt wohl!« (Verse 22-29).

  Das Schreiben an die Brüder aus den Nationen gründet sich auf einen einmütigen Beschluss der Apostel und Ältesten, ja der ganzen Gemeinde, die allesamt vom heiligen Geist, der in alle Wahrheit leitet (Joh.16:13), auch in diese Wahrheit hineingeführt worden waren. Nicht nur schriftlich, sondern auch mündlich sollte der Beschluss übermittelt werden, nämlich auch durch Judas Barsabas und Silas. Von Silas, der auch Silvanus genannt wurde, werden wir noch viele Male hören. Ganz bewusst betonte das Schreiben die Bruderschaft aller Gläubigen. Es bestätigte auch den Dienstauftrag des Barnabas und Paulus, indem sie als geliebte Brüder, die ihre Seelen für den Herrn hingegeben haben, besonders gewürdigt wurden.

  Zugleich distanzierte sich die Gesamtheit der Gläubigen in Jerusalem deutlich von denen, die da ohne Auftrag nach Antiochien gegangen waren und die Beschneidung gefordert hatten (Vers 1).

  Das Schreiben war an die aus den Nationen nicht nur in Antiochien, sondern auch in Syrien und Cilicien gerichtet. Dies zeigt uns, dass auch dort, in den um Antiochien liegenden Gebieten, Gemeinden bestanden. Paulus hatte nach seinem ersten Hinaufkommen nach Jerusalem im Jahre 37 n. Chr. dort gewirkt (Gal.1:21), und die antiochische Gemeinde wird dort wohl ebenfalls rege evangelistisch tätig gewesen sein.

 

Freude in Antiochien

 

  »So wurden die vier dann entlassen und kamen nach Antiochien hinab, versammelten die Menge und überreichten den Brief. Als man ihn gelesen hatte, freute man sich über den Zuspruch. Sowohl Judas wie Silas, die selbst auch Propheten waren, sprachen den Brüdern mit vielen Worten zu und befestigten sie im Glauben. Nachdem sie einige Zeit dort verbracht hatten, wurden sie von den Brüdern mit Frieden zu denen entlassen, die sie geschickt hatten« (Verse 30-33).

  Was Lukas uns hier berichtet - wir freuen uns darüber, über die Freude in Antiochien, über den Zuspruch, über die Bruderschaft, über den Frieden. Das prophetische Wort des Judas und Silas könnte schwerpunktmäßig dem Zuspruch und der Festigung gedient haben. Sie waren »auch« Propheten, das heißt ebenso wie die fünf Propheten und Lehrer in Antiochien: Barnabas, Simeon, genannt Niger, Lucius, der Kyrenäer, Manaen, der Pflegebruder des Vierfürsten Herodes, und Paulus (Ap.13:1).

  Propheten gab es übrigens so lange, bis das prophetische Wort durch Paulus vervollständigt worden war (Kol.1:25), bis sein Evangelium zur Reife, auf das Vollmaß gebracht worden war (1.Kor.13:10), und zwar mit dem Epheser-, dem Philipper- und dem Kolosserbrief, die darum auch Vollkommenheitsbriefe genannt werden können.

  Vers 34 findet sich nicht im Grundtext. Die drei ältesten Kodizes (Sinaiticus, Vaticanus, Alexandrinus) haben diesen Vers nicht.

 

Weiterhin in Antiochien

 

  »Paulus und Barnabas hielten sich weiter in Antiochien auf, lehrten und verkündigen mit noch vielen anderen das Wort des Herrn als Evangelium« (Vers 35).

  So wird das Wort des Herrn die Herrschaft in den Herzen der Gläubigen gewonnen haben, sodass sie völlig im Wort lebten.

 

Auf der zweiten Missionsreise

(Apostelgeschichte 15:36-16:40)

 

  Nach der Apostelversammlung wegen der Frage der Beschneidung in Jerusalem im Jahre 49 n. Chr. hielten sich Paulus und Barnabas längere Zeit in ihrer Heimatgemeinde im syrischen Antiochien auf, lehrten und verkündigten dort mit noch vielen anderen das Wort des Herrn als Evangelium (Ap.15:35).

 

Die Anregung zur zweiten Reise

 

  »Nach etlichen Tagen sagte Paulus zu Barnabas: Wir sollten auf jeden Fall zurückkehren und uns in jeder Stadt, in der wir das Wort des Herrn verkündigt haben, nach den Brüdern umsehen, wie sie sich befinden« (Vers 36).

  Unter der Leitung des Geistes Gottes drängte es den Apostel Paulus im Herzen, nach den auf der ersten Reise gewonnenen Gläubigen zu sehen, um sie weiterhin zu belehren und im Glauben zu festigen, zugleich aber auch um in Erfahrung zu bringen, ob sein Brief an die Galater sie von ihrem Irrtum befreit hatte, zusätzlich zum Glauben noch Gesetzeswerke erbringen zu müssen (Gal.3:10; 5:4), mithin das im Geist Begonnene im Fleisch zu vollenden (Gal.3:3).

 

Streit wegen Johannes Markus

 

  »Barnabas beabsichtigte aber, auch Johannes (genannt Markus) mitzunehmen. Paulus jedoch achtete den, der sich in Pamphylien von ihnen entfernt hatte und nicht mit ihnen in die Arbeit gekommen war, nicht für würdig, mitgenommen zu werden. Das war ein Ansporn für sie, einander auszuweichen, sodass Barnabas nun den Markus mit sich nahm und nach Cypern segelte. Paulus aber ersah sich Silas und zog aus, nachdem er von den Brüdern der Gnade des Herrn übergeben worden war« (Verse 37-40).

  Johannes Markus hatte sich auf der ersten Missionsreise von Barnabas und Paulus getrennt (Ap.13:13), allen Anzeichen nach, weil er sich eine Mission unter den Nationen ohne die Bindung an das Gesetz und die Synagoge nicht vorstellen konnte; ihm fehlte die geistliche Einsicht für den Dienstauftrag des Apostels Paulus, dass nämlich denen aus den Nationen der Segen Abrahams, und zwar die Rechtfertigung und der Empfang des heiligen Geistes allein durch Glauben, ohne Proselyten des Judentums werden zu müssen, zuteil werden sollte.

  Barnabas war wohl zu nachsichtig seinem Cousin Johannes Markus gegenüber - Barnabas war ein guter Mann (Ap.11:24), vielleicht zu gütig -, Paulus musste aber konsequent sein, denn es ging um das Werk des Herrn. So gerieten sie scharf aneinander mit dem Ergebnis, dass sie sich zur zweiten Reiste trennten.

  Johannes Markus ist sehr wahrscheinlich der Verfasser des Berichts des Markus. Im Laufe der Jahre wurde aber auch er ein brauchbarer Mitarbeiter des Apostels Paulus (Kol.4:10; 2.Tim.4:11; Phmn.24).

  Paulus ersah sich Silas, der auch Silvanus genannt wurde, der inzwischen wieder in Antiochien war (vgl. Ap.15:32,33), vermutlich weil Paulus ihn hatte kommen lassen.

  Silas war für den Dienst sehr geeignet, denn er war ein führender Mann in der Jerusalemer Gemeinde, hatte die Empfehlung seiner Gemeinde, konnte die Erlasse der Apostelversammlung, die Paulus den Gemeinden aus den Nationen übergeben wollte, als Zeuge mündlich bestätigen und war im Übrigen römischer Bürger (Ap.15:22,27; 16:37).

  So zogen Paulus und Silas zur zweiten Missionsreise mit dem Segen der Gemeinde aus. Diese Reise fand in den Jahren 49 bis 51 n. Chr. statt.

 

In Syrien und Cilicien

 

  »Er durchzog dann Syrien und Cilicien und befestigte die herausgerufenen Gemeinden im Glauben« (Verse 41).

  In diesen Gebieten hatte Paulus vom Jahre 37 n. Chr. an nach seinem ersten Hinaufkommen nach Jerusalem gewirkt (Gal.1:21). Und gewiss hatte die Gemeinde zu Antiochien dort ebenfalls das Evangelium verkündigt. Die Erlasse der Apostelversammlung richteten sich neben Antiochien namentlich an die Doppelprovinz Syrien und Cilicien (Ap.15:23). Den Gläubigen dort waren die Erlasse zu übergeben und zu bezeugen; dies diente zu ihrem Schutz vor der Irreführung durch die Gesetzeseiferer und zu ihrer Festigung im Glauben.

  Vielleicht machten Paulus und Silas auf ihrer Reise in Tarsus, der Heimatstadt des Apostels, Halt. Dann zogen sie sehr wahrscheinlich durch die Zilizische Pforte, den gefährlichen Pass im gewaltigen Taurusgebirge, nach Galatien.

 

In Derbe und Lystra

 

  »So gelangte er auch nach Derbe und nach Lystra. Und siehe, dort war ein Jünger namens Timotheus, der Sohn einer gläubigen jüdischen Frau, aber eines griechischen Vaters, dem von den Brüdern in Lystra und Ikonium Gutes bezeugt wurde. Diesen wollte Paulus mit sich ziehen lassen; darum nahm er ihn und beschnitt ihn um der Juden willen, die an jenen Orten waren; denn alle wussten, dass sein Vater ein Grieche war« (Ap.16:1-3).

  Timotheus wurde einer der engsten Mitarbeiter des Apostels Paulus. Er begleitete ihn auf der zweiten und dritten Missionsreise. Sein Name bedeutet: Gottwerter. Paulus nannte ihn sein Glaubenskind rechter Art (1.Tim.1:2; 2.Tim.1:2). Timotheus war durch den Dienst des Paulus auf dessen erster Reise zum Glauben gekommen, war mithin dabei Zeuge der Leiden des Apostels in Lystra und Umgebung geworden und wird dementsprechend von nun an an dessen Drangsalen teilnehmen (2.Tim.3:11).

  Es wundert uns, dass Paulus Timotheus beschnitt. Es ging dem Paulus hier aber nicht darum, ob die aus den Nationen zu beschneiden wären oder die Beschneidung zur Rettung nötig sei - in Bezug auf die Rechtfertigung und Rettung ist die Beschneidung nichts (1.Kor.7:19; Gal.5:6; 6:15) -, sondern darum, ein Hindernis für seinen Dienst auszuräumen. Der Sohn einer jüdischen Mutter - Eunike war ihr Name (2.Tim.1:5) - war nach jüdischer Anschauung ein Jude, und ein Jude hatte beschnitten zu sein. Paulus hätte mit einem unbeschnittenen Juden als Begleiter keinen Eingang in den Synagogen gefunden, die nun einmal ein geeignetes Forum für seine Verkündigung des Wortes des Herrn waren. Es wäre höchst anstößig gewesen; die Juden wären sehr misstrauisch geworden. So aber wurde Paulus nun den Juden ein Jude, um sie zu gewinnen (1.Kor.9:20). 

 

Sie übergaben die Erlasse

 

  »Als sie dann durch die Städte zogen, übergaben sie ihnen den Auftrag, die Erlasse zu bewahren, für die sich die Apostel und Ältesten in Jerusalem entschieden hatten. So wurden die herausgerufenen Gemeinden nun im Glauben gefestigt und nahmen täglich an Zahl zu« (Verse 4+5).

  Die Erlasse der Apostelversammlung stellten klar, dass die aus den Nationen sich nicht beschneiden lassen und nicht Proselyten des Judentums werden mussten (Ap.15). Die Verkündigung des Paulus, dass der Mensch allein durch Glauben gerechtfertigt werde (Ap.13:39), hatte freie Bahn.

  So wuchsen die Heiligen im Glauben, und tätlich kamen Neue hinzu. Ihr zahlenmäßiges Wachstum war vom inneren Wachstum getragen.

 

Nach Troas

 

  »Danach kamen sie durch Phrygien und das galatische Land; doch wurde ihnen vom heiligen Geist verwehrt, das Wort in der Provinz Asien zu sprechen. Als sie auf Mysien zu kamen, versuchten sie, nach Bithynien zu gehen, aber der Geist Jesu ließ sie nicht. Da gingen sie an der Grenze Mysiens vorbei und zogen nach Troas hinab« (Verse 6-8).

  Offensichtlich wollten sie nach Westen in die Hauptstadt der Provinz Asien ziehen, Ephesus am Ägäischen Meer. Der Geist wehrte es ihnen. Nach Ephesus sollte Paulus zu einem späteren Zeitpunkt kommen. Gewiss wären sie auch durch Kolossä gekommen; für diese Stadt aber hatte sich der Herr einen anderen Lehrer erwählt, nämlich Epaphras (Kol.1:7). Im nördlichen Teil Asiens, in Mysien, ließ der Geist Jesu es nicht zu, nach Bithynien am Schwarzen Meer zu gehen. So zogen sie nach Troas am Hellespont, an der Meerenge der Dardanellen, Europa gegenüber gelegen.

  Wie sollen wir es uns vorstellen, dass der Geist Jesu ihnen bestimmte Pläne verwehrte? Dem Herrn stehen dafür die vielfachen Umstände dieser Welt zur Verfügung, die die Gedanken der drei Reisenden, Paulus, Silas und Timotheus, lenken konnten. Und da der Geist Jesu in ihnen wohnte, der ein Geist der Kraft und der Liebe und der gesunden Vernunft ist (2.Tim.1:7), konnten sie entsprechende Entscheidungen treffen. Im Übrigen lässt der Geist den Willen Gottes in den Herzen der Betenden und Fragenden deutlich werden. Wir dürfen aber hier vor allem daran denken, dass sie Offenbarungen erhielten, indem der Geist Jesu vernehmlich zu ihnen sprach, wie das auch in manchen anderen Fällen geschah (Ap.20:23; 21:4,11). Der Geist bezeugte ihnen, dass sie nicht dahin und dorthin gehen sollten.

 

Nach Mazedonien

 

  »Hier erschien dem Paulus während der Nacht ein Gesicht: Ein mazedonischer Mann stand da, sprach ihm zu und bat: Setze nach Mazedonien über und hilf uns!  - Als er das Gesicht gewahrt hatte, suchten wir sofort nach Mazedonien weiterzuziehen, weil wir daraus entnahmen, dass Gott uns herzugerufen habe, ihnen das Evangelium zu verkündigen« (Verse 9+10).

  Der mazedonische Mann in dieser Vision war sicherlich an seiner Kleidung erkennbar.

  Von hier an berichtet Lukas in der Wir-Form. Bis Philippi war Lukas, der geliebte Arzt (Kol.4:14), zunächst dabei. Er begleitete Paulus auch in späteren Jahren manche Strecke. Die sogenannten Wir-Berichte finden sich in den Kapiteln 16:10-17, 20:5-21:18 und 27:1-28:16. Sein Name kann von lux (lat.), Licht, oder von lykos (griech.), Wolf, abgeleitet sein. Er war wahrscheinlich kein Jude, sondern ein Gläubiger aus den Nationen (Kol.4:10,11). 

 

Philippi

 

  »Als wir von Troas ausfuhren, kamen wir geradewegs nach Samothrace, am folgenden Tag nach Neapolis und von dort nach Philippi, das die erste Stadt in diesem Teil von Mazedonien ist, eine römische Kolonie. In dieser Stadt hielten wir uns einige Tage auf« (Verse 11+12).

  Nach der Passage der Insel Samothrace trafen sie in Neapolis, der Hafenstadt von Philippi, ein. Philippi war die rangmäßig erste Stadt in diesem Bezirk Mazedoniens. Sie war Militärstützpunkt; auch waren dort römische Veteranen angesiedelt worden. Sie hatte darum viele Privilegien und war unabhängig von der Provinzverwaltung.

 

Lydia, die Purpurhändlerin

 

  »Am Tag der Sabbate gingen wir zum Stadttor hinaus an den Fluss, wo wir meinten, dass eine Gebetsstätte sei; wir setzten uns dort und sprachen zu den zusammengekommenen Frauen. Auch eine Frau namens Lydia hörte zu, eine Purpurhändlerin aus der Stadt Thyatira, die Gott verehrte; ihr tat der Herr das Herz auf, auf die von Paulus gesprochenen Worte zu achten. Als nun sie und ihr Haus getauft waren, sprach sie uns zu und sagte: Wenn ich nach eurer Beurteilung an den Herrn gläubig bin, so kommt in mein Haus und bleibt dort! - Und sie drang in uns« (Verse 13-15).

  Lydia war der erste Mensch in Europa, dem Gott den Glauben in Gnaden für Christus gewährte (Eph.2:8; Phi.l.1:29), ebenso allen, die zu ihrem Haushalt gehörten. Jener Königreichssegen beruhte auf der Verheißung an Abraham, dass in ihm alle »Familien« des Erdbodens gesegnet werden sollen und er über sein »Haus« gebieten werde (1.Mose 12:3; 18:19). Lydia stammte aus der Provinz Asien. Sie verehrte Gott bereits, war also ein Proselytin des Judentums.

  Es gab keine Synagoge in Philippi. Da den Juden aber Fluss- und Meeresufer als rein galten, konnte man am Fluss eine Gebetsstätte vermuten.

 

Die Magd mit dem Pythongeist

 

  »Nun geschah es, wenn wir zur Gebetsstätte gingen, dass uns eine Magd entgegentrat, die einen Pythongeist hatte und durch deren Wahrsagen sich ihren Herren eine sehr gute Einkommensquelle bot. Sie folgte Paulus und uns nach und rief laut: Diese Menschen sind Sklaven des höchsten Gottes, die euch einen Weg zur Rettung verkündigen! - Das tat sie nun an vielen Tagen. Darüber aufgebracht, wandte Paulus sich zu dem Geist um und sagte: Ich gebiete dir im Namen Jesu Christi, von ihr auszufahren! - Und er fuhr zu derselben Stunde aus« (Verse 16-18).

  Die Magd hatte einen Geist von Apollo, dem pythischen Gott, dessen Orakel in Delphi, auch Python genannt, war. Wie auch immer die Griechen sich dies vorstellten: sie hatte einen Wahrsagedämon.

  Die Magd schien gute Werbung für das Evangelium zu machen. Eine Unterstützung unseres Dienstes im Herrn durch böse Geister aber ist entschieden abzulehnen. »Werdet nicht ungleich gejocht mit Ungläubigen! ... Denn welche Gemeinschaft besteht zwischen Licht und Finsternis oder welche Eintracht zwischen Christus und Beliar (d. h. die Bosheit, die Zersetzung)? Oder welches Teil hat der Gläubige gemeinsam mit dem Ungläubigen?« (2.Kor.6:14,15).

  Satans Trick ist es, Licht und Finsternis zu vermengen und die scharfe Trennung zwischen Glauben und Religion aufzuheben. Sobald wir Unterstützung durch Ungläubige annehmen, können heidnisch-dämonische Gedanken eindringen. Ohnehin ist betrogen und irregeführt, wer nicht die gesamte Waffenrüstung, die Gott uns bereitgelegt hat, angezogen hat (Eph.6:10-17), wozu auch das Wort der Wahrheit gehört, das uns vor der Zusammenarbeit mit der Finsternis warnt.

  Satan ist ein Durcheinanderwerfer, wie man »diabolos« übersetzen kann. Er versucht, kleine Verdrehungen in das Evangelium einzuträufeln, die dann großen Schaden anrichten, wie hier durch die Magd, die vom »höchsten Gott« und von »einem Weg zur Rettung« sprach, was vordergründig gesehen gut klingt, aber die Gedanken einschließt, dass es auch nachrangige Götter und andere Wege zur Rettung gäbe.

 

Paulus und Silas werden festgenommen

 

  »Als ihre Herren gewahrten, dass ihre Aussicht auf Einkommen dahin war, ergriffen sie Paulus und Silas und schleppten sie auf den Marktplatz vor die Obrigkeit, führten sie den Prätoren vor und sagten: Diese Menschen, die Juden sind, beunruhigen unsere Stadt sehr und verkünden Sitten, die uns, die wir Römer sind, nicht anzunehmen noch auszuüben erlaubt sind. - Da trat die Volksmenge mit gegen sie auf, und die Prätoren ließen ihnen die Kleider herunterreißen und befahlen, sie mit Ruten zu peitschen. Nachdem man ihnen viele Schläge versetzt hatte, warf man sie ins Gefängnis und wies den Gefängnisaufseher an, sie in sicherem Gewahrsam zu halten; als dieser eine solche Anweisung erhielt, warf er sie in die innerste Zelle des Gefängnisses und sicherte ihre Füße im Stock« (Verse 19-24).

  Die Feindschaft der Herren der Magd gegen das Evangelium hatte einen finanziellen Grund; ihre Anklage vor der Obrigkeit konnten sie allerdings nur auf den allgemeinen Judenhass stützen, der gerade im Jahr zuvor, im Jahre 49 n. Chr., zur Ausweisung aller Juden aus Rom durch Kaiser Klaudius geführt hatte. Nach den römischen Gesetzen war die Werbung für die eigene Glaubensrichtung zwar verboten, wurde aber weithin geduldet, es sei denn, dass sie zu Aufruhr führte. Da genau dies jetzt in Philippi eingetreten zu sein schien, machten die Prätoren kurzen Prozess.

  Lukas und Timotheus waren wahrscheinlich deshalb nicht verhaftet worden, weil sie nicht wie Juden aussahen.

 

Lobgesang um Mitternacht

 

  »Um Mitternacht jedoch beteten Paulus und Silas und lobsangen Gott, und die übrigen Häftlinge lauschten auf sie. Da entstand plötzlich ein großes Erdbeben, sodass die Grundfesten des Gefängnisses erschüttert wurden. Auf der Stelle öffneten sich alle Türen, und bei allen lockerten sich die Fesseln« (Verse 25+26).

  Ein Lobgesang unter Qualen - dies ist nur in der Kraft heiligen Geistes möglich, nur wenn man dem uns liebenden Gott und Vater glaubt, der alles nach dem Ratschluss Seines Willens bewirkt, über alle Wege verfügt und alles für Seine Ziele gebraucht. Wir denken an Psalm 42:9: »Bei Tag wird Jewe Seine Huld entbieten, und in der Nacht ist Sein Lied mit mir, ein Gebet zu dem El meines Lebens.« Lobgesänge um Mitternacht - in schlimmster Lage - sind nur dem möglich, der sich an der Gnade genügen lässt, die in Christus Jesus ist.

  Auch in einer solchen Situation kann man also das Evangelium verkündigen! Und an der Zuhörerschaft des Paulus und Silas darf uns deutlich werden, wie tief die Gnade reicht.

  Die beiden rühmten sich in ihren Drangsalen (Röm.5:3). Freude strömte in ihnen über bei all ihrer Drangsal (2.Kor.7:4), weil sie von der Herrlichkeit Christi überzeugt waren.

  Und Gott tat ein Wunder.

 

Die Rettung des Gefängnisaufsehers

 

  »Als der Gefängnisaufseher aus dem Schlaf fuhr und gewahrte, dass die Türen des Gefängnisses geöffnet waren, riss er das Schwert heraus und war im Begriff, sich das Leben zu nehmen, weil er meinte, die Häftlinge seien entflohen. Doch Paulus rief mit lauter Stimme: Tu dir nichts Übles an; denn wir sind noch alle hier! - Da forderte er Licht, sprang zu Paulus und Silas hinein und fiel zitternd vor ihnen nieder. Dann führte er sie hinaus und fragte mit Nachdruck: Ihr Herren, was muss ich tun, um gerettet zu werden? - Sie antworteten: Glaube an den Herrn Jesus, und du wirst gerettet werden, du und dein Haus. - Dann verkündigten sie ihm und allen in seinem Haus das Wort des Herrn. Darauf nahm er sie in jener Stunde der Nacht zu sich, wusch ihnen das Blut von den Schlägen ab und ließ sich auf der Stelle taufen, er selbst und alle Glieder seiner Familie. Dann führte er sie hinauf in sein Haus, setzte ihnen einen gedeckten Tisch vor und frohlockte, an Gott gläubig geworden, mit seinem ganzen Haus« (Verse 27-34).

  Ein römischer Soldat, der seine Gefangenen fliehen ließ, war des Todes. Darum wollte sich der Gefängnisaufseher das Leben nehmen. Aber die Gefangenen waren alle dageblieben. So ergriffen müssen sie von dem Lobpreis Gottes gewesen sein, dass sie nichts Unrechtmäßiges tun wollten, eben auch nicht fliehen.

  Und was muss man tun, um gerettet zu werden? Nur Gott glauben, dass Er Seinen Sohn Jesus Christus um unserer Kränkungen willen dahingegeben und um unserer Rechtfertigung willen auferweckt hat (Röm.4:24,25). Dieses und Weiteres verkündigten Paulus und Silas dem im Innersten aufgewühlten Aufseher und seinem Haus. Und Gott gewährte ihm in Gnaden den Glauben (Eph.2:8; Phil.1:239). Ebenso seinem ganzen Haus. Siehe hierzu das zu Vers 15 Gesagte.

  Alle, die Gott vorherbestimmt hatte, dem Bilde Seines Sohnes gleichgestaltet zu werden, diese berief und rechtfertigte Er (Röm.8:29,30). Und welch eine Verwandlung der Aufseher erfuhr: Er nahm Paulus und Silas in sein Haus und gab ihnen zu essen!

  Petrus hatte übrigens zu Pfingsten des Jahres 32 n. Chr. auf die gleiche Frage nach der Rettung geantwortet: »Sinnet um!« (Ap.2:38). Paulus sagte nun: »Glaube!« Dies ist bezeichnend für die beiden unterschiedlichen Evangelien, das der Unbeschnittenheit, mit dem Paulus betraut wurde, und das der Beschneidung, mit dem Petrus beauftragt war (Gal.2:7).

 

Die Freilassung

 

  »Als es Tag wurde, schickten die Prätoren die Gerichtsdiener und ließen sagen: Lasst jene Männer frei! - Der Gefängnisaufseher berichtete diese Worte dem Paulus: Die Prätoren haben hergeschickt, um euch freizulassen. So geht denn nun hinaus und zieht hin in Frieden! - Paulus aber entgegnete ihnen: Sie haben uns öffentlich und unverurteilt auspeitschen lassen, obwohl wir römische Männer sind; sie haben uns ins Gefängnis geworfen und wollen uns nun heimlich hinaustreiben! Nicht doch! Sondern lasst sie selbst herkommen und uns hinausführen! -Die Gerichtsdiener berichteten diese Worte den Prätoren. Diese fürchteten sich jedoch, als sie hörten, dass sie Römer seien; so kamen sie selbst und sprachen ihnen zu, führten sie hinaus und ersuchten sie, die Stadt zu verlassen« (Verse 35-39).

  Den Prätoren muss bewusst geworden sein, dass sie Paulus und Silas ohne Nachforschungen anzustellen, also unrechtsmäßig, auspeitschen und ins Gefängnis hatten werfen lassen. So sandten sie hin, dass sie freigelassen würden. Doch sie hatten Paulus und Silas öffentlich Unrecht getan; nun sollten sie sie auch öffentlich rehabilitieren.

  Wäre die üble Behandlung der römischen Bürger nach Rom berichtet worden, hätte dies unangenehme Folgen für die Prätoren gehabt. Deshalb gingen sie auf die Forderung des Paulus ein. Da sie römische Bürger nicht aus einer römischen Stadt hinaustreiben konnten, baten sie sie, die Stadt zu verlassen. So wurde die Freilassung der beiden Männer stadtbekannt.

  All dieses Geschehen bewirkte, dass die junge Gemeinde in Philippi für die nächste Zeit in Ruhe gelassen würde und das Evangelium ungestört verkündigen konnte.

  Hätten Paulus und Silas bereits am Vortag auf ihr römisches Bürgerrecht gepocht, wäre ein Gerichtsverfahren eingeleitet worden, um zu prüfen, ob das, was Paulus verbreitete, eine verbotene religiöse Neuerung war oder nicht. Sie hätten dann längere Zeit in Untersuchungshaft gesessen, was die Evangeliumsverbreitung in Philippi stark behindert hätte. 

 

Sie zogen weiter

 

  »Nachdem sie aus dem Gefängnis herausgekommen waren, gingen sie zu Lydia; und als sie die Brüder gewahrten, sprachen sie ihnen zu und zogen dann weiter« (Vers 40).

  Timotheus und Lukas dürften einstweilen in Philippi geblieben sein und sich der jungen Gemeinde angenommen haben.

 

 

In Thessalonich, Beröa und Athen

(Apostelgeschichte 17)

 

  In den Jahren 49 bis 51 n. Chr. befanden sich Paulus und Silas auf der zweiten Missionsreise. Als Begleiter hatten sie Timotheus und von Troas bis Philippi auch Lukas.

  Wir schreiben das Jahr 50. Nach ihrer Befreiung aus dem Gefängnis zu Philippi waren Paulus und Silas zu den Geschwistern dort gegangen und hatten ihnen zugesprochen. Dann zogen sie weiter. Allem Anschein nach blieb Lukas zurück, so auch Timotheus für kurze Zeit.

 

In Thessalonich

 

  »So durchwanderten sie Amphipolis und Apollonia und kamen nach Thessalonich, wo eine Synagoge der Juden war« (Vers 1).

  Amphipolis und Apollonia waren Städte an der Via Egnatia, der römischen Militärstraße quer durch Mazedonien. Thessalonich, heute Saloniki, war die Hauptstadt der Provinz Mazedonien.

  »Nach seiner Gewohnheit ging Paulus zu ihnen hinein und unterredete sich mit ihnen an drei Sabbaten über die Schriften, die er ihnen auftat und darlegte, dass Christus leiden und von den Toten auferstehen musste; er sagte: Dieser ist der Christus, der Jesus, den ich euch verkündige« (Verse 2+3).

  Die Synagoge war ein gutes Forum, den Juden und Gott fürchtenden Griechen das Evangelium Gottes über Seinen Sohn Jesus zu verkündigen. Da Paulus es mit Bibelkundigen zu tun hatte, bewies er ihnen aus den hebräischen heiligen Schriften, dass Jesus der Christus ist. Er unterredete sich mit ihnen, führte sie von Bibelwort zu Bibelwort und suchte ihr geistliches Verständnis zu wecken, insbesondere dafür, dass der Christus leiden und von den Toten auferstehen musste. Dies sind Kernpunkte des Evangeliums.

  Paulus wird auf Jesaia 53:5 hingewiesen haben: »Er wurde verwundet um unserer Übertretungen und zerschlagen um unserer Verworfenheit willen«, auf Psalm 22:17: »Meine Hände und Meine Füße haben sie durchgraben« und auf Psalm 16:10: »Du wirst Meine Seele nicht im Ungewahrbaren lassen.«

  Darüber hinaus wird Paulus aber auch alles gelehrt haben, wozu er in seinen beiden Briefen an die Thessalonicher kurze Zeit später weitere Ausführungen machen wird.

 

Dem Paulus und Silas zugelost

 

  »Einige von ihnen wurden überzeugt und dem Paulus und Silas zugelost, ebenfalls eine große Menge Gott verehrender Griechen und nicht wenige Frauen aus den ersten Kreisen« (Vers 4).

  Die meisten der in der Synagoge und dann auch außerhalb von ihr Gläubiggewordenen waren Griechen. Dies geht auch aus 1.Thessalonicher 1:9 hervor, wo es heißt, dass sie sich von den Götzen zu Gott umgewandt hatten.

  Zugelost wurden sie dem Paulus und Silas, sie fielen ihnen als Losteil zu, wurden Brüder und Schwestern der beiden und ihr Siegeskranz, wie in 1.Thess.2:19,20 zu lesen: »Wer ist unsere Zuversicht oder Freude oder unser Ruhmeskranz? Seid nicht auch ihr es vor unserem Herrn bei Seiner Anwesenheit? Denn ihr seid unsere Herrlichkeit und Freude!«

 

Die Juden versetzten die Stadt in Tumult

 

  »Da wurden die Juden eifersüchtig, nahmen einige böse Männer des Marktgesindels zu Hilfe, machten einen Volksauflauf und versetzten die Stadt in Tumult. Dann traten sie vor das Haus des Jason und suchten sie vor die Volksmenge zu führen. Als man sie nicht fand, schleppten sie Jason und einige Brüder zu den Stadtoberen und riefen  laut: Die, welche die gesamte Wohnerde aufwiegeln, diese sind auch hier anwesend, und Jason hat sie beherbergt. Diese handeln alle gegen die Erlasse des Kaisers und behaupten, ein anderer sei König: Jesus. - So erregten sie die Volksmenge und die Stadtoberen, die dies hörten« (Verse 5-8).

  In Israel kämpften die Juden unter Bezugnahme auf das Gesetz oder den Tempel gegen Jesus, ihren Messias, und Seine Beauftragten. Im Ausland brachten sie politische Argumente vor, hier dass sich die Verkündigung des Evangeliums gegen den Kaiser richte und Aufruhr gestiftet würde. Diejenigen, die doch eigentlich an die Aufhebung der Macht der Nationen durch den Messias glaubten, nahmen bedenkenlos deren Macht in Anspruch, um gegen Paulus vorzugehen.

  Die Verwerfung Jesu durch Israel, die im Inland ihren Anfang genommen hatte, setzte sich im Ausland nicht nur einfach fort, sondern kam dort zur Vollendung, wie denn Paulus in 1.Thessalonicher 2:15,16 schreibt: »Die Juden, die sowohl den Herrn Jesus wie die Propheten töten und uns verjagen, können Gott nicht gefallen und sind allen Menschen entgegen. Uns verwehren sie, zu den Nationen zu sprechen, dass diese gerettet werden, und machen so allezeit ihr Sündenmaß voll. Es kommt aber der Zorn, der zum Abschluss führt, schon im Voraus über sie.«

  Jetzt ist ihr Sündenmaß voll. Im Jahre 70 n. Chr. kam der Zorn Gottes mit der Zerstörung Jerusalems und der Entvölkerung Israels bereits im Voraus über sie.

  »Nachdem man von Jason und den Übrigen eine ausreichende Bürgschaft erhalten hatte, ließ man sie frei« (Vers 9).

  Jason und die anderen mussten dafür bürgen, dass Paulus und Silas die Stadt verließen und nicht wiederkämen. Deshalb konnte Paulus Thessalonich nicht wieder aufsuchen, was er als eine Hinderung durch Satan ansah (1.Thess.2:18).

 

In Beröa

 

  »Sofort (noch während der Nacht) sandten die Brüder Paulus wie auch Silas nach Beröa weiter, wo sie sich nach ihrer Ankunft in die Synagoge der Juden begaben. Diese aber waren vornehmer gesinnt als die in Thessalonich: Sie nahmen das Wort mit aller Bereitwilligkeit auf und erforschten täglich die Schriften, ob sich dies alles so verhalte. Viele nun von ihnen kamen zum Glauben, auch nicht wenige der angesehenen griechischen Frauen und Männer« (Verse 10-12).

  Es gab auch andere Juden, solche, die Verlangen nach Gottes Wort hatten. Gott hatte ihnen das Ohr und das Herz aufgetan (Jes.50:4,5; Ap.16:14). Sie verglichen die Verkündigung des Paulus und Silas mit den hebräischen heiligen Schriften, die ja von Jesus sprechen (Joh.5:39). Diese Ausnahme konnte das Gericht über Israel allerdings nicht aufhalten.

  Das Studium der Schriften ist eine wesentliche Grundlage für eine geistlich orientierte Gemeinde. Aus Beröa stammte übrigens Sopater, ein später Reisebegleiter des Paulus (Ap.20:4).

  »Als jedoch die Juden in Thessalonich erfuhren, dass auch in Beröa das Wort Gottes von Paulus verkündigt wurde, kamen sie auch dorthin, wo sie die Volksmenge aufreizten und erregten. Sofort schickten dann die Brüder den Paulus weiter, damit er ans Meer ziehe, während Silas wie auch Timotheus dort zurückblieben« (Verse 13+14).

  Inzwischen war Timotheus in Beröa eingetroffen.

  Der Hass der Juden konzentrierte sich auf Paulus. Wieder musste er fliehen. Nicht aus Leidensscheu, sondern um die junge Gemeinde nicht zu gefährden, die nun von Silas und Timotheus betreut wurde.

  »Die Paulus begleiteten, gingen bis Athen mit; als sie für Silas und Timotheus die Anweisung erhielten, dass diese so schnell wie möglich zu ihm kommen sollten, begaben sie sich zurück« (Vers 15).

  Welch eine Liebe! Bis Athen gaben Brüder aus Beröa in Mazedonien dem Paulus das Geleit!

 

In Athen

 

  »Während Paulus in Athen auf sie wartete, wurde sein Geist in ihm angespornt, als er schaute, dass die Stadt voller Götzenbilder war. Er unterredete sich dann in der Synagoge mit den Juden und den Gott verehrenden Griechen, sowie an jedem Tag auf dem Marktplatz mit denen, die er dort antraf« (Verse 16+17).

  Athen war zwar nicht die Hauptstadt der römischen Provinz Achaja - diese war Korinth -, aber eben doch die bedeutendste Stadt, die Metropole der Philosophie, Bildung und Kunst, leider aber auch des Götzendienstes, der das gesamte Denken und Tun verfinsterte.

  Die vielen Götzenstatuen stachelten den Geist des Paulus an.

 

Epikuräer und Stoiker

 

  »Auch einige der epikureischen und stoischen Philosophen trafen mit ihm zusammen, und etliche meinten: Was will dieser Schwätzer wohl sagen? - Andere aber erklärten: Er scheint ein Verkündiger fremder Dämonen zu sein -, weil er ihnen Jesus und die Auferstehung als Evangelium verkündigte« (Vers 18).

  Beide Philosophenschulen befassten sich mit der Frage, wie man zur Lebenserfüllung gelange, und strebten nach Weisheit. Die Epikureer sahen im Genießen des Lebens die Lösung des Problems, die Stoiker in der Selbstzucht und Unterordnung unter die Weltvernunft. Die Worte »Jesus« und »Auferstehung« schienen ihnen Namen für neue Dämonen zu sein, worunter sie keine bösen Geister, sondern Wesen zwischen den Göttern und den Menschen verstanden, die überwiegend im guten und weniger im schlechten Sinne auf das Geschick der Menschen einwirken würden.

  »Schwätzer« (für griech. spermologos, Saatkrähe, Krächzer) war ein gängiger athenischer Begriff für einen Redner, der wie ein Vogel da und dort etwas Wissen aufgepickt, aber keine zusammenhängende Erkenntnis hatte.

 

Auf dem Areopag

 

  »So ergriffen sie ihn, führten ihn auf den Areopag und sagten: Können wir erfahren, was dies für eine neue Lehre ist, die von dir vorgetragen wird? Denn befremdend ist das, was du uns zu Gehör bringst. Daher beabsichtigen wir zu erfahren, was dies bedeuten will. - Alle Athener nämlich und die heimgekehrten Gäste suchten für nichts anderes eine passende Gelegenheit, als irgend etwas ganz Neues zu erzählen oder zu hören« (Verse 19-21).

  Der Areopag oder Ares-Hügel (griech. areios pagos) lag westlich der Akropolis. Auf diesem Hügel tagte der Areopag, der Hohe Rat und Gerichtshof, unter freiem Himmel. Er trat auch in der Königshalle an der Agora, dem Marktplatz, zusammen.

  Die Auferstehung war etwas unerhört Neues für die Athener und die heimisch gewordenen Fremden, sodass sie, selbst wenn sie damit nicht übereinstimmen sollten, unbedingt etwas darüber hören wollten. Paulus nahm die Gelegenheit wahr (Eph.5:16) und folgte ihrer Aufforderung.

 

Die Rede des Apostels Paulus auf dem Areopag

 

  »So stand Paulus mitten auf dem Areopag und erklärte: Männer, Athener! Nach allem, was ich schaue, seid ihr sehr religiös. Denn als ich durch die Stadt ging und die Gegenstände eurer Verehrung anschaute, fand ich auch einen Sockel, auf dem geschrieben war: Dem unerkennbaren Gott. - Ihn nun, den ihr in Unkenntnis verehrt, den verkündige ich euch« (Verse 22+23).

  Paulus stand mitten auf dem Areopag oder auch: inmitten des Areopags, nämlich im Kreise seiner Mitglieder. Er kritisierte den Götzendienst nicht, sondern griff geistgeleitet eine bestimmte Gegebenheit auf und widerlegte ihr religiöses Denken durch die Darlegung der Wahrheit.

  Für »sehr religiös« kann man auch »sehr mit den Dämonen verbunden« schreiben. Die Athener verehrten auch einen unerkennbaren oder: unbekannten Gott. An dieses schöpfungsmäßige Bewusstsein der Menschen von einem wahren Gott knüpfte Paulus an. Dabei stellte er ihnen den lebendigen Gott in einen Weise vor, der sie folgen konnten. Er führte ihnen die Größe Gottes vor Augen, woraus sich die Torheit des Götzendienstes von selbst ergab.

 

Gott, der Schöpfer und Erhalter

 

  Zuerst stellte Paulus ihnen Gott als den Schöpfer und Erhalter und Geber aller Gaben vor, mithin als den Lebendigen.

  »Der Gott, der die Welt und alles, was darin ist, geschaffen hat, Er, der Herr des Himmels und der Erde, wohnt nicht in Tempeln, die mit Händen gemacht sind, noch wird Er von Menschenhänden bedient, als ob Er etwas benötige; gibt Er doch Selbst allen Leben und Odem und alles Übrige« (Verse 24+25).

  Uns Gläubigen ist klar, dass Gott der Schöpfer der Himmel und der Erde ist (1.Mose 1:1). »Jewe spricht, und es geschieht; Er gebietet, und es steht da« (Ps.33:9). Die Himmel der Himmel können Ihn nicht fassen, wie Salomo sagte (1.Kön.8:27). »Also sagt Jewe: Die Himmel sind Mein Thron, und die Erde ist Meiner Füße Schemel. Wo wäre dieses Haus, das ihr Mir bauen könntet? Und wo wäre dieser Ort Meiner Ruhe? Hat doch Meine Hand all dies gemacht, und Mein wurde all dieses, so erklärt Jewe« (Jes.66:1,2). - Aber auch manchem griechischen Philosophen war dies im Prinzip klar.

  Es gibt nichts, was die Menschen Gott geben  könnten, ist Er doch die Quelle aller Gaben, ja des Lebens und des Geistes. Götzen etwas zu geben, ist also völlig nutzlos. »Aus Gott ist das All« (Röm.11:36).

 

Gott, der Herr der Weltgeschichte

 

  Zweitens verkündigte Paulus, dass alle Menschen von Adam abstammen, und beschrieb Gott als den Herrn der Weltgeschichte.

  »Er hat auch bewirkt, dass jede Nation der Menschen von einem einzigen her auf dem gesamten Angesicht der Erde wohnt. Er hat für sie zugeordnete Fristen und Wohngrenzen festgesetzt« (Vers 26).

  Ja, Gott bewirkt alles nach dem Ratschluss Seines Willens (Eph.1:11), auch die Zeitläufte dieser Welt. Gott ist allmächtig. Die Fristen und Wohngrenzen hatte Gott den Nationen, als Er die Söhne Adams nach dem Turmbau zu Babel voneinander schied, zugelost, ihre Begrenzungen nach der Zahl der Söhne Israels festgelegt (5.Mose 32:8). »Du hast alle Grenzen der Erde aufgestellt«, betete Asaph (Ps.74:17).

  So machte Paulus deutlich, dass nicht der Mensch im Mittelpunkt allen Geschehens, sondern Gott das Zentrum ist, der lebendige Verfüger, von dem alles ausgeht.

 

Gott ist nicht fern!

 

  Drittens brachte Gott den Athenern nahe, dass sie nun die Konsequenzen ziehen müssen und Gott suchen sollen, der ja nicht fern von ihnen ist.

  »... damit sie Gott suchen sollten, ob sie wohl doch nach Ihm tasten und Ihn finden möchten, obwohl Er zwar nicht fern von jedem Einzelnen unter uns ist; denn in Ihm leben wir und bewegen wir uns und sind wir, wie auch einige von euren Dichtern gesagt haben: Denn Seines Geschlechts sind auch wir! Wenn wir nun zu Gottes Geschlecht gehören, sollten wir nicht meinen, die Gottheit gleiche dem Gold oder Silber oder Stein, von menschlicher Kunst und Überlegung geprägt« (Verse 27-29).

  Gott ist zu finden, denn in Ihm leben und bewegen wir uns und sind wir, was Epimenides von Kreta bereits erkannt hatte und auch biblische Wahrheit ist, denn das All besteht in Christus (Kol.1:17). Das Ertasten Gottes ist wohl eine Sache des Herzens und Gewissens. Man erkennt den Schöpfer an der Schöpfung (Röm.1:20); Er ließ Sich des Weiteren nicht unbezeugt, da Er Sonne und Regen, Frucht und Nahrung gibt (Ap.14:17). König David pries Gott: »Nahe ist Jewe allen, die Ihn anrufen, allen, die Ihn in Wahrheit anrufen« (Ps.145:18).

  Der Satz: »Denn Seines Geschlechts sind auch wir!« stammt von Aratus von Cilicien; auch Cleantes von Lystra sah dies so. Seines Geschlechts (griech. genos), Seiner Abstammung sind wir, denn Adam stammt von Gott (Luk.3:38), dem Elohim, dem Gott in Christus, in dessen Bild und Gleichgestalt wir erschaffen wurden (1.Mose 1:26). Sagte unser Herr Jesus Christus nicht auch: »Götter seid ihr!« (Joh.10:34; Ps.82:6)?

  Da die Menschen mithin Gottes Familienangehörige sind, sollten sie sich nicht mit toten Götzenbildern abgeben. Dieser Beweisführung des Paulus konnten die Athener bestimmt folgen.

 

Sinnet um und glaubt!

 

  Dann kam Paulus zum Abschluss und Höhepunkt seiner evangelistischen Verkündigung.

  »Gott hat nun zwar über die Zeiten der Unkenntnis hinweggesehen; doch nunmehr weist Er alle Menschen überall an, umzusinnen, weil Er einen Tag angesetzt hat, an dem Er künftig die Wohnerde in Gerechtigkeit durch den Mann richten wird, den Er ausersehen hat, so den Glauben allen darbietend, indem Er Ihn von den Toten auferstehen ließ« (Verse 30+31).

  Gott hatte die Nationen in den verflossenen Generationen ihre eigenen Wege gehen lassen (Ap.14:16). Mit der Verkündigung Jesu als dem Auferstandenen und damit auch der Auferstehung aller Menschen waren die Zeiten der Unkenntnis nunmehr aber vorbei. Die Erkenntnis Jesu, des Herrn, des Sohnes Gottes, der um der Kränkungen der Menschen willen dahingegeben und um ihrer Rechtfertigung willen auferweckt wurde, die Erkenntnis dieser Wahrheit gibt ihnen jetzt Licht und äonisches Leben.

  Damit waren die Athener, ja alle Menschen, aufgerufen, umzusinnen, ihren Sinn weg von den Götzen auf den lebendigen Gott zu richten.

  Dies auch deshalb, weil Gott einen Tag des Gerichts angesetzt hat, den Tag des Gerichts vor dem großen, weißen Thron, wo alle Nichtauserwählten und folglich Ungläubigen zum zweiten Tod verurteilt werden und somit nicht am äonischen Leben teilhaben.

  Das zukünftige Gericht war für die Zuhörer auch insofern nachvollziehbar, als die Auferstehung eine so gewaltige Tatsache ist, dass die Missachtung dieser Tat Gottes nur das Gericht nach sich ziehen kann. Hier ist die Lösung des Hauptproblems der Menschen, nämlich des Todes. Hier beginnt die völlige Veränderung des Denkens.

  Der Richter ist der Mann Jesus (Ap.10:42). Der Vater hat Ihm alles Gericht übertragen, weil Er ein Menschensohn ist (Joh.5:27). »Er wird das Wohnland richten in Gerechtigkeit« (Ps.9:9; 96:13). Nur dem gebührt diese Ehre, der den Tod überwunden hat, eben durch die Auferstehung: Jesus Christus.

  Ohne die Auferstehung der Toten gibt es logischerweise keine Rettung zum Leben. Gerade die Auferstehung zeigt die Größe und Herrlichkeit Gottes. Ein Gedanke an Götzen kann gar nicht mehr aufkommen.

  Nun ist Glauben erforderlich. Nur wer Gott glaubt, wird (weit weg) von allen Sünden gerechtfertigt und für das Leben in den zwei künftigen Äonen gerettet. Den Glauben an Jesus bietet Gott insofern allen dar oder: die Aufforderung zu glauben wird insofern eindrücklich an alle herangetragen, da Gott Jesus aus den Toten auferstehen ließ. Angesichts Seiner Auferstehung kann man nur glauben - oder eben nicht.

 

Einige glaubten

 

  Der Apostel der Nationen hatte seine Rede beendet. Über die Reaktion seiner Zuhörerschaft berichtet Lukas in den Versen 32 bis 34:

  »Als sie jedoch von der Auferstehung der Toten hörten, spöttelten die einen, die anderen sagten: Über diese Sache wollen wir dich nochmals hören. - So ging Paulus aus ihrer Mitte fort. Einige Männer, die sich ihm anschlossen, kamen zum Glauben. Unter denen war auch Dionysius, der Areopagite, eine Frau namens Damaris und noch andere mit ihnen.«

  Paulus hatte die Weisen dieser Welt ohne direkt auf die ihnen unbekannte Heilige Schrift Bezug zu nehmen allein durch das, was sie wahrnehmen konnten oder selbst gedanklich erarbeitet hatten, an das Evangelium herangeführt. An der Auferstehung aber schieden sich die Geister.

  »Denn das Wort vom Kreuz ist zwar denen, die umkommen, eine Torheit; uns aber, die gerettet werden, ist es Gottes Kraft; denn es steht geschrieben: Ich werde die Weisheit der Weisen zunichte machen und den Verstand der Verständigen verwerfen. Wo ist der Weise? Wo der Gebildete? Wo ist der Fragensteller dieses Äons? Macht nicht Gott die Weisheit dieser Welt zur Torheit? Denn weil (in der Weisheit Gottes) die Welt in ihrer Weisheit nun Gott nicht erkannt hat, befand Gott es als gut, durch die Torheit der Heroldsbotschaft die zu retten, die glauben. Weil ja doch die Juden Zeichen fordern und die Griechen Weisheit suchen, herolden wir dagegen Christus als gekreuzigt, für die Juden etwas Anstoßerregendes, für die Nationen eine Torheit. Ihnen aber, den Berufenen, Juden wie auch Griechen, herolden wir Christus als Gottes Kraft und Gottes Weisheit. Denn das scheinbar Törichte Gottes ist weiser als die Menschen, und das vermeintlich Schwache Gottes ist stärker als die Menschen« (1.Kor.1:18-25).

  Nicht vielen, sondern nur einigen Weisen gewährte Gott in Gnaden den Glauben (Phil.1:29; Eph.2:8), darunter auch einem Areopagiten, einem Mitglied des Hohen Rats und Gerichtshofs.

  »Seht doch nur eure Berufung an, Brüder; da sind nicht viele Weise dem Fleisch nach, nicht viele Mächtige, nicht viele Vornehme; sondern das Törichte der Welt erwählte Gott, damit Er die Weisen zuschanden mache; und das Schwache der Welt erwählt Gott, damit Er das Starke zuschanden mache. Das Niedriggeborene der Welt und das von ihr Verschmähte erwählt Gott, ja das, was bei ihr nichts gilt, um das abzutun, was bei ihr etwas gilt, damit sich überhaupt kein Fleisch vor den Augen Gottes rühmen könne. Aus Ihm aber seid ihr in Christus Jesus, der uns von Gott her zur Weisheit gemacht worden ist, wie auch zur Gerechtigkeit, Heiligung und Freilösung, damit es so sei, wie geschrieben steht: Wer sich rühmt, der rühme sich im Herrn!« (1.Kor.1:26-31).

 

In Korinth und zu Beginn der dritten Missionsreise

(Apostelgeschichte 18:1-19:7)

 

  Wir setzen die Betrachtung des Berichts des Lukas über die zweite Missionsreise des Apostels Paulus fort.

  »Danach schied er aus Athen und ging nach Korinth. Dort fand er einen Juden von pontischer Herkunft namens Aquila, der unlängst mit Priszilla, seiner Frau, aus Italien gekommen war, weil Klaudius die Ausweisung aller Juden aus Rom angeordnet hatte. Paulus ging zu ihnen, und da er das gleiche Handwerk hatte, blieb er bei ihnen und arbeitete; denn ihrem Handwerk nach waren sie Zeltmacher« (Verse 1-3).

 

Aquila und Priszilla

 

  Korinth war eine lasterhafte Hafenstadt, aber auch die Hauptstadt der Provinz Achaja sowie ein bevölkerungsreiches, bedeutendes Handelszentrum zwischen Italien und Asien und mithin ein geeignetes Arbeitsfeld für die Verbreitung des Evangeliums.

  Aquila stammte aus Pontus, einer römischen Provinz in Kleinasien am Schwarzen Meer. Seine Frau wurde auch Priska genannt. Vermutlich kamen sie durch Paulus zum Glauben. Das Edikt zur Ausweisung aller Juden, die nicht die römische Staatsbürgerschaft besaßen, hatte der Kaiser im Vorjahr, im Jahre 49 n. Chr., erlassen.

  Paulus hatte einen Beruf. Die Rabbinenschüler mussten auch ein Handwerk erlernen, weil sie für ihre Lehrtätigkeit keine Bezahlung annehmen sollten und die Daseinsvorsorge es gebot. Paulus legte Wert darauf - selbst als er Mangel litt -, niemandem in Korinth zur Last zu fallen (2.Kor.11:9).

  Über seinen Eingang in dieser Stadt schrieb er später: »Ich bin, als ich zu euch kam, Brüder, nicht mit Überlegenheit des Wortes oder der Weisheit gekommen, um euch das Geheimnis Gottes zu verkündigen; denn ich hatte mich dafür entschieden, unter euch nichts außer Jesus Christus zu wissen, und diesen als gekreuzigt. Ja, ich kam in Schwachheit, in Furcht und vielem Zittern zu euch, und mein Wort und meine Heroldsbotschaft bestand nicht in überredenden Worten menschlicher Weisheit, sondern in Erweisung des Geistes und der Kraft, damit euer Glaube nicht in der Weisheit der Menschen, sondern in der Kraft Gottes gegründet sei« (1.Kor.2:1-5).

 

Der Bruch mit der Synagoge zu Korinth

 

  »An jedem Sabbat hatte er Unterredungen in der Synagoge und überzeugte Juden wie auch Griechen. Als dann Silas und auch Timotheus von Mazedonien herabgekommen waren, wurde Paulus mehr zur Wortverkündigung gedrängt und bezeugte den Juden, Jesus sei der Christus. Als sie sich aber widersetzten und lästerten, schüttelte er das Obergewand aus und sagte zu ihnen: Euer Blut komme auf euer Haupt, ich bin rein von Schuld! Von nun an werde ich zu den Nationen gehen!« (Verse 4-6).

  Silas und Timotheus waren in Beröa zurückgeblieben (Ap.17:14). Nachdem sie wahrscheinlich mit Geld und anderen Gaben aus Mazedonien für den Lebensunterhalt des Paulus in Korinth eingetroffen waren und er daher nicht mehr so viel arbeiten musste, drängte es ihn zu uneingeschränkter Wortverkündigung.

  Wieder lehnten die Juden Jesus ab. Damit war die Synagoge zu Korinth eine Synagoge Satans geworden (Off.2:9). Mit seiner Geste, das Obergewand auszuschütteln - vergleichbar der, den Staub von den Füßen zu schütteln (Mat.10:14) -, und seinen deutlichen Worten wies Paulus jede Verantwortung für das weitere Geschick der widerspenstigen Juden von sich und kündigte ihnen das Gericht Gottes an (1.Thess.2:16).

  »Von nun an werde ich zu den Nationen gehen!« Dieser Ausspruch des Apostels schloss nicht aus, dass er auch künftig an einem anderen Ort wieder in eine Synagoge gehen oder auch anderweitig zu den Juden sprechen würde, ist aber sehr bezeichnend, denn sein Dienst an den Nationen hatte ohnehin immer mehr Gewicht bekommen und war auch nach dem Bruch mit der Synagoge zu Korinth für die nächsten anderthalb Jahre sein Arbeitsschwerpunkt in dieser Stadt (Ap.18:11).

 

Im Hause des Titus Justus

 

  »Dann ging er von dort weiter und kam in das Haus eines Gott verehrenden Mannes namens Titus Justus, dessen Haus an die Synagoge grenzte. Auch Krispus, der Synagogenvorsteher, wurde mit seinem ganzen Haus an den Herrn gläubig. Ebenso kamen viele andere Korinther, die das hörten, zum Glauben und ließen sich taufen« (Verse 7+8).

  Jetzt versammelte man sich im Hause des Titus Justus, eines gottesfürchtigen Römers. Vermutlich wohnte Paulus nun auch dort.

  In 1.Korinther 1:14 erwähnt Paulus, dass er den Krispus taufte. Dass Krispus mit seinem ganzen Haus gläubig wurde, also mit seinen Familienmitgliedern, Knechten und Sklaven, war in jener heilsgeschichtlichen Verwaltung (oikonomia, Verfahrensordnung) des Übergangs von der pfingstlichen zur gegenwärtigen ein besonderer Segen entsprechend den Kräften des zukünftigen Äons (Heb.6:5), beruhend auf der Verheißung an Abraham, dass in ihm alle »Familien« des Erdbodens gesegnet werden sollen (1.Mose 12:3; 18:19).

 

Der Herr sprach Paulus zu

 

  »Der Herr aber sprach in der Nacht durch ein Gesicht zu Paulus: Fürchte dich nicht, sondern rede und schweige nicht still, weil Ich mit dir bin und niemand die Hand an dich legen wird, um dir Übles anzutun; rede, weil viel Volk in dieser Stadt Mein ist. - So nahm er dort seinen Wohnsitz für ein Jahr und sechs Monate und lehrte unter ihnen das Wort Gottes« (Verse 9-11).

  Paulus musste mit der Verfolgung, sogar mit der Ermordung durch die Juden rechnen; sie hatten ihm in anderen Städten schon genug Übles angetan (Ap.14:19; 17:5,13). So sprach der Herr Jesus Christus ihm zu und ermutigte ihn. Rede, weil viel Volk in dieser Stadt zum äonischen Leben verordnet ist (Ap.13:48)! Der Herr wollte hier viele Auserwählte und zum Sohnesstand Vorherbestimmte berufen (Röm.8:29,30).

  In diesen anderthalb Jahren legte Paulus gemäß der ihm von Gott gegebenen Gnade als weiser Werkmeister den Grund für eine bedeutende Gemeinde. Der Grund, den er legte, war Jesus Christus, und dieser als gekreuzigt (1.Kor.1:18; 2:2; 3:10,11). Ungestört konnte Paulus in der herausgerufenen Gemeinde wirken, die er besonders liebte (2.Kor.12:15).

  Unter dem Wort Gottes, das Paulus in Korinth lehrte, dürfen wir den gesamten Heilsratschluss Gottes verstehen, so wie er in jener Heilsverwaltung zu verkündigen war; noch war die Zeit für die Wahrheiten der Vollkommenheitsbriefe, des Epheser-, Philipper- und Kolosserbriefs, nicht gekommen, und noch gab Paulus den Korinthern Milch zu trinken und nicht feste Speise (1.Kor.3:2).

  Paulus lehrte nicht nur, sondern lebte unter ihnen. Sein Wandel und Dienst wurde ihnen zum Vorbild.

  Man darf als sicher annehmen, dass der Apostel während der achtzehn Monate in Korinth einige Kurzreisen in die Umgebung unternommen hat, denn er hatte viele persönliche Kontakte zu Heiligen in ganz Achaja (2.Kor.1:1). Er war auch wiederholt in Athen, denn den Anmerkungen in den Kodizes Vaticanus und Alexandrinus nach schrieb er die beiden im Jahre 50 n. Chr. verfassten Thessalonicherbriefe von Athen aus (1.Thess.3:1,6).

 

Vor Gallio

 

  Im Jahre 50 n. Chr. trat Gallio sein Amt als Prokonsul an. Er war der Bruder des Philosophen Seneca und ein Freund des Kaisers Klaudius. Jetzt witterten die Juden unter ihrem neuen Synagogenvorsteher Sosthenes eine Chance, Paulus endlich mundtot machen zu können.

  »Als dann Gallio Prokonsul von Achaja war, traten die Juden einmütig gegen Paulus auf, führten ihn vor die Richterbühne und sagten: Unter Umgehung des Gesetzes überredet dieser die Menschen, Gott zu verehren!« (Verse 12+13).

  Wörtlich lautete der entscheidende Punkt der Anklage: »neben dem Gesetz«, also das Gesetz missachtend und beiseite setzend, daran vorbeigehend. Welches Gesetz sollte Paulus umgangen haben? Das römische Gesetz, wonach keine neue Religion eingeführt werden durfte, oder das Gesetz des Mose, neben dem Paulus etwas ganz anderes und mithin unerlaubtes Neues lehre? - Die jüdische Religion war staatlich zugelassen.

  Die Ankläger des Paulus meinten das Gesetz des Mose. Paulus würde dieses nicht lehren, folglich eine neue Religion gründen wollen, und dafür möge Gallio ihn bestrafen.

  »Als Paulus im Begriff war, den Mund aufzutun, sagte Gallio zu den Juden: Wenn es nun irgendein Unrecht oder böswilliges Bubenstück wäre, o Juden, so würde ich euch dem Anlass gemäß ertragen haben. Wenn es aber Fragen über ein Wort, um Namen oder ein euch angehendes Gesetz sind, so sollt ihr selbst zusehen; ich habe nicht die Absicht, in diesen Dingen Richter zu sein. - Damit wies er sie von der Richterbühne fort. Nun ergriffen sie alle den Synagogenvorsteher Sosthenes und schlugen ihn angesichts der Richterbühne. Doch Gallio kümmerte sich nicht weiter darum« (Verse 14-17).

  Auch Gallio verstand unter dem »Gesetz« das die Juden angehende. Er sah das, was Paulus verkündigte, als eine Variante der anerkannten jüdischen Religion an, die vom römischen Recht geschützt war. Und diese läge außerhalb seiner Gerichtsbarkeit. So wies er die Juden ab, und die Griechen nutzten die Gelegenheit dieser öffentlichen Demütigung der Juden, um ihren Judenhass an Sosthenes auszulassen.

  Die Entscheidung des Gallio war von weitreichendem Gewicht. Dieser Präzedenzfall bedeutete auch für die anderen römischen Provinzen, dass die Verkündigung des Paulus nicht gegen römisches Recht verstoße. Der römische Statt schützte somit gewissermaßen das Evangelium des Apostels Paulus. Paulus konnte mithin in den nächsten Jahren seinen Dienst ungehindert tun.

  Vielleicht kam der Synagogenvorsteher nach diesen Ereignissen zum Glauben, dass Jesus der Christus ist. Er könnte dann mit dem von Paulus in 1.Korinther 1:1 erwähnten Bruder Sosthenes identisch sein.

  Wir sehen, dass Paulus, wie der Herr es ihm in dem Nachtgesicht zugesagt hatte, in Korinth vor allem Üblen bewahrt wurde.

 

Paulus reiste ab

 

  »Nachdem Paulus noch beträchtlich mehr Tage dort verharrt hatte, verabschiedete er sich von den Brüdern und segelte nach Syrien und mit ihm Priszilla und Aquila. In Kenchreä ließ er sich das Haupt scheren; denn er hatte ein Gelübde abgelegt« (Vers 18).

  Kenchreä war der östliche Hafen von Korinth an der Landenge.

  Paulus oder Aquila - der Satzbau spricht für Aquila - hatte ein Gelübde, vermutlich gemäß 4.Mose 6:1-21 das eines Nasiräers, eines Geweihten, getan und sich dem Herrn mit ganz besonderer Hingabe geweiht. Während des dafür angesetzten Zeitraums durfte man sein Haupthaar nicht scheren lassen, sondern erst beim Abschluss.

 

Über Ephesus und Jerusalem nach Antiochien

 

  »Dann gelangten sie nach Ephesus, und dort ließ er jene beiden zurück. Er selbst aber ging in die Synagoge und hatte Unterredungen mit den Juden. Als sie ihn ersuchten, auf längere Zeit zu bleiben, willigte er nicht ein, sondern verabschiedete sich und sagte: So Gott will, werde ich wieder zurückkehren. - Dann ging er von Ephesus aus in See, landete in Cäsarea, zog nach Jerusalem hinauf, wo er die herausgerufene Gemeinde begrüßte, und ging wieder nach Antiochien hinab« (Verse 19-22).

  Paulus hatte schon immer vorgehabt, nach Ephesus, einem bedeutenden Handelszentrum und der Hauptstadt der Provinz Asien, zu gehen. Der Geist Jesu hatte es aber nicht zugelassen, weil er zunächst in Europa, besonders in Korinth, wirken sollte (Ap.16:6). Und nun leitete ihn der Geist Jesu an, alsbald aufzubrechen. Vermutlich hatte Paulus geistgeführt die Absicht, auf der nächsten Reise für längere Zeit nach Ephesus zu kommen (Ap.19:1,8,10). »So Gott will«, sagte er, denn nur Gottes Wille geschieht, schließlich ist Er der alles Bewirkende (Eph.1:11). Vielleicht ließ Paulus Priszilla und Aquila deshalb in Ephesus zurück, damit sie alles für seinen zukünftigen Aufenthalt dort vorbereiten mögen.

  Beachten wir im Übrigen, dass der Apostel Paulus stets guten Kontakt zur Herausgerufenen in Jerusalem und zu seiner Heimatgemeinde Antiochien hielt.

 

Aufbruch zur dritten Missionsreise

 

  »Als er einige Zeit dort verbracht hatte, reiste er ab, durchzog nacheinander das galatische Land und Phrygien und befestigte alle Jünger im Glauben« (Vers 23).

  Ganz gewiss berichtete Paulus den Geschwistern in Antiochien viele Einzelheiten seiner zweiten Missionsreise, wodurch sie Zuspruch und Freude, Belehrung und Wachstum zu Christus hin erfuhren.

  Den Beginn der dritten Missionsreise, die von 52 bis 56 n. Chr. stattfand, schildert Lukas wahrscheinlich deshalb mit nur wenigen Worten, weil er den Schwerpunkt seiner Berichterstattung auf Ephesus legen will.

 

Apollos in Ephesus

 

  »Da gelangte ein Jude namens Apollos nach Ephesus; er war ein gelehrter Mann von alexandrinischer Herkunft und mächtig in den Schriften. Dieser war über den Weg des Herrn unterrichtet, und mit inbrünstigem Geist sprach und lehrte er genau das, was Jesus betraf, obwohl er nur über die Taufe des Johannes Bescheid wusste« (Verse 24+25).

  Apollos, der ein Mitarbeiter des Paulus werden sollte, wusste von Jesus also nur, was in den hebräischen heiligen Schriften (und in der in seiner Heimatstadt Alexandrien in Ägypten hergestellten griechischen Fassung, der Septuaginta) geschrieben steht, die den Weg Jesu Christi vorzeichneten, und was ihm über den Herrn bis zu Seiner Taufe zu Ohren gekommen war. Mithin kannte er die Worte Johannes des Täufers: »Siehe, das Lamm Gottes, das die Sünde der Welt auf sich nimmt!« (Joh.1:29) und die Stimme aus den Himmeln: »Dies ist Mein geliebter Sohn, an Ihm habe Ich Mein Wohlgefallen« (Mat.3:17).

  »Dieser Apollos begann freimütig in der Synagoge zu reden. Als Priszilla und Aquila ihn hörten, nahmen sie ihn zu sich und setzten ihm den Weg Gottes noch genauer auseinander« (Vers 26).

  Priszilla- sie wird zuerst genannt; sie war wohl die Aktivere - und ihr Mann Aquila durften einen herrlichen geschwisterlichen Dienst tun, nämlich einen Gläubigen in der Erkenntnis Jesu Christi weiterführen. Sicherlich informierten sie Apollos über das Wirken und die Wunder Jesu, Seine Kreuzigung und Auferstehung und darüber, dass in Seinem Namen die Erlassung der Sünden unter allen Nationen zu verkündigen ist (Luk.24:47), man sich nun in den Namen des Herrn Jesus taufen lassen soll (Ap.19:5) und nunmehr den heiligen Geist empfangen könne (Ap.19:6).

 

Apollos in Achaja

 

  »Als er (Apollos) beschloss, nach Achaja weiterzureisen, ermunterten die Brüder dazu und schrieben den Jüngern, ihn willkommen zu heißen. Dort angekommen, traf er viel mit denen zusammen, die durch die Gnade gläubig geworden waren. Denn unnachgiebig widerlegte er die Juden gründlich, indem er aus den Schriften öffentlich bewies, Jesus sei der Christus« (Verse 27+28).

  Die in Achaja waren durch die Gnade gläubig geworden. Ist doch alles Gnade: unsere Auserwählung und Berufung, unser Glaube, unsere Rechtfertigung und Versöhnung, unsere Versiegelung und der Sohnesstand; nichts ist aus uns! Möge unser ganzes Leben zum Lobpreis der Herrlichkeit der Gnade dienen! »In der Gnade seid ihr Gerettete, durch Glauben, und dies ist nicht aus euch, sondern Gottes Nahegabe« (Eph.2:8; vgl. Phil.1:29; Ap.13:48).

  Von Priszilla und Aquila unterwiesen, setzte Apollos die Arbeit des Paulus in Achaja und besonders in Korinth fort. Paulus schrieb darüber: »Was ist nun Apollos? Was ist denn Paulus? Diener sind sie, durch die ihr zum Glauben gekommen seid; und jeder dient so, wie der Herr es ihm gegeben hat: ich pflanze, Apollos tränkt, doch Gott lässt es wachsen« (1.Kor.3.5,6).

  Ohne zurückzuweichen und ohne sich zurückzuhalten widerlegte Apollos die Juden und führte den Schriftbeweis, dass Jesus der Messias ist (5.Mose 18:15; Jes.7:14; 35:5,6; 53; 61:1,2; Ps.22).

 

Jünger ohne heiligen Geist

 

  Inzwischen war Paulus in Ephesus angekommen. Er war nicht auf dem kürzesten Weg über Kolossä und Laodicea gereist (Kol.2:1), sondern über weiter nördlich gelegene Landesteile.

  Und nun erfahren wir aus Kapitel 19:1-7:

  »Als Apollos in Korinth war, geschah es, dass Paulus, nachdem er durch die oberen Gebiete gezogen war, nach Ephesus hinabkam und dort einige Jünger fand. Er fragte sie: Habt ihr heiligen Geist erhalten, als ihr gläubig wurdet? - Da sagten sie zu ihm: Nein, wir haben auch nicht gehört, ob es heiligen Geist gibt! - Weiter fragte er: In was hinein seid ihr denn getauft worden? - Sie antworteten: In die Taufe des Johannes. - Paulus erwiderte: Johannes taufte mit der Taufe der Umsinnung und sagte dem Volk, dass sie an den glauben sollten, der nach ihm kommt, das heißt: an Jesus. - Als sie das hörten, ließen sie sich in den Namen des Herrn Jesus taufen; und während Paulus ihnen die Hände auflegte, kam der Geist, der heilige, auf sie; und sie sprachen in Zungen und redeten prophetisch. Es waren insgesamt etwa zwölf Männer.«

  Wieso hatten diese Jünger den Geist Gottes nicht beim Glaubensanfang erhalten? - Bei der Betrachtung der einschlägigen Verse der Apostelgeschichte darf uns klar werden, dass dies eher die Ausnahme war (Ap.10:44). Zu Pfingsten des Jahres 32 n. Chr. musste man sich zuerst auf den Namen Jesu Christi taufen lassen (Ap.2:38). Die Gläubigen in Samaria waren zwar in den Namen des Herrn getauft, erhielten den Geist aber erst durch Handauflegung (Ap.8:17). Und diese hier in Ephesus wussten noch gar nicht, ob heiliger Geist überhaupt schon ausgegossen worden war, wie unter anderem vom Propheten Joel verheißen (Joel 3:1).

  In was hinein waren diese Männer denn getauft worden? - In die Taufe des Johannes. Der hatte gesagt: »Ich taufe euch in Wasser zur Umsinnung; der aber nach mir kommt ... wird euch in heiligem Geist und Feuer taufen« (Mat.3:11). Die Taufe des Johannes bereitete die Umsinnenden auf den Messias vor. Der hatte inzwischen das Erlösungswerk vollbracht. Mithin ist an Ihn zu glauben und hat man sich in Seinen Namen taufen zu lassen.

  So ließen sich diese zwölf Jünger nach der Belehrung durch Paulus nochmals taufen, und zwar jetzt in den Namen des Herrn Jesus. Sie waren damit also zweimal getauft, ebenso wie dies auch an all denen geschehen war, die sich einst von Johannes im Jordan hatten taufen lassen (Mat.3:5) und etwa dreieinhalb Jahre später nach der großen Pfingstrede des Petrus ein weiteres Mal (Ap.2:38).

  Der Geist Gottes kam dann erst auf die Jünger, als Paulus ihnen die Hände auflegte. Die Angabe, dass der Geist »auf« einen Menschen kam, zeigt uns an, dass der Empfang des heiligen Geistes mit Kraftwirkungen verbunden war, wie prophetischem Reden und Zungenreden. Dies entsprach der Verkündigung des Königreichs Israels. Auch unser Herr Jesus Christus hatte vor Seiner Himmelfahrt das Wort »auf« gebraucht, als Er sagte: »Ihr werdet Kraft erhalten, wenn der heilige Geist auf euch kommt« (Ap.1:8).

 

Paulus in Ephesus

(Apostelgeschichte 19:8-41)

 

  Der Apostel Paulus war während seiner dritten Missionsreise, die er in den Jahren 52 bis 56 n. Chr. unternahm, in Ephesus angekommen.

 

In der Synagoge

 

  »Dann ging er in die Synagoge, redete dort freimütig drei Monate lang und suchte sie in Unterredungen betreffs des Königreichs Gottes zu überzeugen« (Vers 8).

  Die Synagoge war ein sehr geeigneter Versammlungsort, um den an den Gott Israels glaubenden Juden und Griechen Jesus als Evangelium zu verkündigen. Paulus suchte die Juden bezüglich des ihnen verheißenen Königreichs zu überzeugen, das der Christus, ihr König Jesus, den Gläubigen und Treuen Seines Volkes aufrichten wird.

  Die Apostelgeschichte schildert das Wirken des Apostels Paulus für das Königreich Israels. Das uns, die aus den Nationen, angehende Evangelium, das Paulus in seinen Briefen niederlegte, ist nicht Thema der Apostelgeschichte und wird mithin so gut wie nicht erwähnt.

 

Im Hörsaal des Tyrannus

 

  »Als sich aber einige verhärteten, widerspenstig waren und über den Weg Gottes vor den Augen der Menge Übles redeten, entfernte er sich von ihnen und sonderte die Jünger für tägliche Unterredungen in der Schule des Tyrannus ab. Dies geschah zwei Jahre lang, sodass alle Bewohner der Provinz Asien das Wort des Herrn hörten, Juden sowohl wie Griechen« (Verse 9+10).

  Dies war der Weg der ungläubigen Juden: Sie verhärteten sich, dann widersprachen sie und sodann lästerten sie über den in Christus Jesus bestehenden Heilsratschluss Gottes. Von solchen musste Paulus sich trennen, denn was haben Licht und Finsternis gemeinsam (2.Kor.6:14)?

  Er traf sich fortan mit den Gläubigen und Interessierten in der Schule eines gewissen Tyrannus. Der war wohl ein toleranter Gelehrter, der dem Paulus seinen Hörsaal vermietete, wahrscheinlich für die Tageszeit der Mittagsruhe von 11 bis 16 Uhr, wenn er den Saal nicht nutzte.

  Über zwei Jahre lang, über die Jahre 53 und 54 hinaus (Ap.20:31), war es dem Apostel geschenkt, dort täglich Unterredungen über das Wort des Herrn zu führen. Wenn er nicht im Hörsaal war, lehrte er auch in den Häusern (Ap.20:20) und arbeitete er mit seinen eigenen Händen für seinen Lebensunterhalt (Ap.20:34).

  Und das Evangelium wurde von den Gläubigen in die gesamte Provinz Asien hinausgetragen, in der viele herausgerufene Gemeinden an Orten entstanden, die Paulus niemals betreten hatte, wie in Kolossä, Laodicea und Hierapolis (Kol.2:1; 4:13).

  In diesen Jahren schrieb Paulus übrigens den 1.Korintherbrief, wahrscheinlich im Jahre 53 n. Chr. Darin äußerte er sich über die Situation in Ephesus wie folgt: »Ich werde aber bis Pfingsten hier in Ephesus bleiben; denn eine große und wirksame Tür hat sich mir aufgetan, doch es gibt viele Widerstrebende« (1.Kor.16;8,9).

 

Ungewöhnliche Machttaten

 

  »Auch ungewöhnliche Machttaten bewirkte Gott durch die Hände des Paulus, sodass man sogar Schweißtücher oder Schurze von seiner bloßen Haut zu Kranken und Schwachen brachte, um die Krankheiten aus ihnen zu vertreiben und die bösen Geister ausfahren zu lassen« (Verse 11+12).

  Der Herr Jesus Christus ist der überlegene Sieger über die Mächte der Finsternis!

  In jener heilsgeschichtlichen Verwaltung (oikonomia, Verfahrensordnung) des Übergangs von der pfingstlichen zur gegenwärtigen, allein im Glauben und nicht mehr im Wahrnehmen bestehenden (1.Tim.1:4; 2.Kor.5:7) bestätigten die auf die Herrlichkeit des Königreichs Israels im kommenden Äon hinweisenden Machttaten die Verkündigung wie auch das Aposteltum des Paulus (Heb.6:5; 2.Kor.12:12).

 

Jüdische Beschwörer

 

  »Aber auch einige der umherziehenden jüdischen Beschwörer nahmen es in die Hand, den Namen des Herrn Jesus über denen zu nennen, die böse Geister hatten, indem sie sagten: Ich beschwöre euch bei Jesus, den Paulus heroldet! - Es waren besonders sieben Söhne des Skeva, eines hohepriesterlichen Juden, die dies taten. Der böse Geist antwortete ihnen jedoch: Jesus zwar kenne ich, und über Paulus weiß ich Bescheid, ihr aber, wer seid ihr? - Da schnellte der Mensch, in welchem der böse Geist war, auf sie los, zwang beide nieder und erwies sich so stark gegen sie, dass sie unbekleidet und verwundet aus jenem Haus flohen« (Verse 13-16).

  Es ist nicht schwer, vom Unglauben in den Aberglauben abzugleiten und dämonische Praktiken auszuüben. So tief war Israel gesunken! Der glaubenslose, nur formale oder rituelle Gebrauch des Namens Jesu ist völlig wirkungslos. Die bösen Geister lassen sich nicht täuschen; sie wissen, wer glaubt und wer nicht. Über Paulus wussten sie Bescheid. Er hatte Vollmacht über die bösen Geister. Und wir werden nur dann nicht von ihnen betrogen, wenn wir die Gesamtwaffenrüstung Gottes angezogen haben (Eph.6:12-17).

 

Sie verbrannten ihre Zauberutensilien

 

  Das Ereignis hatte heilsame Wirkungen. Lukas berichtet in den Versen 17 bis 20 davon:

  »Dieses wurde nun den Bewohnern von Ephesus bekannt, allen Juden wie auch Griechen, und Furcht befiel sie alle, aber der Name des Herrn Jesus wurde hoch erhoben. Auch kamen viele, die gläubig geworden waren, bekannten offen ihre Handlungen und taten sie kund. Eine beträchtliche Zahl von denen, die vorwitzig Zaubereisünden verübt hatten, brachten ihre Rollen zusammen und verbrannten sie vor aller Augen. Als man ihren Wert zusammenrechnete, fand es sich, dass er fünfzigtausend Silberstücke betrug. So gewaltig wuchs das Wort des Herrn und erwies sich als stark.«

  Nachdem die Siegeskraft Jesu Christi, allein durch Schweißtücher und Schurze des Paulus Dämonen ausfahren zu lassen, offenbar geworden war und das Erlebnis der Söhne des Skevas gezeigt hatte, dass mit dem Namen Jesu nicht zu spaßen, sondern ihm Ehrfurcht entgegenzubringen ist, trat unter anderem auch zutage, dass manche Gläubige noch nicht völlig mit den dämonischen Dingen gebrochen hatten. Jetzt aber bekannten sie diese als Sünde und vernichteten alle ihre Zauberrollen und -utensilien. - Mögen auch wir unsere Heiligung in der Furcht Gottes vollenden (2.Kor.7:1)!

 

»Als dies völlig ausgerichtet war ...«

 

  »Als dies völlig ausgerichtet war, nahm sich Paulus im Geist vor, durch Mazedonien und Achaja zu ziehen und nach Jerusalem zu gehen. Er sagte: Nachdem ich dort gewesen bin, muss ich auch Rom sehen. - So sandte er zwei von denen, die ihm zu Diensten standen, Timotheus und Erastus, nach Mazedonien voraus, während er selbst eine Zeitlang auf die Provinz Asien Acht hatte« (Verse 21+22).

  »Als dies völlig ausgerichtet war ..« Man könnte auch übersetzen: »Als aber all dies vervollständigt war ...« Was war auf das Vollmaß gebracht worden? - Der Dienst oder Dienstabschnitt des Apostels Paulus als Priester an den Nationen und die Verkündigung des Evangeliums in der Kraft der Zeichen und Wunder.

  Hierüber schreibt Paulus in Römer 15:15-19 von »der Gnade, die mir von Gott gegeben ist, damit ich der Amtsträger Christi Jesu für die Nationen sei, der als Priester des Evangeliums Gottes wirkt, damit die Darbringung der Nationen wohlannehmbar werde, geheiligt in heiligem Geist. In meinem Dienst für die Sache Gottes habe ich folglich das Rühmen nur in Christus Jesus. Denn ich möchte nicht wagen, von etwas zu reden, was nicht Christus durch mich ausgeführt hat, um die Nationen zum Glaubensgehorsam zu führen durch Wort und Werk, in Kraft der Zeichen und Wunder, in Kraft des Geistes Gottes, sodass ich von Jerusalem aus ringsumher bis nach Illyrien das Evangelium des Christus völlig ausgerichtet habe.«

  In seinem ersten Dienstabschnitt während der pfingstlichen Heilsverwaltung hatte Paulus im wesentlichen verkündigt, dass Jesus der Christus ist (Ap.9:20,22).

  Der erste Schnittpunkt war seine Absonderung von den Zwölf im syrischen Antiochien und der Antritt der ersten Missionsreise mit dem Dienst an den Auslandsjuden und an den Nationen als Priester Israels, den priesterlichen Dienst an ihnen tuend, den das ungläubige Israel nicht tun konnte (Ap.13:2).

  Im zweiten Dienstabschnitt, in der heilsgeschichtlichen Verwaltung des Übergangs von der pfingstlichen zur gegenwärtigen, verkündigte Paulus einerseits weiterhin das Königreich Israels sowie andererseits von dem ihm für die Nationen enthüllten Evangelium (Gal.1:12) die Rechtfertigung allein durch Glauben, so im pisidischen Antiochien (Ap.13:39) und durch den Galaterbrief im Jahre 49 n. Chr.

  Nach den gewaltigen Machttaten gegenüber den bösen Geistern in Ephesus war Paulus am zweiten Schnittpunkt seines Dienstes angekommen. Seinen priesterlichen Dienst hatte er völlig ausgerichtet, und das Evangelium des Christus in der Kraft der Zeichen und Wunder war vervollständigt. Dies war um die Jahreswende 54/55 geschehen.

  Jetzt sollte der dritte Dienstabschnitt beginnen. Wir befinden uns noch in der heilsgeschichtlichen Verwaltung des Übergangs. Paulus verkündigte nun die Versöhnung Gottes mit allen Menschen

(Röm.5:1-11; 2.Kor.5:19); damit war ein priesterlicher, also vermittelnder Dienst nicht mehr erforderlich. Erstmals sprach Paulus von der herausgerufenen Gemeinde, die Christi Körper ist (1.Kor.12:12,27; Röm.12:5). Und verkündigte unser Mitgekreuzigtsein (Röm.6); da das Fleisch somit völlig abgetan ist, gibt es auch keine Unterschiede mehr zwischen Juden und Nichtjuden dem Fleische nach. Er kannte auch Jesus nicht mehr dem Fleisch nach, also als Messias Israels (2.Kor.5:16), sondern als den Christus aller und kündigte die Verwerfung Israels an (Röm.11:15).

  In jener Zeit schrieb er den ersten Korintherbrief (53 oder 54), den ersten Timotheusbrief (55), den zweiten Korintherbrief (55) und den Römerbrief (56). Das letzte Wunder, das geschah, ereignete sich auf der Insel Melitê (Ap.28:6).

  Nach dem dritten Schnittpunkt, nämlich der Seereise nach Rom, begann sein vierter Dienstabschnitt, in welchem er die bislang geheime göttliche Verrwaltung der Gnade bekannt machte (Eph.3:2,8,9; Kol.1:25), in der wir heute leben. Mit den Gefangenschafts- oder Vollkommenheitsbriefen verkündigte er unsere höchsten geistlichen Segnungen inmitten der Überhimmlischen (Epheserbrief, 59; Philipperbrief, 61; Kolosserbrief, 60) und hob die Erlasse des Jakobus auf (Ap.15:23-29; Eph.2:15; Kol.2:14).

  Jetzt aber war der zweite Dienstabschnitt vollendet, und Paulus fasste neue Reisepläne. Er wollte die Kollekten Mazedoniens und Achajas einsammeln (1.Kor.16:1-5; 2.Kor.8+9), sie den Armen unter den Heiligen in Jerusalem überbringen (Röm.15:25,26) und dann endlich in der Hauptstadt des Römischen Reiches Christus als Evangelium verkündigen. Er wusste bereits, dass er, wenn er nach Rom kommt, in der Vervollständigung des Segens Christi kommen wird (Röm.15:29).

  Von den zwei nach Mazedonien Vorausgesandten, Erastus und Timotheus, wird von Letzterem zudem in 1.Korinther 16:10 erwähnt, dass er nach Achaja komme.

 

Das Aufbegehren der Silberschmiede

 

  »Es entstand aber zu jener Frist nicht wenig Erregung über den Weg Gottes; denn ein Silberschmied namens Demetrius, der silberne Tempel der Artemis herstellte und den Kunsthandwerkern kein geringes Einkommen bot, scharte diese und die mit solcher Kunst beschäftigten Arbeiter zusammen und sagte: Männer, ihr wisst Bescheid, dass auf diesem Einkommen unser Wohlstand begründet ist. Nun schaut und hört, wie dieser Paulus nicht allein in Ephesus, sondern beinahe in der gesamten Provinz Asien eine beträchtliche Schar überredet und umgestimmt hat; er sagt, dass es keine Götter seien, die mit Händen gemacht werden. Dies bringt aber nicht allein die Einstellung unserer Partei in Gefahr, dadurch widerlegt zu werden, sondern auch die Weihestätte der großen Göttin Artemis wird man für nichts rechnen, wenn demnächst auch ihre Glorie erloschen sein wird, erweist ihr doch die ganze Provinz Asien und die Wohnerde Verehrung« (Verse 23-27).

  Der Satan, der in den Söhnen der Widerspenstigkeit wirkt (Eph.2:2), hatte - es war Anfang des Jahres 55 n. Chr. - ein leichtes Spiel, die Silberschmiede aufgrund ihres Einkommensverlusts zum Aufbegehren gegen Paulus zu bringen und ihren Protest mit dem Hinweis auf die schwindende Glorie der Artemis religiös zu verbrämen.

  Christus Jesus aber ist hocherhaben über alle Fürstlichkeiten und Obrigkeiten, Mächte und Herrschaften (Eph.1:21) und bewirkte durch dieses Ereignis, dass Paulus Ephesus nunmehr unverzüglich verließ.

  Die Artemis der Epheser war eine vielbrüstige Fruchtbarkeitsgöttin. Der Tempel der Artemis in Ephesus zählte zu den sieben Weltwundern der Antike. Sie ist nicht mit der Artemis der griechischen Mythologie zu verwechseln, der Göttin der Jagd, welcher übrigens die römische Göttin Diana entsprach.

 

Der Tumult der Epheser

 

  »Als sie das hörten, wurden sie voll Grimm und schrien: Groß ist die Artemis der Epheser! - Und die Stadt wurde von der Verwirrung erfüllt. Dann stürmten sie einmütig in das Theater und schleppten Gajus und Aristarchus, die mazedonischen Reisegefährten des Paulus, mit sich. Als Paulus beabsichtigte, unter die Volksmenge zu treten, ließen es ihm die Jünger nicht zu. Aber auch einige der obersten Beamten der Provinz Asien, die seine Freunde waren, sandten zu ihm und sprachen ihm zu, sich nicht in das Theater zu begeben. - Einige schrien nun dies, andere etwas anderes; denn die herausgerufene Zunftversammlung war in Verwirrung, und die Mehrzahl wusste nicht, weswegen man zusammengekommen war.

  Da vereinigte man sich um Alexander, einen aus der Schar, den die Juden vorschoben. Alexander nun winkte mit der Hand und wollte sich vor der Volksmenge verteidigen. Als sie erkannten, dass er ein Jude war, geschah es, dass sie alle wie mit einer Stimme etwa zwei Stunden lang schrien: Groß ist die Artemis der Epheser! Groß ist die Artemis der Epheser!« (Verse 28-34).

  Das Theater hatte 25.000 Sitzplätze.

  Paulus wollte anfangs das Evangelium verteidigen; in diesem Fall aber hatten die Jünger und auch einige der obersten Beamten, die »Asiarchen«, das bessere Gespür.

  Mit dem Vorschieben jenes Alexanders versuchten die Juden, jegliche Übereinstimmung mit Paulus, insbesondere in der Ablehnung des Götzendienstes, zu leugnen, um nicht selbst in die Schusslinie zu geraten. Die Menge aber akzeptierte keinen Redner, der ihre Göttin nicht anbetete.

  Für Paulus allerdings bestand höchste Gefahr. Wer zwei Stunden lang geschrien hat: »Groß ist die Artemis der Epheser!«, ist auch bereit, durch die Stadt zu rennen, in die Häuser einzudringen und Paulus zu lynchen. Religiöser Fanatismus kennt keine Grenzen.

  Sehr wahrscheinlich berichtet Paulus in 2.Korinther 1:8 bis 11 über diese Situation: »Wir wollen euch nicht in Unkenntnis lassen über unsere Drangsal, Brüder, die uns in der Provinz Asien widerfahren ist, weil wir außerordentlich, über unsere Kraft, beschwert wurden, sodass wir am Leben verzweifelten. Hatten wir doch den Bescheid des Todes in uns, damit wir nicht auf uns selbst vertrauen sollten, sondern auf Gott, der die Toten auferweckt, der uns aus einem Tode solchen Ausmaßes geborgen hat und bergen wird. Auf den verlassen wir uns, dass Er uns auch noch weiterhin bergen wird, indem auch ihr durch euer Flehen für uns hilfreich mitwirkt, damit Ihm für uns in vielen Gebeten von vielen Angesichtern wegen der uns erwiesenen Gnadengabe gedankt werde.«

 

Die Beschwichtigung der Menge durch den Stadtschreiber

 

  »Schließlich beschwichtigte der Stadtschreiber die Volksmenge und erklärte: Männer! Epheser! Gibt es denn irgendeinen Menschen, dem nicht von der Stadt der Epheser bekannt ist, dass sie die Tempelwärterin der großen Artemis und des vom Zeus gefallenen Bildes ist? Folglich, da dies unbestreitbar ist, müsst ihr euch beschwichtigen lassen und nicht voreilig handeln. Denn ihr habt diese Männer abgeführt, die weder Weihestättenräuber noch Lästerer unserer Göttin sind. Wenn nun Demetrius und die Kunsthandwerker mit ihm einen Anlass zur Klage gegen jemanden haben, so werden Gerichtstage abgehalten, und es sind Prokonsuln da, dort mögen sie einander bezichtigen. Wenn ihr aber etwas in anderen Angelegenheiten sucht, so wird es in der gesetzmäßigen herausgerufenen Ratsversammlung erläutert werden. Denn wegen des heutigen Tumults sind wir ja in Gefahr, des Aufruhrs bezichtigt zu werden, weil sich keine einzige Ursache findet, mit der wir über diese Zusammenrottung Rechenschaft erstatten können. - Als er dieses gesagt hatte, entließ er die herausgerufene Zunftversammlung« (Verse 35-41).

  Der Stadtschreiber war der Verbindungsmann zwischen der Stadtverwaltung und der römischen Provinzialregierung. Für seine gerechte und taktvolle Rede können wir nur dankbar sein.

  Auf diese Weise barg Gott den Paulus aus einem Tode solchen Ausmaßes, rettete ihn vor den bösen Geistern und ihren menschlichen Handlangern. Ja, wir haben diesen Schatz, nämlich den Lichtglanz der Erkenntnis der Herrlichkeit Gottes im Angesicht Jesu Christi, in irdenen Gefäßen, damit das Außerordentliche der Kraft sich als von Gott und nicht als aus uns erweise: in allem bedrängt, aber nicht eingeengt, ratlos, aber nicht verzweifelt, verfolgt, aber nicht verlassen, niedergeworfen, aber nicht umgekommen. Allezeit tragen wir so die Tötung Jesu in unserem Körper umher, damit auch das Leben Jesu in unserem Körper offenbar werde (2.Kor.4:6-10).

  Das vom Zeus gefallene Bild war wahrscheinlich ein Meteorit, der dem Bild der Göttin ähnelte. Mithin argumentierte der Stadtschreiber gegen des Paulus Verkündigung, dass es keine Götter seien, die mit Händen gemacht werden; schließlich war der Meteorit ja vom Himmel gefallen. Wozu sich also von des Paulus Worten irritieren lassen?

  Sollte man Rom den Aufruhr nicht hinreichend erklären können, lief die Stadt Gefahr, einige ihrer Privilegien zu verlieren. Deshalb wies der Stadtschreiber auf Gerichtstage und Prokonsuln hin, in diesem Falle allerdings im Plural und mithin in allgemeiner Form, weil der bisherige Prokonsul Junius Silanus vor kurzem, Ende 54, ermordet worden und der Nachfolger noch nicht eingetroffen war.

  In unserem Schriftabschnitt kommt mehrmals der Begriff ekklêsia, das heißt »die Herausgerufene«, vor. Nicht nur die Zunft- und Ratsversammlung stellen eine aus der Gesamtmenge herausgerufene Schar dar, sondern auch wir Gläubigen bilden eine aus der Welt herausgerufene, besondere Schar. Wir sind die Herausgerufene, die Christi Körper ist (Eph.1:22,23).

  Wichtig ist des Weiteren, dass der Stadtschreiber - der in der Zwischenzeit wohl hat nachforschen lassen - feststellte, dass Gajus und Aristarchus nicht über die Artemis gelästert hatten. Nehmen auch wir uns dies zum Vorbild. Wir mögen die Religionen als übel beurteilen, dürfen aber nicht über sie lästern. Wir sind ausdrücklich gehalten, nichts und niemanden zu verlästern (Tit.3:2; 1.Tim.1:20), sind doch Schimpfer und erst recht Lästerer aus der Gemeinde auszuschließen (1.Kor.5:11; 6:10).

 

Paulus reiste ab

 

  »Nachdem dann der Tumult aufgehört hatte, sandte Paulus zu den Jüngern, sprach ihnen zu und verabschiedete sich von ihnen. Dann reiste er ab, um nach Mazedonien zu gehen« (Ap.20:1).

  Wie bereits gesagt, schrieb Paulus während seines Aufenthalts in Ephesus die beiden Korintherbriefe. Ihr Inhalt liegt völlig außerhalb des Blickfeldes der Apostelgeschichte, deren Thema das Königreich Israels ist. In den Korintherbriefen geht es um die Versöhnung Gottes mit den Menschen (2.Kor.5:19) und um die fortschreitende Erkenntnis Gottes »von Herrlichkeit zu Herrlichkeit« (2.Kor.3:18) gemäß dem dem Paulus enthüllten Evangelium der Unbeschnittenheit (Gal.1:12; 2:7). Paulus durfte in 1.Korinther 15:51 das Geheimnis unserer Auferstehung bekannt machen, nämlich unsere Verwandlung. Für die bereits Entschlafenen ist ihre Auferstehung die Verwandlung. Des Weiteren wies Paulus auf unsere überhimmlische Berufung hin, als er schrieb, dass wir das Bild des Überhimmlischen tragen werden (1.Kor.15:49). Nichts von alledem und auch nichts von dem Ringen des Apostels um die Korinther findet sich in der Apostelgeschichte.

 

 

Auf dem Rückweg von der dritten Missionsreise

(Apostelgeschichte 20)

 

  Der Apostel Paulus hatte auf  der dritten Missionsreise (52 bis 56 n. Chr.) nahezu drei Jahre lang in Ephesus gewirkt. Im Geist hatte er sich bereits vorgenommen, durch Mazedonien und Achaja zu ziehen und nach  Jerusalem, dann aber auch nach Rom zu gehen (Ap.19:21). Nach dem Tumult der Silberschmiede bestand erhebliche Lebensgefahr für ihn und war seines Verbleibens nicht länger in Ephesus. So verließ er die Stadt Anfang des Jahres 55.

 

Drei Monate in Griechenland

 

  "Nachdem dann der Tumult aufgehört hatte, sandte Paulus nach den Jüngern, sprach ihnen zu und verabschiedete sich von ihnen. Dann reiste er ab, um nach Mazedonien zu gehen. Als er jene Gebiete durchzogen und ihnen mit vielen Worten zugesprochen hatte, kam er nach Griechenland.  Dort verbrachte er drei Monate" (Verse 1-3 a).

  In Mazedonien verfasste Paulus im Jahre 55 den ersten Brief an Timotheus und wies ihn an, in Ephesus auszuharren (1.Tim.1:3). Über Troas war er nach Mazedonien gekommen, wo er dann den Titus endlich fand (2.Kor.2:12,13; 7:5,6). Paulus war zwischendurch auch in Illyrien (Röm.15:19), von Lukas mit den Worten "jene Gebiete (Mazedoniens)" nur angedeutet. Danach schrieb er im Jahre 55 den zweiten Korintherbrief in Mazedonien. Alsdann gelangte er nach Hellas, Griechenland, auch Achaja genannt, und war wohl den Winter 55/56 über für drei Monate dort. Bei diesem seinen dritten Besuch (2.Kor.12:14; 13:1) in Korinth, der Hauptstadt Achajas, hatte Paulus die Überbleibsel der fleischlichen Gesinnung der Korinther auszuräumen. Von dort aus schrieb er im Jahre 56 den Römerbrief.

 

Der Anfang der Rückreise

 

  "Als er sich anschickte, nach Syrien in See zu gehen, und von den Juden ein Anschlag gegen ihn vorbereitet wurde, fasste er den Entschluss, über Mazedonien zurückzukehren. Mit ihm zogen Sopater von Beröa, der Sohn des Pyrrhus, Aristarchus und Sekundus von Thessalonich, Gajus von Derbe und Timotheus, ferner von der

Provinz Asien Tychikus und Trophimus. Diese beiden gingen uns voraus und blieben in Troas. Wir jedoch segelten nach den Tagen der ungesäuerten Brote von Philippi ab und kamen in fünf Tagen zu ihnen nach Troas, wo wir uns sieben Tage aufhielten" (Verse 3 b-6).

  Die Feindschaft der Juden in Korinth gegen Paulus flammte wieder auf. Auf dem Schiff nach Syrien wollten sie ihn ermorden. Deshalb änderte Paulus seinen Plan und zog über Mazedonien. Von Philippi, das heißt von Neapolis, der Hafenstadt Philippis, aus segelte er dann mit mehreren Begleitern, darunter auch der seit der zweiten Missionsreise in Philippi verbliebene Lukas, der von hier an in der "Wir"-Form berichtet, nach den Festtagen der ungesäuerten Brote (3.Mose 23:6) - diese währten vom 15. bis 26. April 56 - nach Troas, wo alle Reisenden wieder zusammentrafen.

  Die Reisegruppe - die Delegierten der Gemeinden - führte die Kollekte der Mazedonier und Achajer sowie derer aus Kleinasien für die Armen unter den Heiligen in Jerusalem mit sich (Ap.24:17; 1.Kor.16:1-4; 2.Kor.8+9). Deren Armut mag damit überein sein, dass das Königreich für Israel nicht in dieser Zeit aufgerichtet werden würde (Ap.1:6) und dessen Kräfte im Schwinden begriffen waren. Paulus erläutert sein Handeln in Römer 15:25-27: "Zunächst gehe ich nun nach Jerusalem, um den Heiligen zu dienen. Denn Mazedonien und Achaja haben es gutgeheißen, eine Beisteuer für die Armen unter den Heiligen in Jerusalem zu geben. Sie heißen dies gut, weil sie ja deren Schuldner sind; denn wenn die Nationen an deren geistlichen Gütern teilnehmen, so sind sie auch verpflichtet, eine Beisteuer zu den fleischlichen zu leisten." Damals waren die Nationen noch Teilhaber an den geistlichen Gütern Israels. Nun aber haben wir unsere eigenen geistlichen Güter, und zwar sind wir jetzt mit jedem geistlichen Segen inmitten der Überhimmlischen gesegnet (Eph.1:3). Die geistlichen Güter Israels waren und sind zukünftig wieder auf die Erde bezogen.

 

Eutychus von Troas

 

  "Als wir an dem einen der Sabbattage versammelt waren, um Brot zu brechen, unterredeter sich Paulus mit ihnen, weil er vorhatte, sich tags darauf fortzubegeben. Daher dehnte er die Wortverkündigung bis Mitternacht aus; eine beträchtliche Anzahl von Fackeln brannte in dem Obergemach, wo wir versammelt waren. Da wurde ein junger Mann namens Eutychus, der am Fenster saß, von tiefem Schlaf übermannt (während Paulus sich noch länger mit ihnen unterredete), sodass er, vom Schlaf überwältigt, vom dritten Stock hinunterfiel und tot aufgehoben wurde. Paulus aber stieg hinab, warf sich über ihn, umfing ihn und sagte: Macht keinen Tumult; denn seine Seele ist in ihm" (Verse 7-10).

  Eutychus war tot; Paulus weckte ihn in der Kraft des zukünftigen Äons (Heb.6:5) auf. Daraufhin war die Seele, das Bewusstsein, wieder in dem jungen Mann, der seinen Namen nicht von ungefähr trug; er bedeutet nämlich "Wohlereignis". Zur Auferweckung vergleiche 1.Könige 17:21 (der Sohn der Witwe zu Zarpat) und 2.Könige 4:34 (der Sohn der Schunamitin).

  Versuchen wir, den Unterschied der Auferweckung der Tabitha durch Petrus (Ap.9:36-41) und der des Eutychus durch Paulus aufzuspüren. Sie war voll guter Werke und gab viele Almosen. Von Eutychus wird nichts dergleichen berichtet, im Gegenteil, er war während der Wortverkündigung eingeschlafen. Das ist typisch für das Evangelium der Beschneidung einerseits und das der Unbeschnittenheit andererseits, mit dem Paulus betraut war (Gal.2:7). Jene werden durch Glauben und Werke gerettet, wir dagegen allein durch Glauben, allein in der Gnade, selbst dann, wenn wir nicht auf das Wort Gottes achten, sondern schlafen (1.Thess.5:10; 1.Kor.3:15) - zum Lobpreis der Herrlichkeit der Gnade!

  Zwei kurze Bemerkungen zum Sabbat und zum Brotbrechen:

  Wörtlich wäre zu übersetzen: "Als wir an dem einen Tag der Sabbate versammelt waren", womit der eine, der besondere Wochentag gemeint ist, der Tag der Sabbate; wobei Sabbat im Plural steht, weil an seine beiden Hälften gedacht ist, die Nacht- und die Taghälfte. - Für einen besonderen Sabbat während der fünfzig Tage bis Pfingsten gibt es keinen Anhaltspunkt.

  Brotbrechen war die Bezeichnung für eine gewöhnliche Mahlzeit.

  "Als er (Paulus) wieder hinaufgestiegen war, Brot gebrochen und etwas gegessen hatte, unterhielt er sich noch eine geraume Zeitlang mit ihnen, bis Tagesanbruch; sodann zog er hinaus. Den Knaben aber führten sie lebend mit sich, was ihnen zu unermesslichem Zuspruch gereichte" (Verse 11+12).

 

Von Troas nach Milet

 

  "Wir gingen dann voraus auf das Schiff und fuhren nach Assos aus. Dort hatten wir vor, Paulus an Bord zu nehmen; denn so hatte er es angeordnet, weil er sich anschickte, selbst zu Fuß zu gehen. Als er dann in Assos mit uns zusammentraf, nahmen wir ihn an Bord und kamen nach Mitylene.  Von dort segelten wir weiter und gelangten am folgenden Tag auf die Höhe von Chios. An dem anderen Tag fuhren wir Samos an und kamen am nächsten nach Milet; Paulus hatte nämlich entschieden, an Ephesus vorbeizusegeln, damit ihm in der Provinz Asien keine Zeit verloren ginge; denn er beeilte sich, um, wenn es ihm möglich wäre, zum Pfingsttag in Jerusalem zu sein" (Verse 13-16).

  Das Schiff brauchte für die Fahrt von Troas bis Assos mehr Zeit als ein Wanderer, weil es das Kap Lectum umfahren musste. Paulus wird das Bedürfnis gehabt haben, die etwa acht Stunden zu Fuß allein unterwegs zu sein, weil er sich in der Gemeinschaft allein mit seinem Gott und Vater und seinem Herrn Jesus Christus darauf einstellen musste, dass ihn nur Bande und Drangsale erwarteten (Ap.20:23).

 

Des Paulus Rede in Milet

 

  "Von Milet aus sandte er nach Ephesus und ließ die Ältesten der herausgerufenen Gemeinde herbeirufen. Als sie zu ihm gekommen waren, sagte er zu ihnen: Ihr wisst Bescheid, wie ich mich vom ersten Tag ab, an dem ich zur Provinz Asien hinaufzog, allezeit bei euch verhalten habe: Ich sklavte dem Herrn in aller Demut, unter Tränen und Anfechtungen, die mir durch die Anschläge der Juden widerfuhren; mit nichts, was förderlich ist, habe ich zurückgehalten, sondern es euch kundgetan und euch öffentlich und in den Häusern gelehrt, indem ich Juden wie auch Griechen die Umsinnung zu Gott und den Glauben an unseren Herrn Jesus Christus bezeugte" (Verse 17-21).

  Das Schiff wird drei oder vier Tage Liegezeit in Milet gehabt haben. Dies war die Gelegenheit, den Heiligen zu Ephesus einen weiteren Dienst zu tun. So ließ Paulus die Ältesten der Gemeinde zu sich rufen. Milet lag etwa 50 km südlich von Ephesus.

  Paulus erinnerte sie an sein Wirken, seine Verkündigung, vor allem aber an seinen Dienst in aller Demut, unter Tränen und Anfechtungen. An seinem persönlichen hingebungsvollen Dienen hatten sie erkennen dürfen, dass der Christus in ihm lebt. Sein Vorbild wird auch sie auf den Herrn ausrichten.

  Mit nichts, was zu wissen förderlich war, hatte Paulus während seiner etwa drei Jahre in Ephesus zurückgehalten, und zwar entsprechend jener heilsgeschichtlichen Verwaltung (oikonomia) des Übergangs von der pfingstlichen zur gegenwärtigen (Eph.3:2). Er hatte den Dienst an den Nationen wie zukünftig das priesterliche Volk in der Kraft der Zeichen und Wunder völlig ausgerichtet (Ap.19:21; Röm.15:16,19). Und immer noch heroldete er das Königreich Israels (Ap.20:25). Noch verkündigte Paulus aus einem Bruchteil und war die Reife (oder: das Vollkommene) nicht gekommen, bei der das aus dem Bruchsteil abgetan würde (1.Kort.13:8-12). Die Reife kam erst mit den Gefangenschafts- oder Vollkommenheitsbriefen, dem Epheser-, Philipper- und Kolosserbrief.

  Die Umsinnung zu Gott und der Glaube an den Herrn Jesus Christus gehörten zu des Paulus Botschaft, solange er das Königreich Israels verkündigte. Ohne Umsinnung und empfangene Vergebung konnte man nicht dort hineingelangen. Wir aber haben, wie im Römerbrief ausgeführt, Rechtfertigung (weit weg) von allen Sünden und Versöhnung, und zwar allein durch Glauben; wir sind vom Glaubensanfang an für gerecht erklärt und mit dem Vater ausgesöhnt.

 

Bande und Drangsale

 

  Nach dem Rückblick gab Paulus nun einen Ausblick auf seine nahe Zukunft.

  "Und nun siehe, ich als ein im Geist Gebundener, ich gehe nach Jerusalem und weiß nicht, was mir dort begegnen wird, außer dass der Geist, der heilige, mir von Stadt zu Stadt bezeugt: Was mir bleibt, sind Bande und Drangsale. Jedoch habe dich darüber kein Wort, noch erachte dich meine Seele nicht als zu kostbar, bis ich meinen Lauf und Dienst vollende, den ich vom Herrn Jesus erhielt, um das Evangelium der Gnade Gottes zu bezeugen" (Verse 22-24).

  Paulus war ein im Geist Gebundener, denn für ihn galt nur der Wille Gottes. Sind auch wir an das Wort gebunden oder lassen wir unsere Gedanken von jeder Neuigkeit hin- und herwerfen? Paulus musste nach Jerusalem gehen, um als der Amtsträger Christi Jesu die Frucht seines Missionsdienstes unter den Nationen darzubringen, geheiligt im heiligen Geist (Röm.15:16).

  Doch auch dieses Zeugnis werden die Juden ablehnen. Somit erwarteten Paulus nur Bande und Drangsale. Deshalb bat der Apostel in Römer 15:31 um die Fürbitte, dass Gott ihn vor den Widerspenstigen in Jerusalem bergen möge.

  Noch hatte Paulus seinen Lauf und Dienst nicht vollendet und den gesamten Reichtum der Gnade nicht bekannt gemacht (Vers 24). Aber ebenso wie er körperlich immer mehr eingeschränkt werden wird, werden auch die körperlichen und irdischen Segnungen zurückgehen und dem geistlichen und überhimmlischen Segen Platz machen. Und in Rom wird er dann die Vervollständigung des Segens Christi verkündigen (Röm.15:29), wie in den dort in den Jahren 59 bis 61 geschriebenen Briefen nachzulesen.

 

"Ihr werdet mein Angesicht nicht mehr sehen"

 

  "Und nun siehe, ich weiß, dass ihr mein Angesicht nicht mehr sehen werdet, ihr alle, zu denen ich hinkam, das Königreich zu herolden. Darum bezeuge ich euch am heutigen Tag, dass ich vom Blute aller rein bin; denn ich bin nicht davor zurückgewichen, euch den gesamten Ratschluss Gottes zu verkündigen" (Verse 25-27).

  Den gesamten Ratschluss Gottes bezüglich des Königreichs hatte Paulus verkündigt. Diese Aufgabe hatte er völlig ausgerichtet. Folglich ist er vom Blute aller rein. Er trägt keine Schuld daran, dass er etwa jemanden in der Unkenntnis hätte sitzen lassen (vgl. Hes. 33:8,9).

  Das "Ich bin nicht zurückgewichen" (Vers 27) entspricht dem "Mit nichts, was förderlich ist, habe ich zurückgehalten" (Vers 20). Mögen auch wir keinesfalls davor zurückweichen, den gesamten uns offenbarten Ratschluss Gottes bis hin zur Rettung aller Menschen, ja des ganzen Alls (Kol.1:20) bekannt zu machen, zumal es uns ausdrücklich aufgetragen ist, heißt es doch in 1.Timotheus 4:10,11: "Gott ist der Retter aller Menschen, vor allem der Gläubigen. Dieses weise an und lehre!"

 

"Gebt daher Acht!"

 

  Jetzt lag es an den Ältesten, den Dienst des Apostels fortzusetzen. So wendet sich Paulus nun an sie: "Gebt daher Acht auf euch selbst und auf das gesamte Herdlein, unter das euch der Geist, der heilige, zu Aufsehern gesetzt hat, um die herausgerufene Gemeinde Gottes zu hirten, die Er Sich durch das Blut Seines eigenen Sohnes angeeignet hat" (Vers 28).

  Die Ältesten sind Aufseher und Hirten nicht ihrer eigenen Herausgerufenen, sondern der Gottes, der mit dem kostbaren Blut Jesu erworbenen (1.Pet.1:19). Auf sich selbst sollen sie achten, und zwar dass sie nicht von der Lehre sowie einem heiligen, Gott wohlgefälligen Wandel abweichen. Dann werden sie auch in rechter Weise auf das Herdlein achten. Ihre besondere Aufgabe ist der Schutz der Gemeinde vor Irrlehren und den daraus folgenden Irrwegen, ebenso wie ein Hirte seine Herde vor Wölfen zu schützen hat. "Habe Acht auf dich selbst und auf die Lehre", betont Paulus auch gegenüber Timotheus (1.Tim.4:16).

  Die Einsetzung der Ältesten durch den Geist des Herrn geschah durchaus unter Mitwirkung des Apostels und seiner Beauftragten (Ap.14:23); heute wirken andere Älteste mit.

  Zur Aufgabe der Hirten schreibt Petrus: "Hirtet das Herdlein Gottes unter euch und beaufsichtigt es nicht genötigt, sondern freiwillig, Gott gemäß, auch nicht für Schandgewinn, sondern bereitwillig, auch nicht als beherrscht ihr die Losteile, sondern werdet Vorbilder des Herdleins" (1.Pet.5:2,3).

 

Schwere Wölfe

 

  Im Blick auf die Zukunft muss Paulus allerdings ein düsteres Bild zeichnen. Er sagte:

  "Ich weiß aber, dass, wenn ich unerreichbar bin, schwere Wölfe unter euch eindringen werden, die das Herdlein nicht verschonen. Auch werden aus eurer Mitte Männer aufstehen und verdrehte Dinge sprechen, um die Jünger an sich zu reißen. Darum wachet, dessen eingedenk, dass ich drei Jahre lang Nacht und Tag nicht aufgehört habe, einen jeden unter Tränen zu ermahnen" (Verse 289-31).

  So kam es dann auch. Die Gläubigen der gesamten Provinz Asien wurden von Paulus und seiner Lehre abgewandt (2.Tim.1:15). In Korinth bildeten sich Gruppierungen, die jeweils zu dem einen Lehrer und gegen die anderen Lehrer standen (1.Kor.4:6). Auch heute gibt es schwere Wölfe, also belastende, bedrückende Leiter, die die Gläubigen an sich binden, ihre eigenen Interessen verfolgen und mehr für sich selbst aus der Gemeinde herausholen als sie geben. Paulus dagegen hatte sich für die Heiligen aufgeopfert. Alles erduldete er für sie (2.Tim.2:10).

  Darum wachet! "Wachet, steht fest im Glauben, seid mannhaft, seid standhaft!", ruft Paulus auch den Korinthern zu (1.Kor.16:13). Haltet den Kriegslisten des Satans stand (Eph.6:11)!

  Nehmen wir uns unseres Herrn Worte zu Herzen: "Nehmt euch in Acht vor den falschen Propheten, die in Schafskleidern zu euch kommen, inwendig aber räuberische Wölfe sind" (Mat.7:15).  Und vergessen wir nicht 2.Timotheus 2:4: "Herolde das Wort, stehe dazu, sei es gelegen oder ungelegen, überführe, verwarne, sprich zu, in aller Geduld und Belehrung. Denn es wird eine Frist kommen, wenn Menschen die gesunde Lehre nicht ertragen werden, sondern sich selbst nach eigenen Begierden Lehrer aufhäufen, weil ihr Gehör gekitzelt wird; und zwar werden sie das Gehör von der Wahrheit abwenden und sich den Sagen zukehren."

 

Der Gnade anbefohlen

 

  Paulus schloss den Hauptteil seiner Rede mit den Segensworten des Verses 32:

  "Nun befehle ich euch Gott und dem Wort Seiner Gnade; Er hat die Macht, euch aufzuerbauen und das Losteil inmitten aller zu geben, die geheiligt wurden."

  Gott, unser Vater, ist es, der das Wachstum hinein in Christus gibt, unser Haupt. Seine Gnade ist es, die die Ältesten so auferbaut, dass sie auch die Gemeindeglieder auferbauen können. Die Gnade, allein durch Glauben gerechtfertigt und gerettet zu sein, dieser überfließende Reichtum der Gnade kräftigt die Gläubigen und erzieht sie, alle Untugenden abzulegen und zur Verherrlichung Gottes zu leben (Tit.2:12). Gott ist es, der alle von Ihm in Christus Geheiligten tauglich macht für ihren Losanteil im Licht, ihren Segens- und Aufgabenbereich im Himmel (Kol.1:12).

 

"Glückseliger ist es, zu geben als zu nehmen"

 

  Paulus beendete seine Rede mit einem persönlichen Zeugnis:

  "Von niemandem begehre ich Silber, Gold oder Kleidung. Euch ist bekannt, dass diese Hände mir und denen, die bei mir sind, behilflich waren, den Bedarf zu decken. In allem habe ich euch ein Beispiel gegeben, dass man sich so mühend der Schwachen annehmen muss, eingedenk der Worte des Herrn Jesus; denn Er hat Selbst gesagt: Glückseliger ist es, zu geben als zu nehmen" (Verse 33-35).

  Mögen sich die Ältesten die Selbstlosigkeit des Paulus in seinem Dienst zum Vorbild nehmen! Mit seinen eigenen Händen hatte er gearbeitet, um seinen Lebensunterhalt zu bestreiten und niemandem beschwerlich zu fallen, damit er dem Evangelium des Christus kein Hindernis gäbe (1.Kor.9:12).

  Der Ausspruch unseres Herrn Jesus: "Glückseliger ist es, zu geben als zu nehmen" ist in den vier Berichten nicht verzeichnet, sondern wird uns erst an dieser Stelle überliefert.

 

Herzlicher Abschied

 

  Und dann berichtet Lukas:

  "Als er dieses gesagt hatte, kniete er mit ihnen allen nieder und betete. Da brachen alle in lautes Jammern aus, fielen Paulus um den Hals und küssten ihn herzlich. Am meisten schmerzte sie das Wort, das er gesagt hatte: Sie würden sein Angesicht künftig nicht mehr schauen. Dann gaben sie ihm das Geleit bis zum Schiff" (Verse 36-38).

  Welch ein schmerzlicher und zugleich herzlicher, auch uns ergreifender Abschied!

  Von nun an müssen die Ältesten die Last der Leitung der Gemeinde allein tragen.

  Die Epheser ahnen wohl kaum, dass die Tatsache, dass sie den Paulus auf der Erde nicht mehr sehen werden, ein Zeichen dafür ist, dass sie keinen Israel untergeordneten Platz auf der Erde einnehmen werden, sondern als mit jedem geistlichen Segen Gesegnete inmitten der Überhimmlischen niedergesetzt werden, wie Paulus es ihnen einige Jahre später mit dem Epheserbrief mitteilen wird (Eph.1:3; 2:6). Mögen sie mithin alsbald nicht mehr auf das auf der Erde, sondern auf das droben sinnen!

 

Hinauf nach Jerusalem

(Apostelgeschichte 21:1-39)

 

  Der Apostel Paulus sollte nach dem Willen des Herrn auf der Rückreise von der dritten Missionsreise nach Jerusalem hinaufziehen. Von Mazedonien aus war er mit seinen Begleitern über Troas nach Milet gelangt. Dort hatte er den Ältesten der herausgerufenen Gemeinde von Ephesus zugesprochen. Sie gaben ihm das Geleit bis zum Schiff.

 

Von Milet bis Tyrus

 

  Lukas berichtet:

  »Als wir dann hinausfuhren (nachdem wir uns von ihnen losgerissen hatten), kamen wir geradewegs nach Kos, am nächsten Tag nach Rhodos und von dort nach Patara. Da wir ein Schiff fanden, das nach Phönizien hinüberfuhr, bestiegen wir es und gingen in See. Als Cypern in Sicht kam, ließen wir es zur Linken zurück, segelten nach Syrien und landeten in Tyrus; denn dort hatte das Schiff die Fracht auszuladen« (Verse 1-3).

  Mit dem im Mai üblichen Nordwestwind kamen sie gut voran. Patara war eine Hafenstadt in der Provinz  Lyzien in Kleinasien.

 

In Tyrus

 

  »Als wir die Jünger aufgefunden hatten, blieben wir noch sieben Tage dort. Sie sagten Paulus im Geist, nicht nach Jerusalem hinaufzuziehen. Als die Tage unseres Ausrüstens abgelaufen waren, zogen wir hinaus und gingen, von allen geleitet, mit den Frauen und Kindern bis vor die Stadt. Am Strand knieten wir nieder und beteten; dann rissen wir uns voneinander los und stiegen in das Schiff. Jene aber kehrten in ihre eigenen Häuser zurück« (Verse 4-6).

  Die Gemeinde zu Tyrus war vermutlich durch die Gläubigen entstanden, die sich infolge der Drangsal, die wegen Stephanus aufgekommen war, auch bis dorthin zerstreut hatten (Ap.11:19).

  Das Wort der Jünger an Paulus, nicht nach Jerusalem hinaufzuziehen, war keine Anweisung des heiligen Geistes; es verhielt sich vielmehr so, dass sie durch den Geist wussten, dass Paulus dort nur Bande und Drangsale erwarteten (Ap.20:23), und sie ihn gern davor bewahrt sehen wollten. Paulus aber konnte festbleiben, weil er sich von seinem Herrn Jesus Christus nach Jerusalem geführt wusste und ein im Geist Gebundener war (Ap.20:22).

  Sollte der Geist die Tyrener einerseits und Paulus andererseits widersprüchlich geleitet haben? Die Gläubigen hatten den Geist der Kraft und der Liebe und der gesunden Vernunft (2.Tim.1:7) und kamen somit zu der liebevollen und vernünftigen Folgerung, dass Paulus sich nicht in diese Gefahr begeben sollte. Aber sie irrten sich. Das bedeutet für uns heute, die wir das vervollständigte prophetische und apostolische Wort haben (Kol.1:25), nur zu glauben und zu sagen, was geschrieben steht, auf keinen Fall darüber hinaus zu sinnen (Röm.12:3; 1.Kor.4:6) und sofern wir bei der praktischen Anwendung folgern zu müssen meinen, sehr genau zu prüfen.

  Im Übrigen war das Verhalten der Gläubigen zu Tyrus gleichwohl vom Geist geleitet, weil Paulus dadurch für die vor ihm liegenden Drangsale gestählt wurde.

  Schließlich sahen sie alle ein, dass Paulus nach Jerusalem ziehen müsse und gaben ihm dazu ihr herzliches Geleit zum Strand.

 

In Ptolemais und Cäsarea

 

  »Von Tyrus aus kamen wir hinab nach Ptolemais, wo wir unsere Fahrt beendeten. Wir begrüßten die Geschwister und blieben einen Tag bei ihnen. Tags darauf zogen wir weiter und kamen nach Cäsarea, gingen dort in das Haus des Evangelisten Philippus, der einer der Sieben war, und blieben bei ihm. Dieser hatte vier Töchter, Jungfrauen, die prophetisch redeten« (Verse 7-9).

  Ptolemais, die südlichste der phönizischen Hafenstädte, heißt heute Akko (auch Acre). Philippus war einer der sieben Diakone (Ap.6:5); vor mehr als zwanzig Jahren hatte er das Wort in Samaria verkündigt (Ap.8:5) und dem äthiopischen Kämmerer auf der Straße nach Gaza Jesus als Evangelium nahegebracht (Ap.8:26-40). Philippus wohnte in Cäsarea, dem Sitz der römischen Provinzialregierung, wo übrigens einst der römische Hauptmann Kornelius ansässig war (Ap.10).

 

Der Prophet Agabus

 

  »Als wir noch mehrere Tage blieben, kam ein Prophet namens Agabus von Judäa herab. Dieser trat zu uns, nahm den Gürtel des Paulus, band sich Füße und Hände damit und sagte: So spricht der Geist, der heilige: Den Mann, dem dieser Gürtel gehört, werden die Juden in Jerusalem so binden und in die Hände der Nationen überantworten. - Als wir das hörten, sprachen wir wie auch die aus dem Ort ihm zu, nicht nach Jerusalem hinaufzuziehen« (Verse 10-12).

  Der Prophet Agabus hatte in der Gemeinde zu Antiochien (in Syrien) im Jahre 40 n. Chr. eine große Hungersnot prophezeit, die dann unter Kaiser Klaudius (41-54 n. Chr.) auch eintrat. Daraufhin hatte die Gemeinde Barnabas und Saulus mit Hilfsgütern nach Judäa gesandt.

  Nach der Weissagung des Agabus jetzt in Cäsarea sprachen alle dem Paulus zu, nicht nach Jerusalem hinaufzuziehen, sogar seine Reisebegleiter, die doch mit ihm die Kollekte der Nationengemeinden nach Jerusalem bringen sollten; Lukas schreibt ja, sich selber einschließend: »... sprachen wir ihm zu ...«

 

»Des Herrn Wille geschehe!«

 

  »Dann nahm Paulus das Wort und sagte: Was macht ihr mir mit eurem Jammern das Herz so schwer? Denn ich bin bereit, mich in Jerusalem nicht nur binden zu lassen, sondern auch für den Namen des Herrn Jesus zu sterben. - Da er sich nicht überreden ließ, wurden wir still darüber und sagten: Des Herrn Wille geschehe!« (Verse 13+14).

  Paulus hatte die Glaubensprobe bestanden. Die anschauliche Darstellung des Gebundenwerdens des Paulus hatten die Gläubigen irrtümlich als eine Warnung aufgefasst. Paulus aber musste nach Jerusalem gehen, nicht nur, um - wie versprochen - die Armen dort zu unterstützen (Gal.2:10) und der Muttergemeinde zu dokumentieren, dass sein Missionsdienst Frucht gebracht hat, sondern damit der Abfall Israels offenkundig werde. Die Feindschaft gegen Paulus und damit gegen Jesus sollte die Verstockung Israels besiegeln.

 

Ankunft in Jerusalem

 

  »Nach diesen Tagen luden wir unser Gepäck auf und zogen nach Jerusalem hinauf. Es gingen aber auch einige Jünger aus Cäsarea mit uns und führten uns zu Mnason aus Cypern, einem Jünger aus der Zeit des Anfangs, bei dem wir zu Gast sein sollten. Nach unserer Ankunft in Jerusalem hießen uns die Brüder hoch erfreut willkommen« (Verse 15-17).

  Am 26. Ijar 56, das ist der 31. Mai 56 n. Chr., trafen Paulus und seine acht Mitreisenden (Ap.20:4,5 - und Lukas -) in Jerusalem ein, neun Tage vor Pfingsten, das am 6. und 7. Siwan, das ist am 9. und 10. Juni 56, gefeiert wurde. Zu Pfingsten, zum Fest der Erstlingsfrüchte (2.Mose 23:16,19; 3.Mose 23:15-21; 5.Mose 16:9,10) brachte Paulus die Erstlingsfrucht aus den Nationen Gott dar (Röm.15:16,28).

 

Bei Jakobus und den Ältesten

 

  »Am folgenden Tag ging Paulus mit uns zu Jakobus hinein; auch kamen alle Ältesten herzu. Als er sie begrüßt hatte, schilderte er in jeder Einzelheit, was Gott unter den Nationen durch seinen Dienst getan hatte« (Verse 18+19).

  Allem Anschein nach war keiner der Apostel in Jerusalem anwesend. Dies war, weil das Königreich nicht in dieser Zeit aufgerichtet werden würde und der König mithin nicht für jetzt erwartet wurde (Ap.1:6), auch nicht erforderlich. Gleichwohl wundert es uns, dass kein Apostel in der Hauptstadt Israels die Gesamtgemeinde repräsentierte oder die örtliche Gemeinde leitete, sondern Jakobus, der Halbbruder unseres Herrn (Mat.13:55; Ap.12:17).

  Als Paulus Ende des Jahres 47 n. Chr. zum zweiten Mal nach seiner Berufung in Jerusalem war, gaben - man beachte die in Gal.2:9 verzeichnete Reihenfolge - Jakobus, Kephas und Johannes ihm die rechte Hand der Gemeinschaft. Jakobus dominierte. Sollte das Fleisch, hier im Sinne der Abstammung, dafür ausschlaggebend gewesen sein? Er hatte auch wesentlichen Anteil an den Erlassen an die Gläubigen aus den Nationen, sich von Götzenopfern, Blut und Ersticktem sowie von Hurerei fernzuhalten (Ap.15).

  Bei der Gelegenheit seines Berichts - nicht, was er, sondern was Gott unter den Nationen gewirkt hatte - übergaben Paulus und seine Begleiter die Kollekte der Nationen (Ap.24:17; Röm.15:26; 1.Kor.16:1-4; 2.Kor.8+9).

 

Eiferer für das Gesetz

 

  »Als sie das hörten, verherrlichten sie Gott, sagten jedoch zu ihm: Du schaust, Bruder, wieviel Zehntausende unter den Juden gläubig geworden sind, und sie alle gehören zu den Eiferern für das Gesetz. Nun wurde ihnen über dich berichtet, dass du alle Juden unter den Nationen den Abfall von Mose lehrst, nämlich ihre Kinder nicht zu beschneiden, noch nach den überlieferten Sitten zu wandeln« (Verse 20+21).

  Sie verherrlichten Gott für sein Rettungswerk unter den Nationen und gewiss auch für deren hochherzige Gabe.

  Leider aber hatten sie kein Verständnis für das Evangelium, das dem Apostel Paulus enthüllt worden war (Gal.1:12), das Evangelium der Unbeschnittenheit (Gal.2:7), das vom Gesetz des Mose völlig getrennt ist (Röm.3:21). Paulus lehrte, dass Beschneidung nichts ist (1.Kor.7:19) und dass in Christus Jesus weder Beschneidung noch Unbeschnittenheit etwas vermögen, sondern nur der Glaube, der durch die Liebe wirksam ist (Gal.5:6; siehe auch 5:2).

  Selbstverständlich übten die gläubigen Juden ihren Glauben nach dem Evangelium der Beschneidung, mit dem Petrus betraut war (Gal.2:7), im Rahmen des Gesetzes aus. Das Gesetz an sich ist nicht aus Glauben, sondern wer alle Gebote erfüllt, wird in ihnen leben (Gal.3:12). Das damalige Jerusalem war dem Gesetz versklavt (Gal.4:25).

  Jakobus und die Ältesten hatten darüber nachgedacht, wie sie die Vorbehalte der Gläubigen gegen Paulus abbauen könnten. Leider nicht durch die Belehrung, dass Christus unter den Nationen ein anderes Evangelium verkündigen lasse, sondern durch die Teilnahme des Paulus an einer zeremoniellen Handlung, die deutlich machen sollte, dass er das Gesetz aufrecht erhielt. Gewiss tat er das, es erstreckt sich aber nicht auf die Nationen und auch nicht auf die Juden, die Gott dem Evangelium des Paulus zuordnet.

 

Der Vorschlag der Ältesten

 

  So sagten Jakobus und die Ältesten:

»Was ist nun zu tun? Zweifellos dürfte eine Menge zusammenkommen; denn man wird hören, dass du gekommen bist. Daher tue das, was wir dir sagen: Es sind vier Männer unter uns, die ein Gelübde auf sich genommen haben. Diese nimm mit dir, lass dich mit ihnen läutern und trage die Kosten für sie, damit sie sich das Haupt kahlscheren lassen. Dann werden alle erkennen, dass nichts an dem ist, was ihnen über dich berichtet wurde, sondern dass auch du die Grundregeln befolgst und selbst das Gesetz bewahrst. Was aber die Gläubigen aus den Nationen betrifft, so hatten wir ihnen in einem Brief von unserer Entscheidung geschrieben, sich vom Götzenopfer wie auch vom Blut, von Ersticktem und von Hurerei zu bewahren« (Verse 22-25).

  Die Vorschriften für die, die das Gelübde taten, sich Jewe besonders zu weihen, finden sich in 4.Mose 6. Am letzten Tag der Weihe oder Absonderung waren bestimmte Opfer darzubringen und das Haupt scheren zu lassen.

 

Den Juden ein Jude

 

  Paulus ging auf die dringende Empfehlung ein. Lukas berichtet:

 

»Paulus nahm dann am nächsten Tag die Männer mit sich, läuterte sich mit ihnen und ging in die Weihestätte hinein, um die völlige Erfüllung der Tage der Läuterung kund zu machen, bis nämlich die Darbringung für einen jeden von ihnen dargebracht wäre« (Vers 26).

  So wurde Paulus den Juden ein Jude, wie er es in 1.Korinther 9:19 bis 23 ausgeführt hatte:

  »Wiewohl ich allen gegenüber frei dastehe, habe ich mich selbst allen versklavt, um die Mehrzahl von ihnen zu gewinnen. So wurde ich den Juden wie ein Jude, damit ich die Juden gewinne; denen unter dem Gesetz wurde ich wie einer unter dem Gesetz (wiewohl ich selbst nicht unter Gesetz bin), damit ich die unter dem Gesetz gewinne. Denen ohne Gesetz wurde ich wie einer ohne Gesetz (wiewohl ich nicht ohne Gesetz vor Gott bin, sondern gesetzmäßig unter Christus), damit ich die ohne Gesetz gewinne. Den Schwachen wurde ich wie ein Schwacher, damit ich die Schwachen gewinne. Allen gegenüber bin ich alles geworden, damit ich auf jeden Fall einige rette. Alles aber tue ich um des Evangeliums willen, damit ich dessen Mitteilnehmer werde.«

 

Griechen in der Weihestätte

 

  Dann geschah Folgendes:

  »Als der Abschluss der sieben Tage bevorstand, schauten ihn die Juden aus der Provinz Asien in der Weihestätte und brachten die gesamte Volksmenge in Verwirrung. Sie legten die Hände an ihn und schrien: Männer, Israeliten, helft! Dies ist der Mann, der überall und vor allen Menschen gegen das Volk, das Gesetz und diese heilige Stätte lehrt. Dazu hat er auch noch Griechen in die Weihestätte geführt und so diese heilige Stätte gemein gemacht. - Sie hatten nämlich vorher den Epheser Trophimus mit ihm in der Stadt gesehen und meinten, dass Paulus ihn in die Weihestätte geführt habe« (Verse 27-29).

  Dies war am vorletzten Tag der siebentägigen Dauer der Weihe oder Läuterung, die Paulus mithin nicht vollzog.

  Zum Pfingstfest waren viele Auslandsjuden in Jerusalem. Ihre Feindschaft gegen Paulus kam wieder voll zum Durchbruch. Gegen das Volk lehre er. Nein, die Rettung in Christus Jesus ist aber auch für die aus den Nationen möglich, sogar ohne dass sie Proselyten des Judentums werden müssen. Gegen das Gesetz rede Paulus. Nein, denen aus den Nationen ist das Gesetz gar nicht gegeben (Röm.2:14); sie stehen allein unter der Gnade (Röm.6:14). Gegen die Weihestätte habe Paulus etwas. Nein, die Gläubigen aber haben jetzt Jesus Christus und damit »einen Altar, von dem zu essen die keine Vollmacht haben, die dem Stiftszelt Gottesdienst darbringen« (Heb.13:10).

  Schließlich wurden alle von der Empörung mitgerissen, als es hieß, dass Paulus Unbeschnittene in die Weihestätte gebracht habe. Dies konnten selbst die an Jesus gläubigen Juden nicht dulden. Nichtjuden durften sich nur in den Vorhöfen aufhalten. Wer die niedrige Mauer um die Vorhöfe der Juden, den Soreg, überschritt, war des Todes. Selbst wenn ein römischer Bürger sie durchschritten hätte, hätten die Römer mit der Vollstreckung des Todesurteils nicht gezögert.

  In Epheser 2:14 nimmt Paulus auf diese »Mittelmauer der Umfriedung« Bezug, und zwar im Sinne einer im Fleisch bis dahin bestehenden Trennung zwischen Juden und Nichtjuden innerhalb der paulinischen Gemeinden, innerhalb der Herausgerufenen, die Christi Körper ist (Eph.1:22,23).

 

Sie suchten Paulus zu töten

 

  »So war die ganze Stadt in Bewegung, und es entstand ein Volksauflauf. Man ergriff Paulus und zerrte ihn aus der Weihestätte hinaus, wo sofort die Türen verschlossen wurden. Als man ihn zu töten suchte, kam zu dem Obersten der Truppe die Meldung hinauf, dass ganz Jerusalem in Verwirrung sei. Dieser nahm  unverzüglich Krieger und Hauptleute mit sich und lief zu ihnen hinab. Als sie den Oberst und die Krieger gewahrten, hörten sie auf, Paulus zu schlagen«

(Verse 30-32).

  An der Nordwestecke der Weihestätte stand die von König Herodes dem Großen erbaute Burg Antonia, in der die römische Truppe, die während der Festtage auf tausend Mann verstärkt worden war, stationiert war und von der aus sie den gesamten Platz so gut überwachen konnte, dass den hasserfüllten Juden nicht genügend Zeit blieb, Paulus zu töten.

  Sie hatten Paulus aus dem Vorhof Israels hinausgezerrt, weil darin niemand getötet werden durfte (2.Kön.11:15). Übrigens wären die Krieger dort nicht eingedrungen. Der Oberst, er hieß Klaudius Lysias (Ap.23:26), war ein Militärtribun und ein Chiliarchos, ein Tausendschaftsführer; er hatte mindestens zwei Hauptleute, Centurionen, Hundertschaftsführer, mit sich genommen, und mithin nicht weniger als zweihundert Krieger.

  So wurde die Bitte des Apostels Paulus, dass er vor den Widerspenstigen in Judäa geborgen werde, von seinem treuen Gott und Vater erhört (Röm.15:31).

 

Paulus wurde zur Burg gebracht

 

  »Dann näherte sich der Oberst, ließ ihn ergreifen und befahl, ihn mit zwei Ketten zu binden. Darauf erkundigte er sich, wer er sei und was er getan habe. Einige aus der Volksmenge riefen ihm dies zu, andere etwas anderes. Da er wegen des Tumults nichts Gewisses erfahren konnte, befahl er, ihn in die Burg zu führen. Als er sich auf den Stufen befand, ereignete es sich, dass er wegen der Gewalt der nachdrängenden Volksmenge von den Kriegern getragen werden musste; denn eine Menge Volks folgte ihnen und schrie: Hinweg mit ihm!« (Verse 33-36).

  »Hinweg mit ihm!« - Dies erinnert uns an das Schreien des Volkes 24 Jahre zuvor, als sie mit nahezu denselben Worten den Tod Jesu forderten.

 

Des Paulus Bitte

 

  »Doch Paulus, im Begriff, sich in die Burg hineinführen zu lassen, fragte den Oberst: Ist es mir erlaubt, etwas zu dir zu sagen? - Dieser entgegnete: Du kannst Griechisch? Demnach bist du nicht der Ägypter, der vor diesen Tagen die viertausend Mann der Dolchmänner aufgewiegelt und in die Wildnis hinausgeführt hat? - Paulus antwortete: Nein, ich bin ein jüdischer Mann aus Tarsus, Bürger einer nicht unbedeutenden Stadt Ciliciens. Ich flehe dich daher an, gestatte mir, zu dem Volk zu sprechen!« (Verse 37-39).

  Welch eine Wendung die Ereignisse doch nahmen! Paulus war gerettet! Und hatte sogar Gelegenheit, den Oberst anzusprechen! - Der Lobpreis und die Verherrlichung sei dem Gott und Vater unseres Herrn Jesus Christus, der dies alles bewirkt hatte!

  Über den ägyptischen Aufrührer und seine Anhänger, die Jerusalem erobern wollten, berichtet auch Josephus Flavius in seinen Büchern

»Geschichte des Jüdischen Krieges«, II 13,5, und »Jüdische Altertümer«, XX 8,6.

 

 

Die Rede des Paulus an seine Nation

(Apostelgeschichte 21:40-23:11)

 

  Paulus war von der römischen Truppe aus den Händen der fanatischen Juden, die ihn töten wollten, gerettet worden. Auf den Stufen der Burg Antonia an der Nordwestecke der Weihestätte bat er den Oberst, zu dem Volk sprechen zu dürfen.

 

Die Erlaubnis

 

  »Als er es gestattete, winkte Paulus, auf den Stufen stehend, dem Volk mit der Hand zu. Nachdem weithin Schweigen eingetreten war, rief er ihnen in hebräischer Mundart zu: Männer, Brüder und Väter, hört nun meine Verteidigung vor euch! - Als sie hörten, dass er ihnen in hebräischer Mundart zurief, gewährten sie ihm noch mehr Stille« (Ap.21:40-22:2).

  Der Oberst erlaubte Paulus, zu seiner Nation zu reden. Gott, der das Herz der Menschen wie Wasserbäche lenkt, hatte dies bewirkt (Spr.21:1; Eph.1:11).

  Weiteres fast Unvorstellbares geschah. Die Geste des Paulus beendete den Tumult. Die von ihm gewählte Sprache ließ Stille eintreten. Paulus redete hebräisch, in der Sprache, in der die Juden untereinander sprachen, der Sprache von alters her, der Sprache der Heiligen Schrift (Joh.19:20; Ap.26:14).

  So konnte Paulus nun seine überhaupt einzige Ansprache an das jüdische Volk halten. Sie war sein persönliches Zeugnis für Jesus und darüber, wie der Herr Sich ihm in der Gnade offenbart hatte. Sie gliederte sich in drei Teile: 1. sein Wandel vor seiner Berufung (Verse 3-5), 2. seine Berufung vor Damaskus (Verse 6-16), 3. sein Auftrag (Verse 17-21). Zum letzten Mal hörte das längst verworfene Israel (Mat.21:19; Ap.18:6; Röm.11:15; 1.Thess.2:16), das seinen Abfall an jenem Tag nur noch bestätigte, dass Jesus, der Gekreuzigte, der Auferstandene und der Messias ist.

  Die Anrede: »Männer, Brüder und Väter«, die auch Stephanus gebraucht hatte (Ap.7:2), war frei von jedem Vorwurf an sie, die ihn gerade hatten lynchen wollen. So kann nur ein Mensch handeln, dem Gnade widerfahren ist. »Eine gelinde Antwort wendet den Zorn ab«, ist in Sprüche 15:1 zu lesen.

Zu den Füßen Gamaliels

 

  »Dann erklärte er: Ich bin ein jüdischer Mann, geboren in Tarsus in Cilicien, aber aufgewachsen in dieser Stadt: Zu den Füßen Gamaliels wurde ich in genauer Auslegung des väterlichen Gesetzes unterwiesen und war ein Eiferer für Gott, so wie ihr alle es heute seid« (Vers 3).

  Gamaliel war ein in Israel allseits anerkannter und hochgeschätzter Gesetzeslehrer. Als Mitglied des Synedriums hatte er einst den Rat gegeben, die zwölf Apostel nicht hinrichten zu lassen, und zwar mit dem Argument: Wenn deren Ratschluss oder Werk von Menschen ausgeht, wird es zerstört werden, »wenn es aber aus Gott ist, werdet ihr sie nicht zerstören können - damit ihr nicht gar als gegen Gott kämpfend erfunden werdet!« (Ap.5:33-39). - Im Alter von etwa zehn bis zwölf Jahren könnte Paulus in die Schule des Gamaliel gekommen sein.

 

Paulus war ein Verfolger der an Jesus Gläubigen

 

  Paulus sprach weiter: »Als solcher verfolgte ich Männer wie auch Frauen dieses Weges bis auf den Tod, indem ich sie binden ließ und in die Gefängnisse überantwortete, wie es mir auch der Hohepriester und die gesamte Ältestenschaft bezeugen kann. Von ihnen empfing ich auch Briefe an die Brüder und zog nach Damaskus, um auch die, die dort waren, gebunden nach Jerusalem zu führen, damit sie bestraft würden« (Verse 4+5).

  Paulus betonte, dass er einst genauso für Gott eiferte wie die Mehrzahl seiner Zuhörer jetzt und mithin volles Verständnis für ihre Feindschaft habe. Seinen Eifer habe er bewiesen durch die Verfolgung der Menschen »dieses Weges« - das ist ein Ausdruck für den Glaubensweg (vgl. Ap.9:2), der vermutlich auf das Wort Jesu zurückgeht: »Ich bin der Weg, die Wahrheit und das Leben« (Joh.14:6; auch zu verstehen im Sinne von: Ich bin der wahre und lebendige Weg).

 

Die Berufung des Paulus vor Damaskus

 

  Da die Juden Zeichen vom Himmel fordern (1.Kor.1:22), muss Paulus seine göttliche Beglaubigung anführen. Seine Berufung wird übrigens dreimal in der Apostelgeschichte berichtet, in Kapitel 9:1-19, in unserem Kapitel 22:3-16 und in Kapitel 26:9-18. Welch eine Umwälzung seines gesamten Glaubens und Verhältnisses zu Gott Paulus nun zu verarbeiten gehabt hatte! Sein stolzes religiöses Ich war tödlich getroffen! Und das Licht Jesu Christi erfüllte ihn!

  »Als ich mich auf meiner Reise Damaskus näherte, geschah es, dass mich gegen Mittag unversehens ein grelles Licht aus dem Himmel umstrahlte. Da fiel ich zu Boden und hörte eine Stimme zu mir sagen: Saul, Saul, was verfolgst du Mich? - Ich aber antwortete: Wer bist Du, Herr? - Er sagte zu mir: Ich bin Jesus, der Nazarener, den du verfolgst! - Die mit mir waren, schauten zwar das Licht, hörten aber nicht die Stimme dessen, der mit mir sprach. Dann fragte ich: Was soll ich tun, Herr? - Da sagte der Herr zu mir: Steh auf, geh nach Damaskus! Und dort wird man zu dir über alles sprechen, was dir zu tun verordnet ist« (Verse 6-10).

  Niemals zuvor hatte Paulus eine solche Gelegenheit, das Erscheinen Jesu des Messias und seine Berufung zu bezeugen. Dass er Jesus als den Christus verkündigte, erregte nicht den Widerspruch der Menge, weil diese Lehre inzwischen weitgehend toleriert wurde und die ihr Anhängenden als eine jüdische Sekte angesehen wurden, zumal sie ja alle Eiferer für das Gesetz waren (Ap.21:20).

  Auf ein Detail sei noch kurz eingegangen: Die Reisebegleiter des Paulus hörten nicht die Stimme dessen, der zu ihm sprach. Nun steht in Apostelgeschichte 9:7 geschrieben, dass sie die Stimme hörten. Da das griechische Wort für Stimme, phonê, im Grunde Geräusch und Ton bedeutet, hörten die Begleiter also das Stimmengeräusch, nicht aber die eigentliche Stimme. Die Erscheinung und die Worte waren allein für Paulus bestimmt. Gott erschien es wohl, Seinen Sohn in Paulus zu enthüllen (Gal.1:16).

 

Des Ananias Zuspruch in Damaskus

 

  Paulus fuhr fort: »Als ich infolge der Herrlichkeit jenes Lichtes nichts erblickte, wurde ich von denen, die mit mir waren, an der Hand geleitet und kam so nach Damaskus. Ein gewisser Ananias aber, ein ehrfürchtiger Mann nach dem Gesetz, dem von allen dort wohnenden Juden Gutes bezeugt wird, kam zu mir. Und herzutretend sagte er zu mir: Saul, Bruder, blicke auf! Und zu derselben Stunde blickte ich zu ihm auf. Weiter sagte er: Der Gott unserer Väter hat dich dazu bestimmt, Seinen Willen zu erkennen, den Gerechten zu gewahren und die Stimme aus Seinem Mund zu hören; denn du sollst ihm für alle Menschen ein Zeuge dessen sein, was du gesehen hast und noch hörst. Und nun, was zögerst du? Steh auf, lass dich taufen und dir die Sünden abwaschen und rufe Seinen Namen an!« (Verse 11-16).

  Paulus betonte mit Rücksicht auf seine Zuhörer, dass er weitere Gottesworte durch einen gesetzestreuen Juden empfing. Dieser Ananias hatte dem erblindeten Saulus am dritten Tag die Hände aufgelegt, sodass er wieder sehend wurde (Ap.9:9,17).

  Den Willen Gottes sollte Paulus erkennen, den Heilswillen in Christus Jesus, der Sich zur Rettung aller Menschen dahingegeben hatte. Den Gerechten hatte Paulus gewahrt. Paulus war der einzige, der den Herrn in Seiner überhimmlischen Herrlichkeit gewahrt hatte, und auch der bislang letzte, der Ihn gewahrte (1.Kor.15:8).  Zur Zeit kann Ihn ja niemand sehen, weil die gegenwärtige heilsgeschichtliche Verwaltung im Glauben und nicht im Schauen besteht (1.Tim.1:4; 2.Kor.5:7) und weil Jesus in einem unzugänglichen Licht wohnt (1.Tim.6:10). Erst am Tag Christi, am Tag unserer Verwandlung (für die Entschlafenen schließt sie die Auferstehung ein; 1.Kor.15:51,52) und Entrückung werden wir Ihn sehen und für immer bei Ihm sein (1.Thess.4:17).

 

Eine weitere Offenbarung

 

  Drei Jahre nach seiner Berufung vor Damaskus - die Zwischenzeit hatte er in Arabien verbracht - war Paulus nach Jerusalem hinaufgezogen und Kephas und den anderen Aposteln sowie Jakobus, dem Bruder des Herrn, begegnet (Ap.9:26,27; Gal.1:17-19). Bei dieser Anwesenheit in Jerusalem hatte Paulus eine weitere Offenbarung. Darauf kam er nun zu sprechen:

  »Als ich nach Jerusalem zurückkehrte und in der Weihestätte betete, geschah es, dass ich in Verzückung geriet und Ihn wahrnahm, der mir gebot: Eile und geh schnell aus Jerusalem hinaus, weil sie dein Zeugnis für Mich nicht annehmen werden. Da entgegnete ich: Herr, sie selbst wissen darüber Bescheid, dass ich es war, der die an Dich gläubig Gewordenen einkerkern und überall in den Synagogen auspeitschen ließ. Und als das Blut Deines Zeugen Stephanus vergossen wurde, da war ich selbst es, der dabeistand und mit den anderen daran Wohlgefallen hatte und die Obergewänder derer bewachte, die ihn hinrichteten. - Doch Er sagte zu mir: Geh, denn Ich werde dich in die Ferne zu den Nationen hinausschicken!« (Verse 17-21).

  Einst hatte Paulus noch gemeint, dass die Menschen sein Zeugnis - das so überwältigende Zeugnis des schärfsten Gegners Jesu - doch annehmen würden. Aber schon damals hatten sie sich nicht überzeugen lassen, sondern suchten Paulus zu ermorden (Ap.9:29), sodass er auf des Herrn Anweisung und den Rat der Brüder hin Jerusalem verließ.

  Jetzt teilte Paulus den Juden mit, was Jesus zu ihm gesagt hatte, dass sie nämlich sein Zeugnis für Ihn nicht annehmen würden. Dabei müssen sie gespürt haben, dass ihre Feindschaft wider Paulus sich im Grunde gegen Jesus richtete. Und nun war ihre Verblendung grenzenlos. Sie konnten mit den Ohren zwar hören, aber mit dem Herzen gar nicht mehr und wurden wütend,

- weil sie die Gerechtigkeit Gottes nicht kannten und ihre eigene Gerechtigkeit aufzustellen suchten (Röm.10:3),

- weil Gott sie verstockt und verworfen hatte (Röm.11;7,15),

- weil jetzt voll zum Tragen gekommen war, dass - wie der Herr gesagt hatte - Satan ihr Vater war (Joh.8:43-47)

- und weil das Zeugnis des Paulus so glaubwürdig und unwiderlegbar war und ihre Verworfenheit sie deshalb so gewaltig anklagte, dass nur die Beseitigung des Paulus - wie sie meinten - ihrem Gewissen wieder etwas Erleichterung verschaffen konnte.

  Noch hatten sie dem Paulus zugehört, aber bei seinen Worten: »... in die Ferne zu den Nationen ...« entlud sich ihre Wut. Es war ihnen unerträglich, dass der Segen Jesu - wenn Er schon der Messias sein sollte - anderen Nationen als der auserwählten zuteil werden können sollte.

  Israel sollte ein Segenskanal für die anderen Nationen sein, aber sie wollten alles für sich behalten und gönnten den Nationen nichts. Sie waren wie der Sklave, dem eine Riesenschuld von zehntausend Talenten erlassen wurde, der aber einem Mitsklaven eine sehr geringe Schuld nicht erließ und dem der Schuldenerlass wieder rückgängig gemacht wurde. Darum ist Israel verworfen, ebenso wie der Schuldner im Gleichnis in die Hände der Folterknechte gegeben wurde (Mat.18:23-35). Keine Barmherzigkeit gewährt Gott im Gericht dem, der selber keine Barmherzigkeit übte (vgl. Jak.2:13).

 

»Bis zu diesem Wort«

 

  Wir greifen den letzten Satz des Paulus nochmals auf (Vers 21) und lesen Vers 22 dazu:

  »Doch Er sagte zu mir: Geh, denn Ich werde dich in die Ferne zu den Nationen hinausschicken! -

  Bis zu diesem Wort hörten sie ihn an, dann aber erhoben sie ihre Stimme und riefen: Hinweg von der Erde mit einem solchen; denn zu leben gebührt ihm nicht!«

  Zu den Nationen, den verachteten Hunden, ohne sie zu Proselyten zu machen? Nein, dem Volk Israel allein gebührt der Segen des Messias! Wer die Nationen nicht unter das Gesetz bringt, ist gegen Israel! Hinweg mit Paulus! Den Tod verdient er!

  Auf diese Weise bekräftigte Israel seine Feindschaft gegen den Herrn Jesus Christus und besiegelte damit den Untergang, der im Jahre 70 n. Chr. eintrat. Indem sie Paulus verwarfen, verwarfen sie Jesus, den Gerechten, und Sein Königreich, das Er einer anderen Nation, nämlich der wiedergezeugten Nation Israel, geben wird, die die Früchte des Königreichs hervorbringen wird (Mat.21:41,43; 22:9; Mark.12:9; Heb.8:8,9).

 

Der Oberst wollte Paulus vernehmen lassen

 

  »Als sie so schrien, ihre Obergewänder wegschleuderten und Staub in die Luft warfen, befahl der Oberst, ihn in die Burg zu führen, und sagte, man solle ihn unter Geißelung vernehmen, um zu erfahren, aus welcher Ursache sie ihm dies so laut zuriefen« (Verse 23+24).

  Der Oberst hatte Paulus die Chance gegeben, die Menge zu beruhigen; als das Gegenteil eintrat, kam in ihm der Verdacht auf, dass dieser Mann ein schweres Verbrechen begangen haben musste. Deshalb wollte er ihn unter Geißelung vernehmen lassen. Bei dieser Tortur starben manche, und viele blieben zeitlebens Krüppel.

  »Als man ihn bereits mit Riemen ausgestreckt hatte, sagte Paulus zu dem dabeistehenden Hauptmann: Ist es euch erlaubt, einen Mann, der Römer ist, auch unverurteilt zu geißeln? - Sobald der Hauptmann das hörte, ging er zu dem Oberst, berichtete ihm das und sagte: Was hast du vor zu tun? Denn dieser Mann ist ein Römer! - Da trat der Oberst herzu und fragte ihn: Sage mir, bist du ein Römer? - Er entgegnete: Ja! - Darauf antwortete der Oberst: Ich habe mir dieses Bürgerrecht mit einer großen Summe erworben. - Paulus aber erklärte: Ich jedoch bin so geboren! - Die im Begriff waren, ihn zu vernehmen, entfernten sich nun sofort von ihm. Und auch der Oberst fürchtete sich, als er erfuhr, dass er ein Römer sei, weil er ihn hatte binden lassen« (Verse 25-29).

  Paulus berief sich auf sein Bürgerecht; Römer durften nicht unverurteilt gegeißelt werden.

 

Der Oberst will den Fall klären

 

  »Da er aber beabsichtigte, Gewisses darüber zu erfahren, welchen Vergehens er von den Juden angeklagt wurde, löste er ihm tags darauf die Ketten und befahl, dass die Hohenpriester und das gesamte Synedrium zusammenkommen sollten. Dann ließ er Paulus hinabführen und unter sie treten« (Vers 30).

  Der Oberst wollte sich Klarheit über den Fall verschaffen. Da der Statthalter (Prokurator) der Provinz Judäa, Felix, der in Cäsarea residierte, nicht in Jerusalem anwesend war, war der Oberst Klaudius Lysias der höchste Vertreter Roms mit der Vollmacht, das Synedrium einzuberufen. Falls Paulus nur gegen jüdische Gesetze verstoßen haben sollte, konnte er ihn dem Synedrium übergeben.

 

Paulus vor dem Synedrium

 

  Nachdem der Oberst den Paulus vor das Synedrium hatte führen lassen, war Paulus es, der das Wort ergriff, nicht das Synedrium, mit dem er wohl schon abgeschlossen hatte.

  »Paulus aber sah das Synedrium fest an und sagte: Männer, Brüder! Ich habe mit allem guten Gewissen bis auf diesen Tag als Bürger für Gott gewandelt. - Darauf gebot der Hohepriester Ananias denen, die bei ihm standen, ihn auf den Mund zu schlagen. Da sagte Paulus zu ihm: Gott ist im Begriff, dich zu schlagen, du getünchte Wand! Du sitzt hier, um mich nach dem Gesetz zu richten; doch gesetzwidrig befiehlst du, mich zu schlagen! - Darauf sagten ihm die Dabeistehenden: Du beleidigst den Hohenpriester Gottes? - Paulus entgegnete: Ich wusste nicht, Brüder, dass er der Hohepriester ist; denn es steht geschrieben: Gegen einen Oberen deines Volkes sollst du nicht übel reden« (Ap.23:1-5).

  Paulus redete das Synedrium mit »Männer, Brüder« an, was sie ja tatsächlich auch waren, nicht aber mit »Väter«, wie er es tags zuvor gegenüber dem Volk getan hatte; diese Anrede gebührte ihnen nicht.

  Paulus verteidigte sich als römischer Bürger in einer von einem Römer geleiteten Versammlung. Er sprach griechisch, was alle verstanden. Sogleich zu Anfang betonte er, dass er allezeit als Bürger, und zwar als römischer Bürger, mit gutem Gewissen zur Verherrlichung Gottes wandelte. Dies alles ärgerte den Hohenpriester Ananias so sehr, in dessen Augen Paulus ein entsetzlicher Ketzer war, dass er befahl, ihm auf den Mund zu schlagen.

  Auf sein gutes Gewissen legte Paulus großen Wert, in seinen Briefen zum Beispiel in 2.Korinther 1:12: »Denn dies ist unser Rühmen: das Zeugnis unseres Gewissens, dass wir uns in der Heiligkeit und Aufrichtigkeit Gottes (nicht in fleischlicher Weisheit, sondern in der Gnade Gottes) der Welt und ganz besonders euch gegenüber verhalten haben.« Und in wenigen Tagen wird er vor dem Statthalter Felix sagen: »In alldem bemühe auch ich mich, allezeit ein gutes Gewissen zu haben, unanstößig bei Gott und den Menschen« (Ap.24:16).

  Der Hohepriester Ananias, nach Josephus Flavius ein skrupelloser Mensch, hatte das Gesetz des Mose ganz und gar nicht im Sinn, das da sagte: »Ihr sollt im Gericht kein Arg tun« (3.Mose 19:15). Ohne Anhörung durfte niemand gerichtet werden (Joh.7:51).

  Der Apostel nannte den Hohenpriester eine getünchte Wand, also einen Menschen ohne Substanz, bei dem alles nur Fassade ist. Die Prophezeiung des Paulus, dass Gott den Ananias schlagen würde, erfüllte sich mit seiner Ermordung  durch jüdische Aufständische zu Beginn des Jüdischen Krieges im Jahre 66 n. Chr.

  Paulus hatte nicht gewusst, dass er der Hohepriester war. Da die Römer dieses Amt immer wieder einmal neu besetzten, musste ein Jude, der mehrere Jahre im Ausland war, den Hohenpriester, auch wenn er dessen Namen wusste, nicht unbedingt kennen. Im Übrigen weilte Ananias ja nicht in Amtstracht in dieser Versammlung.

  Auf den Hinweis, dass jener der Hohepriester sei, antwortete Paulus dem Sinn nach, dass er ihn nicht geschmäht hätte, wenn er von seiner Amtswürde gewusst hätte. In 2.Mose 22:27,28 steht geschrieben: »Die Schiedsrichter (wörtlich: die elohim, das heißt die Unterordner) sollst du nicht verhöhnen, und einen Fürsten unter deinem Volk sollst du nicht verfluchen« (vgl. Pred.10:20).

 

Pharisäer und Sadduzäer

 

  »Da dem Paulus bekannt war, dass der eine Teil Sadduzäer, der andere aber Pharisäer waren, rief er laut im Synedrium aus: Männer, Brüder! Ich bin ein Pharisäer und ein Sohn von Pharisäern. Wegen unserer Erwartung und der Auferstehung der Toten werde ich hier gerichtet! - Als er dies gesagt hatte, entstand ein Aufruhr unter den Pharisäern und Sadduzäern, und die Menge spaltete  sich, weil nämlich die Sadduzäer sagen, es gebe keine Auferstehung, auch keine Boten noch Geister. Die Pharisäer dagegen bekennen sich zu beidem« (Verse 6-8).

  Eine sachliche Befragung mit dem Ergebnis der Formulierung einer Anklageschrift, mit der der Oberst etwas anfangen konnte, war nicht zu erwarten. So trieb Paulus einen Keil zwischen seine Ankläger. Und sofort griffen die Pharisäer und Sadduzäer ihren Dauerstreit wieder auf. Ananias war übrigens Sadduzäer. Diesen hatte unser Herr Jesus Christus einstmals den Mund gestopft. Er bewies ihnen mit den Worten der Schrift, wonach Gott Sich als der Gott Abrahams, Isaaks und Jakobs bezeichnet, dass sie auferstehen müssen, denn sonst wäre Gott ja ein Gott der Toten (Mat.22:23-32; Mark.12:18-27).

Mit seinen Worten: »Wegen unserer Erwartung und der Auferstehung der Toten werde ich hier gerichtet« sprach Paulus nicht zwei Dinge an, sondern gebrauchte die Redefigur Hendiadyoin (auch: Hendiadys), mit der eine Sache durch zwei Begriffe ausgedrückt wird. Das Eine nur, von dem er sprach, war »unsere Erwartung der Auferstehung der Toten«. In der Antike war es aber sehr beliebt, die reihende Verbindung durch ein »und« herzustellen.

  Wir lesen weiter: »So entstand ein großes Geschrei, einige Schriftgelehrte von der Partei der Pharisäer standen auf, zankten heftig miteinander und sagten: Wir finden nichts Übles an diesem Mann. Wenn aber ein Geist oder ein Bote zu ihm gesprochen hat ...?« (Vers 9).

  Manch ein Pharisäer empfand wohl mehr Übereinstimmung mit Paulus als mit den Sadduzäern.

  »Als nun der Aufruhr immer größer wurde, befürchtete der Oberst, Paulus möchte von ihnen zerrissen werden. Daher befahl er einer Abteilung Krieger, herabzukommen, ihn aus ihrer Mitte herauszureißen und in die Burg zu führen« (Vers 10).

  Wieder war Paulus in größter Gefahr. Bald hätten ihn die Juden in Stücke zerrissen. Der Oberst aber hatte das Leben dieses römischen Bürgers zu schützen. Und wieder wurde Paulus von den Römern gerettet.

  Mögen wir über Israel weinen wie einst unser Herr Jesus Christus über Jerusalem schluchzte und sagte: »Wenn doch auch du, und zwar an diesem Tage erkennen würdest, was zu deinem Frieden dient! Nun aber wurde es vor deinen Augen verborgen« (Luk.19:42).

  Der Oberst war immerhin ein klein wenig klüger als zuvor geworden, da er jetzt wusste, dass Paulus kein Verbrecher war, sondern wegen Streitfragen des Gesetzes der Juden angefeindet wurde.

 

»Fasse Mut!«

 

  »In der darauffolgenden Nacht trat der Herr zu ihm und sagte: Fasse Mut; denn wie du in Jerusalem für Mich Zeugnis abgelegt hast, so musst du auch in Rom Mein Zeuge sein« (Vers 11).

  Paulus war zwar in dem an ihn ergangenen prophetischen Wort gefestigt, dass ihn in Jerusalem nur Bande und Drangsale erwarteten (Ap.20:23), was sich nun erfüllt hatte, und sein Gebet und die Fürbitte der Gläubigen in Rom, dass er vor den Widerspenstigen in Judäa geborgen werde (Röm.15:31), war zwar erhört worden, aber nach diesen spannungsreichen und äußerst gefährlichen Tagen war Paulus entmutigt. Seine Lage war aussichtslos. Er bedurfte des Zuspruchs seines Herrn.

  Und Jesus ermutigte ihn.

  Zugleich bestätigte der Herr ihm, dass er in Jerusalem in rechter Weise Zeugnis abgelegt habe, und bedeutete ihm, dass dieser Dienst jetzt abgeschlossen war. Nun aber war Jerusalem dem Gericht verfallen, wie der Herr gesagt hatte: »Sie werden durch des Schwertes Schneide fallen und unter alle Nationen gefangen weggeführt werden. Und Jerusalem wird von den Nationen getreten werden, bis die Fristen der Nationen erfüllt sind« (Luk.21:24). Auch dies musste Paulus sehr bedrückt haben (Röm.9:2).

  Besonders ermutigend war wohl die Zusage des Herrn an Paulus, dass er nach Rom gelangen werde, mithin bis dahin überleben würde, und dort weitere Dienste als Zeuge Jesu Christi tun werde. So bekräftigte der Herr, was dem Paulus bereits bekannt war, dass er nämlich in der Vervollständigung des Segens Christi nach Rom kommen werde (Röm.15:29).

 

Paulus vor Felix

(Apostelgeschichte 23:12-24:27)

 

  Der Apostel Paulus befand sich in der Burg Antonia im Gewahrsam der römischen Truppe. In der Nacht hatte der Herr Jesus Christus ihm zugesprochen und ihn ermutigt.

 

Das Komplott

 

  »Als es Tag wurde, schmiedeten die Juden ein Komplott und verschworen sich, weder zu essen noch zu trinken bis sie Paulus getötet hätten. Es waren aber mehr als vierzig, die an dieser Verschwörung beteiligt waren. Diese gingen zu den Hohenpriestern und Ältesten und sagten: Wir haben uns mit einem Bann verschworen, nichts zu essen, bis wir Paulus getötet haben. Daher werdet nun ihr zusammen mit dem Synedrium bei dem Oberst vorstellig, dass er ihn zu euch hinabführe, als hättet ihr vor, seine Angelegenheit näher zu untersuchen. Wir aber halten uns bereit, ihn zu ermorden, bevor er sich euch nähert« (Verse 12-15).

  Lukas berichtet von diesem Vorhaben der Verschwörer in einer Weise, dass auf dem Hintergrund des in den letzten Tagen explodierten Hasses der Juden gegen Paulus kein Zweifel daran bestehen kann, dass die Hohenpriester und Ältesten den Plan sehr willkommen hießen. Welch eine ruchlose Gesinnung!

  Wieder erfüllte sich, was in Psalm 31:14 geschrieben steht: »Indem sie sich allesamt gegen mich zusammenschließen, planen sie, meine Seele zu nehmen.« Und dabei meinten die Hasser des Paulus, Gott damit einen Dienst zu tun, wie der Herr es angekündigt hatte (Joh.16:2).

  Unter diesen Umständen war die Burg für Paulus eher eine Schutzwehr als sein Gefängnis. Die Verschwörer übrigens mussten nicht verhungern, da man nach dem Talmud von einem Schwur auch entbunden werden konnte.

 

Die Aufdeckung der Mordabsicht

 

  »Der Sohn der Schwester des Paulus hörte aber von dem Hinterhalt, kam zur Burg, ging hinein und berichtete es Paulus. Da ließ Paulus einen der Hauptleute zu sich rufen und erklärte ihm: Führt diesen jungen Mann zum Oberst hin; denn er hat ihm etwas zu berichten. - Der nahm ihn nun mit sich und führte ihn zum Oberst, wo er erklärte: Der Häftling Paulus ließ mich zu sich rufen und ersuchte mich, diesen jungen Mann zu dir zu führen, weil er dir etwas zu berichten habe. - Da ergriff der Oberst seine Hand und zog sich mit ihm zurück. Als sie für sich allein waren, erkundigte er sich: Was ist es, das du mir zu berichten hast? - Er antwortete: Die Juden sind übereingekommen, dich zu ersuchen, du mögest Paulus morgen in das Synedrium hinabführen lassen, als hätte man vor, sich in seiner Angelegenheit etwas genauer zu erkundigen. Lass du dich dann nicht von ihnen überreden, denn auf ihn lauern mehr als vierzig Männer von ihnen, die sich verschworen haben, weder zu essen noch zu trinken, bis sie ihn ermordet hätten. Sie sind nun schon bereit und schauen nach deiner Zusage aus. - Dann entließ der Oberst den jungen Mann und wies ihn an, niemandem auszuplaudern, "dass du mir dies offenbart hast"« (Verse 16-22).

  Als römischer Bürger wurde Paulus in ehrenhaftem Gewahrsam gehalten, wobei er auch Besuch empfangen durfte. Sein Neffe hatte wertvolle Beziehungen. Da der Oberst seinen Gefangenen, für den er verantwortlich war, nicht länger der fanatischen Atmosphäre der Stadt Jerusalem aussetzen konnte, traf er unverzüglich die nachstehende Entscheidung.

 

Der Brief des Klaudius Lysias

 

  »Danach rief er zwei Hauptleute zu sich und sagte: Haltet zweihundert  Krieger bereit, dass sie bis nach Cäsarea ziehen, dazu siebzig Reiter und zweihundert Schleuderer, von der dritten Stunde der Nacht an. Auch sollen Reittiere bereitgestellt werden, um Paulus aufsteigen zu lassen und ihn sicher zum Statthalter Felix zu bringen.

  Dazu schrieb er einen Brief, der diese Fassung hatte: Klaudius Lysias an den hochgeehrten Statthalter Felix: Freue dich! Diesen Mann, der von den Juden ergriffen wurde und dem bevorstand, von ihnen ermordet zu werden, riss ich, mit einer Abteilung herzutretend, aus ihrer Mitte heraus, als ich erfuhr, dass er ein Römer sei. In der Absicht, nun die Schuld zu erfahren, deren man ihn bezichtigte, ließ ich ihn in ihr Synedrium hinabführen. Ich fand, dass man ihn nur aufgrund gewisser Streitfragen über ihr Gesetz bezichtigte, dass man aber keine Bezichtigung gegen ihn hatte, die den Tod oder Fesseln verdiene. Da mir eröffnet wurde, dass ein Anschlag gegen den Mann geplant sei, habe ich ihn unverzüglich zu dir gesandt und auch die Verkläger angewiesen, vor dir gegen ihn auszusagen. Lebe wohl!« (Verse 23-30).

  Dieser Bericht war in der Hauptsache sachgerecht, wenn auch der Oberst in puncto der Rettung eines römischen Bürgers vor den Juden sich selbst ohne Rücksicht auf die Wahrheit in ein günstiges Licht rückte. Der Oberst hatte nicht vor, sondern erst nach der Rettung des Paulus von dessen Bürgerrecht erfahren (Ap.22:27). Der Brief machte aber deutlich, dass Paulus schuldlos war.

 

Ankunft in Cäsarea

 

  »Gemäß der ihnen erteilten Anordnung nahmen die Krieger dann Paulus mit und führten ihn im Laufe der Nacht nach Antipatris. Tags darauf aber ließen sie die Reiter mit ihm gehen und kehrten in die Burg zurück. Als jene nach Cäsarea kamen und dem Statthalter den Brief übergaben, stellten sie ihm auch Paulus vor. Nachdem er den Brief gelesen und ihn gefragt hatte, aus welcher Provinz er sei, und erfuhr, dass er aus Cilicien stamme, erklärte er: Ich werde dich verhören, wenn auch deine Verkläger angekommen sind. - Dann befahl er, dass er im Prätorium des Herodes bewacht werde« (Verse 31-35).

  Antonius Felix war Prokurator der Provinz Judäa mit Sitz in Cäsarea von 52 bis 58 n. Chr. Seine erste Frage war, aus welcher Präfektur Paulus stamme, damit er nicht etwa in eine andere Zuständigkeit eingreife. Aber Cilicien war keine benachbarte Provinz, außerdem war der Rechtsfall in Jerusalem aufgekommen und im Übrigen konnte Felix die Juden nicht verärgern, indem er ihnen zumutete, ihre Anklage in einer weit entfernten Präfektur vorzubringen.

 

Die Ankläger vor Felix

 

  »Nach fünf Tagen kam der Hohepriester Ananias mit einigen Ältesten und einem gewissen Redner Tertullus herab, die bei dem Statthalter gegen Paulus vorstellig wurden. Sobald man diesen gerufen hatte, begann Tertullus ihn anzuklagen und sagte: Dass wir durch dich weithin Frieden erlangt haben und dieser Nation durch deine vorbedachte Fürsorge viele Verbesserungen zuteil werden, allseitig wie auch überall, heißen wir mit allem Dank willkommen, hochgeehrter Felix. Damit ich dich aber nicht noch länger aufhalte, spreche ich dir zu, nach deiner Lindigkeit anzuhören, was wir in aller Kürze zu sagen haben. Denn wir haben diesen Mann als eine Pest befunden und als einen, der alle Juden auf der Wohnerde zu Aufständen bewegt, auch ist er ein Rädelsführer der Sekte der Nazarener, der sogar versucht hat, die Weihestätte zu entheiligen; dabei haben wir ihn gefasst. Wenn du ihn ausforschst, wirst du selbst von ihm von alldem erfahren können, weswegen wir ihn anklagen. - Dem stimmten auch die Juden bei und gaben vor, dass dies sich so verhalte« (Ap.24:1-9; Vers 7 nicht in den ältesten Kodizes).

  Die Schmeichelei des Anwalts Tertullus war völlig unbegründet, denn Felix übte sein Amt als Regent mit der Einstellung eines Sklaven aus, wie Tacitus schreibt. Felix war ein übler Statthalter; er hatte sogar den Hohenpriester Jonathan ermorden lassen, weil dieser gegen seine unangemessenen Handlungen Einspruch erhoben hatte.

  Tertullus brachte drei Anklagepunkte vor: Paulus rufe Aufstände hervor; dies war gegen das römische Recht; Paulus sei ein Leiter der Nazarener, mithin einer Sekte neben der erlaubten jüdischen Religion; und Paulus habe die Weihestätte entheiligt, deren Schutz sogar die Römer garantierten.

  Jetzt war die Situation eingetreten, dass Paulus auch vor den Regenten Israels Zeugnis für den Herrn Jesus ablegen konnte, wie es ihm gleich nach seiner Berufung durch Ananias in Damaskus angekündigt worden war: »Dieser ist Mir ein auserwähltes Gerät, Meinen Namen vor die Augen der Nationen wie auch der Könige und der Söhne Israels zu tragen« (Ap.9:15). Und nun stand Paulus vor einem der Regenten Israels.

 

Paulus verteidigte sich vor Felix

 

  »Als der Statthalter dem Paulus einen Wink gab zu reden, nahm dieser das Wort: Da ich Bescheid weiß, dass du seit vielen Jahren Richter über diese Nation bist, verteidige ich meine Angelegenheit guten Mutes. Du wirst erfahren können, dass nicht mehr als zwölf Tage vergangen sind, seitdem ich hinaufzog, um in Jerusalem anzubeten. Weder in der Weihestätte hat man mich mit jemandem im Wortwechsel oder bei der Anstiftung eines Volksauflaufs gefunden, noch in den Synagogen, noch irgendwo in der Stadt. Darum können sie dir auch nichts von dem unter Beweis stellen, dessen sie mich nun anklagen« (Verse 10-13).

  Paulus eröffnete seine Verteidigungsrede in höflicher und sachlicher Weise. Dann wies er alle Anschuldigungen zurück. Für nichts von alledem würden sie Zeugen herbeibringen können. Um anzubeten und Pfingsten zu feiern war er nach Jerusalem gekommen.

  Weiter führte er aus:

  »Das bekenne ich dir jedoch, dass ich dem Wege Gottes gemäß, den sie als Sekte bezeichnen, dem väterlichen Gott so Gottesdienst darbringe, dass ich an alles glaube, was im Gesetz und in den Propheten geschrieben ist, und zu Gott die gleiche Erwartung habe, nach der auch jene ausschauen, nämlich dass es künftig eine Auferstehung der Gerechten wie auch der Ungerechten geben wird. In alldem bemühe auch ich mich, allezeit ein gutes Gewissen zu haben, unanstößig bei Gott und den Menschen« (Verse 14-16).

  Auf die Anschuldigung, Rädelsführer einer nicht erlaubten Sekte zu sein, ging Paulus näher ein - zugleich ein Zeugnis seines Glaubens gebend -, indem er ausführte, dass er Gott durchaus in der Weise Gottesdienst darbringe, wie es das Gesetz und die Propheten sagen, und insbesondere die Auferstehung erwarte.

  Schon bei Jesaia ist zu lesen: »Deine Toten werden leben« (Jes.26:19). In Daniel 12:2 steht geschrieben: »Viele von denen, die im Erdboden schlafen, werden erwachen, diese zu äonischem Leben, jene zur Schmach, zu äonischem Abscheu.« Und der Herr Jesus hatte gesagt: »Alle, die in den Gräbern sind, werden Seine Stimme hören; und es werden hervorgehen, die das Gute getan haben, zur Auferstehung des Lebens, die aber das Schlechte verübt haben, zur Auferstehung des Gerichts« (Joh.5:28,29). Die Ungerechten werden erst nach dem tausendjährigen Königreich Israels zum Gericht vor dem großen, weißen Thron auferstehen (Off.20:12).

  Und wieder betonte Paulus sein gutes Gewissen vor Gott und den Menschen (Ap.23:1), auch uns damit die Bedeutung des Gewissens unterstreichend. Mögen wir unser Gewissen am Wort Gottes schärfen!

 

»Wegen der Auferstehung der Toten ...«

 

  Paulus kam zum Schluss seiner Rede:

  »Nun bin ich nach mehreren Jahren hergekommen, um meiner Nation Almosen zu übergeben und Darbringungen zu verrichten, wobei man mich geläutert in der Weihestätte fand, aber weder bei einem Volksauflauf noch bei einem Tumult. Da waren aber einige Juden aus der Provinz Asien, die hier vor dir anwesend sein müssten, um mich zu verklagen, wenn sie etwas gegen mich haben sollten. Oder lasst diese selbst sagen, welches Unrecht sie gefunden haben, als ich vor dem Synedrium stand, es sei denn wegen dieses einen Ausrufs, den ich, in ihrer Mitte stehend, ausrief: Wegen der Auferstehung der Toten werde ich heute von euch gerichtet« (Verse 17-21).

  Paulus hatte mit der Übergabe der Kollekte der Gemeinden aus den Nationen (Röm.15:26; 2.Kor.8+9) an die Armen unter den Gläubigen in Jerusalem seiner Nation einen wertvollen Dienst getan; im Übrigen hatte er in der Weihestätte Gebete und Gaben dargebracht. Nichts war gegen ihn vorzubringen, es sei denn sein Glaube an die Auferstehung der Toten. Zwar verkündigte er unter den Nationen, dass man an der Auferstehung und dem äonischen Leben allein durch Glauben teilhabe und nicht durch Glauben, Umsinnung und edle Werke, wie die Zwölf lehrten; zwar verkündigte er auch, dass wir, die Glieder der Körpergemeinde, eine frühere Erwartung der Auferstehung haben als Israel (1.Kor.15:50-52; 1.Thess.4:15-17), doch war die Auferstehung ein elementarer Wesenszug des Glaubens schon vom Gesetz und den Propheten her.

  Paulus betonte also die gemeinsame Glaubensgrundlage mit den Juden, speziell der Pharisäer, worüber Felix, der seit vier Jahren im Amt war, ohnehin Bescheid wusste, sodass er nichts gegen die neue Glaubensrichtung einzuwenden hatte. Paulus trug sachlich, ohne Hass und wahrheitsgemäß vor, wie es Auserwählten Gottes, Ausgesöhnten, Heiligen und Geliebten eigen ist; das wird Felix sehr wohl bemerkt haben.

  Im Übrigen zeigte die Abwesenheit der eigentlichen Ankläger des Paulus, nämlich der Juden aus der Provinz Asien, die den Tumult verursacht hatten (Ap.21:27-2), dass selbst diese nichts gegen Paulus hätten vorbringen können.

 

Felix verschleppte den Fall

 

  »Felix aber, der Genaueres über den Weg Gottes wusste, hielt sie mit den Worten hin: Wenn Lysias, der Oberst, herabkommt, werde ich eure Angelegenheit untersuchen. - Dann gebot er dem Hauptmann, ihn, Paulus, in Gewahrsam zu halten, milde Haft zu veranlassen und keinem seiner eigenen Freunde zu verwehren, ihm beizustehen« (Verse 22+23).

  Felix dachte nicht im Geringsten daran, Lysias zu hören, der ihm ja schon alles berichtet hatte, was er wusste. Er verschleppte den Fall. Das war glattes Unrecht, denn er hätte Paulus freilassen müssen. Dies wiederum hätte aber den Juden missfallen.

  Die Rechtsprechung Roms war leider auch an der Zweckmäßigkeit orientiert und nicht nur an Gerechtigkeit und Billigkeit. So musste Paulus zwei Jahre in wenn auch leichter Haft verbringen. Gottes Gedanken aber sind stets höher, und Seine Wege sind allemal erhabener (Jes.55:9). Gott wollte den Apostel Christi Jesu vor die Könige Israels und schließlich nach Rom bringen. Im Übrigen wissen wir, dass Gott denen, die Ihn lieben, alles zum Guten zusammenwirkt - denen, die nach Seinem Vorsatz berufen sind (Röm.8:28).

  Bei Felix dürfte auch mitgespielt haben, dass er sich Bestechungsgelder erhoffte, zumal Paulus mit viel Geld nach Jerusalem gekommen war; deshalb sollten ihn seine Freunde auch jederzeit besuchen dürfen.

 

Felix unterredete sich mit Paulus

 

  »Nach einigen Tagen kam Felix mit Drusilla, seiner Frau, die eine Jüdin war; er ließ Paulus holen und hörte ihn über den Glauben an Christus Jesus. Als Paulus dann die Gerechtigkeit, die Selbstzucht und  das künftige Urteil erörterte, geriet Felix in Furcht und antwortete: Für diesmal geh! Ich werde aber eine spätere Gelegenheit ausnutzen und dich herbeirufen lassen. - Zugleich erwartete er, dass ihm von Paulus Geld gegeben werde; darum ließ er ihn auch häufiger holen und unterhielt sich mit ihm« (Verse 24-26).

  Drusilla war eine Schwester des Königs Herodes Agrippa II. Wir hatten in Vers 22 gelesen, dass Felix Genaueres über den Weg Gottes, über den neuen Glaubensweg wusste; sicherlich auch, weil seine Frau eine Jüdin war.

  Gern tat Paulus, was Petrus wie folgt formulierte: »Heiligt den Herrn, Christus, in euren Herzen, und seid stets vor jedem zur Verteidigung bereit, der ein Wort von euch fordert, was die Erwartung betrifft, die in euch ist« (1.Pet.3:15). Als Paulus dann aber auf die Gerechtigkeit, die Selbstzucht und das künftige Urteil zu sprechen kam, wurde es dem Felix allerdings zu persönlich und konkret. Gleichwohl unterredete er sich öfters mit Paulus, was durchaus positiv zu sehen ist, wenngleich das üble Motiv der Habgier ihn dazu trieb.

  Für den vordergründig von Felix völlig abhängigen Paulus gehörte schon etwas dazu, und zwar das Wissen um das Allesbewirken Gottes und die Kräftigung im Herrn, um einem ungerechten Statthalter gegenüber von der Gerechtigkeit reden zu können. Dass Felix Drusilla zur Frau hatte, war ebenfalls nicht gerecht zugegangen, denn der König hatte sie von ihrem Mann mithilfe eines Zauberers weglocken lassen, und er hatte sich von seiner zweiten Frau einfach scheiden lassen, um sie zu heiraten. Und Selbstzucht war diesem unbeherrschten Mann gänzlich fremd. Die Worte des Paulus auch von dem Gericht vor dem großen, weißen Thron, wovon es in Offenbarung 20:13 heißt: »... und sie wurden verurteilt, jeder nach seinen Werken«, blieben nicht wirkungslos, sondern versetzten Felix in Furcht.

 

Nach zwei Jahren

 

  »Als aber zwei Jahre verflossen waren, bekam Felix den Porcius Festus als Amtsnachfolger. Und da Felix den Juden eine Gunst erweisen wollte, ließ er den Paulus gebunden zurück« (Vers 27).

  Wahrscheinlich im Frühjahr des Jahres 58 n. Chr. wurde Felix seines Amtes enthoben, weil er die Straßenkämpfe zwischen jüdischen und nichtjüdischen Bewohnern Cäsareas mit großer Grausamkeit hatte niederschlagen lassen. Obwohl es üblich war, unverurteilte Häftlinge am Ende der Amtszeit freizulassen, fügte Felix seinen Taten ein weiteres Unrecht hinzu, indem er Paulus gebunden zurückließ, um den Juden eine Gunst zu erweisen.

  Wie sollte es jetzt mit Paulus weitergehen? Paulus wusste nur, dass Gott allein weise ist (Röm16:27), dass ihn gar nichts und gar niemand von der Liebe Gottes würde scheiden können, die in Christus Jesus ist (Röm.8:35), und dass er nach Rom kommen würde (Ap.23:11). So hatte er durch Ausharren und den Zuspruch des Herrn und der Heiligen Schriften Zuversicht (Röm.15:4).

 

 Paulus vor Festus und Agrippa

(Apostelgeschichte 25+26)

 

  »Als Festus nun die Präfektur angetreten hatte, zog er nach drei Tagen von Cäsarea nach Jerusalem hinauf« (Vers 1).

  Porcius Festus, der neue Prokurator der Provinz Judäa, übernahm wahrscheinlich im Frühjahr des Jahres 58 n. Chr. die Präfektur. Seine Amtsführung hob sich von der seines Vorgängers durch gerechtes Handeln ab. Aber auch er hatte jüdische Aufständische zu bekämpfen. Er starb im Jahre 62 im Amt.

  Nach seinem Amtsantritt zog er unverzüglich nach Jerusalem hinauf, um die leitenden Persönlichkeiten seiner Provinz kennenzulernen und ihre Anliegen zu hören.

 

Das Ansinnen der Juden

 

  »Bei ihm wurden die Hohenpriester und die Ersten unter den Juden in der Sache gegen Paulus vorstellig. Sie sprachen ihm zu und erbaten sich die Gunst gegen ihn, dass er ihn nach Jerusalem holen lasse; denn sie wollten einen Hinterhalt legen, um ihn auf dem Weg zu ermorden. Darauf antwortete Festus nun, Paulus werde in Cäsarea in Gewahrsam gehalten und er selbst habe vor, schnell nach dort abzureisen. - Daher mögen die unter euch, so erklärte er, die bevollmächtigt sind, mit mir hinabziehen. Wenn irgend etwas Ungehöriges bei dem Mann vorliegt, so lasst sie ihn anklagen« (Verse 2-5).

  Erneut hofften die Juden, etwas gegen Paulus erreichen zu können. Da sie eine schlechte juristische Position hatten, lag ihre Chance allerdings nur in seiner Ermordung aus einem Hinterhalt heraus, womit der noch unerfahrene, neue Statthalter wahrscheinlich nicht rechnen würde.

 

Die Verhandlung gegen Paulus

 

  »Nachdem er sich nicht mehr als acht oder zehn Tage unter ihnen aufgehalten hatte, zog er nach Cäsarea hinab. Tags darauf setzte er sich auf die Richterbühne und befahl, Paulus vorzuführen. Als er herzutrat, stellten sich die Juden, die von Jerusalem herabgezogen waren, um ihn und brachten viele schwere Beschuldigungen vor, die sie nicht zu beweisen vermochten. Paulus verteidigte sich und sagte: Weder gegen das Gesetz der Juden noch gegen die Weihestätte, noch gegen den Kaiser habe ich mich irgendwie versündigt« (Verse 6-8).

  Die Verhandlung vor Festus verlief im Grunde wohl ähnlich der vor Felix (Ap.24:1-21). Die Juden konnten nichts beweisen. So wird sich Paulus nicht lange mit Einzelheiten aufgehalten, sondern schlicht bekannt haben - wie es Heiligen geziemt -, dass er weder gegen jüdisches noch gegen römisches Recht gehandelt habe.

 

Berufung an den Kaiser

 

  »Da Festus den Juden eine Gunst erweisen wollte, antwortete er Paulus: Willst du nach Jerusalem hinaufziehen, um dort in dieser Sache von mir gerichtet zu werden? - Paulus erwiderte: Vor der Richterbühne des Kaisers stehe ich, wo ich gerichtet werden muss. Den Juden habe ich kein Unrecht getan, wie auch du sehr wohl erkannt hast. Wenn ich nun Unrecht getan und etwas verübt habe, das den Tod verdient, so weigere ich mich nicht zu sterben. Wenn aber nichts an dem ist, wessen diese mich verklagen, kann mich niemand ihnen aus Gunst ausliefern. An den Kaiser lege ich Berufung ein!« Verse 9-11).

  Paulus stand insofern vor der Richterbühne des Kaisers, als der Statthalter der höchste richterliche Beauftragte des Kaisers für Judäa war. Es hatte durchaus Sinn, den Fall in Jerusalem zu verhandeln, weil dort die angeblichen Untaten des Paulus geschehen sein sollten. Nun bestand aber die Gefahr, dass Paulus an die Juden ausgeliefert werden würde, weil es sich nach Ansicht des Festus nur um religiöse Angelegenheiten der Juden handelte. Die weitere Gefahr war, auf dem Weg dorthin aus einem Hinterhalt heraus ermordet zu werden.

  Der Apostel wusste zwar, dass er nach Rom kommen und auch dort ein Zeuge des auferstandenen Herrn Jesus Christus sein sollte, das Wie aber war ihm unbekannt. Dieses Wie tat sich ihm jetzt nach Gottes Fügung als der einzige Ausweg aus der problematischen Lage auf: Er legte Berufung an den Kaiser ein. Das war das Recht eines jeden römischen Bürgers. Allerdings sollte der Kaiser (der war Nero, der von 54-68 n. Chr. regierte) nicht mit geringfügigen Sachen befasst werden.

 

Die Entscheidung des Festus

 

  »Festus besprach sich mit dem Rat und antwortete ihm dann: An den Kaiser hast du Berufung eingelegt, zum Kaiser sollst du gehen!« (Vers 12).

  Festus ließ die Berufung zu. Wir sehen: Gottes Dienerin ist die Obrigkeit, zum Guten der Gläubigen (Röm.13:4). Der Weg für Paulus, das Evangelium Gottes über Seinen Sohn Jesus Christus auch in Rom und damit den Beherrschern dieser Welt zu verkündigen, war frei.

 

Festus unterbreitete den Fall dem König Agrippa

 

  »Nachdem inzwischen einige Tage verstrichen waren, gelangten der König Agrippa und seine Schwester Bernice nach Cäsarea, um Festus zu begrüßen. Als sie sich mehrere Tage dort aufgehalten hatten, unterbreitete Festus dem König die Angelegenheit des Paulus und sagte: Da ist ein Mann von Felix als Häftling zurückgelassen worden, gegen den die Hohenpriester und Ältesten der Juden vorstellig wurden und einen Schuldspruch gegen ihn erbaten, als ich nach Jerusalem kam. Denen habe ich geantwortet, dass es bei den Römern nicht Sitte sei, einen Menschen aus Gunst auszuliefern, ehe nicht der Angeklagte die Verkläger von Angesicht gesehen und Gelegenheit zur Verteidigung gegen die Bezichtigung erhalten habe. Als sie dann hier zusammengekommen waren, duldete ich keinen Aufschub, sondern am nächsten Tag setzte ich mich auf die Richterbühne und befahl, den Mann vorzuführen. Die Verkläger, die gegen ihn auftraten, brachten nicht etwa Beschuldigungen böser Taten vor, derer ich ihn verdächtigte, sondern sie hatten gegen ihn gewisse Streitfragen über ihre eigene Religion und über einen gewissen Jesus, der verstorben ist, von dem Paulus vorgab, er lebe. Da ich aber bei der Untersuchung dieses Streitfalls in Verlegenheit war, fragte ich ihn, ob er die Absicht habe, nach Jerusalem zu gehen und dort in dieser Sache gerichtet zu werden. Als Paulus dann Berufung einlegte, um für die Untersuchung des Ehrwürdigen verwahrt zu werden, befahl ich, ihn in Gewahrsam zu behalten, bis ich ihn zum Kaiser hinaufsenden würde« (Verse 13-21).

  König Agrippa II machte seinen Antrittsbesuch bei dem neuen Prokurator. Agrippa, ein Idumäer (Edomiter), der Jude geworden war, aber ein ganz und gar römisch geprägter Mann, war der Enkel des Königs Herodes des Großen (Mat.2:1) und der Sohn des Königs Agrippa I (Ap.12:1), der letzte Herodianer auf dem Thron Israels.

  Der Begriff »Der Ehrwürdige« (griech. sebastos, lat. augustus) war ein Ehrentitel des Kaisers.

  Festus nahm die Gelegenheit wahr, die Sache des Paulus dem König, der mit dem Judentum bestens vertraut war, zu unterbreiten.

  Warum berichtet Lukas eigentlich so ausführlich über den gesamten Verlauf? Weil das Kommen des Paulus nach Rom heilsgeschichtlich sehr bedeutsam ist, sollte er doch in der Vervollständigung des Segens Christi dorthin gelangen (Röm.15:29) und von dort aus mit dem Epheserrundbrief und den Briefen an die Philipper und Kolosser unsere höchsten geistlichen Segnungen, und dies inmitten der Überhimmlischen in Christus, verkündigen (Eph.1:3).

 

Festus eröffnete die Untersuchung

 

  »Da sagte Agrippa zu Festus: Ich hatte ebenfalls die Absicht, den Mann zu hören. - Morgen, entgegnete er, sollst du ihn hören! - Als dann tags darauf Agrippa und Bernice mit großem Gepränge kamen und samt den Obersten und den hochgestellten Männern der Stadt in den Verhörsaal gingen, wurde auch Paulus auf Befehl des Festus vorgeführt. Dann sagte Festus mit Nachdruck: König Agrippa und alle mit uns anwesenden Männer! Ihr schaut diesen Mann, dessentwegen die gesamte Menge der Juden in Jerusalem wie auch hier bei mir mit viel Geschrei vorstellig wurde, er dürfe nicht länger leben. Wie ich die Zusammenhänge erfasst habe, hat er nichts verübt, was den Tod verdient. Da dieser selbst an den Ehrwürdigen Berufung eingelegt hat, habe ich entschieden, ihn hinzusenden. Ich habe aber meinem kaiserlichen Herrn nichts Gewisses über ihn zu schreiben; darum habe ich ihn für euch und vor allem für dich, König Agrippa, vorführen lassen, damit ich nach erfolgter Voruntersuchung etwas zu schreiben habe; denn es erscheint mir widersinnig, ihm einen Häftling zu senden und nicht zugleich die Beschuldigung gegen ihn anzugeben« (Verse 22-27).

  Dies wäre wirklich widersinnig gewesen! Unser Gott und Vater, der allein Weise und Allesbewirkende, gebrauchte die Verlegenheit des Festus und hatte zum andern dem König ins Herz gegeben, Paulus hören zu wollen. Der Herr Jesus Christus hatte dem Paulus ja verheißen, dass er Seinen Namen auch vor die Augen der Regierenden tragen werde (Ap.9:15). Auch die Mächtigen sollen das Evangelium hören! So wurde es dem Paulus geschenkt, vor einer großen Zuhörerschaft zu sprechen.

  Was Paulus dann vortrug, kann zwar als Verteidigung oder Bekräftigung seiner Unschuld verstanden werden, war aber im Grunde eine Verkündigung der Rettung in Jesus, dem Christus.

 

Paulus vor Agrippa

 

  Wir kommen zu Kapitel 26.

  »Agrippa sagte darauf mit Nachdruck zu Paulus: Es ist dir gestattet, über dich selbst auszusagen! - Dann streckte Paulus die Hand aus und verteidigte sich: Ich erachte mich für glücklich, König Agrippa, dass ich mich heute anschicken darf, mich wegen aller Taten, derer ich von den Juden bezichtigt werde, vor dir zu verteidigen, vor allem, weil du ein Kenner aller Sitten unter den Juden bist wie auch über ihre Streitfragen Bescheid weißt. Darum flehe ich dich an, mich geduldig anzuhören« (Verse 1-3).

  So weit die wohlangemessene Einleitung, in der Paulus sich nicht scheute zu sagen, dass er die Zeit der hohen Herrschaften in Anspruch nehmen wolle, indem er sie um geduldiges Zuhören bat.

  Im Übrigen erinnern wir uns an Psalm 119:46: »Vor Königen werde ich von Deinen Zeugnissen reden und mich nicht schämen.« Unseres Herrn und Retters und Hauptes Jesus Christus wollen wir uns wahrhaftig nicht schämen (2.Tim.1:8).

 

Des Paulus Leben als Pharisäer

 

  Zuerst schilderte Paulus sein Leben als Pharisäer:

  »Wie nun meine Lebensführung von Jugend auf in meiner Nation, und zwar in Jerusalem, von Anfang an verlaufen ist, wissen alle Juden, die mich von früher her kennen. Wenn sie wollten, könnten sie bezeugen, dass ich nach der Sekte, die es mit unserem Ritual am genauesten nimmt, als Pharisäer gelebt habe. Und nun stehe ich hier, um gerichtet zu werden wegen der Erwartung der Verheißung, die an unsere Väter von Gott ergangen ist, zu der unser Zwölfstämmevolk, Ihm Nacht und Tag mit Inbrunst Gottesdienst darbringend, zu gelangen erwartet. Aufgrund dieser Erwartung, o König, werde ich von den Juden bezichtigt. Warum wird es von euch als unglaublich beurteilt, wenn Gott Tote auferweckt?« (Verse 4-8).

  Der Wandel des Paulus war einwandfrei gewesen. In Philipper 3:5-7 berichtet er: »... ein Hebräer aus Hebräern, in Bezug auf das Gesetz ein Pharisäer, in Bezug auf den Eifer ein Verfolger der herausgerufenen Gemeinde, hinsichtlich der im Gesetz geforderten Gerechtigkeit war ich wie einer, der untadelig wird. Doch was mir einst Gewinn war, das habe ich um Christi willen als verwirkt erachtet.«

  Paulus betonte die Auferstehung, weil die entscheidende Verheißung für Israel, nämlich das Königreich, eng mit der Auferstehung verknüpft ist; ohne sie könnten die Entschlafenen gar nicht in das Königreich gelangen. Alledem zugrunde liegt natürlich das Kommen und die Auferstehung des Messias und Königs Israels. Dass Jesus aus den Toten auferstand, zeigt, dass Er der Christus ist.

  Paulus bezeichnete hier sein Volk als Zwölfstämmevolk, an das auch Jakobus seinen Brief richtete; Israeliten aus allen zwölf Stämmen bildeten also das Volk.

  Die Frage des Paulus, warum die Auferweckung Toter als unglaublich beurteilt werde, mag den König Agrippa ganz persönlich besonders angesprochen haben, weil er wahrscheinlich den Sadduzäern zugeneigt war, die eine Auferstehung ablehnten.

 

Paulus, der Verfolger

 

  Paulus sprach weiter:

  »Ich habe nun zwar selbst gemeint, in vielem entgegen dem Namen Jesu, des Nazareners, handeln zu müssen. Und das habe ich auch in Jerusalem getan. So ließ ich denn viele der Heiligen in Gefängnisse einschließen, wozu ich von den Hohenpriestern die Vollmacht erhalten hatte. Wenn sie hingerichtet werden sollten, gab ich Wahlkiesel dafür ab. Der Reihe nach durch alle Synagogen gehend, nötigte ich sie oftmals durch Bestrafen zum Lästern; und in übermäßigem Wüten verfolgte ich sie auch bis in die auswärtigen Städte« (Verse 9-11).

  Nach der Steinigung des Stephanus hatte Paulus maßlos gegen die herausgerufene Gemeinde gewütet (Ap.8:3). Er war der ärgste Feind Jesu Christi gewesen, so wie es sein Volk heute noch ist. Wenn dem Paulus aber Gnade gewährt wurde, wird sie auch Israel zuteil werden (Röm.11:12,15,26,32).

 

Jesu Erscheinen vor Damaskus

 

  Dann bezeugte Paulus sein Erlebnis vor Damaskus:

  »Als ich bei dieser Verfolgung mit Vollmacht und Erlaubnis der Hohenpriester nach Damaskus ging, gewahrte ich, o König, mitten am Tag auf dem Wege, wie mich und die mit mir gingen, vom Himmel her ein Licht umstrahlte, heller als der Glanz der Sonne. Als wir alle zur Erde niederfielen, hörte ich eine Stimme in hebräischer Mundart zu mir sagen: Saul, Saul, was verfolgst du Mich? Hart ist es für dich, gegen Stacheln auszuschlagen! - Ich fragte nun: Wer bist Du, Herr? - Der Herr aber antwortete: Ich bin Jesus, den du verfolgst!« (Verse 12-15).

  Dies ist der dritte Bericht in der Apostelgeschichte über die Berufung des Paulus (9:3-9; 22:6-10).

  Aller Glanz der Schöpfung, hier: der Sonne, wird weit übertroffen von der Herrlichkeit Christi Jesu, die den Paulus umstrahlte.

  Der Herr sprach Paulus auf hebräisch an. Die Worte des Auferstandenen müssen Paulus getroffen haben wie ein Schlag, auch wenn sie von großem Erbarmen geprägt waren. Eigentlich hätte Jesus ihn töten müssen, wie denn Mose sagte: »Einen Propheten wie mich wird dir Jewe, dein Elohim, aus der Mitte deiner Brüder erstehen lassen; auf ihn sollt ihr hören. Und es wird geschehen: Der Mann, der nicht auf Meine Worte hört, die er [der Prophet, nämlich Jesus] in Meinem Namen reden wird, von dem werde Ich es abfordern« (5.Mose 18:15,19). Aber der Messias begann mit Paulus etwas Neues. Er gewährte ihm überströmenden Gnade, die dann auch der tragende Inhalt seiner Verkündigung werden sollte. Paulus ist das Muster für das Gnadenhandeln Gottes in unserer Zeit. Wie der Apostel selbst schreibt: »Zuvor war ich ein Lästerer, Verfolger und Frevler. Ich habe jedoch Erbarmen erlangt, weil ich es unwissend tat, im Unglauben. Überwältigend aber ist die Gnade unseres Herrn, mit Treue und Liebe, die in Christus Jesus ist. Glaubwürdig ist das Wort und jeden Willkommens wert, dass Christus Jeus in die Welt kam, um Sünder zu retten, von denen ich der Erste bin. Jedoch, ebendeshalb erlangte ich Erbarmen, auf dass Jesus Christus an mir als erstem sämtliche Geduld zur Schau stelle, denen  als Muster, die künftig an Ihn glauben, zu äonischem Leben« (1.Tim.1:13-16).

  Zum Stachel ist zu sagen, dass er ein Stock mit einer scharfen Spitze ist, den die Viehtreiber benutzten. Ein Tier, das gegen den Stachel ausschlägt, fügt sich nur selbst Wunden und Schmerzen zu. »Hart ist es für dich, gegen Stacheln auszuschlagen« heißt somit: Du schadest dir selbst, wenn du gegen Mich kämpfst. Dein Widerstand gegen Mich ist sinnlos.

 

Der Dienstauftrag für Paulus

 

  Sogleich nahm Jesus den Paulus in Seinen Dienst, indem Er sagte:

  »Doch steh auf und stelle dich auf deine Füße; denn dazu bin Ich dir erschienen, dich zum untergebenen Gehilfen und Zeugen dessen zu bestimmen, was du wahrgenommen hast, wie auch dessen, womit Ich dir noch erscheinen werde. Ich nehme dich heraus aus dem Volk und aus den Nationen, zu denen Ich dich sende, um ihnen die Augen zu öffnen, damit sie sich von der Finsternis zum Licht und von der Obrigkeit Satans zu Gott umwenden, sodass sie Sündenerlass erhalten und ein Losteil unter denen, die durch den Glauben an Mich geheiligt worden sind« (Verse 16-18).

  Mit diesen Worten bestimmte unser Herr Jesus Christus den Paulus zu Seinem untergebenen Gehilfen und zu Seinem Zeugen, nahm Er ihn aus Israel und den Nationen heraus, ihn absondernd, ihn für Seinen Dienst abstellend, und sandte Er ihn zu Israel und zu den Nationen.

  »... um ihnen die Augen zu öffnen«, wie dem Volk Israel verheißen (Jes.35:5; 42:7), wie auch den Nationen, da Jesaia ebenfalls sagte: »Ich habe Dich [Jesus] zum Licht der Nationen gesetzt, damit Du ihnen bis zum letzten Ende der Erde zur Rettung gereichst« (Jes.49:6 nach Ap.13:47). Die vom Satan beherrschte Welt tappt in der Finsternis einher (2.Kor.4:3; 1.Joh.5:19); nur wo Christus erkannt wird, ist Licht. Dank aber sei unserem Gott und Vater aus tiefstem Herzen, der gebot: Aus der Finsternis leuchte das Licht, der es in unseren Herzen aufleuchten ließ zum Lichtglanz der Erkenntnis der Herrlichkeit Gottes im Angesicht Jesu Christi (2.Kor.4:6).

  »... damit sie sich von der Finsternis zum Licht und von der Obrigkeit Satans (Kol.1:13) zu Gott umwenden«, wie es dann zum Beispiel die Thessalonicher getan hatten, die sich von den Götzen zu Gott umwandten, um dem lebendigen und wahrhaften Gott zu sklaven (1.Thess.1:9).

  »... sodass sie Sündenerlass erhalten und ein Losteil unter denen, die durch den Glauben an Mich geheiligt worden sind.« Der Sündenerlass aufgrund von Glauben und Umsinnung ist Teil des Evangeliums der Beschneidung (Gal.2:7), das Paulus in den ersten Abschnitten seines Dienstes auch denen aus den Nationen verkündigte. Hier bereits von der Rechtfertigung allein durch Glauben zu sprechen, die wir heute haben, wäre allzu verfrüht gewesen.

 

Wie Paulus den Auftrag ausführte

 

  Paulus fuhr fort:

  »Deswegen war ich, o König Agrippa, gegen die himmlische Erscheinung nicht widerspenstig, sondern verkündigte zuerst denen in Damaskus [Ap.9:22] und auch in Jerusalem [Ap.9:28], dann denen im gesamten Land Judäa [Ap.11:29,30] und den Nationen, sie sollten umsinnen, sich zu Gott umwenden und Werke verrichten, die der Umsinnung würdig sind« (Verse 19+20).

  Man beachte, dass auf das Umsinnen das Umwenden folgt, mithin das Tun von der Umsinnung würdigen Werken.

 

Paulus verkündigte der Schrift gemäß

 

  Zum Schluss betonte Paulus, dass er in allem der Schrift gemäß verkündigt habe:

  »Deswegen ergriffen die Juden mich, als ich in der Weihestätte war, und versuchten, die Hand an mich zu legen. Da ich nun von Gott bis auf diesen Tag Beistand erlangt habe, stehe ich da und lege vor Klein und Groß Zeugnis ab. Nichts sage ich außer dem, wovon die Propheten und auch Mose geredet haben, dass es künftig geschehen werde, ob nämlich Christus leiden müsse, ob Er Sich als Erstling aus der Auferstehung Toter anschickt, dem Volk Israel wie auch den Nationen das Licht verkündigen« (Verse 21-23).

  Paulus verkündigte Christus, und diesen als gekreuzigt (1.Kor.2:2). Das prophetische Wort über den leidenden Messias findet sich insbesondere in Psalm 22 und Jesaia 52:13-53:12.

  Licht  wird der Messias verkündigen. Die Worte dessen, der das Licht ist, nämlich Jesus, werden Israel und den Nationen das Licht der wahren Gotteserkenntnis und mithin die Befreiung aus der Finsternis Satans, der Sünde und dem Tod bringen.

  Paulus hatte zwar den Nationen viele Geheimnisse bekannt gemacht, die über die Weissagungen der Propheten und des Mose hinausgingen, auf der Linie der Verkündigung des Königreichs Israels aber hatte er nichts anderes gesagt, als was prophezeit war.

 

Der Einwand des Festus

 

  »Als er sich mit diesen Worten verteidigte, entgegnete Festus mit lauter Stimme: Du bist von Sinnen, Paulus! Die vielen Schriften zerrütten dich bis zur Raserei! - Doch Paulus erklärte: Ich bin nicht von Sinnen, hochgeehrter Festus, sondern ich spreche Worte der Wahrheit und der gesunden Vernunft aus« (Verse 24+25).

  Für Festus war die Rede des Paulus leider eine Torheit, und sie ist es auch heute noch für viele andere aus den Nationen (1.Kor.1:23).

 

Das Gespräch mit Agrippa

 

  Dann wandte sich Paulus an König Agrippa, der im Grunde genommen wusste, dass es Worte der Wahrheit waren.

  »Der König weiß doch in diesen Dingen Bescheid, zu ihm spreche ich auch freimütig; ich bin nämlich nicht überzeugt, dass ihm etwas von alldem entgangen ist; denn dies ist ja nicht in einem Winkel betrieben worden. Glaubst du, König Agrippa, den Propheten? Ich weiß, dass du ihnen glaubst! - Da sagte Agrippa zu Paulus: Mit so wenigen Worten könntest du mich fast überreden, um aus mir einen Christen zu machen. - Paulus antwortete: Ich wünschte wohl vor Gott, ob mit wenigem oder mit großem Aufwand, das nicht allein du, sondern auch alle, die mich heute hören, solche würden, wie auch ich bin, ausgenommen diese Fesseln« (Verse 26-29).

  Da Agrippa den Propheten glaubte, hätte er konsequenterweise auch dem Apostel Paulus glauben müssen, aber zum einen würde sein Ansehen beschädigt werden, weil die Bezeichnung »Christ« damals keinen guten Klang hatte, und zum andern hätte er es sich mit den Juden verdorben. Daher antwortete er ausweichend.

 

Die abschließende Beurteilung

 

  »Dann stand der König auf, ebenso der Statthalter sowie Bernice und die bei ihnen saßen. Als sie sich zurückgezogen hatten, sprachen sie noch miteinander und sagten: Dieser Mann hat nichts verübt, was den Tod oder Fesseln verdient. - Und Agrippa erklärte dem Festus: Dieser Mann könnte freigelassen werden, wenn er nicht Berufung an den Kaiser eingelegt hätte« (Verse 30-32).

  Damit hatte das höchste Gericht der Provinz die Schuldlosigkeit des Paulus festgestellt. Er hätte freigelassen werden können. Nach Gottes Fügung aber war seiner Berufung an den Kaiser bereits stattgegeben worden, wie es denn Gottes Wille war, ihn nach Rom zu senden.

  Der Dienst in Judäa war abgeschlossen. Der Dienstabschnitt der heilsgeschichtlichen Verwaltung (griech. oikonomia) des Übergangs von der pfingstlichen zur gegenwärtigen (Eph.3:2; Kol.1:25) neigte sich dem Ende zu. Das letzte Wunder sollte auf der Seereise nach Rom auf der Insel Melite (heute: Kephallenia) geschehen (Ap.28:5). In Rom sollte der Apostel sodann die derzeitige, bisher geheime göttliche Verwaltung der überströmenden Gnade verkündigen, in der wir heute noch leben, sowie die höchsten geistlichen Segnungen, die wir inmitten der Überhimmlischen in Christus haben (Eph.1:3), mit den sogenannten Gefangenschafts- oder Vollkommenheitsbriefen, dem Epheser-, Philipper- und Kolosserbrief, bekannt machen.

  Der Lobpreis sei unserem herrlichen Gott und Vater im Namen unseres Herrn Jesus Christus über allen Seinen Wegen!

 

Die Seereise nach Rom

(Apostelgeschichte 27)

 

  Zwei Jahre zuvor war der Herr Jesus Christus dem Apostel Paulus in Jerusalem erschienen und hatte ihm zugesprochen: »Fasse Mut; denn wie du in Jerusalem für Mich Zeugnis abgelegt hast, so musst du auch in Rom Mein Zeuge sein« (Ap.23:11). Und nun war es so weit, dass er, weil er an den Kaiser Berufung eingelegt hatte, nach Rom gebracht werden sollte. Wir schreiben das Jahr 58 n. Chr. im dritten Quartal.

 

Die Übergabe an den Hauptmann Julius

 

  »Als es dann entschieden war, dass wir uns nach Italien einschiffen sollten, übergab man Paulus wie auch einige andere Häftlinge einem Hauptmann namens Julius von der kaiserlichen Ehrwürdigen-Truppe« (Vers 1).

  Ein Hauptmann (lat. centurio) befehligte hundert Krieger. Lukas berichtet in der Wir-Form. Er war also dabei.

 

Die Einschiffung

 

  »Dann bestiegen wir ein adramyttisches Schiff, das im Begriff war, nach den Orten längs der Küste der Provinz Asien zu segeln, und gingen in See. Mit uns war Aristarchus, ein Mazedonier aus Thessalonich« (Vers 2).

  Das Schiff war aus Adramyttion, einer Stadt im Norden der Westküste Kleinasiens. Es gab damals keinen Linienverkehr; ein Reisender musste ein Schiff ausfindig machen, das ihn dem Ziel näherbrachte.

  Ein weiterer Begleiter des Paulus auf der Seereise war Aristarchus, schon früher ein Reisegefährte (Ap.19:29; 20:4), später ein Mitgefangener (Kol.4:10), stets aber ein Mitarbeiter des Paulus (Philemon 24). Die anderen auf dem Schiff sahen Lukas und Aristarchus wohl als des Paulus Diener an, zumal er als römischer Bürger einen besonderen Status genoss.

 

Von Cäsarea nach Sidon

 

  »Am  anderen Tag landeten wir in Sidon. Julius, der den Paulus menschenfreundlich behandelte, gestattete ihm, zu seinen Freunden zu gehen, um von ihnen Versorgung für die Reise zu erlangen« (Vers 3).

  Von Cäsarea in Judäa bis Sidon in Phönizien sind es etwa 130 km zur See. Durch die Verfolgung, die wegen Stephanus entstanden war, waren auch in Phönizien Gemeinden entstanden (Ap.11:19). Paulus selbst war mindestens zweimal durch Phönizien gekommen (Ap.15:3; 21:3) und kannte dort Glaubensgeschwister.

 

Von Sidon bis Myra

 

  »Von dort gingen wir wieder in See und segelten unter dem Schutz der Insel Cypern, weil wir Gegenwind hatten. Dann segelten wir durch das offene Meer bei Cilicien und Pamphylien und landeten in Myra in Lycien« (Verse 4+5).

  Wegen des Westwindes segelten sie im Windschatten Cyperns östlich und sodann nördlich der Insel. Myra lag an der westlichen Südküste Kleinasiens und war ein wichtiger Seehafen für die Getreideschiffe aus Ägypten, der Kornkammer Roms.

 

Von Myra bis zu den Trefflichen Häfen

 

  »Als der Hauptmann dort ein alexandrinisches Schiff fand, das nach Italien segelte, ließ er uns in dasselbe einsteigen. Während einer beträchtlichen Zahl von Tagen segelten wir langsam und gelangten nur mit Mühe in die Nähe von Knidus. Da uns der Wind dort nicht heranließ, segelten wir bei Salmone unter den Schutz der Insel Kreta. Mit Mühe fuhren wir daran entlang und kamen zu den sogenannten Trefflichen Häfen, einem Ort, in dessen Nähe die Stadt Lasäa war« (Verse 6-8).

  Das Schiff kam aus Alexandrien im Nildelta. Knidus lag an der Südwestecke Kleinasiens, Salmone an der Nordostecke der Insel Kreta. Die Trefflichen Häfen waren in der Mitte der Südküste Kretas gelegen.

  Widrige Winde stehen symbolisch für böse Geistesmächte, die verhindern wollten, dass Paulus nach Rom gelangte; schließlich ist der Luftraum das Vollmachtsgebiet des Satans (Eph.2:2).

 

Paulus mahnte

 

  »Da inzwischen geraume Zeit verstrichen war und die Schifffahrt schon unsicher wurde (weil auch der Fastentag schon vergangen war), sagte Paulus ermahnend zu ihnen: Männer, ich schaue voraus, dass die bevorstehende Fahrt mit Ungemach und großem Verlust nicht allein für die Ladung und das Schiff, sondern auch für unsere Seelen verbunden sein wird. - Doch der Hauptmann wurde durch den Steuermann und den Verfrachter eher überzeugt als durch das von Paulus Gesagte« (Vers 9-11).

  Der Fastentag war der große Versühnungstag, der Tag der Beschirmungen, an dem man seine Seele zu demütigen, das heißt zu fasten hatte (3.Mose 16:29; 23:27). Er fand am 10.Tag des siebenten Monats Etanim (oder: Tischri) statt. Die Mitte des Monats Oktober wird überschritten gewesen sein, als Paulus seine mahnende Stimme erhob. Dies war zwar nicht seines Apostelamtes, gleichwohl wirkte er für das Gute an allen (Gal.6:10).

  Der Steuermann war zugleich der Navigator, der Verfrachter war der Schiffsherr oder Kapitän. Letztlich mag der Hauptmann entschieden haben, weil er im Dienst des Kaisers stand, dem schließlich auch das Getreideschiff dienen musste. Jene drei Männer hörten nicht auf die Ermahnung des Paulus.

 

In Richtung auf Phönix

 

  »Es fand sich, dass der Hafen zum Überwintern ungeeignet war; so gab die Mehrzahl den Rat, von dort wieder auszufahren, ob man etwa zum Überwintern nach Phönix gelangen könnte, einem Hafen für Kreta, der nach Südwesten und Nordwesten blickt. Da ein sanfter Südwind wehte, meinten sie, sich an ihren Vorsatz halten zu können. Daher lichteten sie die Anker und fuhren dicht an der Südküste Kretas entlang« (Verse 12+13).

  In den Trefflichen Häfen konnte man den Winter über nicht bleiben. So entschlossen sie sich, von Kreta wegzufahren (wie Paulus gemäß Vers 21 sagte) und Phönix, einen Hafen für Kreta (der Genitiv erlaubt diese Übersetzung), für den Seeverkehr nach Kreta, anzusteuern. Eine Stadt dieses Namens lag laut Pausanias im 1. Jahrhundert n. Chr. an der Südspitze Messeniens im Südwesten des Peloponnes, und in der Nähe findet sich hinter der Insel Sphakteria die nach Südwesten und Nordwesten offene Bucht von Pylos mit idealen Verhältnissen zum Überwintern. Eine solche Bucht gibt es auf Kreta nicht. Die messenischen Hafenstädte Phönix, Methone und Pylos stützten den Seeweg von Kreta nach Italien.

  Näheres hierzu wie auch zur gesamten Fahrt und zur Identifizierung der Insel Melite entnehme man dem Buch von Heinz Warnecke »Die tatsächliche Romfahrt des Apostels Paulus«, Verlag Katholisches Bibelwerk GmbH Stuttgart, 2. Aufl. 1989, ISBN 3-460-04271-0.

 

Der Orkan

 

  »Nach nicht langer Zeit brach von dort herab ein Orkan los, der sogenannte Nordostwind. Da das Schiff von ihm gepackt wurde und man nicht gegen den Wind ankämpfen konnte, gaben wir es auf und wurden von ihm dahingetragen. Als wir unter den Schutz eines Inselchens liefen, das Kauda heißt, vermochten wir nur mit Mühe, von dem nachgeschleppten Beiboot Abstand zu halten, sodass man es emporwand und Taue als Hilfsmittel gebrauchte, um das Schiff damit unterhalb zu gürten. Man befürchtete auch, auf die Sandbänke der Syrte verschlagen zu werden; daher zog man die Segel ein und wurde so vom Wind dahingetragen.Da wir aber vom Unwetter heftig bedrängt wurden, warf man am nächsten Tag Ladung über Bord; und am dritten schleuderte man eigenhändig das Gerät des Schiffes ins Meer. Als aber mehrere Tage hindurch weder Sonne noch Sterne erschienen und ein ziemlich starkes Unwetter uns hart zusetzte, wurde uns hinfort jede Aussicht auf Rettung genommen« (Verse 14-20).

  Anschaulicher könnte der Bericht des Lukas nicht sein.

  Es sei kurz angemerkt, dass Kauda im Südwesten vor Kreta aus dem Meer ragte, etwa 40 km entfernt. Die Sandbänke der Syrte lagen vor der nordafrikanischen Provinz Libyen. Da weder die Sonne noch Sterne zu sehen waren, konnten sie ihre Position nicht bestimmen. Schließlich trieb das Schiff in nordwestliche Richtung, wie bei diesem Wetter üblich und sich später auch zeigen sollte.

 

Der Zuspruch des Paulus

 

  »Da viele ohne Kost geblieben waren, trat Paulus dann in ihre Mitte und sagte: O Männer, man hätte schon auf mich hören und nicht von Kreta ausfahren und sich so dies Ungemach und diesen Verlust zuziehen sollen. Doch nun ermahne ich euch, guten Mutes zu sein; denn nicht eine Seele von euch wird verloren gehen, außer dem Schiff. In dieser Nacht trat nämlich ein Bote des Gottes zu mir, dessen Eigentum ich bin und dem ich Gottesdienst darbringe, und sagte: Fürchte dich nicht, Paulus! Du musst vor den Kaiser treten, und siehe: Gott hat dir alle, die mit dir segeln, in Gnaden gewährt! Darum seid guten Mutes, ihr Männer; denn ich glaube Gott, dass es so geschehen wird, in der Weise, wie es mir verheißen wurde. Aber auf irgendeine Insel müssen wir verschlagen werden« (Verse 21-26).

  Fürchte dich nicht, Paulus, denn Gott bewirkt alles nach Seinem weisen Liebesratschluss und Vorsatz in Christus (Eph.1:11; 3:11)! Es war Gottes Wille, dass er vor den Kaiser treten sollte. Und was Gott will, das tut Er (Ps.115:3).

  Paulus hatte einen besonderen Zuspruch durch einen Boten Gottes erfahren. Mit demselben Zuspruch sprach er unverzüglich allen anderen zu. »Gesegnet sei der Gott und Vater unseres Herrn Jesus Christus, der Vater des Mitleids und Gott allen Zuspruchs, der uns in all unserer Drangsal zuspricht, damit wir auch anderen in all ihrer Drangsal zusprechen können durch den Zuspruch, mit dem uns selbst von Gott zugesprochen wird« (2.Kor.1:3,4).

  Gott gewährte dem Paulus alle Mitreisenden in Gnaden, das heißt, er durfte es als seinen Gewinn ansehen und sich darüber freuen, dass sie mit ihm am Leben blieben.

  Es wird deutlich, dass der Grund für die Rettung aller die Anwesenheit des Paulus auf dem Schiff war. Im Falle von Sodom hätten zehn Gerechte darin leben müssen, damit alle gerettet worden wären (1.Mose 18:32). Die Situation auf dem Schiff mag eine gewisse Parallele darin haben, dass der Grund für die Erhaltung der bösen Menschheit in der Anwesenheit der Gemeinde Christi auf der Erde liegt, die in dieser Zeit werden muss (2.Thess.2:7). Sind wir entrückt, wird der Zorn Gottes hereinbrechen (Röm.5:9; 1.Thess.1:10; 5:4,9).

  Im Übrigen beachte man, dass Paulus bezeugte: »Ich glaube Gott!« Wer dies tut, hat einen festend Stand und ist kraftvoll in der Zuversicht. Wer Gott glaubt - glaubt, was geschrieben steht -, kann alle feurigen Pfeile des Bösen löschen (Eph.6:16). Der Glaube des Paulus war jetzt der einzige Halt aller.

 

In der Adria

 

  »Als dann die vierzehnte Nacht hereinbrach, seit wir in der Adria trieben, mutmaßten die Seeleute um Mitternacht, dass sich ihnen irgendein Land nähere. So warfen sie das Senkblei aus und fanden zwanzig Klafter Wassertiefe. Als sie es nach kurzem Abstand nochmals auswarfen, fanden sie fünfzehn Klafter. Da sie fürchteten, wir könnten irgendwo auf felsige Stellen verschlagen werden, warfen sie vier Anker vom Hinterschiff aus und wünschten, dass es Tag werde« (Verse 27-29).

  Sie trieben in der Adria, deren Südgrenze von Kalabrien nach Phönix verlief. Das Geräusch der Wellen hatte sich verändert; Land musste in der Nähe sein. Die Lotungen der Wassertiefe, zuerst cirka 36 m, etwa 10 bis 15 Minuten später cirka 27 m, weisen auf die Flachsee südlich der Insel Kephallenia hin, deren Landzunge von Argostoli einst Melite hieß. Die Nordostküste Maltas dagegen fällt viel zu schnell ab. Das Schiff wäre vor der zweiten Lotung bereits an den Felsen zerschellt. Malta wäre bei dem rechtsdrehenden Nordostwind und dem westlich davon linksdrehenden Wirbel sowie gegenläufiger Meeresströmung in vierzehn Tagen ohnehin nicht zu erreichen gewesen (Luftlinie 850 km). Das Schiff driftete in nordwestlicher Richtung auf die Ionischen Inseln an der Westküste Griechenlands und dort auf die Insel Kephallenia vor dem Golf von Patras zu.

 

Der Fluchtversuch der Seeleute

 

  »Als die Seeleute nun versuchten, aus dem Schiff zu fliehen und das Beiboot ins Meer senkten (unter dem Vorwand, als seien sie im Begriff, aus dem Vorderschiff Anker auszuwerfen), sagte Paulus zu dem Hauptmann und den Kriegern: Wenn diese nicht im Schiff bleiben, könnt ihr nicht gerettet werden. - Dann hieben die Krieger die Seile des Beiboots ab und ließen es hinabfallen« (Verse 30-32).

  Paulus beobachtete das Tun der Seeleute, erkannte die Gefahr, dass man das Schiff ohne sie nicht würde manövrieren können, und griff ein. Der Hauptmann traf sofort die richtige Entscheidung, auch wenn das Rettungsboot dabei verloren ging. Damit waren alle noch mehr von dem Gott des Paulus abhängig.

 

Ein weiterer Zuspruch des Paulus

 

  »Bis es sich nun anschickte, Tag zu werden, sprach Paulus allen zu, Nahrung einzunehmen, und sagte: Heute ist der vierzehnte Tag, dass ihr wartend unbeköstigt durchhaltet und nichts weiter zu euch genommen habt. Darum spreche ich euch zu, Nahrung einzunehmen; denn das ist zu eurer Rettung notwendig; es wird nämlich keiner von euch ein Haar von seinem Haupt verlieren. - Als er dies gesagt und Brot genommen hatte, dankte er Gott vor aller Augen, brach es und fing an zu essen. Da wurden alle guten Mutes, und auch sie nahmen Nahrung zu sich. Wir waren aber insgesamt zweihundertsechsundsiebzig Seelen auf dem Schiff. Nachdem sie sich mit Nahrung reichlich gesättigt hatten, leichterten sie das Schiff, indem sie das Getreide ins Meer warfen« (Verse 33-38).

  Rechtzeitig Nahrung einzunehmen, um Kraft zum Schwimmen zu bekommen, mag selbstverständlich sein, gehörte aber angesichts der Mutlosigkeit der Männer zu der Weisheit eines durch den Geist Gottes erneuerten Denksinns. Ist doch der uns innewohnende Geist Gottes ein Geist der Kraft und der Liebe und der gesunden Vernunft (2.Tim.1:7). Für das Brot dankend, heiligte Paulus es (1.Tim.4:5). Und es essend, vermittelte er allen anderen neuen Mut.

 

Die Strandung

 

  »Als es nun Tag wurde, erkannten sie das Land nicht, bemerkten aber eine Bucht, die einen Strand hatte; da beschlossen sie, wenn möglich, das Schiff auf diesen auflaufen zu lassen. Dann kappten sie die Anker und ließen sie in das Meer fallen; zugleich lockerten sie die Taue der Steuerruder, hissten das Vordersegel vor den Wind und hielten auf den Strand zu. Sie gerieten aber auf eine vom Meer überspülte Stelle und ließen das Fahrzeug stranden; und zwar blieb das Vorderschiff unbeweglich stecken, das Hinterschiff zerschellte schließlich unter der Gewalt der Wogen« (Verse 39-41).

  Sie erkannten das Land nicht; Malta hätte jeder Seemann sofort erkannt.

 

Die Rettung

 

  »Da fassten die Krieger den Plan, die Häftlinge zu töten, damit nicht irgendeiner schwimmend entkomme. Der Hauptmann jedoch, der die Absicht hatte, Paulus zu retten, verbot ihnen, ihr Vorhaben auszuführen. Er befahl denen, die schwimmen konnten, zuerst hinabzuspringen und sich an Land zu begeben, während die Übrigen teils auf Planken, teils auf irgendwelchen Gegenständen aus dem Schiff folgen sollten. Und so wurden alle an das Land gerettet« (Verse 42-44).

  Der Plan der Krieger, die Flucht der Gefangenen zu verhindern, indem sie sie töteten, ist verständlich, weil sie mit ihrem Leben für jene hafteten. Dabei verdankten sie ihr eigenes Leben doch dem Paulus. Gott aber gab es dem Hauptmann ins Herz, das Vorhaben zu verbieten. Indirekt wurde Paulus so wiederum zum Retter, und zwar seiner Mithäftlinge.

  Und schließlich erreichten alle das Land. Die Rettung aller aus der Seenot war eine Folge des Glaubens und des Vorbildes des Paulus, im Grunde aber der Wille Gottes, der den Apostel nach Rom bringen wollte.

  Nach dieser dramatischen Seereise können wir ein klein wenig nachfühlen, was es bedeutet, wenn Paulus schreibt: »Oftmals unterwegs, war ich Gefahren ausgesetzt ... Gefahren unter den Nationen, Gefahren auf dem Meer ... dreimal erlitt ich Schiffbruch« (2.Kor.11:25,26). Doch ihm genügte die Gnade des Herrn Jesus Christus, und so erfuhr er die Kraft des Christus, die sich in seiner Schwachheit vollkommen auswirkte (2.Kor.123:9).

 

Auf Melite und in Rom

(Apostelgeschichte 28)

 

  »Nachdem wir durch alles hindurchgerettet waren, erfuhren wir dann, dass die Insel Melite hieß« (Vers 1).

  Diese Insel heißt heute Kephallenia und liegt an der Westküste Griechenlands im Ionischen Meer vor dem Golf von Patras.

  Unserem Gott und Vater sei Lobpreis und Dank für die Rettung aller zweihundertsechsundsiebzig Seelen auf dem Schiff!

  »Die Eingeborenen gewährten uns ungewöhnliche Menschenfreundlichkeit; denn sie zündeten ein Feuer an und nahmen uns alle des eingetretenen Regens und der Kälte wegen zu sich« (Vers 2).

  Die Eingeborenen waren keine Griechen, sondern Barbaren (wie es wörtlich heißt), also Menschen mit einer unverständlichen Sprache, in diesem Falle einer schwer verständlichen Mischsprache. Auf Kephallenia wohnten Menschen illyrischer Herkunft. Malta dagegen war von Griechen und Römern geprägt.

  Regen und Kälte sind typisch für das Wetter auf Kephallenia im November. Auf Malta aber fallen zu dieser Jahreszeit nur erfrischende Schauer, und die Temperaturen sind noch angenehm.

  Wie dankbar werden die Schiffbrüchigen für die Gastfreundschaft der Inselbewohner gewesen sein! Ebenso wie auch wir jede Freundlichkeit und gute Tat von Ungläubigen zu schätzen wissen und Gott auch jedes ihrer guten Werke vor dem großen, weißen Thron würdigen wird (Off.20:13).

 

Der Otternbiss

 

  »Als Paulus eine Menge Reisig zusammenraffte und auf das Feuer legte, kam durch die Wärme eine Otter heraus und verbiss sich in seine Hand. Als die Eingeborenen das an seiner Hand hängende Wildtier gewahrten, sagten sie zueinander: Zweifellos ist dieser Mensch ein Mörder, den die gerechte Vergeltung nicht leben lässt, wiewohl er aus dem Meer gerettet ist. - Dann schüttelte er jedoch das Wildtier ab ins Feuer hinein - und erlitt kein Übel. Sie aber vermuteten, ihm stehe bevor, seine Hand werde sich entzünden und er plötzlich tot niederfallen. Als sie längere Zeit so warteten und schauten, dass an ihm nichts Absonderliches vorging, schlug ihre Meinung um, und sie sagten, er sei ein Gott« (Verse 3-6).

  Auch Paulus packte mit an, wie denn alle Gläubigen aufgerufen sind, aus ganzer Seele zu wirken, hingebungsvoll zu dienen, als gälte es dem Herrn und nicht den Menschen (Kol.3:23).

  Die Otter war die bis zu 90 cm lange Sandviper oder Sandotter, die giftigste Schlange Europas. Für Malta sind Giftschlangen historisch nicht bezeugt. Auf Kephallenia dagegen gab es sie in alter Zeit wie auch noch heute sehr zahlreich. Nach der Vorstellung der Eingeborenen würde die Gerechtigkeit oder Dike, die Göttin der Gerechtigkeit, einen Mörder auf jeden Fall zu Tode bringen, selbst wenn er schon mehrmals dem Tode entronnen war. Dann aber, als dem Paulus nach längerer Zeit nichts Übles passierte, meinten sie, er sei ein Gott. Wahrscheinlich entgegnete er darauf ähnlich wie einst in Lystra: »Auch wir sind nur Menschen, mit gleicher Empfindung wie ihr; wir verkündigen das Evangelium, damit ihr euch von diesen eitlen Dingen umwendet zu dem lebendigen Gott, der den Himmel, die Erde und das Meer geschaffen hat samt allem, was in ihnen ist« (Ap.14:15).

  Wieder hatte der Satan versucht, Paulus umzubringen. Doch Gott, der auch dieses bewirkt hatte (Eph.1:11), gebrauchte die böse Tat zu Seiner Verherrlichung und tat ein Wunder. Da die Apostelgeschichte das Königreich Israels zum Thema hat und die Kräfte des zukünftigen Äons, die des Königreichs, noch wirksam waren (Heb.6:5), erfüllte sich Psalm 91:13,14: »Auf den schwarzen Löwen und die Kobra wirst du treten, den Junglöwen und die Schlange zertreten. Denn ist er mit Mir (Jewe) verbunden, so werde Ich ihn erretten.«  Zu den siebzig Jüngern hatte unser Herr gesagt: »Siehe, Ich habe euch Vollmacht gegeben, auf Schlangen und Skorpione zu treten, und Vollmacht über die gesamte Macht des Feindes, und keinesfalls wird euch irgendetwas schaden« (Luk.10:19).

  Die Höhle übrigens, in der sich die Schiffbrüchigen wärmten, war die musikpavillonähnliche Felswölbung in etwa 40 m Höhe an der Westseite der Landzunge Argostoli nahe des Felskaps Lardigo. Sie heißt heute Höhle des Heiligen Gerasimos, der sich im 16. Jahrhundert dort aufgehalten hat. Auf Malta aber lässt sich eine Höhle in der Nähe der angeblichen Landungsstellen nicht finden.

 

Viele Krankenheilungen

 

  »In den Gebieten um jene Stätte gehörten die Ländereien dem Ersten Beamten der Insel namens Publius. Dieser empfing uns und bewirtete uns drei Tage freundlich. Der Vater des Publius war gerade von Fieber und Ruhr befallen und lag krank danieder. Zu dem ging Paulus hinein, betete, legte ihm die Hände auf und heilte ihn. Als das geschah, kamen auch die Übrigen auf der Insel, die Gebrechen hatten, herzu und wurden geheilt« (Verse 7-9).

  Dies waren die letzten Wunder überhaupt. Man bedenke das Ergehen der hernach Erkrankten, und zwar des Epaphroditus (Phil.2:27), des Timotheus (1.Tim.5:23) und des Trophimus (2.Tim.4:20). Gewiss hat Paulus sogleich mitgeteilt, dass Jesus, der Auferstandene und Christus, der Heilende war. So wird sich das Evangelium blitzschnell auf der Insel verbreitet haben. Welch ein Segen doch aus dem Schiffbruch erwuchs!

  Die Beschreibung der Erkrankung des Vaters des Publius lässt an Malaria (Sumpffieber) denken. Malta war seit jeher malariafrei, Kephallenia aber war bis in die Neuzeit hinein ein Malariaherd gewesen.

  Kephallenia gehörte zur römischen Provinz Achaja mit der Hauptstadt Korinth und wurde von einem Ersten Beamten verwaltet, Malta dagegen von einem Prokurator regiert. Im äußerst kargen Nordwesten Maltas sind Ländereien nicht vorstellbar. Die Ebene von Krane aber, dem Verwaltungssitz und römischen Flottenstützpunkt im Bereich der Bucht von Argostoli, war sehr fruchtbar. Zweihundertsechsundsiebzig Schiffbrüchige konnten dort gut untergebracht und beköstigt werden.

  Kephallenia gehört zu den ältesten christlichen Gemeinden Europas, wogegen Malta erst im vierten Jahrhundert n. Chr. christianisiert wurde.

Die Weiterfahrt

 

  »Sie [die Eingeborenen] achteten uns vieler Ehren wert und gaben uns, als wir ausfuhren, das für unseren Bedarf Nötige mit. So gingen wir nach drei Monaten wieder in See, und zwar auf einem alexandrinischen Schiff mit dem Abzeichen der Dioskuren, das auf der Insel überwintert hatte« (Verse 10+11).  Nach drei Monaten, vermutlich Mitte Februar des Jahres 59 n. Chr., gingen sie auf einem alexandrinischen Schiff wieder in See. Es hatte in der Bucht von Argostoli überwintert. Ein Kapitän, der ein Schiff aus Alexandrien in Ägypten über Syrakus auf Sizilien und Regium in Kalabrien nach Puteoli bei Neapel führt, wird, von Osten kommend, niemals angesichts des Ätna und des nahen Syrakus nach Malta, also nach Süden, zum Überwintern abweichen.

  Es ist selbstverständlich, dass die dankbaren Eingeborenen die Fremden, durch die sie so großen Segen erfahren hatten, mit Wohltaten überschütteten. In Anlehnung an Römer 15:27 darf man sagen, dass die Kephallenen, wenn sie an den geistlichen Gütern der Heiligen teilnahmen, auch verpflichtet waren, eine Beisteuer zu den fleischlichen Bedürfnissen zu leisten.

  Das Schiff trug die Dioskuren als Gallionsfiguren; diese waren Castor und Pollux, Zwillingsbrüder des griechischen Mythos, Söhne des Zeus und der Leda. Auch heidnische Dinge mussten dem Apostel dienen. Wie auch wir die Welt gebrauchen (1.Kor.7:31).

 

Von Syrakus bis Puteoli

 

  »Wir landeten dann in Syrakus und blieben hier drei Tage. Von dort gelangten wir, im Bogen herumfahrend, nach Regium. Da nach einem Tag Südwind aufkam, erreichten wir am zweiten Tag Puteoli, wo wir Brüder fanden, die uns zusprachen, sieben Tage bei ihnen zu bleiben« (Verse 12-14 a).

  Puteoli war in der Antike der große Umschlaghafen für Getreideschiffe aus Ägypten. Der Hauptmann war sehr großzügig und gestattete es dem Paulus, Lukas und Aristarchus (Ap.27:2), eine ganze Woche lang Gemeinschaft mit Glaubensgeschwistern zu pflegen. Sicherlich hatte der Centurio aber auch dienstlich zu tun und ließ er seine Mannschaft neu einkleiden und ausrüsten, bevor sie in Rom eintrafen.

  Wir dürfen annehmen, dass die Brüder von Puteoli die in Rom über die Ankunft des Apostels Paulus eilends informierten.

 

Paulus bekam neuen Mut

 

  »Und so kamen wir nach Rom. Von dort kamen uns die Brüder, die von uns gehört hatten, bis Forum Appii und Tres Tabernä entgegen. Sobald Paulus sie gewahrte, dankte er Gott und bekam neuen Mut« (Verse 14 b+15).

  Auf dem Fußmarsch nach Rom wird Paulus bestimmt an das geistliche Ergehen der Heiligen dort gedacht haben, denen er drei Jahre zuvor den Römerbrief geschrieben hatte. In Kapitel eins, Verse 8 bis 13, hatte er geäußert: »Zuerst danke ich meinem Gott durch Jesus Christus für euch alle, da euer Glaube in der ganzen Welt verkündigt wird. Denn mein Zeuge ist Gott (dem ich in meinem Geist am Evangelium Seines Sohnes Gottesdienst darbringe), wie unablässig ich euer gedenke, allezeit in meinen Gebeten flehend, ob ich etwa endlich einmal so glücklich daran sein werde, durch den Willen Gottes zu euch zu kommen. Denn ich sehne mich danach, euch zu Gesicht zu bekommen, damit ich euch etwas geistliche Gnadengabe mitteile, um euch zu festigen. Dies geschieht aber, damit mir mit zugesprochen werde unter euch durch den beiderseitigen Glauben, den euren wie auch den meinen. Auch will ich euch nicht in Unkenntnis darüber lassen, meine Brüder, dass ich mir oftmals vorsetzte, zu euch zu kommen (bisher wurde es mir verwehrt), damit ich auch unter euch etwas Frucht habe, so wie auch unter den übrigen Nationen.«

  Jetzt sollten sich des Apostels Sehnsucht und Gebete erfüllen, so wie der Herr es ihm nach seiner Festnahme in Jerusalem verheißen hatte: »Fasse Mut! Denn wie du in Jerusalem für Mich Zeugnis abgelegt hast, so musst du auch in Rom Mein Zeuge sein« (Ap.23:11).

  Und siehe, da kamen Gläubige aus Rom dem Paulus und seinen Begleitern bis nach Forum Appii (zu deutsch: Markt des Appius), einem Marktflecken etwa 70 km südlich von Rom entgegen! Welch eine Freude! Eine weitere Gruppe von Geschwistern traf bei der Ortschaft Tres Tabernä (zu deutsch: Drei Tavernen oder Drei Wirtshäuser) an der Via Appia auf sie, etwa 50 km von Rom entfernt. Da dankte Paulus Gott und bekam neuen Mut.

  Wir preisen Gott für die Bruderliebe, die Paulus dort erfahren durfte, so wie er sie ihnen ans Herz gelegt hatte: »In der geschwisterlichen Freundschaft seid einander herzlich zugetan« (Röm.12:10).

  Übrigens kannte Paulus, wie aus Römer 16 hervorgeht, bereits eine ganze Reihe von Gläubigen, die in Rom lebten, von anderswo her.

 

In Rom

 

  »Als wir dann in Rom angekommen waren, wurde es Paulus gestattet, mit dem ihn bewachenden Krieger für sich zu bleiben« (Vers 16).

  Paulus, der Gebundene des Kaisers, in Wahrheit aber der Gebundene Christi Jesu für uns, die aus den Nationen (Eph.3:1), durfte eine eigene Wohnung beziehen und Besucher empfangen. Seine rechte Hand war an die linke Hand eines der sich ablösenden Krieger gekettet.

  Auf diese Weise hörten viele Soldaten des Prätoriums, des kaiserlichen Hofes, das Evangelium Gottes über Seinen Sohn Jesus Christus, unseren Herrn, sodass Paulus zwei Jahre später an die Philipper schreiben konnte: »Ich beabsichtige aber, Brüder, euch erkennen zu lassen, dass meine Angelegenheiten eher zur Förderung des Evangeliums geführt haben, sodass bei dem ganzen Prätorium und allen Übrigen meine Fesseln als um Christi willen offenbar geworden sind« (Phil.1:12,13).

 

Paulus bemühte sich um die Juden in Rom

 

  »Nach drei Tagen ließ er dann die Ersten der Juden zusammenrufen. Als sie zusammengekommen waren, sagte er zu ihnen: Männer, Brüder, ich, der ich nichts getan habe, was gegen das Volk oder die väterlichen Sitten verstößt, wurde als Häftling aus Jerusalem in die Hände der Römer überantwortet. Diese forschten mich aus und beschlossen, mich freizulassen, weil man an mir keine Schuld fand, die den Tod verdient. Da aber die Juden Widerspruch erhoben, war ich genötigt, mich auf den Kaiser zu berufen, nicht als ob ich meine Nation irgendwie anzuklagen hätte. Aus diesem Grund nun habe ich euch herbeigerufen, um euch zu sehen und zu euch zu sprechen, denn wegen der Erwartung Israels umgibt mich diese Kette« (Verse 17-20).

  Die Erwartung Israels ist die Auferstehung der Toten und das äonische Leben im Königreich auf der Erde unter dem Messias, und dieser ist Jesus. Diese Erwartung hatte Paulus auch vor dem Synedrium (Ap.23:6), dem Statthalter Felix (Ap.24:15,21) und dem König Agrippa (Ap.26:8) betont.

  Entsprechend dem Thema der Apostelgeschichte, welches das diesem Volk verheißene Königreich ist, schildert Lukas nur die Bemühungen des Apostels Paulus um die Juden in Rom. Von dessen Aktivitäten für die aus den Nationen und seinen Briefen an sie sowie von dem uns angehenden Evangelium der überströmenden Gnade und bedingungslosen Versöhnung schreibt er nichts.

 

Die Antwort der Juden

 

  »Da sagten sie zu ihm: Wir haben weder Zuschriften über dich aus Judäa empfangen, noch hat einer der Brüder, die hergekommen sind, etwas Böses über dich berichtet oder gesprochen. Wir wissen es aber zu würdigen, wenn wir von dir hören, wie du gesonnen bist; denn von dieser Sekte ist uns schon bekannt, dass sie überall Widerspruch erfährt« (Verse 21+22).

  Unter einer Sekte verstanden die Juden eine Sondergruppe innerhalb des jüdischen Glaubens, in diesem Falle mit der Sonderlehre, dass Jesus aus Nazareth der Messias sei. Es ist aber anzunehmen, dass die Juden in jener fortgeschrittenen Zeit die christlichen Gemeindem, in denen die Unbeschnittenen überwogen, bereits als völlig außenstehend ansahen. Wie dem auch sei, die in Rom waren bereit, sich die Sache anzuhören.

 

Die Unterredung über das Königreich Gottes

 

  »An dem mit ihm vereinbarten Tag kamen noch mehr zu ihm in die Unterkunft, denen er vom Morgen bis zur Abenddämmerung das Königreich Gottes auseinandersetzte und bezeugte, indem er sie in Bezug auf Jesus vom Gesetz des Mose wie auch von den Propheten her zu überzeugen suchte« (Vers 23).

  Das Königreich Gottes - dies ist ein weit gefasster Begriff; man kann darunter die Regentschaft Gottes in den Herzen der Gläubigen verstehen (Luk.17:21), das Königreich und die Königsherrschaft Israels in den kommenden Äonen auf der Erde wie auch das überhimmlische Königreich unseres Herrn Jesus Christus, in welchem wir, die Glieder der Körpergemeinde, niedergesetzt werden (Eph.1:23; 2:6; 2.Tim.4:18). Nach dem Zusammenhang ist das Königreich Israels gemeint.

  In dem Gespräch mit den Juden musste Paulus von deren Wissen, also von Mose und den Propheten ausgehen, die allesamt bezeugen, dass nur Jesus der verheißene Messias und König sein und nur Er das Königreich herbeiführen kann. Nur auf Ihn treffen die vielen prophetischen Worte zu, wovon hier nur Psalm16:8-11 zitiert werde, und zwar im Rahmen der Pfingstrede des Apostels Petrus im Jahre 32 n. Chr.: »David sagt nämlich von Ihm: Ich sah den Herrn allezeit vor mir und hielt Ihn mir vor Augen; denn Er ist zu meiner Rechten, damit ich nicht erschüttert werde. Deshalb wurde mein Herz fröhlich, und meine Zunge frohlockt. So wird auch mein Fleisch noch zelten in Erwartung, weil du meine Seele nicht im Ungewahrten lassen wirst, noch Deinen Huldreichen dahingegeben, Verwesung zu gewahren. Du hast mir Wege des Lebens bekannt gemacht; Du wirst mich mit Frohsinn erfüllen vor Deinem Angesicht. - Männer, Brüder, es sei mir erlaubt, mit Freimut von unserem Urvater David zu euch zu reden: Auch er verschied und wurde begraben, und sein Grab ist bis auf diesen Tag bei uns. Da er nun ein Prophet war und wusste, dass Gott ihm mit einem Eid geschworen hatte (Ps.132:11), einen aus der Frucht seiner Lende auf seinen Thron zu setzen, hat er voraussehend von der Auferstehung des Christus gesprochen: Weder wurde Er im Ungewahrten gelassen, noch gewahrte Sein Fleisch Verwesung. - Diesen Jesus hat Gott auferstehen lassen, dafür sind wir alle Zeugen« (Ap.2:25-32).

  Im Übrigen siehe 1.Mose 3:15, 5.Mose 18:18, Psalm 22, Jesaia 53, Jeremia 23:5, Micha 5:1.

  Wie konnte Paulus den Juden das Königreich verkündigen, da Israel doch bereits verworfen war (Röm.11:15)? Es ist richtig, dass Israel verworfen ist und das Königreich zunächst nicht aufgerichtet werden sollte, aber dass es kommen wird, darf allezeit verkündigt werden. Außerdem sollte zum letzten Mal in der damals zu Ende gehenden heilsgeschichtlichen Verwaltung des Übergang von der pfingstlichen zur gegenwärtigen die Haltung der Juden offenbar werden.

 

Der Ausspruch Jesaias

 

  »Die einen wurden von dem Gesagten überzeugt, während die anderen nicht glaubten. Da sie aber miteinander Unstimmigkeiten hatten, entfernten sie sich, nachdem Paulus noch einen Ausspruch getan hatte: Trefflich spricht der Geist, der heilige, durch den Propheten Jesaia zu euren Vätern: Geh zu diesem Volk und sage: Mit dem Gehör werdet ihr hören und doch nicht verstehen. Blickend werdet ihr erblicken und doch nicht wahrnehmen; denn das Herz dieses Volkes ist verdickt, mit ihren Ohren hören sie schwer, und sie schließen ihre Augen, damit sie nicht etwa mit den Augen wahrnehmen, mit den Ohren hören, mit dem Herzen verstehen und sich umwenden, damit Ich sie heilen würde. - Es sei euch daher bekannt gemacht, dass diese Rettung Gottes den Nationen gesandt worden ist; sie werden euch hören!« (Verse 24-28).

  Mit diesem Ausspruch des Propheten Jesaia verschloss der Apostel Paulus die Tür zum Eintritt in das Königreich Israels endgültig für die Zeit der gegenwärtigen Verwaltung der überfließenden Gnade Gottes (Eph.3:2; Kol.1:25).

  Mit diesem Ausspruch Jesaias hatte unser Herr Israel einst schon einmal verworfen, indem Er in Erfüllung des Prophetenwortes sagte: »Deshalb spreche Ich in Gleichnissen zu ihnen, damit sie sehend nicht sehen und hörend nicht hören noch verstehen« (Mat.13:13; vgl. Joh.12:37-41).

  Nach der Auferstehung Jesu durfte Petrus die Tür zum Königreich wieder aufschließen (Ap.2). Hätte Israel dem Zeugnis des heiligen Geistes - sichtbar an den vielen Zeichen und Wundern - geglaubt, dass Jesus der Christus ist, so wäre das Königreich angebrochen. Aber Gottes in Christus Jesus gefassten Vorsatz für den Ablauf der Äonen war anders (Eph.3:11). Nun ist die Tür wieder zu. Israel ist und bleibt verstockt, bis die Vervollständigung der Auswahl der Nationen in den das Licht des Evangeliums in der Welt verbreitenden Ölbaum eingegangen ist (Röm.11:25). Nach der Entrückung der gegenwärtigen Gemeinde, der Herausgerufenen, die Christi Körper ist und aus Juden und Nichtjuden besteht (Eph.1:23; 2:13-19; 3:6), wird der Zugang zum Königreich wieder möglich sein - denen, die glauben.

 

Zwei Jahre in Rom

 

  Zwei Jahre lang, etwa von Anfang März des Jahres 59 bis Anfang des Jahres 61 n. Chr., durfte Paulus viele Dienste in Rom tun. In den Versen 30 und 31 fasst Lukas dies zusammen (Vers 29 nicht im Grundtext):

  »Er blieb dann zwei ganze Jahre in eigener Mietswohnung und hieß alle willkommen, die zu ihm kamen; er heroldete das Königreich Gottes und lehrte mit allem Freimut und ungehindert, was den Herrn Jesus Christus betrifft.«

  Wenn der Apostel auch gebunden ist - das Wort Gottes ist nicht gebunden! Lobpreis, Dank und Verherrlichung sei dem Gott und Vater unseres Herrn Jesus Christus! Amen!