Ausführungen zum dritten Johannesbrief
Mitarbeiter der Wahrheit
(3. Johannes)
Der dritte Brief des Apostels Johannes, ein kleines Privatschreiben, beginnt mit den Worten: »Der Älteste an Gajus, den Geliebten, den ich liebe in Wahrheit« (Vers 1). Dem antiken Briefstil gemäß vernahmen wir zuerst den Namen des Absenders und dann des Empfängers. Meist fügte man ein Grußwort, eine Ehrbezeigung oder einen Segenswunsch hinzu.
Der Apostel bezeichnet sich schlicht als Ältesten, was nicht nur seinem
Alter und seiner Stellung in der Gemeinde entsprochen haben dürfte, sondern
auch seiner Ehrwürdigkeit als Augenzeuge der Kreuzigung und der Auferstehung
unseres Herrn Jesus Christus.
Der Brief ist an einen gewissen Gajus gerichtet, der uns aber sonst
unbekannt ist. Die griechischen heiligen Schriften berichten von mehreren Männern
dieses Namens.
Johannes grüßt ihn herzlich im Geist der Liebe. »Liebt die
Bruderschaft«, hatte Petrus geschrieben (1.Pet.2:17). Dies war für Johannes
keine Frage. Und so liebt er Gajus aus wahrhaftigem Herzen (1.Pet.1:22). Seine
Liebe zu ihm ruht in der Wahrheit, die wiederum in Jesus Christus, dem Sohn
Gottes, verankert ist, der Wahrheit in Person.
...
dass es dir gut gehe
Johannes schreibt: »Geliebter, ich wünsche dir, dass es dir in allem gut gehe und du gesund seiest, so wie es deiner Seele gut geht« (Vers 2). Dieser Wunsch darf als ein Gebet, einen Wunsch zu Gott, aufgefasst werden.
Auch wir wünschen uns einander Wohlergehen im Aufblick zu Gott, wenn
auch gutes Ergehen nicht unbedingt ein Kennzeichen des dem Apostel Paulus enthüllten
Evangeliums der Unbeschnittenheit ist (Gal.1:12; 2:7). Gesundheit im gegenwärtigen
bösen Äon ist eher mit dem Evangelium der Beschneidung, das die zwölf Apostel
lehrten, verbunden, zumal ihnen dieser irdische Segen für das tausendjährige Königreich
Israels verheißen ist und unser Herr manche zum Zeichen dafür heilte. So
durfte es den Treuen zur Zeit des Petrus und Johannes im Vorgriff auf das
Millennium schon hier gut gehen. Wir dagegen, die Glieder der herausgerufenen
Gemeinde, die Christi Körper ist (Eph.1:22,23), sind mit jedem geistlichen
Segen in Christus gesegnet, und dies sogar inmitten der überhimmlischen
Regionen und Geschöpfe (Eph.1:3).
Mit den Versen 3 und 4 begründet Johannes seinen Wunsch: »Denn ich habe mich sehr über das Kommen der Brüder gefreut, die von deiner Wahrhaftigkeit Zeugnis ablegten, so wie du in der Wahrheit wandelst. Ich habe keine größere Freude als diese, dass ich höre, wie meine Kinder in der Wahrheit wandeln.« Der Älteste freut sich über das Zeugnis von Glaubensbrüdern, die ihm berichtet haben, wie wahrhaftig Gajus ist und in welch einer Weise er in der Wahrheit wandelt. Dieser Mann hält sich somit völlig an die Lehre der Apostel (Ap.2:42), an das Wort der Wahrheit, und gehorcht dem Wort des Herrn Jesus Christus in allem. Es ist gerecht, dass es einem solchen Gläubigen gut geht.
Der Ausdruck »meine Kinder« weist sicherlich darauf hin, dass Gajus
durch die Verkündigung des Johannes gläubig wurde. Es ist eine große Freude
zu hören, dass die eigenen Glaubenskinder im Wandel in der Wahrheit
Fortschritte machen. Auch Paulus schreibt davon, dass er die korinthischen Gläubigen
durch das Evangelium gezeugt hat und insofern ihr Vater ist (1.Kor.4:15).
Die bei Gajus durchgereisten Brüder werden nochmals bei ihm vorbeikommen. In Bezug darauf vermerkt Johannes: »Geliebter, du handelst getreu, wenn du etwas für die Brüder wirkst, und dies für fremde, die deine Liebe vor den Augen der herausgerufenen Gemeinde bezeugen; du wirst trefflich daran tun, ihnen das Geleit zu geben, wie es Gottes würdig ist« (Verse 5+6).
Gastfreundschaft zu gewähren war ein hohes Gebot (Heb.13:2) und diente
der Verbreitung des Evangeliums; andernfalls hätten viele eine Reise gar nicht
antreten können. Paulus sagt sogar: »Jaget der Gastfreundschaft nach!« (Röm.12:13).
Dass man reisenden Verkündigern des Wortes das Geleit gibt, ist für alle Gläubigen
zu allen Zeiten ein unseres herrlichen Gottes würdiges Verhalten. So ist in
Titus 3:13,14 zu lesen: »Zenas, den Gesetzesgelehrten, und Apollos rüste fleißig
aus und sende sie dann weiter, damit es ihnen an nichts fehle. Hier sollen auch
die Unseren lernen, für den notwendigen Bedarf aufzukommen und so für edle
Werke einzustehen, damit sie nicht ohne Frucht bleiben.«
Gajus war getreu - seine Erkenntnis und sein Tun stimmten überein - in
diesem seinem Dienst, den er noch dazu an fremden Brüdern tat.
In Vers 7 knüpft Johannes an das Gottes würdige Verhalten an: »Denn für diesen Namen sind sie ausgezogen und nehmen von denen aus den Nationen nichts an.« Zur Verherrlichung des Namens Gottes sind sie auf die Reise gegangen.
Wieso nehmen sie von denen aus den Nationen nichts an, weder
Nachtquartier noch Geld oder sonst eine Leistung? Sie verkündigen das
Evangelium der Beschneidung, und zwar denen aus der Beschneidung. Wie sollten
sie dafür von den Nationen etwas annehmen? Bevor Israel hingeht, um alle
Nationen zu Jüngern Jesu zu machen (Mat.28:19), müssen sie zuerst Israel für
den Herrn gewinnen. Sollten an dieser Aufgabe schon welche aus den Nationen
mitwirken?
Wahrscheinlich haben sie auch von ungläubigen Stammesgenossen nichts
angenommen. Sollten denn Ungläubige das Werk des Herrn mittragen?
Die Briefe des Johannes wurzeln fest in jüdischem Boden. Gleichwohl hat
unser Vers 7 auch uns etwas zu sagen. Auch heute ist es ungebührlich, wenn ein
Evangelist Ungläubigen verkündigt, dass die Gnade Gottes ein Geschenk ist, und
ihnen zugleich dafür eine Spende abfordert. Sollte das Werk des Herrn teilweise
ein Werk von Ungläubigen sein?
Nehmt
solche Brüder auf!
Johannes stellt, die Thematik abschließend, fest: »Wir nun sind schuldig, solche Brüder aufzunehmen, damit wir uns als Mitarbeiter der Wahrheit erweisen« (Vers 8). Es ist klar, dass jeder, der einen Wortverkündiger beherbergt, dessen Dienst unterstützt und mithin insofern daran teilnimmt. Auch heute ist es so, dass viele, denen es gar nicht möglich ist, das Evangelium in ein fernes Land zu tragen, dennoch in dem Sinne an einem Missionswerk mitarbeiten, dass sie Geld dazu beisteuern.
»Mitarbeiter der Wahrheit« - welch eine hohe Berufung die Heiligen
haben! Das Wort der Wahrheit ist das Kostbarste, was wir den Menschen überbringen
können. »Mitarbeiter Gottes« durften jene damals und dürfen wir heute sein
(1.Kor.3:9).
Mitarbeitern soll Beistand gewährt werden, wie zum Beispiel der Phöbe,
über die wir in Römer 16:1,2 lesen: »Ich empfehle euch Phöbe, unsere
Schwester, die auch Dienerin der herausgerufenen Gemeinde in Kenchreä ist, dass
ihr sie aufnehmt im Herrn, würdig der Heiligen, und ihr beisteht, in welcher
Sache sie euer bedürfen sollte; denn sie hat gleichfalls vielen Beistand
geleistet, auch mir selbst.«
Der Herr Jesus Christus wird alles gerecht vergelten, sagte Er doch: »Wer
einen Propheten in eines Propheten Namen aufnimmt [um seiner Eigenschaft als
Prophet willen], wird den Lohn eines Propheten erhalten, und wer einen Gerechten
in eines Gerechten Namen aufnimmt [um seiner Eigenschaft als Gerechter willen],
wird den Lohn eines Gerechten erhalten. Wer einem dieser Kleinen [einem dieser
geringen Jünger] in eines Jüngers Namen [um seiner Eigenschaft als Jünger
willen] nur einen Becher kühlen Wassers zu trinken gibt, wahrlich, Ich sage
euch: Keinesfalls wird er seinen Lohn verlieren« (Mat.10:41,42).
Mit einem ungeheuerlichen Fall werden wir in den Versen 9 und 10 konfrontiert: »Ich habe etwas an die herausgerufene Gemeinde geschrieben, doch Diotrephes, der gern der erste unter ihnen sein möchte, empfängt uns nicht. Deshalb werde ich, wenn ich komme, ihn an seine Werke erinnern, die er tut, indem er uns mit bösen Worten verdächtigt, und weil ihm dies noch nicht genügt, empfängt er auch die Brüder nicht und verbietet es denen, die es beabsichtigen, und wirft sie aus der herausgerufenen Gemeinde.«
Diotrephes, ein dominierender Ältester, ist hochmütig und aufgeblasen,
denn er will der Erste sein, er empfängt den Apostel Johannes nicht; vielleicht
hat er sogar dessen Brief unterschlagen, denn Gajus scheint davon nichts zu
wissen. Diotrephes zieht über den Apostel her; er empfängt auch die
durchreisenden Brüder nicht und verbietet es den Gemeindegliedern, sie zu
beherbergen; ja er wirft solche Geschwister, die es dennoch tun, sogar aus der
Gemeinde hinaus. - Es ist erschütternd!
Diotrephes wandelt wahrhaftig nicht geistgemäß, sondern fleischgemäß.
Seine fleischlich-seelische Gesinnung ist der unseres Herrn Jesus Christus
absolut entgegengesetzt, der gesagt hat: »Wenn nun Ich, der Herr und Lehrer,
euch die Füße gewaschen habe, seid auch ihr schuldig, einander die Füße zu
waschen. Denn Ich habe euch ein Beispiel gegeben, damit auch ihr tut, wie Ich an
euch getan habe« (Joh.13:14,15). Der Herr wird Diotrephes richten, wie Er
gesagt hat: »Jeder, der sich selbst erhöht, wird erniedrigt werden, und wer
sich selbst erniedrigt, wird erhöht werden« (Luk.14:11). Ein Gerichtswort ist
auch dieses in Psalm 101:5: »Wer seinen Nächsten im Verborgenen verleumdet,
ihn will Ich zum Schweigen bringen. Wer hochmütige Augen und ein aufgeblähtes
Herz hat, ihn werde Ich nicht erdulden.«
Auch heute ist es so, dass fleischgemäß wandelnde Geschwister viele Nöte
in den Gemeinden verursachen. Der Apostel Paulus hatte es angekündigt: »Ich
weiß aber, dass, wenn ich unerreichbar bin, schwere Wölfe unter euch
eindringen werden, die das Herdlein nicht verschonen. Auch werden aus eurer
Mitte Männer aufstehen und verdrehte Dinge sprechen, um die Jünger an sich zu
reißen« (Ap.20:29,30). Die Treuen aber werden sich des Paulus Ermahnung zu
Herzen nehmen: »Macht meine Freude dadurch vollständig, dass ihr gleichgesinnt
seid, ein und dieselbe Liebe habt, in der Seele vereint auf das eine sinnt:
nichts aus Ränkesucht noch aus Anmaßung tut, sondern einer den anderen in
Demut sich selbst für überlegen erachte und jeder nicht auf das Seine, sondern
jeder auch auf das Wohl der anderen achte; denn diese Gesinnung sei in euch, die
auch in Christus Jesus ist« (Phil.2:2-5).
Johannes nun ist sich seiner Aufgabe bewusst und wird die Gemeinde in
apostolischer Vollmacht aufsuchen. Dann wird er Diotrephes an dessen Werke
erinnern, ihm deren bösen Charakter vor Augen führen und ihn zur Umsinnung
aufrufen, denn ohne Heiligung wird er den Herrn keinesfalls sehen (Heb.12:14).
Der Apostel wendet sich wieder an Gajus: »Geliebter, ahme nicht das Üble nach, sondern das Gute. Wer Gutes tut, ist aus Gott, und wer Übles tut, hat Gott nicht gesehen« (Vers 11). In diesem Sinne hatte sich Johannes bereits in seinem ersten Brief geäußert, nämlich dass jeder, der die Gerechtigkeit tut, aus Christus gezeugt ist (2:29), und jeder, der sündigt, Ihn nicht gesehen noch Ihn erkannt hat (3:6).
Wieder spricht Johannes Gajus mit »Geliebter« an. Es mag uns überflüssig
erscheinen, diesem treuen Bruder zu sagen, dass er das Üble, das Diotrephes
tut, nicht nachahmen soll, aber wer von uns weiß um den Druck, den jener ausübte?
Deutlich ist das Urteil, das Johannes ausspricht: Wer Übles tut, ist
nicht aus Gott. Ja, so ist es nach dem Evangelium der Beschneidung: Am Tun
erkennt man, ob der Glaube echt und lebendig ist. Ein Glaube ohne Werke ist in
sich selbst tot und kann nicht retten. Der Mensch wird aus Werken gerechtfertigt
und nicht aus Glauben allein (Jak.2:14,17,24).
»An ihren Früchten werdet ihr sie erkennen«, sagte unser Herr Jesus
Christus (Mat.7:15). Nach dem uns angehenden Glaubensgut, nach welchem alles
Gnade ist und wir allein in der Gnade Gerettete sind (Eph.2:8), unsere Rettung
also nicht von Werken abhängt, kann man aus der Tatsache, dass da jemand keine
guten Werke tut und keine Frucht für den Herrn bringt, nicht schließen, dass
ein solcher nicht gläubig sei und mithin nicht gerettet werde. »Der Herr
kennt, die Sein sind« (2.Tim.2:19).
Nun hören wir von einem weiteren Gläubigen: »Dem Demetrius ist von allen und von der Wahrheit selbst ein gutes Zeugnis ausgestellt worden. Aber auch wir bezeugen es ihm, und du weißt, dass unser Zeugnis wahr ist« (Vers 12). Drei verschiedene Charaktere werden uns im dritten Johannesbrief vorgestellt: der in der Wahrheit - dem Wort der Wahrheit entsprechend - wandelnde und gastfreundliche Gajus; der stolze und sein Ältestenamt missbrauchende Diotrephes; und Demetrius, dem ein dreifaches gutes Zeugnis ausgestellt wird, erstens von allen, zweitens von der Wahrheit und drittens von dem Apostel selbst. Das Zeugnis vonseiten der Wahrheit ist das des Wortes Gottes, das die Taten des Demetrius als gut bezeichnet.
Vermutlich ist Demetrius ein reisender Missionar und der Überbringer des
Briefes an Gajus. Vers 12 vermittelt diesen Eindruck. Johannes stellt Demetrius
sicherlich deshalb das gute Zeugnis aus, damit Gajus ihn gastlich aufnehme, denn
man kann ja nicht wissen - falls jener ein Fremder ist -, ob er in der Lehre
Christi steht. In seinem zweiten Brief, Verse 10 und 11, hatte Johannes gewarnt:
»Wenn jemand zu euch kommt und diese Lehre [die Lehre Christi; Vers 9] nicht
bringt, so nehmt ihn nicht in euer Haus auf und sagt ihm auch nicht [den Gruß]:
Freuet euch! Denn wer ihm sagt, sich zu freuen, nimmt an seinen bösen Werken
teil.« Wer einen Irrlehrer beherbergen sollte, würde dessen bösen Werke
insofern unterstützen. Dies soll nicht sein.
Auch wir werden die Verbreitung von Irrlehren nicht durch unsere
Gastfreundschaft unterstützen, wenngleich heute Unterschiede in der Lehre nicht
entscheidend sind, sondern wir nur mit unordentlich wandelnden Geschwistern
keinen Umgang haben sollen (1.Kor.5:11; 1.Thess.3:6-15).
Nachdem Johannes das Dringendste niedergeschrieben hat, vermerkt er: »Viel hätte ich dir zu schreiben, jedoch will ich dir nicht mit Tinte und Feder schreiben. Ich erwarte aber, dich sofort zu sehen, und wir wollen uns von Mund zu Mund aussprechen« (Verse 13+14). Viel wäre noch zu sagen; Johannes rechnet aber damit, Gajus in Kürze ausführlich sprechen zu können, zumal er ja die herausgerufene Gemeinde besuchen will (Vers 10).
Johannes führt den Brief zu Ende: »Friede sei dir! Es grüßen dich die Freunde. Grüße die Freunde mit Namen!« (Vers 15).
»Friede sei dir!« Dies war bei den Gläubigen nicht einfach eine Höflichkeitsformel,
sondern ein Gebet zu Gott, ein Segenswunsch, den Gott erfüllen möge. Der
Apostel der Beschneidung empfindet den Segensgruß 4. Mose 6:26 nach: »Jewe
erhebe Sein Angesicht zu dir und gebe dir Frieden!«
»Es grüßen dich die Freunde.« Johannes ist von Freunden umgeben, die
den Brief mittragen. Dies ist Gemeinschaft der Heiligen.
»Grüße die Freunde mit Namen!« Jedem persönlich gilt der Gruß.
Seht, welche Liebe sie untereinander haben!
Dieter
Landersheim
Höhenstraße
11
65824
Schwalbach a. Ts.
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