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Das Buch Jona

 

Jonas Beauftragung und Ungehorsam

(Jona 1)

 

Der Auftrag

 

  »Und das Wort Jewes erging an Jona, den Sohn Amittais, lautend: Mache dich auf, gehe nach Ninive, der großen Stadt, und herolde gegen sie, denn ihr Böses stieg vor Mein Angesicht herauf« (1:1,2).

  Dieser Auftrag dürfte Jona etwa um das Jahr 780 v. Chr. zuteil geworden sein.

  Wer war Jona? Jona war ein Prophet Jewe Elohims. Ein Prophet ist ein im Auftrag Gottes Redender, dem ein Wort oder ein Gesicht Gottes durch den heiligen Geist geoffenbart wurde. Der Apostel Petrus erläutert: »Nicht durch den Willen eines Menschen  wurde jemals ein Prophetenwort hervorgebracht, sondern von heiligem Geist getragen, haben heilige Menschen Gottes gesprochen« (2.Pet.1:21).

  Jona lebte vor oder in der Zeit des Königs Jerobeam II., der etwa um 800 bis 760 v. Chr. die zehn israelitischen Nordstämme regierte. In 2.Könige 14:25 wird von jenem berichtet: »Er stellte die Grenze Israels wieder her vom Eingang Hamaths bis an das Tote Meer nach dem Wort Jewes, des Elohims Israels, das Er geredet hatte durch Seinen Knecht Jona, den Sohn Amittais, den Propheten, der von Gath-Hepher war.« Gath-Hepher liegt nordöstlich von Nazareth im Gebiet des Stammes Sebulon, wo sein Grab heute noch gezeigt wird.

  Der Name bedeutet Taube. Die Taube gilt als Symbol der Sanftmut und Arglosigkeit, wie unser Herr sagte: »Werdet ohne Arglist wie die Tauben« (Mat.10:16). Jona argwöhnte zwar vor seiner Flucht nach Tarsis, dass Ninive doch nicht vernichtet würde, da Gott langsam zum Zorn und groß an Güte ist. Diesen Argwohn hat Jona später als unberechtigt erkannt. Die Arglosigkeit und Sanftmut einer Taube dürfte somit nach all den Ereignissen seine Gesinnung geprägt haben.

  Ninive war die Hauptstadt Assyriens am Ostufer des Tigris. Die Stadt wurde von Nimrod, einem Enkel Hams, um 3000 v. Chr. gegründet (1.Mose 10:11). In Ninive standen der prächtige Palast Sanheribs (ca. 705-682 v. Chr.) und die große Bibliothek Assurbanipals (ca. 668-626 v. Chr.); die rund 25.000 Tontafeln enthielten die literarischen Schätze des Orients jener Epoche. Zur Zeit Jonas hatte die Stadt rund 120.000 Einwohner. Der König, der auf Jonas Ruf zur Umsinnung vorbildlich reagierte, war Adadnirari III., der ca. 810-782 v. Chr. regierte, denn assyrische Dokumente erwähnen eine religiöse Reform unter ihm. Zur Bosheit der Stadt gehörten Götzendienst, Unzucht und vor allem Grausamkeit, durch die die assyrische Kriegführung berüchtigt wurde.

  Es wäre somit nicht unverständlich, wenn Jona sich vor diesem Auftrag gefürchtet hätte. Oder war es sein Hochmut als Israelit, dazu seine Eifersucht gegenüber einem fremden Volk, an dem Jewe Sich auch als gnädig, barmherzig, langmütig und von großer Güte erweisen würde? Später hat Jona seinen Ungehorsam so entschuldigt (4:2). Gewiss ist Israel das Volk Gottes, das von Ihm auserwählte Volk. Gott aber segnet Israel nicht, damit es eingebildet sei, sondern zum Segen für alle anderen Nationen werde. Abraham war dies schon bekanntgegeben worden. Jewe hatte zu ihm gesagt: »In dir sollen alle Familien des Erdbodens gesegnet werden« (1.Mose 12:34) und: »Alle Nationen der Erde werden sich in deinem Samen segnen, weil du auf Meine Stimme gehört hast« (1.Mose 22:18). Zu Pharao sprach Jewe Elohim: »Ich habe dich bestehen lassen, damit dir Meine Kraft sichtbar werde und um Meinen Namen auf der ganzen Erde zu verkündigen« (2.Mose 9:16). Der Name Jewe sollte also auf der ganzen Erde kundgemacht werden. Ebenso sprach Jewe durch Mose zu Israel: »Und ihr, ihr sollt für Mich ein königliches Priestertum und eine heilige Nation werden« (2.Mose 19:6). Nun, noch ist Israel nicht zubereitet, um als königliches Priestertum alle Völker zu Jüngern machen zu können, aber die Bestimmung Israels war Jona bekannt.

 

Jonas Ungehorsam und Flucht

 

  »Aber Jona machte sich auf, um vom Angesicht Jewes hinweg nach Tarsis zu entweichen, und ging nach Joppe hinab. Er fand ein Schiff, das nach Tarsis fuhr, gab das Fährgeld dafür und stieg in es hinab, um mit ihnen nach Tarsis zu gelangen - vom Angesicht Jewes hinweg« (1:3).  Joppe heißt heute Jaffa.  Jona stand als gläubiger Israelit ständig vor Jewe; er wusste sich stets in der Gegenwart seines Elohims. Jetzt aber pochte es in den Schläfen Jonas: Hinab, hinab nach Joppe! Hinweg, hinweg nach Tarsis! Hinab, hinab in den Rumpf des Schiffes! Hinweg, hinweg vom Angesicht Jewes! Ob ihm das Wort Gottes, das David in Psalm 139:7-12 niedergeschrieben hat, denn gar nicht in den Sinn kam?:

         »Wohin sollte ich gehen vor Deinem Geist,

         und wohin sollte ich fliehen vor Deinem Angesicht?

         Falls ich in die Himmel hinaufzöge, so bist Du dort,

         und sollte ich mich im Ungewahrten betten,

         siehe, Du bist da.

         Sollte ich die Flügel des Frührots tragen,

         sollte ich zelten am letzten Meer,

         auch dort würde Deine Hand mich leiten,

         und Deine Rechte, sie würde mich ergreifen.

         Würde ich sagen; Ja, Finsternis, sie verschluckt mich,

und die Nacht ist gegürtet um mich her -

auch Finsternis - sie verfinstert nicht vor Dir,

und die Nacht leuchtet wie der Tag;

demgemäß ist Finsternis wie Licht bei Dir.«

  Am äußersten Ende des Meeres liegt Tarsis, eine phönizische Stadt in Südwestspanien; Metalle wurden dort verhüttet und verfrachtet, Silber, Eisen, Zinn und Blei. Wagt Jona es wirklich, dem Willen Jewes seinen Eigensinn entgegenzusetzen? In Joppe wird sich doch sein Trotz legen? Aber er bezahlt das Fährgeld und geht an Bord. Er will tatsächlich vor Jewe fliehen! Wir können ihn nicht verstehen, und doch erkennen wir uns in Jona wieder, die wir uns einst Gott nicht unterordnen wollten, alles besser wussten als Er und unser Leben selbst gestalten wollten. Aber solange die Anker nicht gelichtet sind, kann Jona noch umkehren. Man möchte ihm die Worte Jesaias zurufen: »Kehrt zurück zu Ihm, dessen Rat tief geht, ihr widerspenstigen Söhne Israels!« (Jesaia 31:6). Mose hatte ihnen eindrücklich gesagt, dass Unheil über sie kommen würde, wenn sie der Stimme Jewes, ihres Elohims, nicht gehorchten (5.Mose 28:15). Jona aber lässt die Umsinnung vermissen; er kehrt nicht um, obwohl das Wort Gottes seine Lebendigkeit an ihm erwies, da er ja auf die Stimme Jewes reagierte, leider jedoch mit Ungehorsam. Die Worte Gottes sind Geist und sind Leben (vgl. Joh.6:63), die eigensinnigen Gedanken Jonas aber führen zu seinem Untergang. »Das Wort Gottes ist lebendig, wirksam und schneidender als jedes zweischneidige Schwert und durchdringend bis zur Teilung von Seele und Geist sowie von Gelenken als auch Mark; und es ist Richter der Überlegungen und Gedanken des Herzens« (Heb.4:12). Am Verhalten Jonas können wir messerscharf das Seelische und das Geistliche erkennen und - uns zum Gewinn - unterscheiden lernen.

 

Der Sturm

 

  »Jewe aber warf einen gewaltigen Wind auf das Meer, sodass ein großer Sturm auf dem Meer entstand und das Schiff zu zerbrechen drohte. Die Seemänner fürchteten sich und schrieen, jedermann zu seinem Elohim, und sie warfen die Geräte, die im Schiff waren, ins Meer, um ihre Lage zu erleichtern. Jona aber war in den hinteren Laderaum hinabgestiegen, hatte sich hingelegt und schlief fest« (1:4,5).

  Gott steht alles zur Verfügung, die Erde und was in ihr ist, der Wind und das Meer. El (hebr.) und theos (griech.) bedeuten ja: der alles Verfügende, der alle an ihren Platz Setzende, der alle Sich Unterordnende; und Elohim: der zu El hin Wirkende.

  Nachdem unser Herr Jesus Christus den Sturm auf dem See Genezareth durch ein kurzes Wort gestillt hatte, sagten die Jünger zueinander: »Wer ist wohl dieser, da auch der Wind und der See Ihm gehorchen?« (Mark.4:41).

  »Die Stimme Jewes ist über den Wassern«, verkündigte David in Psalm 29:3. Er beweg das Wasser mit Seinem Befehl, und Er redet durch das Ereignis des Sturms. Und Jona erkannte die Stimme seines Herrn und verstand, wie wir in Kürze sehen werden.

  Der Schrei der Seeleute zu ihren Göttern ist echt, jene allerdings sind es nicht, sie können nicht hören und nicht sehen und vermögen nichts, sie zehren nur ihre Anbeter aus.

  Und Jona schläft fest. Damit ist er ein Bild für das ungehorsame Israel. Israel ist zum Licht der Nationen gesetzt, erfüllt jedoch seinen Auftrag nicht. Die Völker haben zwar ein Grundwissen, dass es nur einen Gott gibt - sie erkennen Ihn an der Schöpfung (Röm.1:19,20) -, das über Gott Erkennbare wird aber überlagert durch ihren Götzenkult. Und was die Nationen ihren Götzen opfern, das opfern sie den Dämonen (1.Kor.10:20). Die Seemänner hatten zwar auch schon etwas über den Gott Israels gehört, denn Gott hatte sich in der Geschichte Israels auch gegenüber anderen Völkern erwiesen. Aber wie sollten sie Ihn anrufen, an den sie nicht glauben? Wie aber sollten sie an den glauben, über den sie nichts Näheres hören? Wie aber sollten sie von Ihm hören ohne einen, der heroldet? (Röm.10:14).  Der Herold schläft. Israel ist wie betäubt.

  »Da trat der Oberste der Matrosen an ihn heran und sprach zu ihm: Was ist mit dir, du Schläfer? Steh auf, rufe zu deinem Elohim! Vielleicht wirkt der Elohim für uns, sodass wir nicht verloren gehen« (1:6).

  Wie sehr vertauscht sind doch die Rollen! Der Prophet Jona ist doch beauftragt, den Menschen ins Gewissen zu reden. Jetzt weckt ihn der heidnische Oberste der Matrosen, und er weckt sicher auch sein Gewissen. Es muss den vor Gott versteckten Propheten heiß durchflutet haben, von einem Heiden auf seinen Gott gestoßen zu werden.

  Viele Menschen suchen Gott und fragen nach dem Sinn des Lebens, und Gott will auch, dass alle gerettet werden und zur Erkenntnis der Wahrheit kommen. Deshalb spricht uns der Apostel Paulus vor allem anderen zu, dass Flehen, Gebete, Fürbitten und Danksagung getan werden für alle Menschen (1.Tim.2:1,4). Demnach sollen wir nicht schlummern wie Jona, sondern wachen und nüchtern sein und die Liebe Gottes - erkennbar an der Dahingabe Seines Sohnes für Sünder und Feinde - bekannt machen. Denn Gott liebt die Gottlosen - auch die in Ninive. - Aber nein, das kann doch wohl nicht sein?; deshalb befindet sich Jona ja auf dem Weg in die entgegengesetzte Richtung.

  Der Oberste ordnet den Gott Israels in die Reihe der anderen Götter ein. Je mehr Götter, desto besser - irgendeiner wird dann schon helfen. Auch das Christentum ist über eine solche Haltung nicht erhaben, denn nur wenige Gläubige kennen den Gott und Vater unseres Herrn Jesus Christus, den Einzigen, in Seiner Allmacht und Allgenugsamkeit.

  Der Sturm tost weiter. Jetzt wird der Schuldige gesucht; darin besteht zwischen damals und heute kein Unterschied.

 

Der Schuldige

 

  »Und sie sagten jedermann zu seinem Gefährten: Geht, wir wollen Lose werfen, damit wir erkennen, um wessentwillen uns dieses Böse zustößt. Und sie warfen Lose, und das Los fiel auf Jona« (1:7).

  Das Losewerfen war Israel nicht fremd. In den Sprüchen Salomos 16:33 heißt es: »Das Los wird in den Gewandbausch geworfen, aber all seine Rechtsetzung kommt von Jewe.« Am jährlichen großen Tag der Beschirmungen warf der Priester das Los über zwei Ziegenböcke. Der Bock, auf den das für Jewe bestimmte Los fiel, wurde als Sündopfer hergerichtet. Dem anderen Bock wurden die Verfehlungen des Volkes auferlegt; daraufhin wurde er als Asasel in die Wüste geschickt (3.Mose 16:8-10, 20-22). Das Los legte die Entscheidung in die Hand Gottes.

  Keiner der Seeleute zweifelt am Ergebnis des Loswurfs. Und Jona weiß sowieso, wer der Schuldige ist. Seine Flucht wird teuer. Zuerst hatte er Fährgeld bezahlen müssen, jetzt ist er als Schuldiger bloßgestellt.

  »Dann sprachen sie zu ihm: Berichte uns doch, um wessentwillen uns dieses Böse zustößt! Was ist dein Auftrag, und woher kommst du? Was ist dein Land, und aus welchem Volk bist du? - Und er sprach zu ihnen: Ein Hebräer bin ich, und ich fürchte Jewe, den Elohim der Himmel, der das Meer und das Trockene gemacht hat. - Da erbebten die Männer in großer Furcht und sprachen zu ihm: Was hast du da getan! - Denn die Männer hatten erkannt, dass er vom Angesicht Jewes entweicht, denn er hatte es ihnen berichtet« (1:8-10).

  Die Seemänner werden von einer - wenn auch vom Götzendienst geprägten - heiligen Furcht ergriffen. Sie haben es nun nicht mehr mit Dingen zu tun, wie dem Wind und dem Meer, sondern mit dem Elohim Israels, von dessen Machttaten sie in etwa schon gehört hatten, und vielleicht ahnen sie, dass dieser Elohim der wahre und einzige ist, der Sich auch jetzt vor ihren Augen an Jona, sogar in dessen Versagen, als der Allesbewirkende (Eph.1:11) erweist.

  Welch eine ungeheuerlich vermessene Rede führt Jona: »Ein Hebräer bin ich, und ich fürchte Jewe!« Wie kann er jetzt noch so sprechen, nachdem er Jewe jede Verehrung entzogen hat? Er bezeichnet sich als einen Hebräer, also einen Angehörigen des Volkes Gottes. Das ist richtig, aber nicht der ist Jude, der es äußerlich ist, noch ist Beschneidung, was sichtbar am Fleisch geschieht, sondern der ist Jude, der es innerlich, im Verborgenen ist; und Beschneidung des Herzens ist im Geist, nicht im Buchstaben (Röm.2:28,29). Andererseits sagt Jona kraft seines Prophetenamtes die Wahrheit. Er fürchtet Jewe auch in seinem Ungehorsam und will im Grunde nicht gegen Ihn handeln, sondern nur das Beste für sein Volk erreichen, in diesem Falle den Untergang Ninives. Wenn er dort hinginge und Ninive umsinnen würde, dann würde sich Gott über diese Stadt erbarmen und den Feind Israels nicht vernichten.

  Vielleicht durchzucken Jona in diesem herzzerreißenden Widerspruch die Worte, die David seinerzeit nach seinem Fehltritt gebetet hatte: »Schaffe in mir, Elohim, ein reines Herz, und erneuere in meinem Inneren einen aufrechten Geist. Verwirf mich nicht von Deinem Angesicht, und nimm Deinen heiligen Geist nicht von mir« (Psalm 51:12,13). Wir, die Glieder der Körpergemeinde (Eph.1:22,23), die wir in der dem Apostel Paulus gegebenen heilsgeschichtlichen Haushaltung der überströmenden Gnade Gottes leben (Eph.3:2;Kol.1:25) und mit dem heiligen Geist versiegelt sind (Eph.1:13), können ihn nicht wieder verlieren, selbst wenn wir ihn betrüben (Eph.4:30). Jona aber stand nach dem Evangelium für das Königreich Israels, nach dem »Evangelium der Beschneidung« (Gal.2:7), in dieser Gefahr.

  Möglicherweise ist Jonas Bekenntnis: »Ein Hebräer bin ich, und ich fürchte Jewe« der Anfang seiner Sündenerkenntnis und Umsinnung.

  Indem Jona ausspricht »... der das Meer und das Trockene gemacht hat«, wird ihm klar, was er vergessen wollte, nämlich dass das Meer und das Land Gottes Walten untersteht.

 

Die Rettung des Schiffes

 

  »Und sie sprachen zu ihm: Was sollen wir dir tun, damit das Meer sich gegen uns beruhige. - Denn das Meer wurde noch stürmischer. Da sprach er zu ihnen: Nehmt mich und werft mich ins Meer, sodass sich das Meer euch gegenüber beruhige, denn ich erkenne, dass dieser große Sturm um meinetwillen wider euch gekommen ist. - Und die Männer ruderten durch die Wogen, um das Schiff zum Trockenen zurückzubringen, aber sie vermochten es nicht, weil das Meer noch stürmischer gegen sie war. Da riefen sie zu Jewe und sprachen: Doch, Jewe, wir wollen doch nicht verloren gehen wegen der Seele dieses Mannes, und bringe nicht unschuldiges Blut über uns, denn Du, Jewe, tust so, wie es Dir gefällt. - Und sie nahmen Jona und warfen ihn ins Meer. Da stand das Meer ab von seinem Wüten. Und die Männer fürchteten Jewe mit großer Furcht, opferten Jewe ein Opfer und gelobten Gelübde« (1:11-16).

  Die Seeleute fragen Jona, was zu tun sei; sie fragen den Mann Gottes, obwohl der sie mit seiner Schuld in diese Gefahr gebracht hat. Welch ein Kredit wird dem Boten Gottes entgegengebracht! Und es ist ja auch tatsächlich so, dass Jona Gotteserkenntnis hat. Diese mündet in seiner Situation in den Gedanken: Der Sünder muss sterben. Die Heiligkeit und Gerechtigkeit Gottes erfordern dies. »Der Gerechte wird durch Glaubenstreue leben«, hat der Prophet Habakuk zwar erst rund 160 Jahre später niedergeschrieben (Hab.2:4), aber so viel wusste auch Jona, dass derjenige, der Jewe Elohim im Glauben nicht treu ist, kein Gerechter ist und mithin umkommen wird. Jona ist als Angehöriger des Bundesvolkes mit dem vertraut, der sagt: »Mein ist die Rache! Ich werde vergelten« (5.Mose 32:35). »Furchtbar ist es, in die Hände des lebendigen Gottes zu fallen« (Heb.10:31). Mose hatte ihnen folgendes Wort Gottes eingeschärft: »Seht nun, dass Ich, Ich es bin, und kein Elohim ist neben Mir. Ich, Ich töte, und Ich mache lebendig. Ich zerschlage, und ich, Ich heile, und da ist keiner, der Meine Hand überschattet« (5.Mose 32:39).

 Dass Gott barmherzig ist - ein solcher Gedanke will in Jona jetzt nicht aufkommen. Die Seemänner rudern angestrengt, um an Land zu kommen. Ob die Barmherzigkeit der Matrosen in Jona einen Gedanken an die Barmherzigkeit Gottes geweckt hat? - Sie kommen jedoch im Sturm nicht voran. Jetzt rufen sie zu Jewe, ihnen Jonas Tod nicht als Schuld anzurechnen. Ehrfürchtige Gotteserkenntnis, ja Worte des Glaubens kommen aus ihrem Mund: »Du, Jewe, tust so, wie es Dir gefällt!« Sie verherrlichen damit Gott als Gott, als Unterordner, Alles-Verfüger, als den, der alles bewirkt nach dem Ratschluss Seines Willens (Eph.1:11). Kein Mensch kann Ihm wehren, kein Geschöpf Seinen Plan durchkreuzen,  wie Psalm 135:6 sagt: »Alles, was Jewe gefällt, tut Er in den Himmeln und auf der Erde, in den Meeren und allen chaotischen Fluten.« Und Jesaia 45:9-11 bekräftigt: »Ich bin El! Und da ist sonst kein Elohim! Und da ist niemand gleichwie Ich! Der Ich kundtue von Anfang an den Ausgang und vor alters, was noch nicht getan; der Ich sage: Mein gesamter Ratschluss soll bestätigt werden, und alles, was Mir wohlgefällt, will Ich tun. ... So habe Ich gesprochen, so will Ich es kommen lassen! Wie Ich geplant, so will Ich es tun!«

  Es gibt nur den Einen, Elohim, der alles hervorruft, auch die Gedanken der Matrosen.

  Dann erst - es geht nicht mehr anders - werfen sie Jona über Bord. Und Jona geht unter in dem Wissen, dass die Rechtsforderung des Gesetzes erfüllt werden muss. Wir wissen inzwischen aus Römer 8:3,4, dass die Rechtsforderung des Gesetzes in uns erfüllt ist, da Gott die Sünde im Fleisch Seines Sohnes verurteilte. Alle Gläubigen, wir alle, die wir in Christus Jesus hineingetauft sind, sind in Seinen Tod hineingetauft (Röm.6:3). Wir wurden zusammen mit Christus gekreuzigt und starben. Wenn wir aber zusammen mit Christus starben, so glauben wir, dass wir auch zusammen mit ihm leben werden (Röm.6:8), und zwar für Gott, denn wir haben auch an der Auferweckung Christi teil. In der Auferweckung mit Christus verbunden zu sein, zeigt sich im Alltag daran, dass der Körper der Sünde zunehmend unwirksam wird, wir nicht mehr der Sünde versklavt sind und für Gott leben in Christus Jesus, unserem Herrn (Röm.6:6,11).

  Der heilige Ernst des Gerichts Jewes, bestätigt durch das Stillewerden des Meeres, beeindruckt die Seemänner aufs tiefste. Sie hatten den Gott Israels als den wahren Gott kennengelernt.

  Das Meer bezeichnet, wenn es symbolisch gebraucht wird, nach Daniel 7:2 und Off.17:15 die Nationen, das Völkermeer. Israel rechnet sich nicht zu den Nationen (4.Mose 23:9). Ebenso wie Jona in das Meer geworfen wurde, so wurde Israel wegen seines Ungehorsams unter alle Völker zerstreut. Reife Frucht aber erwächst allen, die zur völligen Schwachheit gebracht wurden.

  

Jonas Gebet und Umsinnung

 

  »Und Jewe bestimmte einen großen Fisch, Jona zu verschlingen. Und Jona war drei Tage und drei Nächte im Bauch des Fisches.

  Und Jona betete zu Jewe, seinem Elohim, aus dem Bauch des Fisches und sprach:

         Ich rief in meiner Bedrängnis zu Jewe, und Er antwortete mir.

Aus dem Bauch des Ungewahrten schrie ich um Rettung; Du 

  hörtest meine Stimme.

Und Du warfst mich in die dunkle Tiefe, in das Herz der Meere,

und Strömung umgab mich, alle Deine Brecher und Deine

  Wogen gingen über mich dahin.

Und ich, ich sprach:

Ich bin vertrieben aus der Gegenwart Deiner Augen, dennoch

  werde ich wieder zu Deinem heiligen Tempel hinschauen.

Wasser bedrängten mich bis an die Seele, Fluten umgaben mich,

  Schilf schlang sich um mein Haupt.

Zu den Gründen der Berge sank ich hinab, der Erde Riegel

  waren für den Äon über mir,

da brachtest Du mein Leben aus dem Verderben herauf, Jewe,

  mein Elohim.

Als meine Seele in mir verschmachtete, gedachte ich Jewes,

  und mein Gebet kam zu Dir, zu Deinem heiligen Tempel.

Die auf die Nichtigkeiten der Eitelkeiten achten,

  verlassen die Huld Jewes.

Ich aber will Dir opfern mit der Stimme des Dankes.

  Was ich gelobte, will ich erstatten.

Bei Jewe ist Rettung!

  Und Jewe sprach zu dem Fisch, und der spie Jona aus auf das Trockene« (2:1-11).

  Stets ist es der Eine, Jewe Elohim, der den Gang der Ereignisse bestimmt. Er beordert den großen Fisch, Sein Geist weist ihn an, Jona zu verschlucken, Sein Wort veranlasst den Fisch, Jona an Land zu erbrechen. Der Ausdruck »drei Tage und drei Nächte« ist eine Redewendung, die besagt, dass etwas im ersten Tag beginnt und im dritten Tag, also nach zwei Nächten, endet, wie es auch bei unserem Herrn Jesus Christus war, der am Nachmittag des 14. Nisan 32 (Donnerstag, den 10.4.32) starb und am Morgen des 16. Nisan 32 (Samstag, den 12.4.32) auferstand.

  Jona ist im Bauch des Fisches im Scheol, im Ungewahrten oder Ungewahrbaren. Es ist nichts mehr von ihm wahrzunehmen, ebenso wie Israel von 70 n. Chr. bis 1948 im Ungewahrten war, da es - zerstreut unter allen Völkern - als Nation nicht sichtbar war, wie es auch das Gleichnis vom reichen Mann und armen Lazarus in Lukas 16:23 aussagt (Israel im Feuer der Drangsal unter den Nationen). Und heute ist Israel als »heilige Nation« (2.Mose 19:6; 1.Pet.2:9) immer noch im Ungewahrten.

  Im Fischbauch ist Jona jetzt an der Stelle, wo er eines jämmerlichen Todes sterben muss, wo es keinen Ausweg mehr gibt. Dies ist das Ende! Aus! Ein Weg aber ist offen, der zu Gott, der ohnehin schon immer der einzige Weg war und Jonas und unser aller Weg sein soll. Indem er diesen Weg beschreitet, wird der Ort des Todes Jona zum Ort der Auferstehung.

  Er betet zu Jewe, seinem Platzierer. Jewe als den zu erkennen, der ihn an diesen Platz setzte, ist Glaube, geschenkt von Gott (Phil.1:29). Und Jona ruft in seiner Bedrängnis, und er weiß: Jewe hört seine Stimme. Das ist Glaube.

  Jona sagt: »Ich bin vertrieben aus der Gegenwart Deiner Augen.« Sicherlich wusste Jona, dass Jewe ihn auch im dunklen Bauch sieht und Finsternis bei Jewe wie Licht ist (Ps.139:12), in seiner Situation aber bestimmte ihn zum einen wohl der optische Eindruck und zum anderen die Tatsache, dass er vom Tempel ferngehalten wird, in welchem Jewe in besonderer Weise gegenwärtig und Seinem Volk nahe ist (2.Mose 40:34; 1.Kön.8:11).

  Wir kennen keine Bindung an ein Heiligtum, sodass es für uns eine Selbstverständlichkeit ist, dass wir allezeit vor dem Angesicht Gottes in Christus sind (2.Kor.2:17). Und vertrieben werden können wir in keiner Weise, stehen wir doch in unverrückbarer Gnade, da wir mit heiligem Geist versiegelt sind und nicht wieder verloren gehen können (Eph.1:13; 4:30) und Gott des Weiteren gesagt hat: »Die Er aber vorherbestimmt [dem Bilde Seines Sohnes gleichgestaltet zu werden], diese beruft Er auch; und die Er beruft, diese rechtfertigt Er auch; die Er aber rechtfertigt, diese verherrlicht Er auch« (Röm.8:29,30).

  Jona aber musste mit seinem Tod für die Äonen und mit seiner Lebendigmachung erst für die Vollendung rechnen (vgl. 1.Kor.15:24) - im Prinzip: falls er von Jewe abgewandt bliebe; doch Jewe war diesem Israeliten zutiefst eingeprägt, sodass Jona sich nur zu seinem Elohim hinwenden konnte, wie wir ja auch bereits zur Kenntnis genommen haben, dass er zu Jewe ruft.

  Jona setzt all seinen Glauben, sein Vertrauen und seine Erwartung auf den Einen, den lebendigen, allgewaltigen Gott. So gewinnt er die Zuversicht, dass er den heiligen Tempel wieder sehen werde.

  Jona verzichtet auf alles Eigensinnige - es ist ja eitel -, um nur noch von ganzem Herzen Gott wohlgefällig zur Huldigung Jewes zu wandeln und zu dienen.

  Und es geschieht: Jewe Elohim bringt Jonas Leben aus dem Verderben herauf. Jewe - die Wortbestandteile bedeuten

wird sein-seiend-war, mithin der da sein wird, der da ist und der da war - Jewe ist Gott, der Vater, so wie Er durch Sein Wort und Abbild, durch die Ausstrahlung Seiner Herrlichkeit (Heb.1:3), Christus, für die Menschen begreifbar ist - Jewe, der das Leben ist und allen Leben gibt (1.Tim.4:10; 2.Tim.1:10), rettet jetzt das Leben Jonas. Bei Jewe ist Rettung! Ihm sei der Lobpreis und die Verherrlichung für die Äonen!

  Wozu hatte Jewe Jona in die Widerspenstigkeit eingeschlossen? Damit Er Sich seiner erbarme, wie geschrieben steht: »Denn Gott schließt alle zusammen in Widerspenstigkeit ein, damit Er Sich aller erbarme« (Röm.11:32).

  Dieses notvolle und dennoch klar ausgerichtete Gebet Jonas ist der Mittelpunkt des Buches Jona. Es ist die Wende.

  Wenn Jona Ninive zur Umsinnung auffordern wird, wird er dies als einer tun, der selber seine Gesinnung geändert hat. Er wird nicht nur reden, sondern seine Person strömt jetzt eine neue Gesinnung aus; er selbst ist das Zeugnis der Umsinnung.

  Wie verhält es sich bei uns? Suchen wir uns selbst oder das, was Christi Jesu ist (Phil.2:21)? Nur wer sich als mitgekreuzigt und mitgestorben erkannt hat, kann sich, los von sich selbst, Gott bereitstellen als Lebenden aus den Toten - ähnlich wie Jona (Röm.6:6,11,13).

  

Das Zeichen des Jona

 

  Unser Herr Jesus Christus identifizierte Sich in Seinem Tode aufs engste mit dem Propheten Jona: Als einige der Schriftgelehrten und Pharisäer von Ihm ein Zeichen forderten als Beweis dafür, dass Er der Messias sei, antwortete Er ihnen: »Diese böse und ehebrecherische Generation trachtet nach einem Zeichen; doch man wird ihr kein Zeichen geben außer dem des Propheten Jona; denn ebenso wie Jona drei Tage und drei Nächte im Leib des Seeungeheuers war, so wird der Sohn des Menschen drei Tage und drei Nächte im Herzen der Erde sein. - Männer, Niniviter, werden mit dieser Generation zum Gericht auferstehen und sie verurteilen, denn auf den Heroldsruf des Jona hin sinnten sie um, und siehe, hier ist mehr als Jona!« (Mt.12:39-41).

  Jesus gab Seinem ungläubigen Volk nicht ein Zeichen, wie es eines begehrte - ein faszinierendes Wunder, das aber die Herzen nicht geändert hätte -, sondern das Zeichen, das sie nötig hatten, um wirklich von Herzen zur Umsinnung zu gelangen, da Er ihre Sünden in Seinem Körper an das Holz hinaufgetragen hat (1.Pet.2:24), denn Er gab sich als Sündopfer für Israel dahin (Heb.10:8-10). Sein Tod und Seine Auferstehung sind das Zeichen für Israel!

 

Jona wird zum zweiten Mal beauftragt

 

  »Und das Wort Jewes erging ein zweites Mal an Jona, lautend: Mache dich auf, gehe nach Ninive, der großen Stadt, und rufe ihr die Botschaft zu, die Ich dir sage« (3:1,2).

  Gott erweist Jona Seine Huld, indem Er ihn ein zweites Mal beauftragt. Hätte Er geschwiegen, wäre dies für Jona unerträglich. Was wäre eine Rettung aus dem Bauch des Fisches ohne die Wiederholung des Auftrags? - Ja, im Grunde kann er erst jetzt beauftragt werden, denn Jonas Flucht gehörte nach Gottes Weisheit zur notwendigen Zubereitung des Propheten.

  »Rufe ihr die Botschaft zu, die Ich dir sage,« sagt Jewe. Nicht mehr und nicht weniger ist zu tun; wie es auch der Herr tat: »Der Mich gesandt hat, ist wahr,« sagte Jesus, »und was Ich von Ihm gehört habe, das spreche Ich zur Welt« (Joh.8:26).

  Und wenn es unter uns heißt: »Belehrt und ermahnt euch gegenseitig in aller Weisheit« (Kol.3:16), so gehört zu dieser Weisheit, nichts anderes zu sagen, als was der Lehre und dem Wandel des Apostels Paulus entspricht (Gal.1:6-9; Phil.3:17; 4:9), und das mit einem Muster gesunder Worte, die wir von Paulus gehört haben (2.Tim.3:10; 1:13). Dazu ist es natürlich erforderlich, sich das Wort Christi reichlich innewohnen zu lassen (Kol.3:16), ja die Lehre, an die wir übergeben wurden, zu erlernen (Röm.6:17; 16:17), sich anzueignen, denn wir haben in unserer Haushaltung keine Hörerlebnisse oder Gesichte wie die Propheten (wir wandeln hier ja durch Glauben und nicht durch Wahrnehmung; 2.Kor.5:7), sondern das vervollständigte apostolische und prophetische Wort (Kol.1:25). Möge Christus durch Sein Wort immer mehr Gestalt in uns gewinnen und Seine Liebe, wie sie in 1.Korinther 13:4-7 beschrieben ist, uns bestimmen; dann werden unsere Worte zunehmend vom Geist Gottes geprägt sein und gewiss zur Auferbauung der Gläubigen und zur Verherrlichung unseres Gottes und Vaters dienen.

 

Jonas Heroldsruf

 

  »Da machte Jona sich auf und ging nach Ninive gemäß dem Wort Jewes. Ninive aber war eine große Stadt für Elohim, in drei Tagen zu durchwandern. Und Jona begann und kam eine Tagereise weit in die Stadt hinein und rief und sprach: Noch 40 Tage und Ninive wird umgewendet sein« (3:3,4).

  Ninive ist nicht nur eine große Stadt, mit Vorstädten, Gärten und Weiden, in drei Tagen zu durchmessen, sondern sie ist auch groß für Elohim (oder: dem Elohim), das heißt Er richtet Sein besonderes Augenmerk auf diese Stadt; Ninive ist bedeutsam für Gott, weil Er jetzt hier handeln will.

  Jona ist nicht zu beneiden. Er hat kein Evangelium der Gnade und Rettung zu verkündigen, sondern eine Botschaft des Zorns und des gerechten Gerichts Gottes. Für ihn trifft das folgende Wort nicht zu: »Wie lieblich sind die Füße derer, die ein Evangelium des Guten verkündigen!« (Röm.10:15; Jes.52:7).

  Noch 40 Tage, und dann wird das Unterste Ninives zuoberst und ihr Oberstes zuunterst gekehrt sein. Darunter können wir uns ein Erdbeben vorstellen.

  Warum gerade 40 Tage bis dahin? Die Zahl 40 kennzeichnet in der Schrift einen Zeitraum der Erziehung, Reifung, Zubereitung, Erprobung. Mose zum Beispiel war 40 Jahre als Hirte in der Wildnis zu seiner Zubereitung, bis ihn der Herr beauftragte, nach Ägypten zu seinen Brüdern zu gehen. Israel erfuhr eine 40-jährige Erziehung während der Wanderung durch die Wildnis Sinai. 40 Tage und 40 Nächte fastete unser Herr vor Seiner Versuchung in der Wildnis (Mat.4:2). Ninive nun wird eine Frist von 40 Tagen eingeräumt, damit ihre Entscheidung auf den Ruf Jonas hin reifen kann.

  Die Niniviter müssen im übrigen erkannt haben, dass Jonas Ruf Elohims Ruf ist, denn sie glauben Elohim, wie Vers 5 berichtet. Jona ist also so geläutert, dass die Herrlichkeit Elohims an ihm zum Ausdruck kommt und er nunmehr glaubwürdig sagen kann (so oder so ähnlich wird er sicherlich auf seinen Auftraggeber hingewiesen haben): »Ich fürchte Jewe, den Elohim der Himmel, der das Meer und das Trockene gemacht hat« (1:9). Auf dem Schiff hatten diese seine Worte mit seinem Handeln nicht übereingestimmt.

 

Ninives Umsinnung

 

  »Da glaubten die Männer von Ninive Elohim, riefen ein Fasten aus und kleideten sich in Sacktuch von ihrem Großen bis zu ihrem Kleinen. Und das Wort erreichte den König von Ninive; der stand von seinem Thron auf, legte seinen pelzbesetzten Mantel ab, kleidete sich in Sacktuch und setzte sich in die Asche. Und er ließ wehklagend ausrufen und in Ninive aufgrund der Beurteilung des Königs und seiner Großen aussprechen: Mensch und Getier, Rindvieh und Kleinvieh sollen nichts essen, nicht grasen und kein Wasser trinken. Und sie sollen sich mit Sacktuch bedecken, der Mensch und das Getier, und anhaltend zu Elohim rufen und umkehren, jeder von seinem bösen Weg und von der Gewalttat, die in seinen Händen ist. Wer weiß, ob Er umkehrt, ob der Eine, Elohim, umgestimmt wird und umkehrt von Seinem glühenden Zorn, sodass wir nicht verloren gehen« (3:5-9).

  Die Niniviter glauben Elohim. Wörtlich heißt es, dass sie in Elohim, dem in Elohim glauben, also dem, was in Elohim beschlossen ist. Wer hätte das erwartet? Sie sinnen um und fasten! Wer hätte das gedacht? Wir nach unserer Erfahrung nicht. Und Jona auch nicht. Das war für einen Israeliten so gut wie undenkbar. Und sicher von Jona auch nicht erwünscht, denn sollte das Erbarmen Gottes etwa auch auf Nichtisraeliten kommen, auf Ungläubige, und in solch einem Ausmaß?

  Wie sieht die Umsinnung praktisch aus? Um zunächst mit den ermahnenden Worten des Propheten Jesaia und dann mit den Worten zu sprechen, die die Umkehr ganz praktisch aufzeigen: »Wehe denen, die frühmorgens aufstehen, dem Rauschtrank nachzujagen, und verziehen bis zur Dämmerung, bis der Wein sie heiß durchsprüht! ... Wehe denen, die Verworfenheit herbeiziehen an unnützen Stricken und wie mit Wagenseilen die Sünde! ... Wehe denen, die da rechtfertigen den Frevler infolge von Bestechung und dem Gerechten Gerechtigkeit verwehren!« (Jes.5:11,18,23). Und: »Eure Hände sind voller Blut; aus euren Fingern quillt Gesetzlosigkeit. Waschet euch! Läutert euch! Entfernt die Bosheit eures Gebarens Mir aus den Augen! Lasset ab vom Üblen. Lernet, Gutes zu tun! Suchet das Recht! Beglückt die, denen Unrecht geschah! Richtet die Waise recht! Führet der Witwe Rechtstreit!« (Jes.1:15b-17). So sprach Jesaia im Auftrag Jewes zu Seinem Volk. So ähnlich mag auch Jona zu dem fremden Volk gesprochen haben - und sie sinnten um und kehrten um.

  Zuerst sinnt man um - man denkt um, und dann kehrt man um - man handelt anders.

  Unser Herr Jesus Christus bezeichnete ihre Umsinnung als echt und Maßstäbe setzend, als Er sagte, dass Seine Generation im Gericht von den Ninivitern verurteilt werden würde, denn die Niniviter sinnten auf den Heroldsruf eines Mannes hin um, der geringer war als der Messias (Mat.12:41).

  Der König befiehlt seinen Untertanen, ununterbrochen zu Elohim zu rufen. - Dies erinnert uns an die Anweisung unseres Herrn: »Betet unablässig!« (1.Thess.5:17). Natürlich bestehen große Unterschiede zwischen dem Gebet der Niniviter um Erbarmen angesichts des drohenden Gerichts und dem Gebet von Begnadeten, Geretteten, Gerechtfertigten, Ausgesöhnten und in jeder Weise Gesegneten, ja von solchen, die in Christus Jesus sind und daher, was sie im Fleisch leben, im Glauben leben, dem des Sohnes Gottes (Gal.2:20). Die Leute von Ninive beten mit großer Anstrengung und vor Furcht; unser Beten ist eine Frucht der Gnade, eine Erwiderung der Liebe Gottes. Indem wir uns ständig vor dem Angesicht Gottes in Christus Jesus wissen (2.Kor.2:17) und jeden Gedanken zu einem Gebet machen, beten wir zu jeder Gelegenheit im Geist (Eph.6:18). Die Dringlichkeit der Gebete der Assyrer hatte in der Abwendung des angekündigten Unheils seinen Grund; die Ursache unseres unablässigen Betens ist der nie enden wollende Lobpreis der Herrlichkeit Gottes und Seines Christus und der überströmenden Gnade, das Erfordernis des rechten geistlichen Verständnisses für Sein Wort (Eph.1:17; Kol.1:9) sowie die Notwendigkeit der Auferbauung unserer Glaubensgeschwister in Christus Jesus und ihre Festigung in dem dem Apostel Paulus enthüllten Evangelium (Gal.1:12; Röm.16:25; Tit.1:3).

  Ob Elohim Seinen Beschluss revidiert und von Seinem brennenden Schnauben ablässt? - So lautet die bange Frage, die über der Stadt hängt. Jesaia wusste, dass Jewes Rettungsruf allen Menschen der Erde gilt: »Wendet euch zu Mir und lasst euch erretten, alle Enden der Erde! Denn Ich bin El, und da ist sonst keiner!« (Jes.45:22).

  Nach Römer 1:18 kommt der Zorn Gottes über alle Unfrömmigkeit und Ungerechtigkeit der Menschen. Sinnen sie aber um, so ist das Gericht nicht mehr nötig. Und Petrus schreibt: »Gott hat Geduld, da Er nicht beabsichtigt, dass einige umkommen, sondern dass alle für die Umsinnung Raum machen« (1.Pet.3:9).

 

Elohims Entscheid

 

  »Und der Eine, Elohim, sah ihre Taten, dass sie umkehrten von ihrem bösen Weg. Und der Eine, Elohim, wurde umgestimmt hinsichtlich des Bösen, das Er ihnen zu tun angesagt hatte, und Er tat es nicht« (3:10).

  Wir dürfen nicht meinen, dass Gott Seinen Vorsatz geändert habe. Alle Wege, alle Reaktionen der Menschen, alle Ereignisse und Wendungen sind in Seinen Plan eingeschlossen, steht Ihm doch alles zu Gebote und bewirkt Er doch alles nach Seinem weisen Liebesratschluss. Jerusalem anklagend sagt Gott in Zephania 3:7: »Du solltest Mich fürchten und Zurechtweisung annehmen, sodass ihre Wohnung nicht vernichtet werde und alles, was Ich über sie verhängt habe [nicht über sie komme].« Für uns Menschen mag es so aussehen, als ob Gott Sich habe umstimmen lassen, Er aber will uns durch dies alles zielgerichtet belehren, sodass wir Sein Erbarmen nachvollziehen können und mithin Sein Herz kennenlernen.

  Ninive kehrte um. Die Botschaft Jonas hat herrliche Frucht gebracht!

  Hier könnte das Buch Jona enden. Wir würden mit einem Lobpreis der Wirksamkeit des Wortes sowie der Barmherzigkeit Gottes schließen. Aber da ist noch ein halsstarriger Mensch - ein einziger. Jonas Umsinnung bedarf noch der Vertiefung. Jona muss noch lernen, das ihm erwiesene große Erbarmen auch anderen zukommen zu lassen.

 

Jonas Zorn

 

  »Doch dies war Jona übel. ja etwas sehr Böses, und er war heiß erzürnt. Und er betete zu Jewe und sprach: Doch, Jewe, war dies nicht mein Wort, solange ich noch in meinem Land war? Darum kam ich Dir zuvor, indem ich nach Tarsis entwich, denn ich wusste, dass Du ein gnädiger und barmherziger El bist, langsam zum Zorn und reich an Huld und einer, der Sich hinsichtlich des beabsichtigten Bösen umstimmen lässt. Und nun, Jewe, nimm doch meine Seele von mir, denn mein Tod ist besser als mein Leben! - Und Jewe sprach: Ist es wohlgetan von dir zu zürnen?

  Und Jona ging aus der Stadt hinaus und ließ sich östlich der Stadt nieder, machte sich dort eine Hütte und saß unter ihr im Schatten, bis er sähe, was mit der Stadt werde« (4:1-5).

  Warum ist Jona heiß erzürnt? Gott hat ihm offenbart, dass Er die Stadt nicht vernichten werde. Jona hatte es ja gleich gewusst; denn als Jewe die zwei Gesetzestafeln erneuerte und Mose den Namen Jewes anrief, offenbarte Sich Jewe mit den Worten: »Jewe, El, mitleidsvoll und gnädig, langsam zum Zorn und groß an Huld und Treue« (2.Mose 34:6). Diese Worte des Herrn gehörten zum Grundwissen eines jeden Israeliten. Ist es die Eifersucht Jonas, die den Assyrern das Mitleid Gottes nicht gönnt? Oder fordert sein Gerechtigkeitsempfinden den Untergang der Israel eben doch feindlichen Stadt? Oder ist es der persönliche Ehrgeiz, der seine Prophetie nicht widerlegt sehen will? Sollte er etwa ein falscher Prophet sein, nach 5. Mose 18:22 erkennbar daran, dass die Prophetie nicht eintrifft? Gerichtsankündigungen aber müssen nicht unaufhaltsam eintreten, sondern sollen zur Umsinnung führen, denn »sollte Ich Gefallen am Tode des Gesetzlosen haben, spricht der Herr, Jewe«, durch Hesekiel, »sondern nicht vielmehr daran, dass er von seinen Wegen umkehre und lebe?« (Hes.18:23).

  Für die Verwaltung des Gerichts, den Tag des Zorns, aber sind die Gerichte fest beschlossen, denn die Menschen werden nicht umsinnen. Ninives Umsinnung war übrigens nicht von Dauer; es wurde 612 v. Chr. von Babylon erobert und zerstört. Der Prophet Nahum hatte dies etwa um 640 v. Chr. vorausgesagt (Nahum 2).

  In Psalm 145:9 sagt David: »Jewe ist gütig gegen alle, Sein Erbarmen umfasst alle Seine Werke.« Hüten wir uns jedoch, Jonas Engherzigkeit zu verurteilen, »denn«, schreibt Paulus in Römer 2:1, »worin du den anderen richtest, verurteilst du dich selbst; denn du, der du richtest, verübst dasselbe.« »Richtet daher nichts vor der gebührenden Zeit, bis der Herr kommt, der ... die Ratschläge der Herzen offenbaren wird« (1.Kor.4:5). Jonas Herzensratschläge werden uns in Kapitel 4 offengelegt, damit wir solche fleischlichen, dem seelischen Menschen gemäßen Regungen nicht wiederholen. Gewiss haben wir Verständnis für die Hebräer, denn selbst der Apostel Petrus erkannte erst nach der Vision über die unreinen Speisen und dem Besuch bei dem Hauptmann Kornelius den Umfang der Barmherzigkeit Gottes, als er aussprach: »In Wahrheit erfasse ich nun, dass Gott nicht die Person ansieht, sondern dass bei Ihm in jeder Nation der annehmbar ist, der Ihn fürchtet und Gerechtigkeit wirkt« (Ap.10:34,35).

  Jona, der Mann, dem viel Gnade widerfahren war und eine Rettung außergewöhnlichen Ausmaßes aus dem Bauch des Fisches, beharrt Gott gegenüber auf seinen Gedanken. Er fordert die Erfüllung seiner Gerichtsankündigung von Gott ein. Es ist so, wie Jewe zu Mose sprach: »Siehe, es ist ein halsstarriges Volk« (2.Mose 32:9), und wie Stephanus dem Synedrium vorhielt: »Ihr Halsstarrigen, ihr an Herzen und Ohren Unbeschnittenen, stets prallt ihr mit dem Geist, dem heiligen, zusammen! Wie eure Väter, so auch ihr!« (Ap.7:51).

  Jona ist so ergrimmt, dass er lieber sterben möchte als leben. Mit der Redefigur »Seele« bezeichnet sich Jona hier selbst. Da sagt Jewe zu Jona: »Ist es wohlgetan von dir zu zürnen? - Eine Antwort Jonas ist nicht verzeichnet. Sein Trotz ist ungebrochen; er setzt sich östlich der Stadt nieder, bis er sähe, was mit der Stadt geschehen würde.

 

Jonas Zurechtbringung

 

  »Da teilte Jewe Elohim [Jona] einen Rizinusstrauch zu, und dieser wuchs über Jona hinauf, zum Schatten zu werden über seinem Haupt, ja um ihn zu beschatten, damit er von dem ihm Böse Erscheinenden frei werde. Und Jona freute sich über den Rizinusstrauch in großer Freude.

  Am Tag danach aber beim Aufstieg der Morgenröte teilte der eine, Elohim, [dem Rizinus] einen Wurm zu, und dieser stach den Rizinus, sodass er verdorrte. Und es geschah, als die Sonne aufging, da teilte Elohim [Jona] einen äußerst heißen Ostwind zu, und die Sonne brannte auf Jonas Haupt, sodass er rot anlief. Und er wünschte, dass seine Seele sterbe, und sprach: Mein Tod ist besser als mein Leben!

  Und Elohim sprach zu Jona: Ist es wohlgetan von dir, wegen des Rizinus zu zürnen? Der antwortete: Wohlgetan ist mein Zorn bis zum Tode! Und Jewe sprach: Du, du möchtest den Rizinus verschont sehen, um den du dich nicht gemüht hast, den du nicht großgezogen hast, der als Sohn einer Nacht groß wurde und als Sohn einer Nacht zugrunde ging - Ich aber, Ich sollte Ninive, die große Stadt, nicht verschonen, in der mehr als 120.000 Menschen sind, die keine Erkenntnis haben, um zwischen ihrer Rechten und ihrer Linken unterscheiden zu können, und viele Tiere?« (4:6-11).

  Die letzte Aussage verstehe ich im rückblickenden Sinn, nämlich dass die Menschen vor ihrer Umsinnung nicht zwischen gut und böse zu unterscheiden wussten. 120.000 - dies ist vermutlich nicht die Einwohnerzahl des gesamten Stadtbereichs, sondern nur der Kernstadt.

  Gott allein ist es - »da ist niemand außer Mir; Ich bin Jewe Elohim, und da ist sonst keiner!« (Jes.45:6) -, der Jonas Herz gebildet hat (Ps.33:15), der Jona in die Widerspenstigkeit, nach Tarsis zu entweichen, eingeschlossen hatte (Röm.11:32) und der ihm den großen Fisch zugeteilt hatte. Und wieder hörten wir, dass Gott Seine Schöpfung anweist oder bestellt. Er hieß den Rizinus sprossen, Er beorderte den Wurm, Er lenkte den heißen Ostwind auf Jona, wie es in Psalm 33:9 heißt: »Er spricht, und es geschieht; Er gebietet, und es steht da«, und nimmt Jona damit in Seine Schule. Aus welch hartem Holz ist doch der Mann Gottes geschnitzt! Aber Elohim bringt ihn zurecht; Seine Barmherzigkeit gewinnt auch ihn.

  Wie froh ist Jona über die Rizinuspflanze und wie traurig und mitleidig, als sie verdorrt, sodass er die Frage Elohims, ob es sich für ihn zu zürnen gebühre, völlig unbesonnen und in Verkennung der Tatsache, wer hier eigentlich Herr ist, abtut: Mit Recht zürne ich bis zum Tode!

  Es darf als gesichert gelten, dass es ein Rizinus war, denn dieser wächst recht schnell, wird bis 3 m (in den Tropen bis 12 m) hoch, ist eine krautige Pflanze mit großen Blättern und geht bei einer geringen Verletzung der Wurzel schnell ein. Er wird nicht umsonst auch »Wunderbaum« genannt. Auf Hebräisch heißt er Qiqiun, punktiert Qiqajon, das heißt Jammermacher, insofern das Gift der Samen im Rizinusöl als Abführmittel dient.

  Mit großer Langmut geht Jewe wider auf Jona ein und vergleicht in einem einfühlsamen Zuspruch das Geschehen um den Rizinus mit Jonas Haltung gegenüber Ninive, indem Er Jona die göttliche Gesinnung vor Augen führt: Und Ich, sollte Ich nicht Mitleid haben mit Ninive?

  Diese geduldige Schulung Gottes hat Jona zur völligen Umsinnung geführt. Dies steht zwar nicht in der Schrift, muss aber auch nicht niedergeschrieben werden, da sich die Erkenntnis aufdrängt, dass Jonas starre Haltung von dem Erbarmen Gottes überwunden wurde. Die Güte Gottes führt dich zur Umsinnung, stellt Paulus in Römer 2:4 fest. Außerdem ist es ein feines literarisches Stilmittel, den Bericht so enden zu lassen, dass der Leser den Gedanken vollziehen muss.

  Auch uns bewegt das Mitleid Gottes mit Ninive und wie viel mehr noch die überströmende Erweisung Seines Mitleids und Seiner Zuneigung in Christus Jesus uns gegenüber, sodass wir alle offen sein dürften für den Zuspruch des Apostels Paulus in Römer 12, Verse 1 und 2: »Ich spreche euch nun zu, Brüder (im Hinblick auf die Mitleidserweisungen Gottes), eure Körper als ein lebendiges, heiliges und Gott wohlgefälliges Opfer bereitzustellen (als euren folgerichtigen Gottesdienst) und euch nicht auf diesen Äon einzustellen, sondern euch umgestalten zu lassen durch die Erneuerung eures Denksinns, damit ihr zu prüfen vermögt, was der Wille Gottes sei - der gute, wohlgefällige und vollkommene.« 

 

 

Dieter Landersheim

Höhenstraße 11

65824 Schwalbach a. Ts.

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