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Abgesondert für das Evangelium Gottes über Seinen Sohn (Röm.1:1-7)

Das Evangelium ist eine Gotteskraft (Röm.1:8-17)

Darum bist du unentschuldbar (Röm.1:18-2:2)

Der Maßstab des Urteils Gottes (Römer 2:3-29)

Gottes Gerechtigkeit, geoffenbart durch den Glauben Jesu Christi (Röm.3:1-23)

Umsonst gerechtfertigt in Seiner Gnade (Röm.3:24-31)

Glaubensgerechtigkeit am Beispiel Abrahams (Römer 4)

Wir rühmen uns der Versöhnung (Röm.5:1-11)

Adams Tat und Christi Tat (Röm.5:12-21)

Wir, die der Sünde starben (Röm. 6: 1-11)

Von der Herrschaft der Sünde befreit (Röm.6:12-23)

Dem Gesetz gestorben (Römer 7)

Die in Christus Jesus wandeln geistgemäß (Römer 8:1-14)

Wir erwarten den Sohnesstand (Römer 8:15-25)

Gott ist für uns (Römer 8:26-30)

Was wird uns von der Liebe Gottes scheiden? (Römer 8:31-39)

Israel, das schmerzlich geliebte Volk (Römer 9:1-18)

Hat der Töpfer nicht Vollmacht über den Ton? (Röm.9:19-33)

Das Wort des Glaubens (Röm. 10)

Gott verstößt doch nicht Sein Volk? (Röm.11:1-24)

Damit Er Sich aller erbarme (Röm.11:25-36)

Ausführungen zum Römerbrief (Kap. 12-16)

 


 Abgesondert für das Evangelium Gottes über Seinen Sohn

(Röm.1:1-7)

 

In seiner »Vorrede zum Römerbrief« schrieb Martin Luther: »Diese Epistel ist das rechte Hauptstück des Neuen Testaments und das allerlauterste Evangelium, welches wohl würdig und wert ist, dass sie ein Christenmensch nicht allein von Wort zu Wort auswendig wisse, sondern täglich damit umgehe als mit täglichem Brot für die Seele.« Und wenn auch viele die vier so genannten Evangelien für das rechte Hauptstück halten, so stimmen wir dennoch Martin Luther zu.

  Der Römerbrief ist die Grundlage der Lehre, an die alle Heiligen der gegenwärtigen Verwaltung der Gnade Gottes (Eph.3:2) übergeben wurden (Röm.6:17) und die sie erlernen sollen (Röm.16:17). Nicht auf den vier Berichten, denen des Matthäus, Markus, Lukas und Johannes, beruht unsere Glaubenslehre, denn deren Botschaft ist das Evangelium der Beschneidung, das die Verheißungen für das zukünftig wiedergeborene und gläubige Volk Israel zum Inhalt hat. Wir dagegen sind Glieder der herausgerufenen Gemeinde, die Christi Körper ist (Eph.1:23), und wissen um unsere Segnungen durch das Evangelium der Unbeschnittenheit, das dem Apostel Paulus enthüllt wurde (Gal.1:12; 2:7).

  Mit dem Brief an die Römer legt der Apostel Paulus das gewaltige Fundament unseres Glaubensgutes. Er schreibt in den Kapiteln 3 und 4 von unserer Rechtfertigung, in Kapitel 5 von unserer Versöhnung, in den Kapiteln 6-8:17 von unserer Heiligung, im Abschnitt 8:18-39 von unserer Verherrlichung, in den Kapiteln 9-11 von Gottes Erbarmen über Israel und ab Kapitel 12 von unserer Umsinnung und Umgestaltung für einen Gott wohlverehrenden Wandel und Dienst. Alle weiteren Briefe bauen darauf auf und setzen die Kenntnis aller dieser Grundlagen voraus. Und wenn auch die zwei Korintherbriefe und der Galaterabrief vor dem Römerbrief geschrieben wurden, so sind sie gleichwohl die rechte Veranschaulichung und Anwendung der Lehre des Römerbriefs, und zwar der 1. Korintherbrief hinsichtlich unseres Wandels, der 2. im Hinblick auf die Versöhnung und der Galaterbrief bezüglich der Rechtfertigung.

 

Paulus

 

  Der Brief beginnt mit den Worten: »Paulus, Sklave Christi Jesu, berufener Apostel, abgesondert für das Evangelium Gottes ...« Paulus ist der Absender des Briefes. Paulus, der auch Saulus heißt, gebraucht in allen seinen Briefen seinen griechischen Namen, der soviel wie »Pause« bedeutet, was uns ein Hinweis darauf sein darf, dass Gott mit seinem Wirken durch Paulus nun eine Unterbrechung Seines Wirkens durch Israel eintreten lässt.

  Paulus ist ein Sklave Christi Jesu. Für einen Sklaven gibt es gewöhnlich nur einen Willen, den seines Herrn. So nahm Paulus alle seine Gedanken unter den Gehorsam des Christus gefangen (2.Kor.10:5).

  Der Titel »Christus« weist auf Seine Ämter, Würden und Erhöhung hin, während Sein Name »Jesus« vor allem mit der Aussage der Rettung verknüpft ist. (Jesus bedeutet: Jewe der Retter.) Da der Titel »Christus« voransteht, dürfen wir erwarten, im Römerbrief das Wort des erhöhten, zur Rechten Gottes sitzenden Herrn, eben das Wort Christi (Kol.3:16), zu vernehmen.

  Paulus ist ein berufener Apostel. »Kein Mensch kann sich etwas nehmen, wenn es ihm nicht vom Himmel gegeben wird« (Joh.3:27). So wurde Paulus vom Herrn vor Damaskus berufen. Und so haben wir uns nicht selbst zu Gläubigen gemacht, sondern Gott war es, der uns gerettet und berufen hat nach Seinem eigenen Vorsatz und der Gnade, die uns in Christus Jesus vor äonischen Zeiten gegeben ist (2.Tim.1:9). Apostel, das heißt Beauftragter, konnte nur werden, wer in der Zeit von der Taufe bis zur Himmelfahrt Jesu mit dem Herrn und den Jüngern zusammen gewesen war (Ap.1:21). Paulus erfüllte diese Voraussetzung nicht und war zudem der ärgste Feind Jesu Christi, denn er wütete maßlos gegen die herausgerufene Gemeinde (Ap.8:3), doch wer will dem Berufenen des Herrn wehren? Wer will Gott daran hindern, den Grund für eine neue Verfahrensordnung, eine neue heilsgeschichtliche Verwaltung, nämlich die der überströmenden Gnade, zu legen? Durch Gottes Willen wurde Paulus berufen (1.Kor.1:1). Damals umriss der Herr den Auftrag des Paulus mit den Worten: »Dieser ist Mir ein auserwähltes Gerät, Meinen Namen vor die Augen der Nationen wie auch der Könige und der Söhne Israels zu tragen« (Ap.9:15).

 

Abgesondert

 

  Paulus ist abgesondert für das Evangelium Gottes. Mögen wir nicht zusammenfügen, was Gott getrennt hat! Mögen wir nie vergessen, dass Paulus abgesondert wurde, abgesondert vom Dienst der zwölf Apostel des Königreichs Israels. Seine Absonderung erfolgte viele Jahre nach seiner Berufung (33 n. Chr.) zusammen mit Barnabas in der herausgerufenen Gemeinde im syrischen Antiochien im Jahr 47 n. Chr., wo der Herr durch Seinen Geist sagte: »Sondert Mir auf jeden Fall Barnabas und Saulus für das Werk ab, zu dem Ich sie berufen habe« (Ap.13:2). In Gottes Ratschluss war Paulus dafür schon von seiner Mutter Leib an abgesondert (Gal.1:15). Nach seiner ersten Missionsreise schrieb Paulus an die Galater, dass ihm das von ihm verkündige Evangelium durch eine Enthüllung Jesu Christi zuteil wurde (1:12). 14 Jahre nach seiner Berufung unterbreitete er das Evangelium, das er unter den Nationen heroldete, denen in Jerusalem (2:1,2). Die Angesehenen dort, Jakobus, Kephas und Johannes, sahen ein, dass Paulus mit dem Evangelium der Unbeschnittenheit betraut ist so wie Petrus mit dem der Beschneidung. So wirkte er für die Nationen, sie aber für die Beschneidung (2:7-9).

 

Das verheißene Evangelium

 

  In Römer 1:2 wird das Evangelium, das Paulus verkündigt, näher gekennzeichnet: »... das Er zuvor durch Seine Propheten in heiligen Schriften verheißen hat ...« Welches Evangelium war verheißen? »Was sagt denn die Schrift? Abraham glaubte Gott, und das wurde ihm zur Gerechtigkeit angerechnet« (1.Mose 15:6; Röm.4:3). Sehr deutlich antwortet auch der Galaterbrief: »Da die Schrift aber voraussah, dass Gott die Nationen aus Glauben rechtfertigt, verkündigte sie schon vorher dem Abraham als Evangelium: In dir sollen alle Nationen gesegnet werden« (3:8). »Daher werden die aus Glauben mit dem gläubigen Abraham gesegnet« (3:9). »Christus wurde zum (Träger des) Fluch(s), damit der Segen Abrahams in Jesus Christus unter die Nationen gebracht werde, sodass wir die Verheißung des Geistes - den verheißenen Geist - durch den Glauben erhalten mögen« (3:14). »Wenn das Losteil (der wie durch ein Los zugefallene Teil des Segens und Aufgabenbereichs) aus dem Gesetz käme, dann wäre es nicht mehr aus der Verheißung. Dem Abraham aber hat Gott es durch Verheißung in Gnaden gewährt« (3:18). Dementsprechend heißt es in Römer 4:13: »Nicht durch Gesetz wurde dem Abraham oder seinem Samen die Verheißung zuteil, dass er Losteilinhaber der Welt sei, sondern durch Glaubensgerechtigkeit.« Schließlich sei noch Galater 3:22 angeführt: »Die Schrift schließt jedoch alle zusammen unter die Sünde ein, damit die Verheißung aus dem Glauben Jesu Christi denen gegeben werde, die glauben.«

  Paulus ist für die Verkündigung des verheißenen Evangeliums der Rechtfertigung allein durch Glauben abgesondert. Die zwölf Apostel Israels lehren dies nicht; der Glaube musste mit Umsinnung und mithin mit guten Werken verbunden sein, um  in das tausendjährige Königreich Israels gelangen zu können (Mat.7:21; Ap.2:38; Jak.2:24; 2.Pet.1:10,11).

  Das Evangelium Gottes, mit welchem Paulus betraut ist, enthält noch einen geheimen Teil, nämlich die Versöhnung Gottes mit der Welt, die in äonischen Zeiten bis zur Zeit der Abfassung des Römer- und des 2. Korintherbriefs verschwiegen war (Röm.16:25) und die er in den Kapiteln 5 bis 8:30 bekanntmacht. Niemals vorher war in der Schrift von der Versöhnung die Rede; folglich finden sich in diesem Abschnitt keine Zitate aus den heiligen Schriften. Die Versöhnung Gottes mit allen Menschen ist das Geheimnis des Evangeliums (Eph.6:19).

  Wie die Übersicht über den geistgewirkten, herrlichen Aufbau des Römerbriefs auf Seite 347 des Konkordanten Neuen Testaments aufzeigt, stehen sich der Beginn und der Schluss des Briefes spiegelbildlich gegenüber, denn an beiden Stellen ist von dem Evangelium des Apostels Paulus die Rede, und zwar am Anfang, soweit es bekannt war, nämlich in der Bekundung der Rechtfertigung, und am Ende, soweit es geheim war, nämlich in der Bekundung der Versöhnung (Röm.16:25,26).

 

Das Evangelium Gottes über Seinen Sohn

 

  Nun folgt in Vers 3 der Höhepunkt der Kennzeichnung des Evangelium Gottes, für das Paulus abgesondert ist: Das Evangelium Gottes ist das »über Seinen Sohn«. Sein Sohn, nicht der Mensch, ist das Herz des Evangeliums Gottes. Es erschien Gott wohl - so bezeugt Paulus in Galater 1:15,16 -, »Seinen Sohn in mir zu enthüllen, damit ich Ihn als Evangelium unter den Nationen verkündige.« Er, der Sohn Gottes, ist die gute Botschaft und die frohmachende Gabe Gottes, denn in Seinem Blut sind wir gerechtfertigt, durch Seinen Tod mit Gott versöhnt, in Ihm sind wir begnadet, in Ihm mit jedem geistlichen Segen inmitten der Überhimmlischen gesegnet (Eph.1:3), und Ihm wird jede Zunge von Herzen huldigen: Herr ist Jesus Christus, zur Verherrlichung Gottes, des Vaters (Phil.2:11).

  In den Versen 3 und 4 beschreibt Paulus den Sohn Gottes näher: »... der dem Fleisch nach aus dem Samen Davids kommt, der als Sohn Gottes erwiesen ist in Kraft nach dem Geist der Heiligkeit durch Auferstehung Toter ...« Nach den heiligen Schriften musste der Sohn Gottes ein Sohn Davids sein (2.Sam.7:12-14; Luk.1:32) — dem Fleisch nach. Dem Geist nach aber stammt Er von Gott ab. Gott zeugte Ihn durch Seinen Geist, wie der Bote zu Mirjam gesagt hatte: »Heiliger Geist wird auf dich kommen, und die Kraft des Höchsten wird dich beschatten; darum wird auch das Heilig-Gezeugte Sohn Gottes heißen« (Luk.1:35).

  Dass Jesus Christus der Sohn Gottes ist, wurde in Kraft erwiesen durch die Auferstehung Toter. Er hatte den Jüngling zu Nain (Luk.7:11-17), des Jairus Töchterlein (Luk.8:40-56) und Lazarus von Bethanien (Joh.11) auferweckt. Das war auch die Beweisführung Jesu gegenüber den Jüngern des Johannes: »Geht hin und berichtet Johannes, was ihr hört und erblickt: Blinde werden sehend, Lahme wandeln, Aussätzige werden gereinigt, Taube hören, Tote erwachen, und Armen wird Evangelium verkündigt« (Mat.11:4,5). Der Einzigartigkeit Jesu als des Sohnes Gottes tut es übrigens keinen Abbruch, dass auch andere Tote auferweckten, so Elia den Sohn der Witwe zu Zarpat (1.Kön.17:22), Elisa den Sohn der Sunamiterin (2.Kön.4:34), die Gebeine Elisas einen Mann (2.Kön.13:21), Petrus die Tabitha (Ap.9:40) und Paulus den Eutychus (Ap.20:10).

  Die Auferweckungen Toter geschahen gemäß dem Geist der Heiligkeit, der den Herrn prägte. Mit dem Ausdruck »Geist der Heiligkeit« ist der heilige Geist in einer herausragenden Weise beschrieben. Er war die Grundlage der absoluten Heiligkeit unseres Herrn Jesus Christus. Wer Ihn sah, sah den Vater (Joh.14:9). Diese einmalige Heiligkeit unterschied Ihn von allen Menschen und erwies Ihn als den Sohn Gottes.

  Paulus ergänzt die Kennzeichnung des Evangeliums Gottes über Seinen Sohn in Vers 4 mit den Worten: »... über Jesus Christus, unseren Herrn ...« Jesus Christus — es gibt keinen anderen Namen unter dem Himmel, in welchem wir gerettet werden (Ap.4:12). Er ist der Herr; mögen wir uns darum unter Seine gesegnete Herrschaft begeben. Wir wissen ja doch nicht, was sein muss (Röm.8:26), nur Er aber vermag unser Leben zu Seiner Verherrlichung zu gestalten. Er ist unser einziger Herr (Eph.4:5). Niemand anderem sollen wir deshalb hörig sein. Noch nicht einmal Paulus hatte die Herrschaft über den Glauben der Heiligen, sondern war nur Mitarbeiter an ihrer Freude (2.Kor.1:24).

 

Welch eine Gnade!

 

  Der Apostel Paulus fährt in Vers 5 fort: »... durch den wir Gnade erhielten und Aposteltum zum Glaubensgehorsam unter allen Nationen für Seinen Namen ...« Und was für eine Gnade Paulus erhalten hatte! Als Verfolger des verheißenen Messias hatte er den Tod verdient, wie Petrus betonte: »Mose sagte bereits: Einen Propheten wie mich wird euch der Herr, euer Gott, aus euren Brüdern aufstehen lassen; auf Ihn sollt ihr in allem hören, was immer Er auch zu euch sprechen wird. Es wird aber so sein: Jede Seele, die etwa auf jenen Propheten nicht hören wird, soll aus dem Volk ausgerottet werden« (Ap.3:22,23; 5.Mose 18:15,19). Aber Paulus hat Erbarmen erlangt, weil er es unwissend tat, im Unglauben (1.Tim.1:13). Und so bezeugt er: »Überwältigend aber ist die Gnade unseres Herrn, mit Glauben und Liebe, die in Christus Jesus ist. Glaubwürdig ist das Wort und jeden Willkommens wert, dass Christus Jesus in die Welt kam, um Sünder zu retten, von denen ich der erste bin. Jedoch, ebendeshalb erlangte ich Erbarmen, auf dass Jesus Christus an mir als erstem sämtliche Geduld zur Schau stelle, denen als Muster, die künftig an Ihn glauben, zu äonischem Leben« (1.Tim.1:14-16).

  Paulus ist von der Gnade überwältigt! Die Gnade ist ihm alles geworden. Die Gnade ist mithin das wesentliche Merkmal seines Evangeliums. Sie ist zugleich auch die Kraft und die Ausrüstung für seinen Dienst. In 1. Korinther 15:10 sagt er dies: »In der Gnade Gottes aber bin ich, was ich bin; und Seine Gnade, die in mir wirkt, ist nicht vergeblich gewesen; sondern weit mehr als sie alle mühe ich mich, jedoch nicht ich, sondern die Gnade Gottes, die mit mir ist.« In Römer 15:15,16 schreibt er von der Gnade, »die mir von Gott gegeben ist, damit ich der Amtsträger Christi Jesu für die Nationen sei, der als Priester des Evangeliums Gottes wirkt, damit die Darbringung der Nationen wohlannehmbar werde, geheiligt in heiligem Geist.« — Als Paulus dies niederschrieb, wirkte er noch anstelle des priesterlichen Volkes an den Nationen, denn die gegenwärtige Heilsverwaltung (oder: Haushaltung) war noch nicht angebrochen (Eph.3:2; Kol.1:25). — Jakobus, Kephas und Johannes hatten die Paulus gegebene Gnade erkannt (Gal.2:9). Mögen auch wir sie erkennen — diese Gnade, von der er in Epheser 3:8,9 schreibt: »Mir, dem bei weitem geringsten aller Heiligen, wurde diese Gnade gegeben, den Nationen den unausspürbaren Reichtum des Christus als Evangelium zu verkündigen und alle darüber zu erleuchten, was die Verwaltung des Geheimnisses betrifft, das von den Äonen an in Gott verborgen gewesen war.« Die Gnade, die Paulus verkündigt, haben wir im Übermaß erhalten (Röm.5:17), sie ist überströmend (Röm.5:20) und von überfließendem Reichtum (Eph.1:7,8)!

 

Welch ein Aposteltum!

 

  Und welch ein Aposteltum Paulus erhalten hatte! Sein Auftrag ist nicht der der zwölf Apostel der Beschneidung. Seine Aufgabe ist, den Glaubensgehorsam unter allen Nationen aufzurichten. Was ist der Glaubensgehorsam (oder: der Gehorsam des Glaubens)? Das ist nicht der Gehorsam gegen das Gesetz des Mose, sondern der Gehorsam gegenüber dem Wort Gottes, der aus dem Glauben folgt. Es ist der Gehorsam »für Seinen Namen«, wie Paulus es formuliert, wobei der Name für seinen Träger steht, mithin der Gehorsam, der dem Herrn Jesus Christus gebührt und der aus der Liebe zu Ihm sowie aus dem völligen Vertrauen auf Gottes wahres Wort und die Verwirklichung Seiner Verheißungen erwächst.

  Von des Paulus Aposteltum, Glaubensgehorsam unter allen Nationen hervorzurufen, ist der Römerbrief gleichsam eingerahmt, denn am Ende des Briefes lesen wir, dass das Geheimnis der Versöhnung durch die prophetischen Schriften des Paulus gemäß der Anordnung des äonischen Gottes für alle Nationen bekanntgemacht wird, um Glaubensgehorsam zu wirken (Röm.16:26; vgl. auch Röm.15:18). Zudem erwähnt Paulus in Römer 16:19 mit Freude den Gehorsam der Gläubigen zu Rom.

  Paulus ist in der Verwaltung der Gnade Gottes, unter der wir seit der Abfassung der Vollkommenheitsbriefe, des Epheser-, des Philipper- und des Kolosserbriefes, leben, der Herold und Apostel und Lehrer der Nationen in rechter Erkenntnis und in der Wahrheit (1.Tim.2:7). Die Zwölf dagegen werden erst im kommenden tausendjährigen Königreich Israels hingehen und alle Nationen zu Jüngern machen (Mat.28:19).

 

Berufene Jesu Christi

 

  Wir lesen Vers 6: »... unter denen seid auch ihr Berufene Jesu Christi ...« Unter denen aus den Nationen sind auch die Gläubigen in Rom Berufene Jesu Christi. Gott hat sie aus der Welt herausgerufen, ihnen den Glauben geschenkt (Phil.1:29), sie mit dem Geist der Verheißung, dem heiligen, versiegelt (Eph.1:13) und sie zur Gemeinschaft mit Seinem Sohn Jesus Christus, unserem Herrn, berufen (1.Kor.1:9). Aus den Vollkommenheitsbriefen geht hervor, dass sie eine überhimmlische Berufung haben; sie sind für die kommenden Äonen zum Dienst des Herrn inmitten der Überhimmlischen berufen als die Vervollständigung Christi, der das All in allem vervollständigt (Eph.1:23; 2:6,7; 4:1).

 

Allen Geliebten Gottes

 

  Mit Vers 6 ist die stark erweitere Absenderangabe abgeschlossen. Es folgt in Vers 7 die Angabe der Empfänger: »... allen Geliebten Gottes und berufenen Heiligen, die in Rom sind: ...« Viele Male spricht Paulus seine Brüder und Schwestern in Christus Jesus als Geliebte Gottes an. Welch ein Zuspruch! Wir sind Geliebte Gottes! Was wollen wir noch mehr! Das All ist in dem Sohn der Liebe Gottes erschaffen (Kol.1:13,16); Gott erweist uns Seine Liebe dadurch, dass Christus für uns starb, als wir noch Sünder waren (Röm.5:8); auch kann uns gar nichts und gar niemand von Seiner Liebe scheiden, die in Christus Jesus ist (Röm.8:35-39); und schließlich wird unser Gott und Vater alles in Liebe vollenden, indem Er durch den Sohn Seiner Liebe das All mit Sich aussöhnt, durch das Blut des Kreuzes Frieden herbeiführend (Kol.1:20).

  Des weiteren redet Paulus die Gläubigen als berufene Heilige an. Heilig ist, wer Gott angehört. Heilig ist, wen Er für Sich abgesondert hat, in Neuheit des Lebens zu Seiner Verherrlichung zu wandeln und zu dienen. Wie herrlich: Heilige sind wir; wir sind Gottes! Mögen wir nun auch unsere Heiligkeit in der Furcht Gottes vollenden (2.Kor.7:1), indem wir uns von der Art und Weise dieser Welt abgesondert verhalten (2.Kor.6:17), nichts Unreines anrühren und uns fernhalten von allem, was böse aussieht (1.Thess.5:22).

  Es fällt auf, dass der Brief nicht an die herausgerufene Gemeinde in Rom gerichtet ist, sondern an die Geliebten Gottes und Heiligen, die in Rom sind. Dies ist aber überein damit, dass der Römerbrief vorrangig unser persönliches Verhältnis zu Gott behandelt, die Rechtfertigung und Versöhnung des Einzelnen. In den beiden Korintherbriefen und im Galaterbrief geht es der Adressierung an die herausgerufenen Gemeinden entsprechend um das Auswirken dieser geistlichen Segnungen in der Gemeinschaft der Heiligen.

 

Der Segensgruß

 

  Und nun grüßt der Apostel Paulus die in Rom (Vers 7): »Gnade sei euch und Friede von Gott, unserem Vater, und dem Herrn Jesus Christus!« Diesen kostbaren Segensgruß finden wir in allen Briefen unseres Apostels, zum Teil leicht abgewandelt. Gnade und Friede — das ist nämlich das Gepräge seines Evangeliums. Gott, unser Vater, der Geber aller Gaben, und Jesus Christus, unser Herr, der Mittler aller Gaben, mögen uns den Frieden, den die Versöhnung mit Gott uns vermittelt, und die dem zugrunde liegende Gnade der Rechtfertigung tief ins Herz senken, damit wir völlig davon erfüllt werden und überfließen in Dank. Der Lobpreis und die Verherrlichung seien unserem Gott und Vater im Namen unseres Herrn Jesus Christus, dass wir in der reinen Gnade stehen, sodass wir als im Übermaß Gesegnete in der Freude und in der Zuversicht überfließen mögen.

Das Evangelium ist eine Gotteskraft

(Röm.1:8-17)

Nach den Eingangsworten von seiner Absonderung für das Evangelium Gottes über Seinen Sohn und dem Segensgruß dankt der Apostel Paulus im Römerbrief seinem Gott für die Heiligen in Rom. Danken ist das erste, was er tut. Er schreibt in Römer 1:8: »Zuerst danke ich meinem Gott durch Jesus Christus für euch alle, da euer Glaube in der ganzen Welt verkündigt wird.« Er dankt seinem Gott durch Jesus Christus, welcher der Einzige ist, durch den Gott mit den Menschen verkehrt und durch den der Mensch Zutritt zum Vater hat (Eph.2:18). Es gibt nur diesen einen Mittler (1.Tim.2:5). Paulus sagt »mein Gott«; er verherrlicht Ihn mithin als seinen ganz persönlichen, alleinigen, allgewaltigen und weisen Verfüger. Der Grund seines Dankes ist der Glaube der römischen Brüder und Schwestern, und zwar ihre Festigkeit und Bewährung im Glauben. Seinem Gott dankt er dafür, denn Gott ist es, der ihnen Stetigkeit und Wachstum im Glauben verliehen hat. In Übereinstimmung mit einem der Schwerpunkte des Briefes betont Paulus den Glauben derer in Rom, nicht ihre Werke.

Durch den Willen Gottes


 
 

Paulus schreibt weiter: »Denn mein Zeuge ist Gott (dem ich in meinem Geist am Evangelium Seines Sohnes Gottesdienst darbringe), wie unablässig ich euer gedenke, allezeit in meinen Gebeten flehend, ob ich etwa endlich einmal so glücklich daran sein werde, durch den Willen Gottes zu euch zu kommen« (Verse 9 und 10). Paulus weiß, dass nicht er wählen kann, wann er in Rom sein wird, sondern er nur durch den Willen Gottes dorthin gelangt. Über allen widerstreitenden Kräften und Mächten steht unser Gott und Vater, der alles nach dem Ratschluss Seines Willens bewirkt und Tag und Stunde des Eintreffens in Rom bestimmt.

In seinem Geist bringt Paulus Gottesdienst dar, nicht in seinem Fleisch, das ja vor Gottes Angesicht gekreuzigt und abgetan ist, und somit nicht in religiösen Handlungen, nicht an sogenannten heiligen Orten und nicht in von Institutionen festgelegten Ritualen. Paulus hat sich von den Zeremonien Israels gelöst. Wir sollen und können es ihm nachtun, denn unser Geist ist geheiligt und ist Leben, weil Christi Geist in uns wohnt (Röm.8:9,10). Überall und allezeit können wir Gott in unserem Geist anbeten und verherrlichen durch Christus Jesus, unseren Herrn.

Am Evangelium des Sohnes Gottes bringt Paulus Gottesdienst dar. Dieser Begriff weist auf die das All umfassende Bedeutung des Evangeliums hin. Bezeichnete Paulus das Evangelium als das des Sohnes Davids, beschränkte er es auf Israel; würde er es »Evangelium des Sohnes des Menschen« (oder: Adams) nennen, so stünde Seine leibliche Verbundenheit mit den Menschen auf der Erde im Vordergrund. Der Ausdruck »Sohn Gottes« aber redet von Jesu geistlicher Beziehung zu Gott und umspannt das All.

Des Paulus Sehnsucht

Paulus fährt mit Vers 11 fort: »Denn ich sehne mich danach, euch zu Gesicht zu bekommen, damit ich euch etwas geistliche Gnadengabe mitteile, um euch zu festigen.« Durch den Geist Gottes miteinander verbunden, sehnen wir uns danach, auch einander zu sehen, um uns gegenseitig zu belehren und zuzusprechen und die Freude über das Evangelium der Herrlichkeit des glückseligen Gottes (1.Tim.1:11) zu teilen. Mit der geistlichen Gnadengabe meint Paulus nicht bestimmte Gnadengaben, wie zum Beispiel Glaube, Erwartung und Liebe (1.Kor.13:13), sondern geistliche Speise im allgemeinen Sinne zur Auferbauung und weiteren Festigung. Und welch eine feste Speise er mit dem Römerbrief allen darreicht! Und in Römer 15:29 verheißt er: »Ich weiß aber, dass ich (wenn ich zu euch komme) in der Vervollständigung des Segens Christi kommen werde.« Und so war es auch: In Rom schrieb er die Vollkommenheitsbriefe, den Epheser-, den Philipper- und den Kolosserbrief, und vervollständigte das von ihm verkündigte Evangelium in aller seiner Herrlichkeit.

Gegenseitiger Zuspruch

 

In Vers 12 folgt eine weitere Begründung: »Dies geschieht aber, damit mir mit zugesprochen werde unter euch durch den beiderseitigen Glauben, den euren wie auch den meinen.« Auch der Apostel Paulus bedarf des Zuspruchs durch den Glauben der Geschwister, der Stärkung und Ermutigung durch die gegenseitige Mitteilung der Gewissheit, der Freude, des Friedens und anderer Erfahrungen, die der Glaube vermittelt. So darf einer dem anderen dienen.

Paulus hat in den Versen 8 bis 12 sein Herz offenbart. Mit ganzer Seele sehnt er sich nach den Heiligen in Rom und fleht in seinen Gebeten, an ihrer Gemeinschaft teilhaben zu dürfen. Sicherlich hat er damit auch die Herzen dieser Brüder und Schwestern gewonnen.

Verhinderungen

 

In Vers 13 lesen wir: »Auch will ich euch nicht in Unkenntnis darüber lassen, meine Brüder, dass ich mir oftmals vorsetzte, zu euch zu kommen (bisher wurde es mir verwehrt), damit ich auch unter euch etwas Frucht habe, so wie auch unter den übrigen Nationen.« Bisher wurde es Paulus verwehrt, nach Rom zu kommen. Auf der zweiten Missionsreise war dergleichen schon einmal geschehen, nachzulesen in Apostelgeschichte 16:6-9: »Danach kamen sie durch Phrygien und das galatische Land; doch wurde ihnen vom heiligen Geist verwehrt, das Wort in der Provinz Asien zu sprechen. Als sie auf Mysien zukamen, versuchten sie, nach Bithynien zu gehen, aber der Geist Jesu ließ sie nicht. Da gingen sie an der Grenze Mysiens vorbei und zogen nach Troas hinab. Hier erschien Paulus während der Nacht ein Gesicht: Ein mazedonischer Mann stand da, sprach ihm zu und bat: »Setze nach Mazedonien über und hilf uns!« Gott verhinderte also durch eine Enthüllung oder besondere Umstände das eine und das andere Vorhaben, weil Er andere Pläne hatte. Er hatte ein anderes Wirkungsfeld für Paulus vorgesehen, nämlich Mazedonien und damit Europa.

Anders war es, als Paulus versuchte, nach Thessalonich zurückzukehren und Satan ihn daran hinderte (1.Thess.2:18). Jener wirkt durch listige Verstrickungen von Verhältnissen. Unser Gott und Vater aber sieht viel weiter und hat höhere Absichten: Da Paulus in diesem Fall nicht in jene Stadt reisen konnte, musste er den ersten Thessalonicherbrief schreiben, der uns heute noch dient.

Nach Rom zu kommen, war Paulus von Gott aus einem bestimmten Grund verwehrt. Wie aus Römer 15:19 hervorgeht, wollte er zuerst das Evangelium des Christus von Jerusalem aus ringsumher bis nach Illyrien (das lag nordwestlich von Mazedonien) völlig ausrichten. »Darum auch«, so schreibt Paulus in Römer 15:22, »wurde ich vielfach verhindert, zu euch zu kommen«. Weiter teilt er mit, dass er zunächst nach Jerusalem gehe, um eine Beisteuer für die Armen unter den dortigen Heiligen zu überbringen, und danach wolle er nach Spanien reisen und auf der Durchreise die in Rom besuchen (Röm.15:23-28). Paulus kam zwar auf andere Weise nach Rom als er dachte, aber es ist und bleibt so, dass unser treuer Gott und Vater die von Ihm vorherbereiteten Wege eröffnet, wenn die rechte Stunde gekommen ist.

Frucht auch in Rom

Der Apostel Paulus will unter den Heiligen, die in Rom sind, etwas Frucht bringen. Frucht bezeichnet das vielfältige Ergebnis der Wirksamkeit des Geistes Gottes in den Gläubigen und durch sie aufgrund der empfangenen Gnade und des Wortes Gottes. Gewiss möchte Paulus durch Belehrung, Zuspruch und Ermahnung die Erneuerung des Denksinns und die Heiligung der Brüder und Schwestern fördern. Er wird sie in ihrer Arbeit im Glauben, ihrem Mühen in der Liebe und in der Beharrlichkeit der Erwartung unseres Herrn Jesus Christus bestärken wollen (vgl. 1.Thess.1:3). Er will dazu beitragen, dass sie gleichgesinnt seien, einer den anderen in Demut sich selbst für überlegen erachte und jeder nicht auf das Seine, sondern jeder auch auf das Wohl der anderen achte, der Gesinnung Christi Jesu entsprechend (vgl. Phil.2:2-5). Paulus will sich um ihr Wachstum mühen, hinein in den, der das Haupt ist, Christus (Eph.4:15). Und er wird sie in der Verkündigung des Evangelium ermutigen, damit weitere Auserwählte zum Glauben kommen. Auf diese Weise wird Paulus selbst Frucht bringen in der Kraft Gottes. Und für die Frucht, die er bei den Römern hervorgerufen hat, wird er vor der Preisrichterbühne des Christus Lob und Lohn erhalten (1.Kor.3:8,14; 9:17,18).

Paulus, der Schuldner

Nun leitet der Apostel Paulus zum Thema seines Briefes über. Dieses ist: Das Evangelium ist eine Gotteskraft zur Rettung für jeden Glaubenden. In Vers 14 schreibt er: »Den Griechen wie auch den Nichtgriechen, den Weisen wie auch den Unvernünftigen gegenüber bin ich ein Schuldner.« Paulus ist ein Schuldner. Der Herr Jesus Christus hat ihn in die Pflicht genommen. In 1.Korinther 9:16 spricht Paulus von einer ihm auferlegten Notwendigkeit, das Evangelium zu verkündigen. Er weiß sich dem gesamten Erdkreis verpflichtet, den Griechen — darunter darf hier jeder gebildete Mensch verstanden werden —, den Nichtgriechen — das sind hier solche, die die griechische Weltsprache nicht beherrschten; das verstand man damals unter einem Barbaren —, den Weisen dieser Welt, deren Weisheit jedoch bei Gott Torheit ist und deren Schlussfolgerungen nichtig sind (1.Kor.3:19.20), und den Unvernünftigen oder Törichten. Ja, gerade auch die Törichten beruft Gott, damit Er die Weisen zuschanden mache. »Das Niedriggeborene der Welt und das von ihr Verschmähte erwählt Gott, ja das, was bei ihr nichts gilt, um das abzutun, was bei ihr etwas gilt, damit sich überhaupt kein Fleisch vor den Augen Gottes rühmen könne« (1.Kor.1:28,29).

Auch wir schulden es den Menschen, ihnen das Evangelium bekannt zu machen. Sie verschmachten aus Mangel an Erkenntnis. Wir können den uns gewährten Lichtglanz der im Angesicht Jesu Christi gewonnen Erkenntnis der Herrlichkeit Gottes nicht für uns behalten (2.Kor.4:6). Wir glauben, darum sprechen wir auch (2.Kor.4:13). Wir sind Gesandte für Christus, und wenn wir reden, ist es so, als ob Gott Selbst spräche. Wir flehen für Christus: Lasst euch mit Gott versöhnen! (2.Kor.5:20).

Paulus fährt in Vers 15 fort: »Daher also das Verlangen bei mir, auch euch, denen in Rom, Evangelium zu verkündigen.« Paulus begehrt — die ihm anvertraute Botschaft drängt ihn —, auch denen in Rom Evangelium zu verkündigen. Es muss denen gesagt werden, für die es bestimmt ist, den Nationen, dem stolzen, mächtigen und Gott feindlichen Rom. Indem Paulus nun aber, wie er schreibt: »euch«, also den Gläubigen in Rom, die frohe Botschaft sagen will, bezieht er sie in seine Verpflichtung als Schuldner gegenüber der heidnischen Welt ein.

Paulus schämt sich des Evangeliums nicht

Jetzt kommen wir zu den Kernversen, deren Inhalt Paulus im Verlauf des Briefes entfaltet; zunächst Vers 16: »Denn ich schäme mich des Evangeliums nicht; denn es ist eine Gotteskraft zur Rettung für jeden Glaubenden, dem Juden zuerst wie auch dem Griechen.«

»Ich schäme mich des Evangeliums nicht.« Man schämt sich, wenn man etwas Minderwertiges vorzutragen hat oder befürchten muss, dass die Botschaft geringgeachtet, abgelehnt oder gar befehdet wird. Für die Nationen ist das Evangelium zwar eine Torheit, aber Furcht und Scham sind nicht angebracht, denn das Gotteswort ist das Kostbarste, was den Menschen gesagt werden kann. Der Herrlichkeit des Evangeliums schämt man sich nicht. Schon der Psalmist sagte: »Vor Königen werde ich reden von Deinen Zeugnissen und mich nicht schämen« (Ps.119:46). So schämt auch Paulus sich nicht und spricht später auch dem Timotheus in diesem Sinne zu: »Schäme dich nun nicht des Zeugnisses unseres Herrn noch meiner, Seines Gebundenen, sondern leide Übles mit mir für das Evangelium nach der Kraft Gottes« (2.Tim.1:8).

Die Gotteskraft

»... denn es ist eine Gotteskraft ...« Kann man dem doch in menschlichen Worten verkündigten Evangelium so viel Energie zumessen? Ja, »denn nicht durch den Willen eines Menschen wurde jemals ein Prophetenwort hervorgebracht, sondern von heiligem Geist getragen, haben heilige Menschen Gottes gesprochen« (2.Petr.1:21). »Alle Schrift ist gottgehaucht« (2.Tim.3:16). Paulus dankt Gott unablässig dafür, dass die Thessalonicher, als sie das Wort der Kunde Gottes erhielten, es nicht als Menschenwort aufnahmen, sondern — so wie es wahrhaft ist —, als das Wort Gottes, das sich auch in den Gläubigen als wirksam erwies (1.Thess.2:13). Dieses Wort, von Menschen in deren Ausdrucksweise niedergeschrieben, ist mit Geist erfüllt und somit kraftvoll. Wie ehedem, als Elohim sagte: »Es werde Licht! Und es wurde Licht« (1.Mose 1:3), und wie damals, als unser Herr Jesus Christus rief: »Lazarus herzu, komm heraus!« (Luk.11:43), so mächtig ist es auch heute, und zwar darin, Menschen zu retten. Unser Herr sagte: »Die Worte, die Ich zu euch gesprochen habe, sind Geist und sind Leben« (Joh.6:63).

»... es ist eine Gotteskraft zur Rettung ...« Die göttliche Kraft des Evangeliums erweist sich darin, dass es seelische Menschen, die von sich aus gar nicht erkennen können, dass die Worte Gottes Wahrheit sind (1.Kor.2:14), aus der Welt herausruft und in die herausgerufene Gemeinde einfügt. Gott beruft sie zur Gemeinschaft mit Seinem Sohn Jesus Christus, unserem Herrn (1.Kor.1:9).

Gott hat Seine Kraft in das Evangelium hineingelegt. Das Evangelium ist die einzige Kraft im Weltall, die Sünder und Feinde Gottes rettet. Es bewirkt den Glauben der Auserwählten und rettet sie somit.

Einige Inhalte unserer Rettung seien kurz angedeutet:

Die Kraft zur Rettung liegt in der Botschaft, dass Jesus Christus für uns gekreuzigt und auferweckt wurde. »Das Wort vom Kreuz ist Gottes Kraft« (1.Kor.1:18) — das Evangelium vom Kreuz. Unser Leben lang wird dieses Evangelium Wirkungen zur Verherrlichung unseres Gottes und Vaters erzeugen, die wir — auf uns selbst gestellt — niemals hervorbringen könnten. Es wird unseren Denksinn erneuern (Röm.12:2) und der Frucht des Geistes Bahn brechen: Liebe, Freude, Friede, Geduld, Milde, Gutheit, Treue, Sanftmut, Selbstzucht (Gal.5:22).

Für jeden Glaubenden

Vers 16 schließt mit den Worten: »... für jeden Glaubenden, dem Juden zuerst wie auch dem Griechen.« An jedem Glaubenden erweist sich die Gotteskraft des Evangeliums in der Rettung. Das heißt nun nicht, dass nur die, die während ihres Lebens zum Glauben kommen, jemals gerettet werden könnten, sondern drückt aus, bei welchen Menschen diese Gotteskraft heute wirksam wird: Bei den Glaubenden erweist sie sich.

Glauben, dem glaubwürdigen und treuen Gott glauben, was Er sagt — einfacher und schlichter geht es nicht, damit es der Gnade gemäß sei (Röm.4:16), denn glauben ist kein Verdienst, ebensowenig wie man sich die Gnade verdienen kann. Aber ach! — Fleisch kann es ja gar nicht; so gewährt Gott es den Auserwählten in Gnaden, an Ihn zu glauben (Phil.1:29).

Beachten wir: Nicht der Glaube rettet, sondern Gott rettet durch Seine Kraft, die Er in das Evangelium hineingelegt hat. Gott teilt Sein Rettungswerk nicht mit den Menschen, sondern Er tut alles: Er wählte aus, Er sandte Seinen Sohn, Er beruft — den Glauben schenkend —, Er rettet.

»... dem Juden zuerst wie auch dem Griechen.« Zur Zeit der Niederschrift des Römerbriefs, in der heilsgeschichtlichen Verwaltung des Übergangs von der pfingstlichen zur gegenwärtigen, war die Körperschaft Christi noch nicht vereinigt; die Juden hatten dem Fleisch nach den Vorrang vor den Heiligen aus den Nationen. Diese zwei Gruppen von Gläubigen innerhalb der herausgerufenen Gemeinde, die Christi Körperschaft ist (ich spreche nicht vom wiedergeborenen und gläubigen Israel), wurden erst mit der Abfassung des Epheserbriefs eins gemacht (Eph.2:11-22). Wir sind jetzt Glieder einer gemeinsamen Körperschaft (Eph.3:6).

Die Gerechtigkeit Gottes

Mit Vers 17 gibt der Apostel Paulus eine weitere Begründung dafür, dass er sich des Evangeliums nicht schämt: »Denn Gottes Gerechtigkeit wird darin enthüllt aus Glauben für Glauben, so wie es geschrieben steht: Der Gerechte wird aus Glauben leben.«

Die Gerechtigkeit Gottes ist dank des Evangeliums, das Paulus verkündigt, nicht mehr verborgen. Gott ist gerecht. Wer wollte daran zweifeln? Doch Seine Gerechtigkeit war darin, dass Er böse Taten bestrafte und gute Werke belohnte, nicht völlig erkennbar. Auch Sein Hinweggehen über die vormals geschehenen Versündigungen aufgrund ihrer Beschirmung durch die nach dem Gesetz dargebrachten Opfer (Röm.3:25) und die von den zwölf Aposteln verkündigte Erlassung (oder: Vergebung) der Sünden offenbarten die Gerechtigkeit Gottes nicht zufriedenstellend. Dies ist erst am Kreuz geschehen und dem Apostel Paulus für uns enthüllt worden. So schreibt er in Römer 3:21-23: »Nun aber hat sich, getrennt vom Gesetz, Gottes Gerechtigkeit offenbart (vom Gesetz und den Propheten bezeugt), eine Gerechtigkeit Gottes aber durch den Glauben Jesu Christi, die für alle ist und auf alle Glaubenden kommt. Denn da ist kein Unterschied; denn alle sündigten und ermangeln der Herrlichkeit Gottes.« Jetzt ist das Problem des gerechten Umgangs mit der Sünde aller gelöst. Nun ist Gottes Gerechtigkeit erwiesen. Am Kreuz hat die Sünde ein für allemal ihr gerechtes Urteil empfangen. Gott ist absolut gerecht gegen alle: Er hebt die Verurteilung aller Menschen durch den einen Rechtsspruch über Jesus Christus am Kreuz auf. Durch den Ungehorsam Adams waren alle Menschen ohne gehört zu werden als Sünder eingesetzt worden; durch den Glaubensgehorsam Jesu Christi bis zum Kreuzestod werden sie alle — wiederum ohne gefragt zu werden — als Gerechte eingesetzt werden (Röm.5:19). So sieht Gottes Gerechtigkeit aus. Die Verurteilung aller ist am Kreuz erfolgt (Röm.8:3; 2.Kor.5:14); Er verurteilt nicht ein zweites Mal. Der Gerechtigkeit ist Genüge getan. Nun ist es gerechtfertigt, dass Gott allen unvergängliches Leben gibt (Röm.5:18), zumal Christus Sich aus Liebe zu allen dahingegeben hat.

Auf der Grundlage Seiner Gerechtigkeit kann Gott nun Gnade gewähren. Die Gnade herrscht in der gegenwärtigen Verwaltung, und zwar »durch Gerechtigkeit« (Röm.5:21). Unser Gott und Vater lässt nicht Gnade vor Recht ergehen, sondern Seine Gnadenerweisungen haben eine gerechte Grundlage.

Der gerechte Gott gewährt denen, die Ihm glauben, heute bereits die volle Gerechtigkeit, indem Er sie rechtfertigt von allen Sünden, das heißt freispricht und für gerecht erklärt. Die Gerechtigkeit Gottes ist aber »für alle« (Röm.3:22); allen ist sie verbürgt, denn unser Herr und Retter starb für alle.

Aus dem Glauben Jesu Christi

Nun stoßen wir in Vers 17 auf die knappe Bemerkung »... aus Glauben für Glauben ...« Die Gerechtigkeit Gottes ist im Evangelium des Apostels Paulus enthüllt »aus Glauben für Glauben.« Aus dem Glauben Jesu Christi, aus Seinem Glaubensgehorsam bis zum Kreuzestod heraus ist es geschehen, dass die Gerechtigkeit Gottes nun völlig erkennbar ist. Vom Glauben unseres Herrn lesen wir unter anderem auch in Römer 3:22 und 5:1 sowie in Galater 2:16 und 3:2,5. In Philipper 3:9 schreibt Paulus, dass er Christus gewinnen und als in Ihm befunden werden wolle, »indem ich nicht meine eigene Gerechtigkeit habe, nämlich die aus dem Gesetz, sondern die durch den Glauben Christi, die Gerechtigkeit aus Gott aufgrund des Glaubens« — aufgrund des Glaubens Christi!

Mit dem Ausdruck »für Glauben« sind wir angesprochen. Die Gerechtigkeit Gottes ist enthüllt, damit wir unseren Glauben darauf gründen und entfalten, damit wir in diesem Glauben leben, ja damit wir einen gerechten Glaubenswandel führen mögen.

»Aus Glauben für Glauben« bedeutet mithin: aus Christi Glauben für unseren Glauben. »... so wie es geschrieben steht: Der Gerechte wird aus Glauben leben.« Um den Wandel aus Glauben herauszustellen, zitiert Paulus hier den Propheten Habakuk, Kapitel 2, Vers 4. Der Sinn des Zitats liegt nicht darin, die Rechtfertigung aus Glauben zu begründen. Davon steht nichts in der Schriftrolle des Propheten, sondern dort ist zu lesen, dass der gerecht Wandelnde in notvoller Zeit aufgrund seines Glaubens oder seiner Treue Gott gegenüber beim Ansturm der feindlichen Chaldäer gerettet werden und leben wird.

So sind auch wir aufgefordert, als Gerechtfertigte nun aus dem Glauben Christi und im Glauben zu leben, wie der Apostel Paulus es in seinem Brief an die Römer weiter ausführt und wie er selbst es tut; in Galater 2:20 bezeugt er: »Zusammen mit Christus bin ich gekreuzigt; ich lebe aber, doch nicht mehr ich, sondern in mir lebt Christus. Was ich aber von nun an im Fleisch lebe, das lebe ich im Glauben, dem des Sohnes Gottes, der mich liebt und Sich Selbst für mich dahingegeben hat.«
 
 

Darum bist du unentschuldbar

(Röm.1:18-2:2)

Der Apostel Paulus schreibt im Römerbrief, Kapitel Eins, Vers 18: »Denn enthüllt wird der Zorn Gottes vom Himmel her über alle Unfrömmigkeit und Ungerechtigkeit der Menschen, die die Wahrheit in Ungerechtigkeit niederhalten ...«. Dieser Vers beginnt mit einem »denn« und ist mithin mit dem Vorangehenden eng verknüpft. Wir lesen ab Vers 16, dass Paulus sich des Evangeliums nicht schämt und dies in dreifacher Weise begründet: 1. denn es ist eine Gotteskraft zur Rettung für jeden Glaubenden; 2. denn Gottes Gerechtigkeit wird darin enthüllt aus Glauben für Glauben (V.17) und 3. denn enthüllt wird der Zorn Gottes (V.18). Paulus schämt sich unter anderem auch deshalb seines Evangeliums nicht, weil der kommende Zorn Gottes die dringliche Notwendigkeit seines Evangeliums deutlich macht. Und er braucht sich wahrhaftig nicht zu verstecken mit seinem Evangelium, denn es ist die einzige Kraft im Weltall, die vor dem Zorn Gottes rettet. Im Übrigen ist der Zorn Gottes ein Teil der Gerechtigkeit Gottes, den man ebenfalls freimütig verkündigen darf. Dieser Aspekt Seiner Gerechtigkeit reicht natürlich nicht heran an die Gerechtigkeit, die durch den Glauben Jesu Christi offenbart wurde (Röm.3:22), der der Sünde ein für allemal starb (Röm.6:10) und so das Leben aller rechtfertigte (Röm.5:18).

Wenn wir auch in der Verwaltung der Gnade Gottes leben, die dem Paulus gegeben ist (Eph.3:2), und unser Gott und Vater heute keinem Menschen eine Kränkung anrechnet (2.Kor.5:19), so müssen wir doch wissen, dass der Zorn Gottes eines Tages über die Menschheit kommt. Am Tag Jewes (wie es im Alten Testament heißt), am Tag des Herrn (so heißt es im Neuen Testament), in der Endzeit, dem letzten Jahrsiebener in diesem Äon, wird Gottes gerechter Zorn enthüllt werden, und zwar »über alle Unfrömmigkeit und Ungerechtigkeit der Menschen, die die Wahrheit in Ungerechtigkeit niederhalten.«

Es ist ausgesprochen ungerecht, die Wahrheit zu erkennen und sie dennoch zu unterdrücken. Wer die Schöpfung sieht und dennoch den Schöpfer nicht ehrt, hat sich in grundlegender Weise gegen die Wahrheit eingestellt. Die Folgen dieser die Wahrheit verleugnenden Grundhaltung sind Unfrömmigkeit und Ungerechtigkeit. Unfrömmigkeit kennt keine Ehrfurcht vor Gott und ehrt Ihn nicht. Und wo die Frömmigkeit, die rechte Verherrlichung Gottes, fehlt, gibt es keinen gerechten Maßstab mehr für das gesamte Verhalten des Menschen.

Gott ist erkennbar

Über alle Unfrömmigkeit und Ungerechtigkeit aber wird der Zorn Gottes enthüllt werden, »weil« — wie Paulus in den Versen 19 und 20 ausführt — »das über Gott Erkennbare unter ihnen offenbar ist; denn Gott hat es ihnen offenbart: Denn Seine unsichtbaren Wesenszüge sind seit der Schöpfung der Welt an den Tatwerken begreiflich und ersichtlich geworden (nämlich Seine unwahrnehmbare Kraft und Göttlichkeit), damit sie unentschuldbar seien.« Es steht fest, dass das über Gott auf jeden Fall Erkennbare unter den Menschen offenbar ist. An allen Seinen Schöpfungswerken sind Seine unsichtbaren Wesenszüge begreiflich, mit dem Verstand begreiflich, und ersichtlich, mit den fünf Sinnen ersichtlich geworden. Gottes Weisheit bringt jeden zum Staunen, der die Eigenheiten einer Pflanze oder eines Tieres erforscht. Und Er verlieh ihnen Leben! Gottes unwahrnehmbare Kraft — diese ist Sein Geist — ist daran erkennbar. Gottes Göttlichkeit — Er ist Gott und kein Geschöpf; niemand ist Ihm gleich (Jes.46:9) — ist erfassbar. David sang: »Die Himmel erzählen die Herrlichkeit Els, und die Luftschicht kündet von Seiner Hände Werk. Tag für Tag strömt Wahrheit aus, und Nacht für Nacht zeigt sich Erkenntnis an« (Ps.19:2,3). Zudem bezeugte Gott Sich, indem Er Gutes wirkte, Regen vom Himmel und fruchtbringende Fristen gab und unsere Herzen mit Nahrung und Fröhlichkeit erquickte (Ap.14:17). Da die Menschen aber das über Gott Erkennbare in Ungerechtigkeit niederhalten — in unseren Tagen wird in allen Zweigen der Gesellschaft jede Erwähnung Gottes tunlichst vermieden —, darum sind sie unentschuldbar. Nichts können sie zu ihrer Verteidigung vorbringen. Der Zorn Gottes ist unausweichlich.

Verherrlichen wir Gott als Gott?

Nun beschreibt Paulus die gegenwärtigen Folgen der Ungerechtigkeit: »Weil sie, Gott kennend, Ihn nicht als Gott verherrlichen oder Ihm danken, sondern in ihren Folgerungen eitel wurden, ist auch ihr unverständiges Herz verfinstert« (Vers 21). Sie kennen Gott, verherrlichen Ihn aber nicht als Gott. Und wenn sie Ihm auch übermenschliche Eigenschaften zuschreiben, so gehen sie in ihrem Denken doch vom Menschen aus und meinen, Seine Kraft sei beschränkt, Er tue, was die Umstände nun einmal geböten, und ob Er ein Ziel habe und es auch erreichen könne, sei ungewiss. Leider sind sogar manche Heilige von diesem Denken noch nicht frei. Gott aber ist allgewaltig, Er bewirkt alles nach dem Ratschluss Seines Willens (Eph.1:11) und bringt alles in Liebe in Christus zur herrlichen Vollendung. Je kleiner Gott in der Vorstellung der Menschen ist, desto größer erscheint der Mensch und wird in seinen Folgerungen eitel, sodass er sich für das Maß aller Dinge hält. Soviel Unverstand in der Abwendung von der Quelle allen Lichts und aller Erkenntnis führt zur Verfinsterung des Herzens. Finstere Taten sind die Folge.

Paulus schreibt weiter: »Vorgebend, weise zu sein, sind sie töricht geworden und verändern die Herrlichkeit des unvergänglichen Gottes in die Gleichgestalt eines Bildes: des vergänglichen Menschen, der Flügler und Vierfüßler und Reptilien« (Verse 22 und 23). In der Finsternis kann man Weisheit und Torheit nur mit Mühe unterscheiden. Bilder von sterblichen Geschöpfen aber müssten eingedenk der Schöpferherrlichkeit des unvergänglichen Gottes als ausgesprochene Torheit erkannt werden. Aber nein; wenn die Menschen Gott verachten, müssen sie etwas anderes anbeten. Nun sind Götzen zwar in sich selbst nichts (1.Kor.8:4), aber sie beanspruchen göttliche Eigenschaften und üben eine Vorbildfunktion aus, sodass der Mensch auf die moralische Stufe des Götzen herabgezogen wird. Der sittliche Verfall hat stets den religiösen Verfall zur Ursache. Deshalb verbot auch das Gesetz des Mose jedes Götterbild (2.Mose 20:3-5; 5.Mose 4:15-19; 5:7-9). Es gibt nur ein Abbild des unsichtbaren Gottes: das ist Christus (Kol.1:15).

Wie töricht ist doch der Mensch, der Herrlichkeit Gottes die Evolutionstheorie gegenüberzustellen und sich von ihr zu einem finsteren Kampf ums Dasein auf Kosten des Schwächeren verleiten zu lassen.

Dahingegeben

Weil sie, Gott kennend, Ihn nicht als Gott verherrlichen, darum hat Gott sie dahingegeben. »Darum hat Gott sie in den Begierden ihrer Herzen dahingegeben«, stellt der Apostel Paulus in den Versen 24 und 25 mit erschreckender Klarheit fest, »in Unreinheit ihre Körper unter sich zu verunehren: sie, welche die Wahrheit Gottes in Lüge abändern und die Schöpfung verehren und ihr Gottesdienst darbringen anstatt dem Schöpfer, der gesegnet ist für die Äonen! Amen!« Gott lässt die Menschen jetzt den von ihnen eingeschlagenen Weg zu Ende gehen. In Bezug auf Israel lesen wir in Psalm 81:13: »So gab Ich sie preis in die Verstocktheit ihres Herzens: sie gingen in ihren eigenen Ratschlüssen dahin.«

Man beachte, dass Paulus nicht »in die Begierden«, sondern, »in den Begierden ihrer Herzen dahingegeben« schreibt. Die Menschen befinden sich schon in dem begierigen Zustand. Sie verehren bereits alles Geschaffene, insbesondere den Menschen und seinen Körper, gerade auch den nackten, in abgöttischer Weise. Bis zum Missbrauch des Körpers für die Schaulust der anderen und zu mancherlei Unreinheiten ist dann nur ein kleiner Schritt.

Sie verunehren Gott — nun müssen sie ihre Körper untereinander verunehren. Dahingegeben — was heißt das? Sich selbst überlassen. Wie schrecklich! Allerdings verliert unser Gott und Vater niemals das Ziel aus den Augen, sie dadurch zur Erkenntnis ihrer Abwege und ihrer Rettungsbedürftigkeit zu führen, wenn nicht in diesem Leben, so vor dem großen weißen Thron, wo sie den kennen lernen werden, der für sie starb und auferweckt wurde. So sei unser Gott und Vater in unseres Herrn Namen gesegnet für die Äonen!

Der Schöpfung Gottesdienst darbringen anstatt dem Schöpfer ist eine Frage von Lüge oder Wahrheit. Worauf sind unsere Herzen ausgerichtet? Mögen wir uns an den wenden, der allen Menschen das Herz bildet (Ps.33:15), dass Er es uns gebe, wahrhaftig zu sein. Was aber die, welche die Lüge lieben, den Geschöpfen götzendienerisch opfern, das opfern sie den Dämonen (1.Kor.10:20).

Dahingegeben heißt wörtlich »danebengeben«; so handeln sie nicht trefflich, ihre Taten liegen stets daneben, neben dem Trefflichen.

Dahingegeben

In den Versen 26 und 27 finden wir in Bezug auf die, die Gott nicht als Gott verherrlichen oder Ihm danken, wieder den Ausdruck »dahingegeben« vor: »Deshalb hat Gott sie in ehrlose Leidenschaften dahingegeben; denn auch ihre Weiblichen änderten den natürlichen Gebrauch zur Unnatur ab — gleicherweise wie auch die Männlichen: den natürlichen Gebrauch der Weiblichen verlassend, entbrannten sie in ihrer Brunst zueinander, Männliche mit Männlichen Unschicklichkeit treibend und so, wie es sein musste, die Heimzahlung ihrer Verirrung an sich selbst wiedererhaltend.«

Wer gab sie dahin? Gott ist stets der Handelnde, Gott, der allein Weise (Röm.16:27).

Wohin sind sie gegeben? In ehrlose Leidenschaften. Die in der Antike herrschende Unmoral war zum großen Teil dem Charakter der Götter zuzuschreiben, die sie anbeteten. Die Götter, die auf dem Olymp das Sagen hatten, waren intrigant, gewalttätig und wollüstig. Die Menschen hatten ihre Leidenschaften auf sie übertragen. Da man sich nicht über das erheben kann, was man anbetete, fehlte den Menschen die Kraft, sich anders zu verhalten als ihre Götter.

Und im Christentum? Da die Christenheit, die nur eine Form der Frömmigkeit hat, Gott nicht als Gott verehrt, ist sie ebenfalls dahingegeben.

Die Verkehrung der für alles maßgebenden Beziehung zu Gott hat für das für die Menschen so wesentliche Verhältnis der Geschlechter zueinander verheerende Folgen. Manche sinken bis auf die Stufe des nur Fleischlichen herab und treiben widerliche Dinge. Die Heimzahlung ihrer Verirrung erhalten sie an sich selbst wieder, nicht nur in Gestalt von Geschlechtskrankheiten, sondern auch in Form von Empfindungen der Verachtung und Entwürdigung.

Dahingegeben


 
 

Der Apostel Paulus schreibt in den Versen 28 bis 31 weiter: »Und so wie sie es nicht als bewährt erachten, Gott in Erkenntnis zu haben, hat Gott sie in ihren unbewährten Denksinn dahingegeben, das zu tun, was sich nicht gebührt: erfüllt mit jeder Ungerechtigkeit, Bosheit, üblem Wesen, Habgier; gedunsen vor Neid, Mord, Hader, Betrug, Übelwollen; Ohrenbläser, Verleumder, Gott Verabscheuende, Frevler, Stolze, Hoffärtige, Erfinder übler Dinge, gegen Eltern Widerspenstige, Unverständige, Unzuverlässige, Lieblose, Unversöhnliche, Erbarmungslose ...«

Zum dritten Mal klingt uns das Wort »dahingegeben« in den Ohren. Denken und Handeln stimmen zwar oftmals nicht überein, aber alles, was wir tun, kommt aus unserem Denksinn. In den unbewährten Denksinn dahingegeben zu sein bedeutet zu tun, was sich nicht gebührt. Das sich nicht Gebührende erniedrigt den Menschen. Der Denksinn dessen, der Gott missachtet, ist verbogen. Wer Gott aus seinem Denken ausschaltet, ist unbewährt und handelt dementsprechend, ja tut sogar Dinge, die er gar nicht zu tun bräuchte, die aber zwangsläufig aus der Missachtung Gottes folgen. So verfehlt der Mensch seine Bestimmung als Herrscher und Verwalter der Erde (1.Mose 1:28) und verdirbt sie und zerrüttet die Menschheit.

Welch eine Güte unseres Gottes und Vaters ist es doch, dass Er uns aufgrund Seines Wortes umgestaltet durch die Erneuerung unseres Denksinns, sodass wir zu prüfen vermögen, was der Wille Gottes ist — der gute, wohlgefällige und vollkommene (Röm.12:2).

In Epheser 4:20-25 spricht Paulus uns zu: »Ihr jedoch habt Christus nicht so kennengelernt, wenn ihr Ihn nämlich gehört habt und in Ihm gelehrt wurdet (so wie in Jesus Wahrheit ist), dass ihr das frühere Verhalten ablegt, die alte Menschheit (die sich durch verführerische Begierden selbst ins Verderben bringt), und im Geist eures Denksinns verjüngt werdet und die neue Menschheit anzieht, die Gott gemäß erschaffen wird in Gerechtigkeit und huldvoller Heiligkeit der Wahrheit. Darum legt die Lüge ab und redet Wahrheit, ein jeder mit seinem Nächsten; denn wir sind untereinander Glieder.«

Sie pflichten den Übeltätern bei


 
 

Mit Vers 32 schließt Kapitel Eins des Römerbriefs: »... die die Rechtsforderung Gottes erkennen, dass die, die solches verüben, den Tod verdienen; nicht nur tun sie es selbst, sondern pflichten auch denen bei, die dies verüben.« Der Mensch weiß im tiefsten Innersten, was rechtens ist und was Gott mithin fordert. Er weiß auch, dass er den Tod für seine lasterhaften Taten verdient. Aber er tut sie dennoch, denn er ist in den Bann dieser Dinge dahingegeben; er ist der Sünde versklavt, rühmt sich ihrer sogar und ermutigt zudem noch andere zu gleichem Tun. In Psalm 10:3 lesen wir: »Der Frevler rühmt sich der Gelüste seiner Seele und segnet den Gierigen, aber Jewe weist er zurück.« Von Saulus wird in Apostelgeschichte 8:1 berichtet, dass er Wohlgefallen an der Ermordung des Stephanus hatte. So steht es um den Menschen.

Doch wie steht es um die aus Gnaden aus der Welt Herausgerufenen? Römer 6:19-22 gibt uns die Antwort: »Ebenso wie ihr als Versklavte der Unreinheit und der Gesetzlosigkeit eure Glieder zur Gesetzlosigkeit bereitstelltet, so stellt nun als Versklavte der Gerechtigkeit eure Glieder zur Heiligung bereit. Denn als ihr Sklaven der Sünde wartet, da wart ihr Freie hinsichtlich der Gerechtigkeit. Folglich, was für Frucht hattet ihr damals? Solche, derer ihr euch nun schämt; denn deren Abschluss ist Tod. Doch nun, von der Herrschaft der Sünde befreit, aber Gott versklavt, habt ihr eure Frucht zur Heiligung und als Abschluss äonisches Leben.«

Somit ist der Mensch unentschuldbar


 
 

Nach der Darlegung in Vers 32, dass die Menschen die Rechtsforderung Gottes erkennen, dass die, die das Böse tun, den Tod verdienen, es aber nicht nur selbst tun, sondern auch anderen beipflichten, die solches verüben, lesen wir nun in Kapitel Zwei, Vers 1, die Konsequenz daraus: »Darum bist du unentschuldbar, o Mensch ...« Zum zweiten Mal spricht der Apostel Paulus den Befund »unentschuldbar« aus. Kein Mensch wird dem Herrn Jesus Christus vor dem großen weißen Thron etwas zu seiner Entlastung entgegnen können, zum einen, weil er an der Schöpfung den Schöpfer erkennt und Ihn dennoch nicht verherrlicht oder Ihm dankt (Verse 20 und 21) und zum anderen — wie wir gerade sahen — wegen des Wohlgefallens an bösen Taten trotz der Erkenntnis, was vor Gott rechtens ist.

So haben nun die Menschen den Zorn Gottes zu erwarten. Keine Rettung gibt es für sie — außer der einen: die Gotteskraft des Evangeliums. In der gegenwärtigen Verwaltung der Gnade Gottes (Eph.3:2) ist das dem Apostel Paulus anvertraute Evangelium (Gal.1:12; 2:7) die Kraft Gottes zur Rettung für jeden Glaubenden (Vers 16).

Aus einem dritten Grunde noch ist der Mensch unentschuldbar; wir finden ihn in dem angeschnittenen Vers 1 des zweiten Kapitels: »Darum bist du unentschuldbar, o Mensch — jeder, der richtet; denn worin du den anderen richtest, verurteilst du dich selbst; denn du, der du richtest, verübst dasselbe.« Die Beweisführung ist unwiderlegbar: Jeder, der andere richtet, muss bereit sein, sich demselben Gericht zu beugen. Da der Mensch immer wieder schnell und mit Überzeugung über andere urteilt, muss ihm klar sein, dass er sich selbst damit verurteilt, denn er begeht ähnliche Sünden in einer für seine Verurteilung ausreichenden Zahl.

Unser Herr Jesus Christus sagte: »Richtet nicht, damit ihr nicht gerichtet werdet; denn mit welchem Urteil ihr richtet, werdet auch ihr gerichtet werden, und mit welchem Maß ihr messt, wird man euch messen« (Mat.7:1,2). In dem Gleichnis von dem vornehmen Mann, der seinen Sklaven Geld gab, damit sie Geschäfte betreiben sollten, bis er wiederkomme, sagte der Mann nach seiner Rückkehr zu dem Sklaven, der mit dem Geld nicht gewirtschaftet hatte: »Nach der Aussage deines Mundes werde ich dich richten, böser Sklave!« (Luk.19:22).

Das Musterbeispiel der Selbstverurteilung ist König David in der Sache des Ehebruchs mit Bathseba und der Erschlagung ihres Mannes Uria, des Hethiters: »Und Jewe sandte Nathan zu David. Der kam zu ihm und sagte: Zwei Männer waren in einer Stadt, der eine reich und der andere arm. Der Reiche hatte Schafe und Rinder in großer Menge. Der Arme hatte aber nichts als nur ein einziges kleines Lamm. ... Da kam ein Besucher zu dem reichen Mann; dem aber tat es leid, ein Tier von seinen Schafen und von seinen Rindern zu nehmen, um es für den Wanderer zuzurichten, der zu ihm gekommen war. Da nahm er das Lamm des armen Mannes und richtete es für den Mann zu. ... Da entbrannte der Zorn Davids sehr gegen den Mann, und er sagte zu Nathan: So wahr Jewe lebt, der Mann, der das getan hat, ist ein Sohn des Todes! — Da sagte Nathan zu David: Du bist der Mann! So spricht Jewe, der Elohim Israels: Ich habe dich zum König über Israel gesalbt, und Ich habe dich aus der Hand Sauls errettet, Ich habe dir das Haus deines Herrn gegeben und die Frauen deines Herrn in deinen Schoß und habe dir das Haus Israel und Juda gegeben. ... Warum hast du das Wort Jewes verachtet, indem du tatest, was böse ist in Seinen Augen? Uria, den Hethiter, hast du mit dem Schwert erschlagen, und seine Frau hast du dir zur Frau genommen (2.Sam.12:1-5).

Gott urteilt der Wahrheit gemäß


 
 

Der Apostel Paulus schreibt in Römer Zwei, Vers 2, weiter: »Wir wissen aber, dass das Urteil Gottes über die, die solches verüben, der Wahrheit gemäß ist.« »Wir aber wissen ...« — es gibt somit ein gemeinsames Wissen des Paulus und der Gläubigen in Rom, ja aller Heiligen. Möge keiner von uns in seinem Wissen unsicher sein oder Unklarheiten haben.

Wir wissen: Ein Urteil wird gesprochen werden, und Gott wird es sprechen. Sein Urteil ist der Wahrheit gemäß. Nur unser Gott und Vater und unser Herr Jesus Christus, dem Er alles Gericht übertragen hat (Joh.5:22), können wahrheitsgemäß richten. Vielen wird vor der Enthüllung der Wahrheit grauen; wer aber die Wahrheit liebt, sollte bereit sein, im Licht Gottes gerichtet zu werden. Wie aber wird es am Tag des Herrn sein? 2.Thessalonicher 2:8-12 gibt die Antwort: »Dann wird der Gesetzlose enthüllt werden, den der Herr Jesus mit dem Geist Seines Mundes erledigen und durch das Erscheinen Seiner Anwesenheit abtun wird, ihn, dessen Anwesenheit gemäß der Wirksamkeit Satans ist, mit aller Kraft, Zeichen und Wundern der Lüge und durch jede Verführung der Ungerechtigkeit unter denen, die untergehen, darum, weil sie die Liebe der Wahrheit nicht angenommen haben, um gerettet zu werden. Deshalb wird Gott ihnen eine Wirksamkeit des Irrtums senden, damit sie der Lüge glauben, auf dass alle gerichtet werden, die der Wahrheit nicht glauben, sondern an der Ungerechtigkeit ihre Lust haben.«

Unser Gott und Vater fordert nichts Unbilliges von den Menschen: Gerechtigkeit und Wahrheit und die Verherrlichung Seiner Selbst als Gott. Wieviel mehr sollten wir, die wir dem Gerechten und Wahrhaften angehören, darin ein Vorbild sein. Was der Apostel Paulus an Timotheus schreibt, diene auch uns zur Ermahnung: »Werde den Gläubigen ein Vorbild im Wort, im Verhalten, in der Liebe, im Glauben, in der Lauterkeit. ... Habe acht auf dich selbst und auf die Lehre. Beharre in ihnen; denn wenn du dies tust, wirst du sowohl dich selbst als auch die retten, die dich hören« (1.Tim.4:11,16). Ja, unsere Rettung umfasst auch die von bösen Wegen.
 
 

Der Maßstab des Urteils Gottes

(Römer 2:3-29)

 

Der Apostel Paulus hat in Römer 1:18 bis 2:2 nachgewiesen, dass der Mensch unentschuldbar ist, denn er sieht die Schöpfung und verherrlicht den Schöpfer dennoch nicht, und er weiß, dass die, die Böses tun, den Tod verdienen, aber er tut dasselbe; außerdem richtet er andere, verübt aber dasselbe.

Nun stellt Paulus in Kapitel 2, Vers 3, die Frage: »Rechnest du aber mit diesem, o Mensch (der du die richtest, die solches verüben, und dasselbe tust), dass du dem Urteil Gottes entrinnen werdest?« Wie kommt man zu einer solchen Meinung? Nun, wenn man andere richtet, weiß man, was gerecht ist und wird als Wissender (vielleicht sogar aus dem Gesetz des Mose unterrichtet) doch wohl von Gott bevorzugt werden. Mitnichten! Im Übrigen kann man zu dieser Meinung gelangen, weil Gott ja bisher mit Seinem Zorn zurückgehalten hat, Er über Gute und Böse Seine Sonne scheinen und es regnen lässt (Mat. 5:45) und Er barmherzig und gütig ist. Solche verkennen aber Gottes Güte, ja verachten sie, denn gerade die Erkenntnis der Langmut Gottes und Seiner Barmherzigkeit sollte sie zur Änderung ihres Verhaltens führen, wie Paulus in Vers 4 schreibt: »Oder verachtest du den Reichtum Seiner Güte und Tragkraft und Geduld, nicht erkennend, dass die Güte Gottes dich zur Umsinnung führt?« Der Apostel Petrus verkündigt ebenso: »... Er hat Geduld um euretwillen, da Er nicht beabsichtigt, dass einige umkommen, sondern dass alle für die Umsinnung Raum machen« (2.Pet.3:9). Rechte Umsinnung rettet vor dem Zorn Gottes; rechte Umsinnung aber wendet sich nicht nur von der Sünde ab, sondern ist mit dem Glauben an Christus Jesus, den Retter, verbunden, um Ihm hinfort mit erneuertem Denksinn zu gehorchen.

Für den Tag des Zorns

 

Der Apostel Paulus fährt fort (Verse 5 und 6): »Gemäß deiner Härte und deinem unumsinnenden Herzen speicherst du dir selbst Zorn auf für den Tag des Zorns und der Enthüllung des gerechten Gerichts Gottes, der jedem seinen Werken gemäß vergelten wird ...« Während Gott dir mit Güte und Geduld begegnet, sammelst du dir Tag für Tag das belastende Material an, das Gottes Grimm gegen dich entfesseln wird. Das wird am Tag des Zorns geschehen (Off.6:17), am Tag der Zorneshitze Jewes (Jes.13:13), auch Tag Jewes genannt (Jes.13:6,9; Joel 2:1;11; 3:4), im Neuen Testament als Tag des Herrn bezeichnet (Ap.2:20; 1.Thess.5:2; 2.Thess.2:2; 2.Pet.3:10). Dieser Tag ist der letzte der 70 Jahrsiebener (Dan.9:24,27). Da aber nur ein Teil der Menschheit jene Zeit erlebt und selbst diejenigen, die da hineinkommen, nur in beschränktem Maße zur Erkenntnis des gerechten Handelns Gottes gelangen, werden sie alle vor dem großen weißen Thron die gerechte Vergeltung für ihre Werke mit Verständnis und Einsicht erfahren (Off.20:12,13).

Jedem seinen Werken gemäß

 

Die Verse 6 bis 10 machen uns deutlich, dass die dem Gericht Gottes zugrunde liegende Absicht nicht die Verurteilung ist, sondern die Entlohnung, die sich gebührt, und zwar sowohl des Guten wie auch des Schlechten, sodass das gerechte Wesen Gottes offenbar wird: »... der jedem seinen Werken gemäß vergelten wird: und zwar denen, die mit Ausdauer in gutem Werk Herrlichkeit und Ehre und Unvergänglichkeit suchen, äonisches Leben; denen aber, die aus Ränkesucht handeln und gegen die Wahrheit widerspenstig sind, aber willfährig der Ungerechtigkeit folgen, Zorn und Grimm — Drangsal und Druck über jedes Menschen Seele, der das Üble treibt (des Juden zuerst wie auch des Griechen) — Herrlichkeit aber und Ehre und Friede jedem, der das Gute wirkt (dem Juden zuerst wie auch dem Griechen).«

Es ist gerecht, dass Gott jedem nach seinen Werken vergilt. Zorn und Grimm, Drangsal und Druck kommen über die Übeltäter, sei es durch ein schlechtes Gewissen, die weltliche Obrigkeit oder durch den Zorn Gottes am Tag des Herrn, auf jeden Fall aber vor dem großen weißen Thron. Äonisches Leben, also Leben während der beiden zukünftigen Äonen, bekommt, wer gute Werke tut, und zwar nicht nur gelegentlich, sondern mit Ausdauer, und in seinen Werken Herrlichkeit, Ehre und Unvergänglichkeit sucht. Das könnten solche Menschen sein, die Gott als Gott verherrlichen (Röm.1:21), als Allesbewirkenden, und aufgrund dessen nicht von Ihm dahingegeben wurden in ehrlose Leidenschaften und in ihren unbewährten Denksinn, das zu tun, was sich nicht gebührt (Röm.1:26,28).

Wer Herrlichkeit und Ehre und Unvergänglichkeit in seinen Werken sucht, will, dass seine Werke herrlich seien und Gott Ehre machen und als unvergängliches Beispiel dienen sollen. Gott vergilt es einem solchen Menschen mit äonischem Leben und nach Vers 10 mit Herrlichkeit, Ehre und Frieden in den äonischen Zeiträumen, wohlgemerkt als Lohn und nicht als Gnadengabe.

Es gibt aber keinen Menschen, der so handelt. Sie sind alle unter der Sünde, so wie geschrieben steht: »Es gibt keinen Gerechten, auch nicht einen! Keiner ist verständig! Es gibt keinen, der Gott ernstlich sucht. Alle meiden sie Ihn und sind zugleich unbrauchbar geworden. Es gibt keinen, der Güte erweist; da ist nicht einmal einer! Keine Furcht Gottes ist vor ihren Augen« (Röm.3:9-18). Und zusammenfassend schreibt Paulus: »Da ist kein Unterschied; denn alle sündigten und ermangeln der Herrlichkeit Gottes« (Röm.3:22,23). Deshalb kann der Apostel auch in Römer 6:23 feststellen, dass das äonische Leben nur in Christus Jesus ist und eine Gnadengabe Gottes darstellt. Anders ist das äonische Leben nicht zu erlangen. Es ist auch gar nicht der Wille Gottes, jemandem aufgrund von Werken äonisches Leben zu geben, sondern Er will, dass alle in Christi Blut gerettet werden und so Christus gewinnen. Dem, der da litt, sollen alle zugeordnet werden.

Der einzige Mensch, der mit Ausdauer in gutem Werk Herrlichkeit und Ehre und Unvergänglichkeit suchte und fand, ist unser Herr Jesus Christus.

Wenn es nun außer unserem Herrn gar keinen Menschen gibt, der die Bedingungen erfüllt — warum schreibt Paulus dann dieses? Um den Maßstab des gerechten Gerichts Gottes aufzuzeigen. Alle, die sündigten, erkennen jetzt, wie sie hätten handeln sollen und dass sie der Verurteilung entgegengehen. So müssen sie sich fragen, wer sie vor der Verurteilung retten werde und wie das geschehen könne.

Ohne Ansehen der Person

 

Der Maßstab gilt dem Juden zuerst wie auch dem Griechen. »Denn« — so lauten die Verse 11 bis 13 — »bei Gott ist kein Ansehen der Person. Denn alle, die ohne Gesetz sündigen, werden auch ohne Gesetz umkommen; und alle, die in dem Gesetz sündigten, werden durch das Gesetz gerichtet werden. Denn nicht die Hörer des Gesetzes sind bei Gott gerecht, sondern die Täter des Gesetzes werden gerechtfertigt werden.« Gott vergilt jedem nach seinen Werken — das ist gerecht. Ob Jude oder Grieche — da gibt es kein Ansehen der Person, keine Bevorzugung, etwa weil man zum auserwählten Volk gehöre. Zwar heißt es »Dem Juden zuerst«, weil Gott zuerst an ihnen handelt, aber die Nichtjuden erfahren Seine Gerechtigkeit ebenfalls. Wer sündigt, wird gerichtet und kommt für die Äonen um, ob man eine geschriebene Offenbarung hat oder nicht. Und nicht die Hörer und Kenner des Gesetzes sind bei Gott gerecht, sondern auf das Tun kommt es an.

Steht die Aussage: »Die Täter des Gesetzes werden gerechtfertigt werden« im Widerspruch zu Römer 3:20: »Aus Gesetzeswerken wird überhaupt kein Fleisch vor Gottes Augen gerechtfertigt werden«? Nein, denn Römer 2:13 gibt den Maßstab für das Urteilen an, und Kapitel Drei, Vers 20, spricht von der Tatsache, dass kein Fleisch die vom Gesetz geforderten Werke in allem vollbringt, sodass keine Rechtfertigung ausgesprochen werden kann. Rechtfertigung ist die öffentliche Feststellung der Gerechtigkeit eines Menschen. Dem Fleisch fehlt die Kraft zum Vollbringen. Der Zweck des Gesetzes ist ja im Übrigen besonders, dass die Sünde als Sünde offenbar werde (Röm.7:13).

Das Gewissen

 

In den folgenden Versen 14 bis 16 spricht Paulus zwar von denen aus den Nationen, er hält damit aber zugleich den Juden einen Spiegel vor, indem er an die Feststellung anknüpft, dass die Täter des Gesetzes gerechtfertigt werden: »Denn wenn die Nationen, die das Gesetz nicht haben, von Natur aus das tun, was das Gesetz fordert, so sind diese (die das Gesetz nicht haben) sich selbst Gesetz, die das in ihre Herzen geschriebene Werk des Gesetzes zur Schau stellen, wobei ihnen ihr Gewissen mitbezeugt und ihre Erwägungen sie untereinander verklagen oder auch verteidigen — an dem Tag, wenn Gott das Verborgene der Menschen richten wird, gemäß meinem Evangelium, durch Jesus Christus.«

Die Natur des Menschen wie auch das Gesetz sind auf dasselbe Ziel ausgerichtet. Nicht das Gesetz, aber doch die Werke, die es fordert, Werke der Wahrheit, der Gerechtigkeit, der Reinheit, der Liebe und der Selbstlosigkeit, stehen auch den Nichtjuden als Ideal vor den Augen des Herzens. Die Natur, der natürliche sittliche Instinkt, strebt nach Edlem. Am Tage des Gerichts wird offenbar werden, was im Gewissen vorging und welche Erwägungen die Menschen anstellten. Gott beleuchtet auch das Verborgene: die Beweggründe und das Zeugnis des Gewissens und der Erwägungen, um den Menschen vor Augen zu führen, wie sehr sie sich wissentlich und willentlich mit ihren Taten identifizierten.

Das Gewissen ist das sittliche Bewusstsein von gut und böse. Ein Kleinkind mag aus mangelnder Erfahrung etwas als nicht böse ansehen. Ein Hinweis aber macht es zu einem Wissenden und gibt ihm das Gewissen. Dieses ruft in ähnlichen Situationen eine Reaktion hervor; wenn es gut arbeitet, warnt es vor der Sünde. Das Gewissen ist allerdings kein unfehlbarer Leiter: es kann schwach sein (1.Kor.8:7), böse (Heb.10:22), beschmutzt (Tit.1:15), ja sogar verschorft, also gänzlich unempfindlich (1.Tim.4:2).

Inwiefern sind die Menschen sich selbst Gesetz (Vers 14)? Indem sie ständig beurteilen und verurteilen, ihr Recht einfordern und sich verteidigen, stellen sie sich selbst Regeln auf.

All das wird am Tag des Gerichts vor dem großen weißen Thron offenbar werden, wenn Gott das Verborgene der Menschen richten wird, »gemäß meinem Evangelium« — wie Paulus in Vers 16 schreibt —, durch Jesus Christus. Der Richter ist der Herr Jesus Christus (Joh.5:22). Er bedient Sich der Seinen, die erduldeten und mit Ihm litten und die Er daher mit der Mitherrschaft betraut hat (Röm.8:17; 1.Kor.6:2; 2.Tim.2:12). Richter ist Christus Jesus, der Messias, der Retter. Das Gericht des Retters bringt zurecht und bereitet die Menschen zum Empfang Seines Erbarmens beim Abschluss der Äonen vor. Denn Gott schließt alle in Widerspenstigkeit ein, damit Er Sich aller erbarme (Röm.11:32).

Gemäß dem Evangelium des Apostels Paulus

Unser Herr richtet gemäß dem Evangelium des Apostels Paulus, nach dem Evangelium, das Er ihm eigens enthüllt hat (Gal.1:12), nach der Botschaft, die Paulus für die gegenwärtige heilsgeschichtliche Verwaltung der Gnade Gottes anvertraut wurde (Eph.3:2,8,9). Jetzt stellt sich die Frage, wie denn das Richten nach den Werken unter Berücksichtigung des im Menschen Verborgenen mit dem Evangelium des Apostels Paulus zusammenpasst, dessen Kern doch die Rechtfertigung in der Gnade Gottes allein durch Glauben und somit ohne Werke ist? Nun, das Evangelium des Paulus ist eine Gotteskraft zur Rettung nicht nur von der Sünde und aus dem Tode, sondern auch vor dem Zorn Gottes (Röm.1:16,18). Insofern verkündigte Paulus auch das gerechte Gericht Gottes, wo jedem eben seinen Werken gemäß vergolten wird (Röm.2:5,6). Im Übrigen betont der Apostel Paulus, dass jeder Mensch Gott Rechenschaft geben wird (Röm.14:12). Dies ist auch Bestandteil seines Evangeliums; schließlich sollen alle Menschen zur Erkenntnis kommen, was gut und böse ist, und auf diese Weise für ihre Rettung vorbereitet werden.

Du nennst dich Jude

 

In den folgenden Versen 17 bis 24 wird Paulus nun gegenüber den Juden ganz deutlich:

»Siehe, du nennst dich Jude ...«; mit anderen Worten: du betrachtest dich als erhaben über die anderen Menschen.

»... du ruhst auf dem Gesetz aus ...«; das heißt, du bist stolz darauf, dass Jewe Elohim dich auserwählte und dir Sein Wort und Seine Satzungen gab; »so handelte Er nie an irgendeiner anderen Nation, und Seine Vorschriften kennen sie keinesfalls« (Ps.147:20); doch dabei belässt du es und lässt keine Taten folgen.

»... du rühmst dich in Gott«. Du hast aber wohl vergessen, dass Gott nur an den Glaubenden und Gehorsamen Wohlgefallen hat. Die Gerichtsworte der Propheten gegen die Eigenwilligen sind dir wohl entfallen.

»Du kennst den Willen und prüfst, aus dem Gesetz unterrichtet, das Wesentliche« (Vers 18). Du bist aber gleichwohl ein Beispiel dafür, dass bloße Erkenntnis aufgeblasen macht; du lässt außer Acht, dass Erkenntnis nur dann erbaut, wenn sie mit Liebe verbunden ist.

»Du traust dir auch selbst zu, Leiter der Blinden zu sein, Licht derer in der Finsternis, Erzieher der Unbesonnen, Lehrer der Unmündigen, weil du die Form der Erkenntnis und der Wahrheit im Gesetz hast« (Verse 19 und 20). Es ist recht und gut und natürlich, seine Gaben und Fähigkeiten zum Nutzen anderer einzusetzen. Doch willst du ihnen gegenüber eine große Rolle spielen oder ihnen dienen? Die Form der Erkenntnis und der Wahrheit hast du im Gesetz. Aber dir fehlt die Kraft, die Erkenntnis und die Wahrheit in die Tat umzusetzen. Die Auflösung dieses Zwiespalts beschreibt der Apostel Paulus in Römer 8:2-5: »Das Gesetz des Geistes des Lebens in Christus Jesus befreit dich vom Gesetz der Sünde und des Todes. Denn das dem Gesetz Unmögliche, worin es durch das Fleisch schwach war, vollbrachte Gott: Seinen eigenen Sohn in der Gleichgestalt des Fleisches der Sünde und um der Sünde willen sendend, verurteile Er die Sünde im Fleisch, damit die Rechtsforderung des Gesetzes in uns erfüllt werde, die wir nicht fleischgemäß wandeln, sondern geistgemäß.« Das Gesetz war durch das Fleisch schwach, das heißt, es brachte das Gute nicht hervor, weil der Zustand des Menschen als Glied der alten Menschheit es nicht zuließ; der »alte Adam« in uns verhinderte es; erst dann, wenn jemand in Christus ist, so ist da eine neue Schöpfung (2.Kor.5:17). Neu wird der Mensch durch Glauben. Dementsprechend lesen wir in Hebräer 4:2: »Auch uns ist Evangelium verkündigt worden, gleichwie auch jenen. Jedoch hat das Wort der Kunde jenen nicht genützt, weil es bei den Zuhörern nicht mit dem Glauben vermengt war.« Ja, ohne Glauben ist es unmöglich, Gott wohlzugefallen (Heb.11:6).

Du belehrst andere

 

Paulus fährt in den Versen 21 bis 24 fort: »Der du nun den anderen belehrst, dich selbst aber belehrst du nicht! Der du heroldest, nicht zu stehlen; du aber stiehlst! Der du sagst, nicht die Ehe zu brechen; du aber brichst die Ehe! Du, dem Götzen ein Greuel sind, du beraubst Weihestätten! Der du dich im Gesetz rühmst, durch Übertretung des Gesetzes verunehrst du Gott! Denn der Name Gottes wird um euretwillen unter den Nationen gelästert, so wie geschrieben steht.« Erkenntnis haben und andere belehren, selber aber verwerflich werden — meinst du wirklich, dass du dem Urteil Gottes entrinnen werdest? Bei Gott ist kein Ansehen der Person; Er wird dich nach deinen Werken verurteilen.

Um euretwillen wird der Name Gottes gelästert. Dein Verhalten ist mithin nicht Privatsache. Du trägst den ehrenvollen Namen »Jude«, der untrennbar mit dem Namen und der Ehre Gottes verbunden ist. »Juda« heißt »gehuldigt« oder »zujauchzen«, bezogen auf Jewe, deinen Elohim. Dein Tun und Lassen zeigt aber, dass du deinem Elohim nicht huldigst. Dein Wandel führt nicht dazu, dass die Nationen mit dir fröhlich sind und deinem Gott zujauchzen (Röm.15:10,11). Meinst du immer noch, dass deine Sünde geringer einzuschätzen sei, weil du Jude und mithin bevorzugt bist, und du ein milderes Urteil erwarten dürftest? Nein, denn so sagte der Herr Jesus Christus: »Bei jedem, dem viel gegeben wurde, wird man viel suchen, und wem viel anvertraut ist, von dem wird man weit mehr fordern« (Luk.12:48).

Du bist beschnitten

 

Nun nimmt der Apostel Paulus den Juden die letzte Stütze: Die Meinung, ihre Beschneidung mache sie trotz allem vor Gott angenehm; übertragen auf mitteleuropäische Verhältnisse: Mein Taufschein und meine Kirchenmitgliedschaft gewähren mir trotz allem eine gewisse Sicherheit gegenüber dem Zorn Gottes. Diese Position ist allerdings noch schwächer als die der Juden, denn die Beschneidung ist nach dem Gesetz und sichert Vorrechte, während von einer Wassertaufe und einer Kirchenmitgliedschaft für die Glieder der Körpergemeinde Christi nichts in der Heiligen Schrift steht. So fährt Paulus mit seiner aufdeckenden Arbeit in den Versen 25 bis 27 fort: »Denn Beschneidung ist zwar nützlich, wenn du das Gesetz in die Tat umsetzt; wenn du aber ein Übertreter des Gesetzes bist, ist deine Beschneidung Unbeschnittenheit geworden. Wenn nun der Unbeschnittene die Rechtsforderungen bewahrt, wird nicht seine Unbeschnittenheit als Beschneidung angerechnet werden? Und der von Natur Unbeschnittene, der das Gesetz vollbringt, wird dich richten, der du nach Buchstaben und Beschneidung ein Übertreter des Gesetzes bist.«

Die Beschneidung ist nützlich, denn sie ist das Zeichen des Bundes, den Jewe Elohim mit dem Volk Israel geschlossen hat (1.Mose 17:10-14; 2.Mose 19:5-8): aber was kann das Zeichen nützen, wenn man den Bund nicht hält und nicht tut, was Jewe geboten hat? Haben sie vergessen, dass die Beschneidung bei Abraham das Zeichen des Glaubens war, wie Paulus in Römer 4:11 schreibt: »Das Zeichen der Beschneidung erhielt er als Siegel der Gerechtigkeit des Glaubens, die er in der Zeit der Unbeschnittenheit hatte.« Die Beschneidung ist nützlich für die, die glauben und das Gesetz in die Tat umsetzen, denn dann wird Gott allen verheißenen Segen über sie ausschütten. Ansonsten hat sie keinen Wert. Im Gericht nützt die Äußerlichkeit eines Zeichens überhaupt nichts, denn deine Werke werden beurteilt. Ja, wenn es auch für dich als Juden unfassbar ist: Im Gericht wird ein gerechter Wandel eines Unbeschnittenen ohne Ritual den Vorzug haben vor einem Ritual ohne den entsprechenden Wandel.

Der Jude meinte, aufgrund seiner Beschneidung andere richten zu dürfen (in Vers 1 ist die Rede von dem Menschen, der richtet, und sich damit selbst verurteilt, denn er verübt dasselbe), doch der Jude wird von den Unbeschnittenen gerichtet werden, wie auch unser Herr Jesus Christus es ihnen sagte: »Männer, Niniviter, werden mit dieser Generation zum Gericht auferstehen und sie verurteilen, denn auf den Heroldsruf des Jona hin sinnten sie um, und siehe, hier ist mehr als Jona! Die Königin des Südens wird mit dieser Generation zum Gericht auferweckt werden und wird sie verurteilen; denn sie kam von den Ende der Erde, um die Weisheit Salomos zu hören, und siehe, hier ist mehr als Salomo!« (Mat.12:41,42). Außerdem erklärte unser Herr, dass es den Einwohnern von Tyrus und Sidon und von Sodom am Tage des Gerichts erträglicher ergehen wird als Israel (Mat.11:21-24).

Die Beschneidung des Herzens

 

Und jetzt deckt Paulus die ganze Tiefe des Mangels auf: Es fehlt den Juden die Beschneidung des Herzens; es fehlt ihnen das Entscheidende: der Geist Gottes; sie leben im Fleisch und nicht im Geist. Er schreibt in den Versen 28 und 29: »Denn nicht der ist Jude, der es sichtbar ist; noch ist das Beschneidung, was sichtbar am Fleisch geschieht; sondern der ist Jude, der es innerlich, im Verborgenen, ist; und Beschneidung des Herzens ist im Geist, nicht im Buchstaben; dem wird Lobpreis zuteil, zwar nicht von Menschen, sondern von Gott.«

Jeremia hatte es ihnen bereits gesagt: »Beschneidet euch für Jewe und entfernt die Vorhäute eurer Herzen, ... damit Mein Zorn nicht ausbricht« (Jer.4:4). Und Mose hatte sie aufgerufen: »So beschneidet denn die Vorhaut eures Herzens und verhärtet euren Nacken nicht mehr!« (5.Mose 10:16):

Die Beschneidung des Herzens ist eine Wirksamkeit des Geistes Gottes. So beten wir für Israel, dass Gott es zu Seiner Zeit zur Sündenerkenntnis, Demut und Umsinnung führe. David bezeugt in Psalm 51:19: »Die Opfer für Elohim sind ein zerbrochener Geist; ein zerbrochenes und zerschlagenes Herz, Elohim, wirst Du nicht verachten.« Und Petrus fordert Israel auf: »Demütigt euch nun unter die gewaltige Hand Gottes, damit Er euch zur rechten Frist erhöhe!« (1.Pet.5:6).

Unser treuer und herrlicher Gott und Vater wird Sein Ziel mit Israel erreichen. Mose verhieß es: »Jewe, dein Elohim, wird dein Herz und das Herz deiner Nachkommen beschneiden, damit du Jewe, deinen Elohim, mit deinem ganzen Herzen und mit deiner ganzen Seele liebst« (5.Mose 30:6). Hesekiel bekräftige die Verheißung: »Dann werdet ihr Meinen heiligen Namen nicht mehr entweihen. ... Ich werde euch ein neues Herz geben und einen neuen Geist in euer Inneres; Ich werde das steinerne Herz aus eurem Fleisch wegnehmen und euch ein fleischernes Herz geben ..., sodass ihr in Meinen Ordnungen lebt und Meine Rechtsbestimmungen bewahrt und tut« (Hes.20:39; 36:26,27).

Mithin wird Gott Juden schaffen, bei denen das äußere Zeichen dem inneren, geistlichen Zustand entspricht: sie werden am Fleisch und am Herzen beschnitten sein.

Wir, die Glieder der Körpergemeinde Christi aus allen Nationen, gerettet allein in der Gnade und gerechtfertigt allein durch Glauben, bringen Gott bereits im Geist Gottesdienst dar (Phil.3:3), denn wir sind in der Beschneidung des Christus beschnitten worden (Kol.2:11), das heißt unsere alte Menschheit wurde zusammen mit Ihm gekreuzigt (Röm.6:6). Fleisch soll somit keinen Raum mehr in unserer Gesinnung einnehmen. Was wir jetzt im Körper leben, soll so geschehen, wie Paulus es tat, der uns in Galater 2:20 bezeugt: »Zusammen mit Christus bin ich gekreuzigt; ich lebe aber, doch nicht mehr ich, sondern in mir lebt Christus. Was ich aber von nun an im Fleisch lebe, das lebe ich im Glauben, dem des Sohnes Gottes, der mich liebt und Sich Selbst für mich dahingegeben hat.«

 

Gottes Gerechtigkeit, geoffenbart durch

den Glauben Jesu Christi (Röm.3:1-23)


 
 

Gott ist gerecht — absolut. Die unerschütterliche und unwandelbare Gerechtigkeit Gottes ist das Fundament für unsere geistliche Festigkeit im Glauben wie auch für unsere sittliche und geistige Gesundheit. Denn wäre Gott nicht gerecht, müssten wir verzweifeln.

Nur ein Gerechter kann Sünder rechtfertigen. Eine Erklärung eines Ungerechten wäre höchst zweifelhaft. Rechtfertigen heißt Gerechtigkeit zurechnen oder für gerecht erklären.

Die Rechtfertigung des Sünders von all seinen Sünden durch den absolut gerechten Gott ist Evangelium, ist frohe Botschaft, gegründet auf der Gerechtigkeit Gottes.

In der ersten Hälfte des Kapitels Drei des Römerbriefs werden zunächst verschiedene vorbereitende Fragen zur Gerechtigkeit Gottes gestellt.

So fragt der Apostel Paulus in Römer 3:1, ob die Juden ein Vorrecht haben, wenn es um ihre Rechtfertigung geht. Die Bündnisse (der alte und der zukünftige neue Bund) und die Gesetzgebung, der Gottesdienst und die Verheißungen sind ihnen zuteil geworden, und Christus stammt dem Fleisch nach aus diesem Volk (Röm.9:4). In Römer 3:2 sagt Paulus, dass die Juden mit den Aussagen Gottes betraut wurden. Von Gottes Erwählung her sind sie also sehr bevorzugt. Über ihrem Wandel aber steht der Ausspruch Gottes: Jeder Mensch erweise sich als Lügner (Vers 4). In ihrem Verhalten erweisen sie sich als ebensolche Lügner wie die aus den anderen Nationen.

Diese Frage wäre also beantwortet: Ob Jude oder Grieche, alle sündigten und ermangeln der Herrlichkeit Gottes.

Ist Gott etwa ungerecht?


 
 

Der Unterschied zwischen der Ungerechtigkeit aller Menschen und der Gerechtigkeit Gottes ist so augenfällig, dass sich nun in Römer 3:5 die nächste Frage aufdrängt: »Wenn aber unsere Ungerechtigkeit Gottes Gerechtigkeit hervorhebt, was wollen wir dazu vorbringen? Ist Gott etwa ungerecht, wenn Er Sein Zorngericht heraufbringt?«

Es ist zwar richtig, dass unsere Ungerechtigkeit Gottes Gerechtigkeit hervorhebt — das ist aber kein Grund, Übles zu tun. Und: Wie kommt denn ein Mensch dazu, angesichts der deutlich gewordenen Gerechtigkeit Gottes ungerecht zu handeln? — Das Urteil über solche ist berechtigt (Röm.3:8). Nur in der Hand Gottes, des Allgewaltigen, nur in der Hand dessen, der Liebe ist, dient auch das Üble zur Erreichung Seines herrlichen Vollendungsziels. Doch wenn die Menschen Übles tun, kommt nichts Gutes dabei heraus. Wenn sie wirklich das Gute wollten, dann sollten sie es auch tun.

Es gibt keinen Gerechten


 
 

Die folgende Beschreibung der alten Menschheit in den Versen 10 bis 18 ist erschütternd: »Es gibt keinen Gerechten, auch nicht einen! Keiner ist verständig! Es gibt keinen, der Gott ernstlich sucht. Alle meiden sie Ihn und sind zugleich unbrauchbar geworden. Es gibt keinen, der Güte erweist; da ist nicht einmal einer! Wie eine geöffnete Gruft ist ihre Kehle; mit ihren Zungen betrügen sie; Natterngift ist unter ihren Lippen, deren Mund voller Verwünschungen und Bitterkeit ist. Flink sind ihre Füße, Blut zu vergießen. Trümmer und Elend sind auf ihren Wegen, und den Weg des Friedens kennen sie nicht. Keine Furcht Gottes ist vor ihren Augen.«

Die letzte Aussage gibt einen wesentlichen Grund dafür an, dass alle sündigen: mangelnde Gottesfurcht. Mögen wenigstens wir Heilige Furcht vor Gott haben. Die Furcht vor Ihm ist der Weisheit Anfang, sagte schon König Salomo (Spr.9:10; Ps.111:10; siehe auch 2.Kor.7:1). Wir stehen vor dem Angesicht des Einen, des Höchsten. El (hebräisch) und theos (griechisch) heißt: alles Verfügender, alles an den Platz Stellender. Er ist der Allesbewirkende (Eph.1:11), der Einzige, mit dem wir es letztlich zu tun haben. Mögen wir die Herrlichkeit Seiner Gnade erkennen, die uns in dem geliebten Sohn begnadet hat (Eph.1:6). Mögen wir Ihn in dem Sohn als den uns liebenden Vater erkennen, damit wir von Ihm völlig eingenommen sind und wirklich rechte Furcht vor Ihm haben.

Die Erörterung der Ungerechtigkeit der Menschen in Vers 5 und die Anklage in Vers 10: »Es gibt keinen Gerechten, auch nicht einen!« rufen die Frage nach der Lösung hervor, nämlich wie man angesichts dieser Tatsachen von Gott von der Sünde gerechtfertigt werden könne.

Aber bevor der Apostel Paulus dazu etwas sagt, gibt er in den Versen 19 und 20 der weiteren Frage Raum, ob denn nicht gute Werke, die das Gesetz des Mose fordert, den Menschen von seinen Sünden rechtfertigen würden. Aber können gute Werke des heutigen Tages Sünden des gestrigen Tages aufheben? Nein, gewiss nicht. Und wie sollten die Sünden als solche gerechtfertigt werden? Oder sollte man anstreben, alle Gebote des Gesetzes von vornherein zu halten, damit man also gar nicht erst sündige?

Dies alles aber offenbart das völlig falsche Denken des selbstbezogenen Menschen, der seine eigene Gerechtigkeit aufzustellen sucht (Röm.10:3; Phil.3:9), weil er die Schwere seiner Krankheit nicht wahrhaben will und den Weg Gottes, Christus nämlich, und diesen als gekreuzigt, nicht erkannt hat. Er weiß nicht, dass »aus Gesetzeswerken überhaupt kein Fleisch vor den Augen Gottes gerechtfertigt werden wird« (Röm.3:20a), denn niemand kann alle Gebote halten. Und er kennt den Zweck des Gesetzes nicht; Paulus nennt ihn: »Durch das Gesetz kommt ja nur Erkenntnis der Sünde« (Röm.3:20b).

Die Rechtfertigung ist gar nicht die verheißene Folge der Gesetzeswerke. »Denn wenn Gerechtigkeit durch das Gesetz käme, wäre ja Christus ohne Grund gestorben« (Gal.2:21). Der Apostel führt in Galater 3:21,22 weiter aus: »Denn wenn ein Gesetz gegeben wäre, das lebendig machen könnte, dann käme die Gerechtigkeit wirklich aus dem Gesetz. Die Schrift schließt jedoch alle zusammen unter die Sünde ein, damit die (dem Abraham gegebene) Verheißung aus dem Glauben Jesu Christi denen gegeben werde, die glauben.« Das Gesetz war nur ein Geleiter zu Christus hin, ein kritischer Pädagoge, der die Unfähigkeit des Menschen aufzeigen und ihn so bereitmachen sollte, die Hilfe von Gott anzunehmen, indem er sich aus dem Glauben Jesu Christi rechtfertigen ließe (Gal.3:24).
 
 

Nun aber


 
 

Nachdem nun dargelegt ist, warum das Gesetz als Mittel, Gottes Gerechtigkeit zu erlangen, untauglich ist, wollen wir nun das Evangelium Gottes über Seinen Sohn hören, den Fanfarenklang des Triumphes Gottes aufgrund des Glaubens Jesu Christi. Der Apostel Paulus schreibt in Römer 3:21-23: »Nun aber hat sich, getrennt vom Gesetz, Gottes Gerechtigkeit offenbart (vom Gesetz und den Propheten bezeugt), eine Gerechtigkeit Gottes aber durch den Glauben Jesu Christi, die für alle ist und auf alle Glaubenden kommt. Denn da ist kein Unterschied; denn alle sündigten und ermangeln der Herrlichkeit Gottes.«

Nun aber, nachdem Jesus Christus den Kreuzestod gestorben ist und Sein Tod der alten Menschheit und all ihren schwachen und vergeblichen Bemühungen ein Ende machte — nun aber ist alles anders.

Nun aber — ein neuer heilsgeschichtlicher Abschnitt hat begonnen!

Nun ist Gottes Gerechtigkeit offenbar!

Die Gerechtigkeit Gottes hat sich durch den Glauben Jesu Christi geoffenbart. Unser Herr Jesus Christus glaubte Seinem Gott und Vater alles, was in den heiligen Schriften geschrieben steht. Er glaubte insbesondere, dass Sein Tod dazu diene, »die Gerechtigkeit Jewes kundzutun einem neugeborenen Volk« (Ps.22:32). Er glaubte, was Jesaia aufgezeichnet hatte: »Er wurde verwundet um unserer Übertretungen und zerschlagen um unserer Verworfenheit willen. ... Rechtfertigen soll Mein gerechter Knecht die Vielen. ... Deshalb will ich Ihm die Vielen zuteilen ..., dafür, dass Er Seine Seele in den Tod dahingab und unter die Übertreter gerechnet wurde, da Er die Sünde der vielen trug und für die Übertreter eintrat« (Jes.53:5,11,12).

Die Gerechtigkeit Gottes, die völlig getrennt vom Gesetz zutage trat, war also schon vom Gesetz und den Propheten (damit sind pauschal die hebräischen heiligen Schriften gemeint) bezeugt. In Kapitel Vier des Römerbriefs zeigt Paulus diese Tatsache am Beispiel Abrahams ausführlich auf. Nur zwei Sätze daraus: »Was sagt denn die Schrift? Abraham glaubte Gott, und das wurde ihm zur Gerechtigkeit angerechnet« (Röm.4:3; 1.Mose 15:6). Und: »Deshalb ist es aus Glauben, damit es der Gnade gemäß sei« (Röm.4:16).

Gottes Gerechtigkeit


 
 

Jesu Christi Glaube war ein Glaube der Unterordnung und des Gehorsams Seinem Vater gegenüber. »Nicht wie Ich will, sondern wie Du willst«, so verherrlichte Er Seinen Vater. Er lernte den Gehorsam bis aufs Blut durch das, was Er litt, und wurde so vollkommen gemacht (Heb.5:8,9).

Durch diesen Glaubensgehorsam bis zum Tode, ja bis zum Kreuzestod, hat Gott uns Seine Gerechtigkeit widerfahren lassen. Durch Jesu Christi Kreuz wurde Seine Gerechtigkeit offenbar.

Die Gerechtigkeit Gottes ist mit dem Wort vom Kreuz (1.Kor.1:18) aufs Engste verknüpft, denn es besagt, dass uns durch Jesu Christi Kreuzestod Gottes Gerechtigkeit zuteil wurde. Denn Gottes Gerechtigkeit ist durch den Rechtsspruch über die Sünde erwiesen. Er verurteilte nämlich die Sünde im Fleisch Seines Sohnes. Damit ist der Rechtsforderung des Gesetzes wie auch jeder Forderung der Gerechtigkeit Genüge getan (Röm.8:3,4). Gott verfuhr mit der Sünde absolut gerecht.

Mit Seinem schmachvollen Tod am Kreuz starb Jesus Christus der Sünde ein für allemal. Nun drückt das Wort vom Kreuz aber auch aus, was Sein Tod bewirkte, welchen Gewinn wir aus dem Kreuzestod haben: Auch wir starben der Sünde ein für allemal (Röm.6:10,11). Mehr kann der Tod gerechterweise nicht fordern — wir sind frei. Als Christus starb, starben alle — die gesamte alte Menschheit (2.Kor.5:14). Der Tod hat bekommen, was ihm zustand — wir sind frei.

Das Wort vom Kreuz macht Schluss mit allen menschlichen Anstrengungen in Werken, um Gottes Zuneigung zu erlangen. Denn Gott sieht uns als mit Christus Verurteilte und mit Ihm Gekreuzigte; das Fleisch, die alte Menschheit, ist schmählich abgetan; es kann nichts zu seiner Rettung beitragen. Am Kreuz allein ist unsere Rettung geschehen. Allein durch die Gnade, die in Christus Jesus, dem Gekreuzigten, ist, sind wir mit jedem geistlichen Segen, den es überhaupt gibt, gesegnet. Allen Gewinn haben wir allein durch den Glauben Jesu Christi bis zum Kreuzestod: die Freilösung, die Rechtfertigung, die Versöhnung, den Sohnesstand, das äonische Leben in Christus Jesus (Röm.6:23) — um nur einiges zu nennen.

Die Tatsache, dass Er, der Herr Jesus Christus, der Sünde starb, offenbart ebenfalls die Gerechtigkeit Gottes, denn was konnten wir Menschen tun: Wir wurden ohne gefragt zu werden durch Adams Übertretung von Geburt an als Sünder eingesetzt. Dementsprechend werden alle Menschen — wiederum ohne ihr Zutun — durch Christi Glaubenstat als Gerechte eingesetzt werden (Röm.5:18,19). Das ist gerecht.

Eine andere Frage noch: Verfuhr der Vater mit Seinem Sohn ungerecht, als Er den Gerechten für die Ungerechten sterben ließ? Nein, denn die herrlichste Gerechtigkeit wurde dem Sohn zuteil: Christus wurde überaus hoch erhöht. Er erhält jetzt nicht deshalb Lobpreis, Dank und Anbetung, weil Ihm dies als Sohn Gottes zusteht, sondern weil Er Seine Liebe erwies, als Er Sich für Sünder und Feinde und Widerspenstige bis zum schmachvollen Kreuzestod erniedrigte. Deshalb strömt Ihm unsere Liebe entgegen und bei der Vollendung nach den Äonen die Liebe aller. Als Mittler und Retter wird Er angebetet werden.

Auch uns Menschen, die wir durch so viel Schwachheit und Sünde hindurchgehen, widerfuhr eine herrliche Gerechtigkeit: Wir haben das Herz Gottes, des Vaters, angesichts des Kreuzes Christi erkennen dürfen — eine solche Liebe macht uns glücklich.

Das ist das Wort vom Kreuz.

Das ist das Evangelium Gottes über Seinen Sohn (Röm.1:1,3).

Das ist das Evangelium der Herrlichkeit des glückseligen Gottes, mit dem der Apostel Paulus betraut wurde (1.Tim.1:11).
 
 

Wir in Christus, dem Gekreuzigten, Begnadete sind sogar der Beweis der Gerechtigkeit Gottes, wie Paulus in 2. Korinther 5:21 schreibt: »Denn den, der Sünde nicht kannte, hat Er für uns zur Sünde (zum Sündopfer) gemacht, damit wir Gottes Gerechtigkeit in Ihm würden.« In Ihm, dem Christus, stellen wir Gottes Gerechtigkeit dar. »Aus Gott aber seid ihr in Christus Jesus«, erfahren wir dazu aus 1. Korinther 1:30, »der uns von Gott her zur Weisheit gemacht worden ist, wie auch zur Gerechtigkeit, Heiligung und Freilösung, damit es so sei, wie geschrieben steht: Wer sich rühmt, der rühme sich im Herrn!«
 
 

Der rechtfertigende Gott


 
 

Gott rechtfertigt den Sünder. Wissen wir, was das heißt? Er erklärt den für gerecht, Er spricht den frei, der Böses tat. Er rechtfertigt ihn von seinen Sünden (Röm.6:7), weit weg von seinen Sünden, hoch über seinen Sünden. Wie ist denn diese Handlungsweise Gottes zu rechtfertigen? Nur, weil Gott nach Seinem Ratschluss Sein überragend hohes Ziel mit der Sünde erreicht, denn Er gab Sein Höchstes und Liebstes, Seinen Sohn, für die Übeltäter dahin; dadurch wird Seine Liebe deutlich sichtbar, eine Liebe, die alle an Sein Vaterherz ziehen wird. Die Sünde musste also sein, damit dem Herrn Jesus Christus aus dankbaren Herzen freudige Anbetung zuteil wird und wir die Weisheit und Liebe Gottes erkennen und so unsere Erfüllung und Glückseligkeit finden — in Gott (wo denn anders?)!

Daher, weil die Sünde sein musste, spricht Gott den Sünder

völlig gerecht, und zwar auf der gerechten Grundlage des Mitgekreuzigt- und Mitgestorbenseins zusammen mit Christus.

Für alle


 
 

Die Gerechtigkeit Gottes, die durch den Glauben Jesu Christi geoffenbarte, ist nach Römer 3:22 für alle und kommt auf alle Glaubenden, denn da ist kein Unterschied; denn alle sündigten und ermangeln der Herrlichkeit Gottes (Röm.3:23). Da alle sündigten und zwischen den Menschen somit kein Unterschied ist, kann die Gerechtigkeit Gottes nur für alle sein. Sie bezieht alle ein, denn Christus starb für alle. Bei der Vollendung nach den Äonen werden alle an der Gerechtigkeit Gottes teilhaben, »denn ebenso wie durch den Ungehorsam des einen Menschen —Adam — die Vielen als Sünder eingesetzt wurden, so werden auch durch den Gehorsam des Einen — Jesus — dieselben Vielen als Gerechte eingesetzt werden« (Röm.5:19). Dann ermangelt keiner mehr der Herrlichkeit Gottes, denn Er sieht an jedem Menschen die Gerechtigkeit, die Er an Seinem Sohn fand, der als Einziger den Willen Gottes erfüllte. Durch Christus und in Christus werden alle teilhaben an der Herrlichkeit Gottes.

Die Gerechtigkeit Gottes, die für alle ist, kommt seit der Verkündigung dieses Evangeliums durch den Apostel Paulus auf alle Glaubenden. Die Glaubenden sind also vorgezogen und genießen heute schon den Gewinn aus dem Kreuz Christi, den Ertrag des Glaubensgehorsams Jesu Christi bis zum Kreuzestod. Geschenkweise wird der Mensch, der glaubt, gerechtfertigt in Gottes Gnade durch die herrliche Freilösung, die in Christus Jesus ist (Röm.3:24,28). Welch eine Gnade, dass Gott es uns so einfach macht, dass wir Ihm nur das Schlichteste und eigentlich Selbstverständlichste entgegenzubringen brauchen, nämlich Ihm zu glauben, dass Er durch Christus alles in Ordnung gebracht und uns von der Sünde und vom Tod freigelöst hat. Doch wann sieht das Fleisch, die alte Menschheit, der alte Adam, dies ein, dass man sich nicht selbst am Zopf aus dem Sumpf herausziehen kann, sondern dem Sohn Gottes als unserem Retter die Ehre dafür gebührt? Das Fleisch vermag noch nicht einmal, Gott zu glauben. Fleisch kann keine einzige geistliche Reaktion aus sich selbst hervorbringen. Lobpreis und Dank aber sei Gott, der es uns in Gnaden gewährte, an Ihn zu glauben (Phil.1:29). Es ist eine Gnadengabe, es ist Seine Gnadengabe! Für Christus hat Er sie uns gewährt, zur Verherrlichung dessen, der Sich für uns erniedrigte und gehorsam wurde bis zum Tode, ja bis zum Kreuzestod.

Als Auserwählte und in dem geliebten Sohn Begnadete aber glauben wir an den, der Jesus, unseren Herrn, aus den Toten auferweckt hat, Ihn, der um unserer Kränkungen willen dahingegeben und um unserer Rechtfertigung willen auferweckt wurde (Röm.4:24,25).

Aus Glauben


 
 

Dieses Evangeliums schämen wir uns nicht, denn es ist eine Gotteskraft zur Rettung für jeden Glaubenden. Denn Gottes Gerechtigkeit wird in diesem Evangelium enthüllt aus Glauben für Glauben — aus Christi Glauben für unseren Glauben —, so wie geschrieben steht: Der Gerechte wird aus Glauben leben (Röm.1:16,17; Hab.2:4).

Aus Glauben leben wir, wenn wir wie der Apostel Paulus bekennen können: »Zusammen mit Christus bin ich gekreuzigt« (Gal.2:20), das heißt: die alte Menschheit mit ihrer Schwachheit der Sünde gegenüber, ihrem Hochmut und ihren Selbsterlösungsbemühungen sehe ich als tot an, so wie Gott sie sieht: als mitgekreuzigt und zu Tode gebracht. »Ich lebe aber«, fährt Paulus in Galater 2:20 fort, »doch nicht mehr ich, sondern in mir lebt Christus. Was ich aber von nun an im Fleisch lebe, das lebe ich im Glauben, dem des Sohnes Gottes, der mich liebt und Sich Selbst für mich dahingegeben hat.« Da Er in uns Glaubenden lebt, Christus (Röm.8:10), ist es Sein Glaube, mit dem wir glauben. Unser Glaube kann nicht unabhängig sein, sondern nur in Christus Jesus (1.Tim.3:13). Da wir den Sohnesstand haben und allesamt Söhne Gottes sind durch den Glauben an Christus Jesus (Gal.3:26; 4:5), schickte Gott in unsere Herzen den Geist Seines Sohnes aus, der laut ausruft: Abba, Vater! (Gal.4:6). Da der Geist dessen in uns wohnt, der dem Vater alles glaubte bis zum Kreuzestod, können wir im Glauben leben, dem des Sohnes Gottes.

Möge unser treuer Gott und Vater es uns schenken, Ihm jedes Bibelwort zu glauben, dann werden wir fest werden, unverrückbar, der herrlichen Wege und Ziele Gottes vollgewiss; ja dann werden wir zum Lobpreis der Herrlichkeit Seiner Gnade sein, die uns in dem geliebten Sohn begnadet.

 

Umsonst gerechtfertigt in Seiner Gnade

(Röm.3:24-31)

Der Apostel Paulus hat in Römer 1:18 bis 3:18 nachgewiesen, dass alle Menschen, darunter insbesondere die Juden, unter der Sünde sind und den Zorn Gottes und Sein gerechtes Gericht zu erwarten haben. Paulus hat allen den Mund gestopft und zudem deutlich gemacht, dass aus Gesetzeswerken kein Fleisch vor den Augen Gottes gerechtfertigt werden wird. Das war ohnehin nicht die Aufgabe des Gesetzes. Das wesentliche Ziel des Gesetzes war, die Sünde als Sünde offenbar zu machen (Röm.3:20; 7:13).

Bisher verurteilte Gottes Gerechtigkeit den Sünder, nun aber wird Gottes Gerechtigkeit zum Evangelium. Und dies ist die frohe Botschaft: Die Gerechtigkeit Gottes, die dem Paulus geoffenbarte — sie hat den Glauben Jesu Christi zur Grundlage —, diese ist für alle und kommt zunächst auf alle Glaubenden. Frohe Kunde also für alle Glaubenden aufgrund des Glaubensgehorsams Jesu Christi bis zum Kreuzestod!

Gott ist gerecht; dort am Kreuz verurteile Gott die Sünde und zwar ein für allemal — wer dies glaubt, ist frei von jeder Verurteilung. So sind Gottes Gerechtigkeit und Gottes Liebe widerspruchslos miteinander vereint.

Gott ist gerecht. Auf der gerechten Grundlage des Kreuzestodes Jesu Christi sind wir jetzt Nutznießer Seiner Gerechtigkeit, die uns die Freilösung brachte und den Strom Seiner Gnade eröffnete. Auf der gerechten Grundlage des Urteils über die Sünde wird Er im Übrigen alle retten.

Umsonst gerechtfertigt

Herrlich ist das Evangelium, von dem wir in Römer 3:24 hören: »Umsonst gerechtfertigt in Seiner Gnade durch die Freilösung, die in Christus Jesus ist ...«

Umsonst — es hat uns nichts gekostet —, geschenkweise sind wir gerechtfertigt. Gott, der Allgewaltige, der Licht ist, der absolut Heilige, hat uns für gerecht erklärt. Ich spreche dich gerecht — so lautete Sein Rechtsspruch. Der wurde uns zuteil, als der gerechte Impuls des Glaubens durch unsere Herzen ging. Gerecht, ja das Gerechteste ist es, Gott zu glauben. Der Kern unseres Glaubens ist, dass unser Gott und Vater den Herrn Jesus Christus aus den Toten auferweckt hat, Ihn, den Er um unserer Kränkungen willen dahingegeben und um unserer Rechtfertigung willen auferweckt hat (Röm.4:24,25). Der Glaube nimmt das Opfer Jesu Christi für sich in Anspruch. Der Glaubende bejaht das gerechte Gericht über die eigene Sünde, wie auch über alle Sünde, ja über die gesamte alte Menschheit. Unser Glaube ist keine Tat und kein Verdienst, sondern wie das Auge, das die Landschaft in sich aufnimmt, ohne ihrer Schönheit etwas hinzuzufügen. In Gnaden ist uns von Gott für Christus gewährt, an Ihn zu glauben (Phil.1:29).

In Seiner Gnade sind wir gerechtfertigt. Alles, was an uns geschah und geschieht, ist Gnade. Bereits das erste Wort in unserem Vers 24 »umsonst« oder »geschenkweise« entsprach der Gnade. Dass uns des Näheren die Rechtfertigung aus Glauben allein zuteil wurde, war deshalb so, damit es eben der Gnade gemäß sei (Röm.4:16). Und jetzt spricht Paulus es unumstößlich aus: in Seiner Gnade! — Was ist Gnade? Gnade ist ein Ausdruck der Liebe Gottes. Gnade ist etwas anderes als Gunst, denn jene erweist man denen, die Gutes tun, Vorzüge haben oder Vorteile versprechen. Doch Gnade wird Unwürdigen zuteil, Sündern, Feinden Gottes, also uns, die wir vormals solche waren.

Unsere Freilösung

Durch die Freilösung, die in Christus Jesus ist, sind wir gerechtfertigt. Was ist Freilösung? Befreiung, ein Loskommen aus Unfreiheit. Freilösung ist mehr als Erlösung. Freilösung ist eine vollkommene Erlösung. Mose war der Erlöser Israels aus der ägyptischen Knechtschaft (Ap.7:35), aber eine völlige Befreiung von seinen Feinden hat Israel bis heute noch nicht erfahren. Die Heiligen in Jerusalem schauten nach der Erlösung Israels aus (Luk.1:68; 2:38), die sie in dem Knäblein Jesus kommen sahen. Von Israels »Freilösung« kann erst dann die Rede sein, wenn der neue Bund im Blut Christi geschlossen wird und Israel die Lösung aller seiner Probleme durch Christi Macht erfährt. So heißt es in Lukas 21:28: »Wenn dies aber zu geschehen beginnt, dann richtet euch empor und erhebt eure Häupter, weil eure Freilösung naht.«

Wir, die Glieder der Gemeinde, die Christi Körper ist (Eph.1:22,23), wir Heiligen in der gegenwärtigen Verwaltung der Gnade Gottes (Eph.3:2), haben bereits Freilösung in jeder Hinsicht, und zwar die Freilösung durch Christi Blut und die zukünftige Freilösung durch Seine Macht, insofern sie uns unverbrüchlich verheißen ist. Durch Christi Blut sind wir freigelöst von jeder Verurteilung für Sünden, denn wir sind gerechtfertigt. Auch in unserem Verhältnis als Glieder der Familie Gottes zu unserem Vater haben wir die Freilösung durch Christi Blut, die Vergebung der Kränkungen nach dem Reichtum Seiner Gnade, die Er in uns überfließen lässt (Eph.1:7). Unter dem Gesichtspunkt der Herrschaft Christi haben wir, die wir aus der Obrigkeit der Finsternis geborgen und in das geistliche Königreich des Sohnes der Liebe Gottes versetzt sind, des Weiteren die Freilösung durch Christi Blut, bestehend in der Vergebung der Sünden gegen den wahren Herrn und König (Kol.1:14). Unsere Freilösung durch die Macht Gottes umfasst die unseres Körpers aus dem Dasein in Adam (Röm.8:23) und geschieht am Tag der Freilösung (Eph.4:30); das ist der Tag Christi , auf den wir harren, an dem wir dem Bilde des Sohnes Gottes gleichgestaltet werden. Bis zu jenem Tag wird auch das uns inmitten der Überhimmlischen zugeeignete Losteil durch die Macht Christi freigelöst sein (Eph.1:14).

Zur Freilösung durch Sein Blut und Seine Macht ist uns Christus Jesus, unser Herr, gemacht (1.Kor.1:30).

Hier in unserem Vers 24 des dritten Römerbriefkapitels haben wir Kernaussagen des Evangeliums vor uns. Hören wir nochmals hin: »Umsonst gerechtfertigt in Seiner Gnade durch die Freilösung, die in Christus Jesus ist ...« Die Freilösung, die in Christus Jesus ist, die in Seinem Glauben bis zum Kreuzestod begründet ist, ist der Ausgangspunkt. Aufgrund der am Kreuz vollbrachten Freilösung hat die Gnade Gottes sich aufs Höchste entfaltet, sodass wir völlig umsonst gerechtfertigt werden konnten.

Der Sühnedeckel

Wir wenden uns nun Vers 25 zu: »... Christus Jesus, den Gott Sich als Sühnedeckel vorsetzte, durch den Glauben an Sein Blut, zum Erweis Seiner Gerechtigkeit, wegen des Hinweggehens über die vormals geschehenen Versündigungen in der Tragkraft Gottes ...« In der Konkordanten Übersetzung ist dieser Vers in Klammern gesetzt, da er die auf die Gegenwart bezogene Beschreibung der Gerechtigkeit Gottes in den Versen 24 und 26 unterbricht und das Handeln Gottes in der Vergangenheit erklärt. Gott hatte Sich Christus Jesus als Sühnedeckel vorgesetzt, als Israel die Bundeslade herstellte und den Sühnedeckel oben darauf legte. In 2.Mose 25:17 steht nur »Deckel« als Variante der hebräischen Wortfamilie »schirmen«. In Römer 3:25 bildet Paulus das Wort »Sühnedeckel« auf der Grundlage des griechischen Wortes »sühnen«. Christus war von Gott mithin ausersehen zur Beschirmung der Sünden Israels und zur Sühne seiner Sünden, ja der ganzen Welt (1.Joh.2:2). Der mosaische Sühnedeckel war der Hinweis auf den, der inzwischen gekommen ist, auf das Opferlamm, dessen Blut ein für allemal vor Gott wirksam ist.

Es war Gottes Vorsatz, dass Jesus Christus der wahre Sühnedeckel oder die Erfüllung dessen, was der Sühnedeckel verhieß, sein sollte. Sühnen bedeutet, zur Abgeltung von Sünden zu leiden und zu sterben. Im Alten Bund sühnten unzählige Opfertiere durch ihr Leiden und Sterben die Sünden und beschirmten so den Sünder vor dem Zorn Gottes in der Tragkraft Gottes, bis das wahre Sündopfer kam. Nach Jesu Tod und Auferstehung wurde Israel belehrt, dass Jesus ihre Sünden gesühnt hatte und sie ihnen somit vergeben oder, was gleichbedeutend ist, erlassen werden konnten. David durfte bereits über die Tieropfer hinausblicken und in Psalm 65:4 sagen: »Unsere Übertretungen, (Elohim), Du wirst sie sühnen.«

Vers 25 lautet weiter: »... durch den Glauben an Sein Blut ...« Durch den Glauben an Sein Blut erhielten die Juden den Gewinn aus dem Sühnedeckel, aus dem Leiden und Sterben ihres Messias, nämlich die Vergebung oder Erlassung ihrer Sünden.

Sodann heißt es: »... zum Erweis Seiner Gerechtigkeit, wegen des Hinweggehens über die vormals geschehenen Versündigungen in der Tragkraft Gottes ...« Gott war in Seiner großen Tragkraft mehr als 5000 Jahre lang über die Versündigungen der Menschen hinweggegangen und hatte die Sünder, von Ausnahmen abgesehen, nicht bestraft. Das war an sich nicht gerecht. Er hatte die Sünden »getragen«, »beschirmt« oder »bedeckt«, wie es an vielen Schriftstellen des Alten Testaments heißt, wo Luther »vergeben« geschrieben hat (zum Beispiel 1.Mose 4:13; 18:24; 2.Mose 32:32; 34:7; Ps.25:18; 32:1; 79:9; Jes.40:2). Gott hatte, so konnte man Ihm vorwerfen, Seine Pflicht, jede Sünde ihrer gerechten Ahndung zuzuführen, vernachlässigt. Seit aber Jesus Christus gekommen ist, ist die Gerechtigkeit Gottes im Hinblick auf die Vergangenheit erweisen. Der Aufschub der Sühne war dadurch gerechtfertigt, dass die Kreuzigung Jesu Christi in Gottes Vorsatz feststand. Wie Petrus schreibt: Ihr wurdet von eurem eitlen Verhalten losgekauft »mit dem kostbaren Blut Christi als eines makellosen und fleckenlosen Lammes, vorhererkannt zwar vor dem Niederwurf der Welt, geoffenbart aber in der letzten der Zeiten um euretwillen« (1.Pet.1:19,20). Und in Offenbarung 13:8 lesen wir von dem Lämmlein, das vom Niederwurf der Welt an (als die Erde ein Chaos wurde) geschlachtet ist. Gott ist also gerecht. Aber erst seit dem Sühnetod Jesu Christi ist Seine Gerechtigkeit erwiesen und Sein Hinweggehen über die Sünden für alle erkennbar gerechtfertigt. Soviel zur Vergangenheit.

Zum Erweis Seiner Gerechtigkeit

Der Apostel Paulus fährt in Vers 26 fort, zusammen mit Vers 24 gelesen: »Umsonst gerechtfertigt in Seiner Gnade durch die Freilösung, die in Christus Jesus ist ... zum Erweis Seiner Gerechtigkeit zur jetzigen Frist, damit Er gerecht sei und den rechtfertige, der aus dem Glauben Jesu ist.« Gottes Rechtsspruch: »Ich rechtfertige dich in meiner Gnade durch die Freilösung, die in Christi Blut begründet ist« erweist in der gegenwärtigen Verwaltung der Gnade, mit der der Apostel Paulus betraut wurde (Eph.3:2), die Gerechtigkeit Gottes. Er rechtfertigt den von allen sündigen Taten, der aus dem Glauben Jesu ist, das heißt der sich dem Glauben Jesu glaubend anschließt, Seinen Glaubensgehorsam bis zum Kreuzestod würdigend. Denn die Gerechtigkeit Gottes wird in dem von Paulus verkündigten Evangelium enthüllt »aus Glauben für Glauben« (Röm.1:17), aus Christi Glauben für unseren Glauben.

Gottes Gerechtigkeit erfordert die Rechtfertigung des Sünders, nicht die immer wieder nötige Vergebung neuer Sünden. Gott rechtfertigt den Glaubenden, Er vergibt ihm nicht. Der Apostel Paulus verkündigte diese vollkommene Gerechtigkeit Gottes. Ihm wurde eine andere Botschaft aufgetragen als den Zwölf. Wir leben in einer anderen heilsgeschichtlichen Verwaltung Gottes als die Zwölf. Die von ihnen geheroldete Vergebung der Sünden ist nicht das Evangelium für heute. Heute wird der Glaubende von allen Sünden gerechtfertigt. Die Rechtfertigung ist nicht einfach das Auslöschen des Schuldkontos. Rechtfertigen — das heißt für gerecht erklären, für nicht schuldig erklären, freisprechen. Die gerechte Grundlage für diesen Rechtsspruch ist das Kreuz. Am Kreuz aber starb Christus nicht nur in Erfüllung des Sühnerituals Israels, was dem Sünder Vergebung einbrachte, sondern es starben nach dem Evangelium des Apostels Paulus zugleich auch alle Menschen. Christus starb für alle, und da Er für alle starb, starben alle (2.Kor.5:14). Als aber alle starben, wurde auch die Sünde aller verurteilt (Röm.8:3). Doch nur, wer der Sünde stirbt, ist von ihr gerechtfertigt (Röm.6:7). Nur wer sich als Sünder erkannt hatte und die Verurteilung und Mitkreuzigung zusammen mit Christus glaubend bejaht, ist von der Sünde gerechtfertigt.

Vergebung stellt keine Lösung des Problems der Sünde dar und kann die Gerechtigkeit Gottes nicht völlig erweisen. Das Evangelium der Beschneidung kennt das Mitgekreuzigtsein nicht, sondern nur das sühnende Hinauftragen der Sünde an das Holz (1.Pet.2:24). Der Sünder erfreut sich zwar der Vergebung, aber sein Fleisch, in welchem die Sünde wohnt, ist noch da, ist noch ungekreuzigt vorhanden. Die Gerechtigkeit Gottes aber, die im Römerbrief offenbart wird, die Paulus verkündigen darf, räumt mit dem Fleisch rückhaltlos auf. Wie in Römer 6:6 geschrieben steht: »... dies erkennend, dass unsere alte Menschheit zusammen mit Ihm gekreuzigt wurde, damit der Körper der Sünde unwirksam gemacht werde und wir nicht mehr der Sünde versklavt sind.«

Und wessen Fleisch gekreuzigt und tot ist - der durch den Glauben mit Jesus Christus verbundene Mensch -, den kann Gott für gerecht erklären, denn an einem Mitgekreuzigten und mit Christus Gestorbenen ist nichts zu Verurteilendes mehr. - Und wer damit rechnet, tot zu sein, mithin auch der Sünde gegenüber, sich zudem Gott bereitstellt, über den wird die Sünde nicht herrschen (Röm.6:11-14).

Christus starb der Sünde ein für allemal und wir Gläubige nach dem Evangelium des Apostels Paulus ebenfalls (Röm.6:10); wer aber der Sünde stirbt, ist von ihr gerechtfertigt (Röm.6:7). Nichts ist uns mehr zur Verurteilung, die wir in Christus Jesus sind (Röm.8:1), die wir als mit Ihm auch Auferstandene eine neue Schöpfung sind (Röm.6:5; 2.Kor.5:17).

Das Leiden und Sterben Seines Sohnes hat für Gott einen solchen Wert, dass Er die gesamte Sünde aller Menschen rechtfertigen kann. Dieses Wunder wird in den Briefen des Paulus enthüllt und beim Abschluss der Äonen, bei der Vollendung, geschehen. Dann werden alle als Gerechte eingesetzt werden (Röm.5:19), weil Christus für alle starb und demnach alle starben.

Da Gott den Sünder rechtfertigt, rechtfertigt Er auch alle seine Taten, und zwar weil der Mensch und seine Sünden zur Durchführung des Vorsatzes Gottes und zur Erreichung Seines Zieles beitrugen. Denn nur durch das Leiden und Sterben Jesu Christi für alle konnte Gott die Tiefe Seiner Liebe zu uns enthüllen, die sonst in Seinem Herzen hätte verborgen bleiben müssen.

Im Übrigen beweist die Tatsache, dass Gott den Sünder rechtfertigt, indem Er Selbst das Opfer bringt, dass Er die Verantwortung für das Vorhandensein der Sünde trägt. Alles ist ja aus Ihm, das Gute und das Böse; in Christus rief Er alles ins Dasein (1.Mose 2:9; 3:1: Jes.45:7,9; Amos 3:6; Klagelieder 3:37,38; Röm.11:36; Kol.1:16). Doch nur für bestimmte Äonen gab Er der Sünde Raum, und nur um Seine Liebe zu offenbaren. Gott hat alle Nachkommen Adams von Geburt an als Sünder eingesetzt, ohne ihr Zutun; wiederum ohne sie zu fragen hat Er alles, was die Gerechtigkeit fordert, an Seinem Sohn vollzogen, die Sünder in Ihn einschließend, sodass Er sie alle als Gerechte einsetzen kann.

Wer wird sich da noch selbst rühmen?

Der Apostel Paulus schreibt in Vers 27: »... — wo bleibt nun das Rühmen? Es ist ausgeschlossen! Durch was für ein Gesetz? Das der Werke? Nein! Sondern durch das Gesetz des Glaubens!« Der Satz, der in Vers 24 mit der Aussage »umsonst gerechtfertigt« begann, findet erst hier mit der Fragestellung »Wo bleibt nun das Rühmen?« seine Fortsetzung. Ja, wo bleibt nun das Rühmen, o Mensch? Alles ist Gottes Wirken und Christi Glaubenstat, alles ist Freilösung in Seinem Blut und Gottes Gnade. Nicht der geringste Selbstruhm, sondern nur die Verherrlichung Gottes erfülle folglich unsere Herzen. Kein Gläubiger kann sich nun noch über Ungläubige erheben. Der religiöse Mensch aber, der angesichts der Gnade seinen Eigenruhm nicht mehr aufrecht erhalten kann, wird zum Feind des Evangeliums.

Durch welches Gesetz (hier als Gesetzmäßigkeit oder normierte Wirkungsweise verstanden) wurden wir gerechtfertigt? Das der Werke? Nein! Sondern durch das Gesetz des Glaubens. Das Gesetz der Werke sagt: Tue Gutes, und du wirst leben! Das ist kein Evangelium für die als Sünder Eingesetzten. Das Gesetz des Glaubens aber sagt: Glaube Gott, dass Er in Christus alles Erforderliche getan hat, und lebe!

Durch Glauben gerechtfertigt

Nochmals betont Paulus in Vers 28 den Glauben und stellt klar: »Denn wir rechnen damit, dass der Mensch durch Glauben gerechtfertigt wird, ohne Gesetzeswerke.« Wir rechnen damit — das ist exakte Mathematik: Durch Glauben wird der Mensch gerechtfertigt; weder Gesetzeswerke noch sonstige gute Werke tragen dazu bei. Gute Werke ändern das Fleisch, die alte Menschheit, nicht und könnten den Menschen in der Meinung bestärken, Christi Opfer sei überflüssig und die Rechtfertigung geschähe nicht in der Gnade! Paulus schreibt in Galater 2:21 dazu: »Ich lehne die Gnade Gottes nicht ab; denn wenn Gerechtigkeit durch das Gesetz käme, wäre ja Christus ohne Grund gestorben.« Und in Philipper 3:6-10 sagt er: »Hinsichtlich der im Gesetz geforderten Gerechtigkeit war ich wie einer, der untadelig wird. Doch was mir einst Gewinn war, das habe ich um Christi willen als verwirkt erachtet. In der Tat erachte ich sogar alles für verwirkt, weil die Erkenntnis Christi Jesu, meines Herrn, über allem steht. Um dessentwillen ich das alles als verwirkt und für Abraum erachte, damit ich Christus gewinne und als in Ihm befunden werde, indem ich nicht meine eigene Gerechtigkeit habe, nämlich die aus dem Gesetz, sondern die durch den Glauben Christi, die Gerechtigkeit aus Gott aufgrund des Glaubens: Um Ihn zu erkennen ...« Um Ihn zu erkennen: Eine eigene Gerechtigkeit brächte uns nicht mit Christus in Berührung - welch ein Verlust! -, die Gerechtigkeit aus Gott aber führt uns zur Erkenntnis Seines Sohnes — ein unermesslicher Gewinn!

Noch etwas bedarf der Bekräftigung, und so schreibt Paulus in den Versen 29 und 30: »Oder ist Er der Gott der Juden allein und nicht auch der der Nationen? Ja, auch der der Nationen, wenn nämlich Gott der Eine ist, der den Beschnittenen aus seinem Glauben rechtfertigen wird und den Unbeschnittenen durch den Glauben.« Darauf war Israel stolz: Ihr Gott ist der Eine, der einzige. Mose stieg zu dem Einen, Elohim, hinauf, heißt es in 2.Mose 19:2. »Höre, Israel: Jewe ist unser Elohim, Jewe ist einer« (5.Mose 6:4). Unser Herr sage: »Das erste Gebot von allen ist: Höre, Israel! Der Herr, unser Gott, ist ein Herr« (Mark.12:29). Dies wendet Paulus nun konsequent an: Da Gott einer ist, muss Er der Gott aller sein. So wird Er auch den Unbeschnittenen rechtfertigen. Der Beschnittene wird gerechtfertigt aus seinem Glauben, den er bereits vorher hatte, der ihn zwar nicht rechtfertigte, der ihn aber jetzt gerechtspricht, wenn er das glaubt, was Paulus verkündigt. Der Unbeschnittene dagegen wird durch den Glauben gerechtfertigt, das heißt mittels des ihm gerade zuteil gewordenen Glaubens erlangt er die Rechtfertigung.

Die Stellung des Gesetzes

Jetzt stellt sich die Frage, die Paulus in Vers 31 aufgezeichnet hat: »Heben wir nun das Gesetz auf durch den Glauben? Möge das nicht gefolgert werden! Sondern wir erhalten das Gesetz aufrecht.« Der Apostel Paulus legt Wert darauf zu sagen, dass das Gesetz seine Bedeutung behält. Sogar für uns, die aus den Nationen, denen es nie gegeben war (Röm.2:14), und für uns Heilige, die wir nicht unter Gesetz sind, sondern unter Gnade (Röm.6:14). In 1.Timotheus 1:8 schreibt Paulus, dass das Gesetz ausgezeichnet ist, wenn es jemand gesetzmäßig gebraucht. So ist auch das Gesetz gemäß 2.Timotheus 3:16 nützlich zur Belehrung darüber, was gut und böse ist, es dient zur Überführung von der Sünde, zur Zurechtweisung und zur Erziehung in Gerechtigkeit, damit der Mensch Gottes zubereitet sei, ausgerüstet zu jedem guten Werk. Das Gesetz ist heilig, gerecht und gut (Röm.7:12), es führt zur Erkenntnis der Sünde (Röm.3:20), stopft jedem den Mund und bringt die gesamte Welt unter den gerechten Spruch Gottes (Röm.3:19). Auf dem Hintergrund des den Tod des Sünders fordernden Gesetzes aber darf allein die Gnade aufleuchten, die Paulus verkündigt. — Und was hat die Heiligkeit des Gesetzes mehr hervorgehoben als Christi Tod unter dem Fluch des Gesetzes? So erhalten wir das Gesetz aufrecht und achten seine Bedeutung.

Das Zeugnis des Gesetzes und der Propheten

Im folgenden vierten Kapitel des Römerbriefs wird das Zeugnis des Gesetzes und der Propheten dargestellt. Paulus knüpft an bestimmte Punkte unserer Betrachtung an und erläutert sie näher. Was das Rühmen anbelangt, so konnte sich noch nicht einmal Abraham rühmen (Verse 1-8). Zur Frage der heute alle Menschen - nicht nur Juden - umfassenden Gültigkeit der Rechtfertigung durch Glauben stellt Paulus klar, dass Abrahams Glaube der Glaube eines Unbeschnittenen war (Verse 9-12). Und was das Verhältnis zwischen Glauben und Gesetz betrifft, so wird deutlich, dass Abrahams Glaube weder mit dem Gesetz noch mit der Beschneidung etwas zu tun hatte (Verse 13-17). Abrahams Glaube, durch den er gerechtfertigt wurde, war übrigens nicht ein allgemeiner Glaube, sondern sein konkreter Glaube, dass Gott das Nicht-Seiende wie Seiendes ruft, nämlich einen Sohn und Nachkommen so zahlreich wie die Sterne (Verse 17-22). Aus diesem Grunde ist er der Vater aller Glaubenden und ein Typus und Vorbild des Glaubens, der uns zur Gerechtigkeit angerechnet wird (Verse 23-25).

Mögen wir das Evangelium der Rechtfertigung allein durch Glauben bewahren und nicht — wie die Galater — noch etwas hinzufügen wollen.

Nach alledem sei unserem Gott und Vater der Lobpreis und die Verherrlichung für unsere Rechtfertigung durch Glauben in Seiner Gnade durch die Freilösung, die in Christus Jesus ist!

 

Glaubensgerechtigkeit am Beispiel Abrahams

(Römer 4)


 
 Der Apostel Paulus hatte im dritten Kapitel des Römerbriefs das heilsgeschichtlich neue Evangelium verkündigt, das nur von ihm gelehrte Evangelium dargelegt, nämlich dass Gottes Gerechtigkeit durch den Glauben Jesu Christi geoffenbart ist und diese Gerechtigkeit für alle bestimmt ist und zunächst auf alle Glaubenden kommt (Röm.3:22). Der Mensch wird — so lautet die frohe Botschaft in der gegenwärtigen Verwaltung der Gnade Gottes — allein durch Glauben von allen Sünden gerechtfertigt, ohne Gesetzeswerke, überhaupt ohne eigenes Tun, eben geschenkweise, und zwar in Gottes Gnade durch die Freilösung, die in Christus Jesus ist (Röm.3:24,28).

  Gerechtfertigt werden heißt: für gerecht erklärt werden, Gerechtigkeit angerechnet bekommen, Anteil bekommen an der Gerechtigkeit Gottes, die geoffenbart ist durch den Glaubensgehorsam Jesu Christi bis hin zum Kreuzestod. Gott ist gerecht, denn Er gab für uns Menschen, die wir nichts zu unserer Rettung aus Sünde und Tod tun können, in die Er uns durch Adam hineinbrachte, Seinen Sohn dahin, alle Sünden am Kreuz verurteilend. Durch Glauben sind wir Nutznießer, ja Teilhaber dieser Gerechtigkeit Gottes! Wir sind frei von Schuld. Wir sind Gerechte vor Gottes Angesicht.

 

Abraham

 

  Im Kapitel Vier des Römerbriefs nun führt Paulus als ein Beispiel für die Gerechtigkeit aus Glauben Abraham an.

  Wer war Abraham? Abraham war ein Nachkomme Sems und lebte etwa von 1965 bis 1790 v. Chr. Er stammte aus Ur in Chaldäa. Jewe, der Gott der Herrlichkeit, erschien ihm und sagte zu ihm: Zieh aus deinem Land hinaus in ein Land, das Ich dir zeigen werde. Über Haran in Syrien gelangte er nach Kanaan, in das Land, in dem später die Israeliten wohnten (1.Mose 11:31; 12:1,4; Ap.7:2-5). Abraham hatte keine Kinder, da seine Frau Sara unfruchtbar war.

  Jewe Elohim erschien ihm mehrmals und gab ihm große Verheißungen, sieben an der Zahl:

1.          Abraham wird gesegnet werden, zu einer großen Nation werden, und in ihm sollen alle Familien des Erdbodens gesegnet werden (1.Mose 12:2,3);

2.     Jewe wird das Land Kanaan den Nachkommen Abrahams geben (1.Mose 12:7);

3.     Sein Same wird zahlreich werden wie der Staub der Erde (1.Mose 13:16); dieser Same ist Israel;

4.     Sein Same soll so zahlreich wie die Sterne am Himmel werden (1.Mose 15:5). Diese Nachkommen sind wir, Juden und Griechen, die wir eine überhimmlische Berufung, eine Berufung in den Himmel über den Lufthimmeln der Erde, haben. »Und Abram glaubte Jewe, und Er rechnete es ihm zur Gerechtigkeit an« (1.Mose 15:6);

5.     Abrahams Same soll das Land vom Strom Ägyptens bis zum Euphrat bekommen (1.Mose 15:18);

6.     »Als Abram 99 Jahre alt war, erschien Jewe dem Abram und sagte zu ihm: Ich bin El, der Allgenugsame; wandle vor Mir und sei makellos« (1.Mose 17:1). Jewe gab ihm den Bund der Beschneidung und verhieß ihm, dass Abram zum Vater einer Schar von Nationen werde; deshalb soll sein Name nicht mehr Abram sein (»hoher Vater«), sondern Abraham (»Vater hoher Schar«) (1.Mose 17:4,5,10). Die Beschneidung, das Abschneiden der Vorhaut, besagt, dass das Fleisch, das heißt das religiöse Wirken der Menschen, nichts nützt. Der Geist ist‘s, der den Menschen lebendig macht zur rechten Verherrlichung Gottes (Joh.6:63).

7.   Später dann, nachdem Abraham und Sara den verheißenen Sohn, Isaak, bekommen hatten und weitere Jahre danach, als Elohim dem im Glauben gereiften Abraham geboten hatte, diesen seinen Sohn zur Huldigung Gottes zu opfern, und Abraham bereit war, das zu tun, denn er glaubte, dass Gott die Toten lebendig macht und das Nicht-Seiende wie Seiendes ruft (Röm.4:17), verhieß Jewe ihm: »Ich werde dich segnen, ja segnen und deinen Samen mehren, ja mehren wie die Sterne am Himmel und wie der Sand, der am Gestade des Meeres ist.

  Alle Nationen der Erde werden sich in deinem Samen segnen« (1.Mose 22:17,18). Mit den Sternen am Himmel sind wir wieder erwähnt, mit dem Sand am Meeresgestade sind alle Nationen im Königreich Gottes angesprochen, mit dem Samen aber - hören wir, was der Apostel Paulus in Galater 3:16 schreibt: »Nun sind die Verheißungen aber dem Abraham und seinem Samen angesagt worden. Es heißt nicht: und den Samen (als von vielen), sondern: und deinem Samen (als von dem Einen), welcher Christus ist.« Des Weiteren schreibt Paulus in Galater 3:26 und 29: »Ihr alle seid Söhne Gottes durch den Glauben an Christus Jesus. ... Wenn ihr aber Christus angehört, seid ihr demnach Abrahams Same und Losteilinhaber nach der Verheißung.« Ein Losteilinhaber war im alten Israel der Inhaber des ihm von Gott durch Werfen eines Loses zugefallenen Teils des Ackerlandes rings um das Dorf. Derjenige also, der Gott glaubt wie Abraham glaubte, hat die Segnungen inne, die Abraham verheißen waren und in seinem einen Samen Christus erfüllt sind. Durch Glauben sind wir Abrahams Nachkommen und somit Gesegnete Gottes in Christus, dem Samen Abrahams. Merken wir uns das Stichwort »Verheißung«. Abraham war eine Verheißung gegeben worden, die in Christus Jesus erfüllt wurde und an der wir Anteil haben. 

 

Glaubensgerechtigkeit

 

  Am Beispiel dieses Mannes behandelt der Apostel Paulus in Römer Vier das Thema der Glaubensgerechtigkeit, der Gerechtigkeit aus Glauben.

  In den Versen 1 bis 8 erörtert er die Frage, ob man aus Werken gerechtfertigt werden könne. Er verneint die Frage, indem er die entscheidende Gegenfrage stellt: »Was sagt denn die Schrift?«, und stellt dann fest: »Abraham glaubte Gott, und das wurde ihm zur Gerechtigkeit angerechnet« (V.3). So einfach erschließt sich die Antwort, wenn man fragt: Was sagt denn die Schrift?

  »Wer nun Werke wirkt, dem wird der Lohn nicht aus Gnaden angerechnet, sondern aus Schuldigkeit« (V.4). Und welches Werk denn bitte könnte uns für gerecht erklären? Es gibt doch gar keinen Gerechten, auch nicht einen (Röm.3:10). Alle sündigen, alle verfehlen das Ziel, das Tun des Trefflichen ((Röm.3:23).

  Ja aber - könnte jemand erwidern - das Gesetz des Mose verlangt doch gute Werke. Darauf antwortet Paulus: Ein Gesetz, das 430 Jahre nach der Verheißung an Abraham den Israeliten gegeben wurde, kann doch die Verheißung nicht aufheben (Gal.3:17). Und: Kennt ihr nicht den Zweck des Gesetzes? Die Übertretungen sollen dadurch offenbar gemacht werden (Gal.3:19), Erkenntnis der Sünde soll erzielt werden (Röm.3:20), die außerordentliche Sündhaftigkeit der Sünde soll sichtbar werden (Röm.7:13). Nachdem dies nun deutlich geworden ist, nämlich dass Fleisch (der alte, selbstbezogene Mensch) nicht trefflich handeln kann - ohne den Geist Gottes ist’s unmöglich - lasst euch die verheißene Gerechtigkeit aus Glauben in Gnaden schenken.

»Die Schrift schließt ... alle zusammen unter die Sünde ein, damit die (dem Abraham gegebene) Verheißung aus dem Glauben Jesu Christi denen gegeben werde, die glauben« (Gal.3:22).

 

Gilt das nur den Juden?

 

  In den Versen 9 bis 12 behandelt der Apostel Paulus sodann einen Punkt, den nur die Juden vorbringen können, da Abraham ja ihr Vorvater ist. »Ist diese Glückseligkeit (aus Glauben gerechtfertigt zu sein) nun für die Beschneidung allein oder auch für die Unbeschnittenheit?« (V.9). Die historischen Fakten im ersten Buch Mose belegen: Abraham war unbeschnitten, als ihm sein Glaube zur Gerechtigkeit angerechnet wurde. Er war damals höchstens 85 Jahre alt. Beschnitten wurde er im Alter von 99 Jahren (1.Mose 15:6; 17:24,25). »Und das Zeichen der Beschneidung«, fügt Paulus in Vers 11 an, »erhielt er als Siegel der Gerechtigkeit des Glaubens, die er in der Zeit der Unbeschnittenheit hatte.« Er sollte Vater aller Glaubenden sein, nicht nur der unbeschnittenen Gläubigen, sondern auch derjenigen aus der Beschneidung, die in den Fußtapfen des Glaubens Abrahams die Grundregeln befolgen (V.12). Im Glauben Abrahams die Grundregeln befolgen - das hieß für einen Juden wohl: nicht mit verhärtetem Herzen oder aus eigener Kraft oder zur eigenen Ehre das Gesetz zu tun versuchen, sondern im gläubigen Aufblick zu Jewe Elohim, in Erwartung des verheißenen Messias, des Retters aus aller Unzulänglichkeit.

  Von Abraham gehen somit zwei Heilslinien aus: Eine zu uns hin, die wir allein durch Glauben gerechtfertigt wurden. Und eine zu Israel hin, das aus Glauben und Werken oder aus Glauben und Befolgen der Grundregeln gerechtfertigt wurde.

  Der Apostel Paulus fährt fort (V.13): »Denn nicht durch Gesetz wurde dem Abraham oder seinem Samen die Verheißung zuteil, dass er Losteilinhaber der Welt sei, sondern durch Glaubensgerechtigkeit.« Gewiss, denn das Gesetz hatte im Wesentlichen die Aufgabe, Sündenerkenntnis zu bringen, die Verfehlung des im Gesetz erklärten heiligen, gerechten und guten Willens Gottes aufzuzeigen und Sehnsucht nach der Gnade, die in Christus Jesus zur bestimmten Zeit erfüllt wurde, hervorzurufen.

  Im folgenden Vers 14 schließt Paulus kategorisch aus, dass die unter dem Gesetz die Welt einnehmen würden, nein, den Nachkommen Abrahams wurde die Welt versprochen: Die aus Glauben werden mit dem gläubigen Abraham gesegnet (Gal.3:9). Das Gesetz ruft den Zorn Gottes hervor, der Glaube aber hat erwartungsfrohen Inhalt, und die Verheißung bringt Segen.

 

Damit es der Gnade gemäß sei

 

  Der Apostel Paulus hatte in den Versen 1 bis 15 entschieden deutlich gemacht, wodurch man nicht gerechtfertigt wird: durch Werke, durch das Gesetz; auch sei die Rechtfertigung nicht nur für die Juden. Und er hatte betont, dass allein der Glaube das Mittel ist, die Verheißung zu erlangen. Die verheißene Segnung ist die Rechtfertigung des Sünders von all seinen Sünden und der Empfang des heiligen Geistes (Gal.3:14).

  Im folgenden Abschnitt der Verse 16 bis 22 begründet er nun, weshalb die Rechtfertigung nur aus Glauben geschieht. Zwei Gründe nennt er dafür: 1. damit es der Gnade gemäß sei und 2. somit die Verheißung bestätigt werde. Er schreibt in Vers 16: »Deshalb ist es aus Glauben, damit es der Gnade gemäß sei und die Verheißung dem gesamten Samen bestätigt werde, nicht allein dem aus dem Gesetz, sondern auch dem aus Abrahams Glauben, der unser aller Vater ist.«

Ich sehe diesen Vers als den Höhepunkt des Kapitels an.

  »Deshalb ist es aus Glauben, damit es der Gnade gemäß sei.« Nach der Gnade muss sich jetzt alles richten, nachdem der Glaube Jesu Christi, Sein Glaubensgehorsam bis zum Kreuzestod, uns die Abraham gegebene Verheißung erschlossen hat. Der Gnade gemäß ist nur der Glaube. Sollte jedoch jemand edle und gerechte religiöse Leistungen erbringen, dann wird ihm der Lohn selbstverständlich aus Schuldigkeit zugemessen (Röm.4:4); und dann - so lässt sich folgern - braucht man die Gnade nicht, und man braucht auch Christus nicht. Dann wäre Christus umsonst gestorben. Paulus aber bekennt in Galater 2:21: »Ich lehne die Gnade Gottes nicht ab«, und er erläutert: »denn wenn Gerechtigkeit durch das Gesetz käme, wäre ja Christus ohne Grund gestorben.« Es dürfte auch klar sein, dass religiöse Leistungen keine einzige Sünde rechtfertigen können.

  Wenn irgendeine menschliche Leistung erforderlich wäre, wäre die Gnade nicht mehr Gnade. Gnade ist kein Verdienst, sondern uns in Christus von Gott geschenkt.

  Nichts entspricht der Gnade mehr, als dass wir schlicht und einfach glauben, also nicht etwa selbst etwas tun, sondern nur hören und darauf vertrauen, dass Jesus Christus am Kreuz unsere Rechtfertigung erwirkt hat. Der Glaube ist wie das Auge, das die Landschaft in sich aufnimmt, ohne ihrer Schönheit etwas hinzuzufügen. Die Gnade würde inhaltslos in dem Moment, in welchem wir sie mit der geringsten Spur von Werken oder Verdiensten verbänden. Nur der Glaube ist der Gnade gemäß, denn er ist kein Werk; keine Mühe ist damit verbunden. Es ist auch nicht verdienstvoll, Gott zu glauben, dem Einzigen, der glaubwürdig ist. Es sollte eigentlich selbstverständlich sein, dem, der die Wahrheit ist, zu glauben. Aber ach! Fleisch kann das ja gar nicht (Röm.8:7,8; Heb.11:6). Unser Glaube ist uns von Gott in Gnaden zu Christi Ehre gewährt (Phil.1:29).

 

Damit die Verheißung bestätigt werde

 

  »Deshalb ist es aus Glauben, damit es - erstens - der Gnade gemäß sei und - zweitens - die Verheißung dem gesamten Samen bestätigt werde.« Diese zwei Gründe dafür, dass die Rechtfertigung des Sünders aus Glauben erfolgt, sind aufs Engste verknüpft, denn die Verheißung hat Gnadencharakter, und die Erfüllung der Verheißung geschieht aus Gnaden. Da die Gnade jetzt herrscht, wird die Verheißung erfüllt, unabhängig davon, ob der Mensch dieser Gnadengabe würdig ist. Der Verheißene ist Christus; der verheißene Nachkomme Abrahams ist unser Herr Jesus Christus. In Ihm allein haben wir an der Abraham gewährten Verheißung Anteil, nämlich allein aus Glauben gerechtgesprochen zu sein. Welch eine Gnade!

 

Der Vater aller Glaubenden

 

  Abraham ist unser aller Vater; Abraham ist der Vater aller Glaubenden. In dem Ausdruck »Vater« lag im Orient höchste Ehrfurcht. Buchstäblich ist Abraham der Vorfahre Israels und anderer semitischer Nationen. Uns europäischen Gläubigen bedeutet seine Vaterschaft, dass er uns ein Vorbild, ein Muster für unser Glaubensleben ist. Mögen wir unserem Vater ähnlich werden. Ein Prüfungskriterium, ob wir glauben, wie Abraham glaubte, ist die Totenauferweckung. Es heißt in Römer 4:17: Abraham glaubte, dass Gott die Toten lebendig macht und das Nicht-Seiende wie Seiendes ruft. Haben auch wir einen solchen festen, siegenden Glauben? In 1. Mose 22 wird berichtet, dass Elohim Abraham erprobte und ihn anwies, den verheißenen Sohn Isaak, den Träger aller Verheißungen für die Zukunft, als Aufsteignahung auf einem Berg im Land Morija zu opfern. Eine Aufsteignahung ist eine Darbringung zur Huldigung Gottes, durch die man sich Ihm naht und deren Rauch zu Gott aufsteigt. Elohim gebot im letzten Moment Einhalt. Hebräer 11:17-19 beschreibt dieses Geschehen so: »Durch Glauben hat Abraham den Isaak dargebracht, als er auf die Probe gestellt wurde, ja er brachte den Einziggezeugten dar, er, der die Verheißung empfangen hatte, zu dem gesprochen war: In Isaak wird dein Same genannt werden; er rechnete damit, dass Gott mächtig ist, auch aus den Toten aufzuerwecken, von wo er ihn auch gleichnishaft wiederbekam.«

  Gleichwohl bleibt noch zu fragen, warum gerade Abraham der Vater aller Glaubenden ist, denn vor ihm gab es doch auch Männer, die einen großen Glauben hatten, zum Beispiel Abel, Henoch und Noah. Die Antwort ist, dass jene Glaubensmänner ihren Glauben durch Werke bezeugten: Abel brachte Gott ein Opfer dar, Henoch wandelte Gott wohlgefällig und Noah gar musste lange arbeiten, um die Arche zu seiner Rettung zu bauen (Heb.11:4-7). Auch bei Abraham war es zum Teil so, dass er im Glaubensgehorsam manches tat, zum Beispiel Isaak zu opfern bereit war, woran man also sieht, dass sein Glaube mit seinen Werken zusammenwirkte und sein Glaube erst aus den Werken vollkommen gemacht wurde (Jak.2:22). Aber bei dem für die Anrechnung der Gerechtigkeit entscheidenden Ereignis tat Abraham nichts. Jewe sagte zu ihm: »Blicke doch zum Himmel auf und zähle die Sterne, wenn du sie zählen kannst. ... So zahlreich soll dein Same werden. Abram glaubte Jewe, und Er rechnete es ihm zur Gerechtigkeit an« (1.Mose 15:5,6). - Deshalb ist Abraham der Vater aller Glaubenden, aller derer, die nicht wirken.

  Er ist auch deshalb der Vater aller Glaubenden, weil Jewe Sich nur ihm als der alles Schenkende vorstellte, wie in 1.Mose 17:1 berichtet: »Als Abram 99 Jahre alt war, erschien Jewe dem Abram und sagte zu ihm: Ich bin El, der Allgenugsame; wandle vor Mir und sei makellos.« El, Gott, ist wahrhaftig allgenugsam, Er ist der Geber aller Gaben, in Ihm haben wir unsere volle Genüge. Nichts ist aus uns, alles ist aus Ihm. Nur dem Abraham hatte Sich Gott als der Allgenugsame offenbart - da blieb für Abraham nichts zu tun übrig, ebensowenig wie für uns, die wir ja doch durch Glauben alle geistlichen Segnungen, die es überhaupt gibt, haben. Mehr als alles kann man nicht haben - in Christus Jesus, der alles umfassenden Gnadengabe Gottes.

 

Abraham wurde im Glauben gekräftigt

 

  In Römer 4:19-22 haben wir ein weiteres Beispiel dafür, dass Abraham nichts anderes tun konnte, als nur zu glauben, denn was können Körper, deren Fortpflanzungsfähigkeit erstorben ist, tun, um ein Kind zu bekommen? »Nicht schwach werdend im Glauben, bedachte er seinen ungefähr hundertjährigen schon abgestorbenen Körper und die Erstorbenheit des Mutterleibes der Sara. Aber an der Verheißung Gottes zweifelte er nicht durch Unglauben, sondern wurde im Glauben gekräftigt, Gott Verherrlichung gebend und vollgewiss, dass Er das, was Er verheißen hat, auch zu tun imstande ist. Darum wird es ihm auch zur Gerechtigkeit angerechnet« (Röm.4:19-22).

  Als Abrahm 85 und Sara 75 Jahre alt waren und der verheißene Sohn immer noch nicht geboren war, meinten sie, nun selbst etwas unternehmen zu müssen. Sara gab ihre ägyptische Magd Hagar Abraham zur Frau. Sie hatten also zwar Glauben, aber keine Geduld und keine Vollgewissheit in ihrer Erwartung. Hagar gebar Abraham seinen Sohn Ismael. Und Gott schwieg 13 Jahre lang (1.Mose 16).

  Als Abraham dann 99 Jahre alt war, verhieß Elohim Abraham, ihm einen Sohn von Sara zu geben. Abraham und Sara mussten bei diesem Gedanken innerlich lachen - verständlicherweise (1.Mose 17:16,17; 18:12). Doch der Glaube der beiden wurde fest. Von Sara heißt es in Hebräer 11:11 sehr schön: »Durch Glauben erhielt Sara Kraft zum Niederwurf von Samen, und sie gebar über die Frist ihres Höhepunktes hinaus, weil sie den Verheißenden für glaubwürdig erachtete.« Und von Abraham schreibt Paulus in Römer 4:20,21 fein: »... er wurde im Glauben gekräftigt, Gott Verherrlichung gebend und vollgewiss, dass Er das, was Er verheißen hat, auch zu tun imstande ist.«

  Nach der Geburt des verheißenen Sohnes Isaak konnten sie wahrhaftig lachen und sich freuen. Der Name Isaak bedeutet »Lachen« (1.Mose 21:1-6).

 

Dies ist auch um unsertwillen geschrieben

 

  Vollgewiss dürfen auch wir sein, und große Freude darf auch in unseren Herzen sein, denn nicht allein um Abrahams willen geschah dies alles und wurde es geschrieben, dass ihm der Glaube zur Gerechtigkeit angerechnet wird, sondern auch um unsertwillen, denen es angerechnet wird, dass wir an den Allgenugsamen glauben, der alles für uns getan hat, der Jesus, unseren Herrn, den verheißenen Samen Abrahams, aus den Toten auferweckt hat, Ihn, der um unserer dem Vaterherzen Gottes zugefügten Kränkungen willen dahingegeben und um unserer Rechtfertigung willen auferweckt wurde (Röm.4:23-25).

  Freude - der Apostel Paulus schreibt: »Glückseligkeit« (Röm.4:9; Gal.4:15) - und Dankbarkeit ruft die Rechtfertigung von allen Sünden in unseren Herzen hervor. Gerechtfertigte sind Geliebte Gottes, in dem geliebten Sohn begnadet (Eph.1:6); Gott beschuldigt uns nicht, niemand kann uns erfolgreich bezichtigen, nichts ist uns zur Verurteilung (Röm.8:1,33). Des Weiteren freuen wir uns und sind dankbar, weil die Rechtfertigung die Vorbedingung dafür ist, nun auch im Frieden der Versöhnung mit Gott zu leben. Mit Gott versöhnt zu sein, Frieden mit Ihm zu haben, ist die gesegnete Folge der Rechtfertigung. Darüber hinaus erwarten wir als weitere Folge der Rechtfertigung die zukünftige Herrlichkeit in der Vollgewissheit des Glaubens, wie uns mit Römer 5:1,2 gesagt wird: »Gerechtfertigt nun aus Glauben, dürfen wir mit Gott Frieden haben durch unseren Herrn Jesus Christus, durch den wir auch im Glauben den Zugang in diese Gnade erhalten haben, in der wir stehen, sodass wir uns in Erwartung der Herrlichkeit Gottes rühmen mögen.« 
 

Wir rühmen uns der Versöhnung

(Röm.5:1-11)


 
 

Der Apostel Paulus hatte in Römer 3:24,27 geschrieben: »Umsonst gerechtfertigt in Seiner Gnade durch die Freilösung, die in Christus Jesus ist ... - wo bleibt nun das Rühmen? Es ist ausgeschlossen!« In dem Schriftabschnitt aber, den wir nun betrachten, werden wir aufgefordert, uns zu rühmen, und zwar in mehrfacher Hinsicht: in Erwartung der Herrlichkeit Gottes, in unseren Drangsalen und in Gott durch unseren Herrn Jesus Christus, durch den wir die Versöhnung erhielten. Dieser Gegensatz erklärt sich ohne Weiteres dadurch, dass wir ehemalige Sünder und Feinde Gottes uns keines Verdienstes vor Ihm rühmen können, es aber sehr wohl angebracht ist, dass wir uns in Gott aller Seiner herrlichen Segnungen und Gnadenerweise freudig und dankbar rühmen.

Paulus hatte in Römer 3:21-4:25 die vollkommene Gerechtigkeit Gottes bekanntgemacht, die durch den Glauben Jesu Christi geoffenbarte Gerechtigkeit Gottes nämlich, die für alle ist und zuerst auf alle Glaubenden kommt, und er hatte verkündigt, dass der Mensch durch Glauben gerechtfertigt wird, ohne Gesetzeswerke. Unsere Rechtfertigung nun ist die Voraussetzung für eine weitere Segnung unseres Gottes und Vaters: die Versöhnung mit Ihm. Seit unserer Rechtfertigung von allen Sünden sind wir vom Zutritt zum Vater zwar nicht mehr ausgeschlossen, doch die Versöhnung ist ein Gnadenerweis, der weit über die Rechtfertigung hinausgeht. Von dem Richter gerechtgesprochen worden zu sein, ist großartig, mit Ihm aber versöhnt zu sein, ist erfüllend. Gottes Zuneigung zu uns ist nicht damit zufriedengestellt, uns nur von aller Schuld freizusprechen. Er will uns eine Gemeinschaft mit Sich schenken, die vom Frieden und der Liebe geprägt ist. Frieden ist das Wesen der Versöhnung. Wir waren nicht nur Sünder, die die Rechtfertigung nötig hatten, sondern auch Feinde Gottes, die der Versöhnung bedurften. Der Lobpreis und die Verherrlichung sei Gott, dass Er uns durch unseren Herrn Jesus Christus die Versöhnung gewährte; mögen wir nun aber auch den darin liegenden Frieden in herzlicher Gemeinschaft mit Ihm genießen!

Rechtfertigung und Versöhnung - das sind die beiden Säulen des Evangeliums des Apostels Paulus. Während die Rechtfertigung bereits durch Abrahams Glauben vorgeschattet war (vgl. Röm.4), ist die Versöhnung ein Geheimnis gewesen; sie war in den heiligen Schriften nicht verheißen; erst dem Apostel Paulus wurde sie geoffenbart. Aus Römer 16:25 ersehen wir, wie wichtig die Erkenntnis der Versöhnung ist, denn Gott kann uns - wie es dort heißt - im Glauben festigen gemäß dem Evangelium des Apostels Paulus und seiner Heroldsbotschaft von Christus Jesus, gemäß der Enthüllung eines Geheimnisses, das in äonischen Zeiten verborgen war. Dieses Geheimnis ist die Versöhnung, das Geheimnis des Evangeliums des Apostels Paulus. Nach Römer 16:26 wurde dieses Geheimnis nun aber geoffenbart und durch die prophetischen Schriften des Apostels auch bekanntgemacht, um Glaubensgehorsam unter allen Nationen zu wirken.

Gerechtfertigt nun aus Glauben

Der Apostel Paulus schreibt in Römer 5:1,2: »Gerechtfertigt nun aus Glauben, dürfen wir mit Gott Frieden haben durch unseren Herrn Jesus Christus, durch den wir auch im Glauben den Zugang in diese Gnade erhalten haben, in der wir stehen, sodass wir uns in Erwartung der Herrlichkeit Gottes rühmen mögen.« Gerechtfertigt mithin aus Glauben - den Beweis dafür hat Paulus in den Kapiteln Drei und Vier erbracht, wobei wir nicht vergessen sollten, wer der Urheber unseres Glaubens ist - Christus nämlich (Heb.12:2) - und dass unserem Glauben der Glaube Christi zugrunde liegt. Gerechtfertigt wird, wer aus dem Glauben Jesu Christi ist (Röm.3:26), wie es auch in Galater 2:16 heißt: Weil wir aber wissen, dass der Mensch nur durch den Glauben Christi Jesu gerechtfertigt wird, so glauben wir an Christus Jesus, damit wir aus dem Glauben Christi gerechtfertigt werden. Gerechtfertigt also aus Glauben, dürfen wir mit Gott Frieden haben aufgrund der Gnade der Versöhnung, in der wir stehen. Der Glaube hat uns auch diese über die Rechtfertigung hinausgehende Segnung der Versöhnung eröffnet. Zugang in dieses herrliche Gnadengeschenk erhielten wir durch unseren Herrn Jesus Christus, dem unser hingebungsvoller Dank dafür sei. Paulus sieht es als selbstverständlich an, dass wir uns in Gott durch unseren Herrn Jesus Christus rühmen, durch den wir die Versöhnung erhielten (Vers 10).

Haben wir Frieden?

 

Die Versöhnung erhielten wir - das steht fest. Rühmen wir uns aber ihrer auch und erfreuen wir uns des Friedens, den sie mit sich bringt? Denn es heißt »dürfen wir Frieden haben.« Dieser Satzteil steht in der Möglichkeitsform. Leider haben viele Heilige keinen Frieden mit Gott,weil sie nicht glauben, dass Gott mit ihnen versöhnt ist. Ja, vielfach wissen sie nicht einmal, dass sie allein durch Glauben gerechtfertigt sind und fügen deshalb Wohlverhalten, Umsinnung, Taufe oder Werke hinzu. Da aber alles eigene Tun mangelhaft ist und zudem die Dahingabe Jesu Christi als nicht ausreichend hinstellt, haben sie keine Gewissheit der Rechtfertigung und können sie die vollkommene, glückselige Gemeinschaft mit Gott nicht erfahren. Glaube ist vonnöten. Nur im Glauben, nur als Glaubende können wir uns über unsere geistlichen Segnungen in Christus Jesus, hier über die Versöhnung, freuen. Wissen die Gläubigen denn nicht, dass Gott in Christus war, die Welt - da ist kein Mensch ausgeschlossen - mit Sich Selbst versöhnend, und dass Er folglich keinem Menschen eine Kränkung anrechnet (2.Kor.5:19)? Solange der Mensch das nicht glaubt, ist das natürlich nur eine einseitige Sache. Wenn die Heiligen nun aber Gott glauben, dass sie in der Gnade der Versöhnung stehen, dann haben beide Seiten zueinander gefunden, dann haben die Gläubigen Frieden, dann kann man von Aussöhnung sprechen . Der Apostel Paulus gebraucht den Begriff Aussöhnung in den Vollkommenheitsbriefen, dem Epheser-, dem Philipper- und dem Kolosserbrief, um das beidseitige Verhältnis des Friedens zu beschreiben.

Welch eine Gnade, in der wir stehen! Unsere Versöhnung macht einen wesentlichen Teil des Reichtums unseres Gnadenstandes aus. Mögen wir diesen Reichtum auskosten!

Mögen wir uns rühmen!


 
 

Wenn wir verstanden haben, welch eine Gnade uns gewährt wurde,

dann wird es so sein, dass wir uns in Erwartung der Herrlichkeit Gottes rühmen, wie in Vers 2 geschrieben. Wir haben völlige Gewissheit, dass wir die Herrlichkeit, die Gott uns verheißen hat, am Tag Christi erhalten werden, sind wir doch mit dem heiligen Geist versiegelt und wird Er doch die, die Er vorherbestimmt hat, dem Bilde Seines Sohnes gleichgestaltet zu werden, die, die Er beruft und rechtfertigt, auch verherrlichen (Röm.8:30). Das ist sicher. Der Lobpreis sei unserem Gott und Vater durch Christus Jesus, unseren Herrn!

»Wer sich rühmt, der rühme sich im Herrn!« (1.Kor.1:31). Lassen wir darin nicht nach, zum Ausdruck zu bringen, dass wir in Christus Jesus Bevorzugte und überaus Gesegnete sind, Auserwählte, Heilige und Geliebte Gottes.

 

Auch in den Drangsalen


 
 

»Nicht allein aber das«, so fährt Paulus in den Versen 3 bis 5 fort,»sondern wir mögen uns auch in den Drangsalen rühmen, wissend, dass die Drangsal Ausharren bewirkt, das Ausharren aber Bewährung, die Bewährung aber Erwartung. Die Erwartung aber lässt nicht zuschanden werden, weil die Liebe Gottes in unseren Herzen ausgegossen ist durch den uns gegebenen heiligen Geist.« Wissende rühmen sich auch in den Drangsalen. Die unausbleiblichen Trübsale werden unsere Erwartungshaltung nicht schwächen, sondern stärken. Gerade in den Prüfungen erkennen wir die Schwachheit und Wankelmütigkeit unseres Fleisches in besonderer Weise, zugleich aber auch die Zuverlässigkeit und Kraft des Wortes unseres Gottes, das uns zuspricht, aufrichtet und Zuversicht vermittelt, weil wir wissen, dass Gott Liebe ist, sodass Er uns alles zum Guten zusammenwirken wird (Röm.8:28).

Selbstverständlich gilt es auszuharren. Wer ausgeharrt hat, wird nicht nur ein in Drangsalen Bewährter sein, sondern auch auf anderen Gebieten, etwa im Dienst des Herrn, im Beruf oder in der Familie.

Wer sich in den Drangsalen rühmt, dessen Zuversicht bleibt

ungebrochen, ja seine Erwartung wird noch intensiver. Die Erwartung lässt auf keinen Fall zuschanden werden, denn die Liebe Gottes ist in unseren Herzen ausgegossen durch den uns gegebenen Geist. Den heiligen Geist erhielten wir, als Gott uns in Gnaden den Glauben gewährte (Phil.1:29); seitdem ist Seine Liebe in unseren Herzen. Wir erkennen nun Seine Liebe. Seine Liebe wird nicht eher ruhen, bis alles in Herrlichkeit in Christus vollendet ist. Alle Verheißungen werden erfüllt werden. Wir brauchen nie zu befürchten, dass wir beschämt oder enttäuscht werden. Weil wir Gottes Liebe kennen, ist unsere Erwartung keine dünne Eisdecke, die uns zuschanden werden lassen könnte, sondern ein tragender Grund. Wir dürfen überfließen in Sicherheit und Gewissheit und uns in Erwartung der Herrlichkeit Gottes über alle Maßen freuen und rühmen. Die Liebe Gottes garantiert die Erfüllung aller Erwartungen. Die Liebe wird niemals hinfällig.

Die Erwartung lässt nicht zuschanden werden


 
 

Mit den Absätzen der Verse 6 bis 9 und 10 bis 11, die beide mit »denn« beginnen, begründet der Apostel Paulus in vertiefter Weise seine Aussage, dass die Erwartung nicht zuschanden werden lässt, und zwar weil die Liebe Gottes nicht nur an unserer Rechtfertigung erkennbar ist, sondern auch an der Rettung vor Gottes Zorn, und nicht nur an der Versöhnung ersichtlich ist, sondern auch an der Rettung zum äonischen Leben.

Betrachten wir zunächst die Verse 6 bis 9: »Denn, als wir noch schwach waren, noch gemäß der jetzigen Frist, starb Christus für die Unfrommen. - Für einen Gerechten wird nämlich kaum jemand sterben; doch für die gute Sache würde jemand vielleicht noch zu sterben wagen. - Gott aber hebt uns gegenüber Seine Liebe dadurch hervor, dass Christus für uns starb, als wir noch Sünder waren. Wieviel mehr folglich werden wir, nun in Seinem Blut gerechtfertigt, durch Ihn vor dem Zorn gerettet werden!« Als wir noch schwach waren, das heißt der Sünde nicht widerstehen konnten, noch gemäß der jetzigen Frist, starb Christus für die Unfrommen, die Unehrerbietigen. Von solchen, die Gott nicht die Ehre geben, haben wir in Kapitel Eins gelesen, dass Gott sie dahingegeben hat, das zu tun, was ihnen schadet (Verse 21,24,26,28). Zu denen sandte Gott Seinen Sohn. In Vers 7 sodann gibt Paulus zu bedenken, wie es unter den Menschen ist: Da stirbt vielleicht einer für eine gute Sache, aber kaum jemand für einen gerechten Menschen. Die Liebe Gottes aber geht weit darüber hinaus, denn Christus starb für Sünder, ja Seine Liebe wird uns daran erst richtig deutlich: »Gott aber hebt uns gegenüber Seine Liebe dadurch hervor, dass Christus für uns starb, als wir noch Sünder waren.« Eine größere Liebe gibt es nicht! Den Tod hätten wir verdient. Doch Gott ist voll Liebe.

Wenn Christus schon für uns starb, als wir noch Sünder waren, wieviel mehr folglich werden wir, die wir nun in Seinem Blut gerechtfertigt sind, durch Ihn vor dem Zorn gerettet werden (Vers 9). Wenn Gott das Größte und Schwerste für uns tat, als wir Seiner Liebe noch völlig unwürdig waren, wieviel mehr steht fest, ja wieviel mehr dürfen wir uns der herrlichen Erwartung rühmen, dass Er uns vor Seinem Zorn retten wird. Über Gerechtfertigte kann der Zorn Gottes selbstverständlich nicht kommen. Dementsprechend lesen wir in 1. Thessalonicher 1:10, dass Jesus uns aus des Zornes Kommen birgt, und in Kapitel 5:9, dass Gott uns nicht zum Zorn gesetzt hat, sondern zur Aneignung der Rettung. In den Tag des Zorns (Röm.2:5), in die Frist der Rache Jewes (Jes.51:6), in die Endzeit - das ist der letzte der dem Volk Israel bestimmten Jahrsiebener (Dan.8:17; 9:24) - kommen wir nicht hinein. Von Römer 1:18 an bis Kapitel 3:20 hatte Paulus ausführlich dargelegt, dass der Zorn Gottes über alle Unfrömmigkeit und Ungerechtigkeit der Menschen kommen wird. Nur unsere Rechtfertigung durch den Glauben, dass Jesus Christus um unserer Kränkungen willen dahingegeben und um unserer Rechtfertigung willen auferweckt wurde, begründet unsere Rettung vor Gottes Zorn.

Welch eine Liebe!


 
 

Nochmals führt Paulus uns die Liebe Gottes vor Augen, die tiefste Ursache unserer Erwartung, die völlig gewiss und sicher ist und uns in der Zuversicht überfließen lässt, in der Kraft heiligen Geistes. Er schreibt in Vers 10: »Denn wenn wir, als wir Feinde waren, mit Gott durch den Tod Seines Sohnes versöhnt wurden, wieviel mehr werden wir, nun versöhnt, in Seinem Leben gerettet werden!« Wir waren nicht nur Sünder, also das treffliche Tun Verfehlende, sondern auch Feinde Gottes, denn die Gesinnung des Fleisches ist, weil sie sich Gott nicht unterordnet, Feindschaft gegen Gott (Röm.8.7). Die alte, eigensinnige Menschheit, die sich Gott nicht unterordnet, das selbstsüchtige, sich selbst verherrlichende, stolze Fleisch ist Gottes Feind. Feindschaft ist eine Einstellung entschiedener Ablehnung und Gegnerschaft. Jeder, der sich selbst erhöht, setzt Gott zurück, lehnt Ihn, dem allein alle Ehre gebührt, somit ab - ob bewusst oder unbewusst- und ist damit eindeutig gegen Gott eingestellt.

Sünden sind Verstöße gegen die Gerechtigkeit und müssen auf rechtlicher Ebene bereinigt werden. Feindschaft findet innerhalb einer persönlichen Beziehung statt und muss auf persönlichem Wege beordnet werden. Dieser Weg ist die Versöhnung.

Gott hat Sich mit uns versöhnt. Gott hat uns Versöhnung gewährt, und zwar als wir noch Seine Feinde waren. Damit ist auch ausgesagt, dass Gott heute den Menschen versöhnt ist, die noch Seine Feinde sind! »Denn Gott war in Christus, die Welt mit Sich Selbst versöhnend: Er rechnet ihnen ihre Kränkungen nicht an« (2.Kor.5:19). Feindschaft ist eine ausgesprochene Kränkung Gottes; doch Er hält Frieden und rechnet die Kränkung der Feindschaft nicht an. Denn Christus, der Eine, starb für alle. Da Er für alle starb, starben alle (2.Kor.5:14). Christi Tod berührte mithin alle, betraf alle und ist zum Segen für alle, zu einem Segen, der in der Versöhnung Gottes mit ihnen besteht.

Die Rechtfertigung geschah in Christi Blut, da Sünden Taten sind, die zum Ausgleich Leiden fordern. Die Versöhnung erfolgte durch den Tod des Sohnes Gottes, da Feindschaft ein Zustand ist, der zum Ausgleich den Zustand des Todes fordert.

Für die Sünder starb unser Herr Jesus Christus, in diesem Zusammenhang als Christus bezeichnet (Vers 8). Christus, der Messias, der Gesalbte, ist ein Amtstitel. Zu unserer Rechtfertigung von den Sünden starb also der Amtsträger Christus, der Bevollmächtigte Gottes. Für die Feinde Gottes aber starb der Sohn Gottes. Wir wurden durch den Tod Seines Sohnes mit Gott versöhnt (V.10). Mit dem Begriff »Sohn« wird das persönliche Verhältnis zum Vater angesprochen, übereinstimmend mit Gottes persönlicher Friedenshaltung der Versöhnung mit der Welt. Durch den Tod Seines Sohnes hat Gott Sich allen Menschen versöhnt und ihnen Seine Liebe erwiesen. Unser Gott und Vater liebt Seine Feinde. Welch ein Evangelium! Welch ein herrliches Geheimnis des Evangeliums ist die Versöhnung doch! Gott ist ihnen versöhnt, auch wenn sie in der Feindschaft Ihm gegenüber beharren.

Die Liebe Gottes aber hebt Seinen Zorn über die Ungerechtigkeiten der Ungläubigen nicht auf. Die Versöhnung schützt nicht vor dem Zorn. Gott ist den Menschen zwar versöhnt, aber Er hat sie nicht gerechtfertigt; nur der Glaube, nur die Rechtfertigung rettet vor dem Zorn. Gott muss gerechtes Gericht üben, aber Er tut es nicht als Feind, und mithin dienen Seine Gerichte der Belehrung über Gut und Böse und der Zurechtbringung der Menschen. Gott ist den Menschen nicht mehr feindlich gesonnen, aber die Gerechtigkeit fordert die Verurteilung des Sünders am Tage des Gerichts Gottes vor dem großen weißen Thron (Röm.2:5; Off.20:11). Weiß ist übrigens die Farbe der Gerechtigkeit.

Die Liebe freut sich nicht über die Ungerechtigkeit, lesen wir in 1. Korinther 13:6; sie kann keine Ungerechtigkeit bei den Geliebten belassen.

Unsere Erwartung lässt uns nicht zuschanden werden, denn wenn wir, als wir Feinde waren, mit Gott durch den Tod Seines Sohnes versöhnt wurden, wieviel mehr werden wir, die wir nun versöhnt sind, in Seinem Leben gerettet werden! - Warum heißt es hier nicht, dass wir ausgesöhnt sind? Weil die Aussöhnung und mithin unsere Mitwirkung durch unseren Glauben hier nicht das Thema ist, sondern allein das Liebeswirken Gottes. - Wenn Gott das Schmerzlichste schon für Seine Feinde tat, um wieviel mehr ist es nun selbstverständlich und unausweichlich für Ihn, auch das Leichtere zu tun, nämlich uns in Seines Sohnes Leben zu retten, ja es wird Ihm eine Freude sein. Wir werden nicht nur vor etwas Negativem, eben dem Zorn, gerettet, sondern für etwas sehr Positives, und zwar das Leben. Wir werden mit Ihm, unserem Herrn und Retter Christus Jesus, leben. Wir werden in jeder Weise an Seinem Leben teilhaben, denn die Gnadengabe Gottes ist äonisches Leben in Christus Jesus, unserem Herrn (Röm.6:23).

Als in die Gemeinschaft mit dem Sohn Gottes, Jesus Christus, unserem Herrn, Berufene, genießen wir bereits jetzt durch Glauben im Geist das Leben in Ihm, und vom Tag Christi an werden wir Ihm körperlich gleichgestaltet sein (Röm.8:29; Phil.3:21) und allezeit auch räumlich bei Ihm sein inmitten der Überhimmlischen (1.Thess.4:17).

Wir rühmen uns


 
 

Wir kommen zum letzten Vers unserer Betrachtung, dem Vers 11: »Nicht allein aber das, sondern wir rühmen uns auch in Gott durch unseren Herrn Jesus Christus, durch den wir nun die Versöhnung erhielten.« Wir sind nicht nur von der Tatsache unserer Rettung in Seinem Leben überzeugt, sondern wir rühmen uns auch ihrer. Wir rühmen uns und frohlocken und jubeln über unsere Rettung, die Versöhnung und den Frieden, den wir mit Gott als dies alles Glaubende haben. Sich Gottes zu rühmen zeugt von einer gewissen Reife im Glauben. Mögen wir doch immer mehr unseren Reichtum in Christus Jesus erkennen und uns aller unserer geistlichen und überhimmlischen Segnungen in Ihm in Freimut und zur Verherrlichung Gottes rühmen!

Wir rühmen uns in Gott; in engster geistlicher Gemeinschaft mit Ihm nur können wir das. Möglich ist uns das aber nur durch unseren Herrn Jesus Christus; Er ist der Mittler, der einzige; Er brachte uns Seinem Vater nahe. Durch Sein Leiden und Sterben und durch Seinen Tod stehen wir in einer Gnade, die uns so sehr einnehmen sollte, dass wir uns nicht nur in Erwartung der Herrlichkeit Gottes rühmen, wie uns mit Vers 2 ans Herz gelegt, sondern auch des gegenwärtigen Segens, insbesondere der Versöhnung, die wir durch unseren Herrn Jesus Christus erhielten.

Auch unser Rühmen selbst geschieht durch unseren Herrn und Retter, wie ja auch alles, was wir auch immer tun im Wort oder im Werk, im Namen unseres Herrn Jesus Christus geschehen soll und wie wir Gott dem Vater stets durch Ihn danken sollen (Kol.3:17). Ebenso heißt es in Hebräer 13:5: »Durch Ihn nun sollten wir Gott allezeit Lobopfer darbringen, das heißt: die Frucht der Lippen, die Seinen Namen bekennen.« Nur durch Ihn haben wir allezeit im Geist Zutritt zum Vater (Eph.2:18).

Gott hat das Wort der Versöhnung in uns niedergelegt (2.Kor.5:19); möge es auch durch diese Ausführungen bekräftigt worden sein. Was wir aber nun erhielten, soll nicht ohne Auswirkungen in unserem Alltag bleiben, sondern Frucht bringen; so hat unser Gott und Vater uns den Dienst der Versöhnung gegeben (2.Kor.5:18). »Daher sind wir Gesandte für Christus, als ob Gott durch uns zuspräche. Wir flehen für Christus: Lasst euch mit Gott versöhnen! Denn den, der Sünde nicht kannte, hat Er für uns zur Sünde (das heißt zum Sündopfer) gemacht, damit wir Gottes Gerechtigkeit in Ihm würden« (2.Kor.5:20,21). Dieser unser Dienst der Versöhnung darf in Herrlichkeit überfließen, wie es der Apostel Paulus zum Dienst der Gerechtigkeit in 2.Korinther 3:9 sagt.
 
 

Adams Tat und Christi Tat

(Röm.5:12-21)

  In diesem Abschnitt des Römerbriefs wird das menschliche Dasein unter den elementaren Gesichtspunkten der Sünde und des Todes einerseits und der Gnade und des Lebens andererseits betrachtet, tiefgründiger ausgedrückt: unter dem Aspekt unserer Beziehung zu Adam einerseits und zu Christus andererseits.

  Der Apostel Paulus greift auf Adam zurück, um den rechten Gegenpol zu Christus zu bezeichnen. Denn Adam ist der Vorvater aller Menschen, der alle in die Tragik unseres Daseins hineinzog - was allerdings Gottes weisem Ratschluss entsprang. Ihm steht an ebenso allumfassender Bedeutung nur Christus gegenüber, in welchem wir alle erschaffen sind (Kol.1:16) und der der Retter aller Menschen ist. Christus überragt Adam überaus hoch in Seinem Tun und in den Folgen Seines Tuns für alle Menschen. Die Gnade, der Christus den Weg bereitet hat, überströmt die Sünde, die durch Adam in die Welt eindrang, über alle Maßen.

  Dies sei nun im Einzelnen dargelegt:

 

Wie die Sünde in unsere Welt kam

 

  In Römer 5:12 lesen wir: »Deshalb, ebenso wie durch den einen Menschen die Sünde in die Welt eindrang und durch die Sünde der Tod und so zu allen Menschen der Tod durchdrang, worauf alle sündigten -.« Das erste Wort dieses Verses »deshalb« zieht die Folgerungen aus den vorausgegangenen Kapiteln. Deshalb, weil die Gerechtigkeit Gottes offenbart ist (3:21) und die Rechtfertigung und die Versöhnung verkündigt sind (3:24,28; 5:10,11) und die Gerechtigkeit Gottes wie auch die Versöhnung nicht nur für uns Gläubige sind, sondern für alle (Röm.3:22; 2.Kor.5:19) - deshalb, weil die Gnade erschienen ist, allen Menschen zur Rettung (Tit.2:11), kommt der Apostel Paulus nun zu gewaltigen Aussagen, die er nach konstruktiven Zwischenerörterungen in den Versen 12 bis 17 sodann in den Versen 18 und 19 zum Höhepunkt führt.

  Auch die nächsten beiden Wörter in Vers 12 »ebenso wie« finden ihr aussagekräftiges Gegenstück erst in den Versen 18 und 19 mit den Worten »so kommt es auch« und »so werden auch«.

  Zunächst klärt Paulus das Verhältnis, in welchem Sünde und Tod zueinander stehen. Warum sterben wir? Warum sündigen wir? - Als Erstes lernen wir, dass durch den einen Menschen die Sünde in die Welt eindrang. Wie kam das? »Jewe Elohim gebot dem Menschen: Von jedem Baum des Gartens darfst du essen, ja essen. Doch von dem Baum der Erkenntnis des Guten und Bösen - von ihm darfst du nicht essen; denn an dem Tag, an dem du von ihm isst, wirst du zum Sterben sterbend sein« (1.Mose 2:16,17). Eva jedoch geriet, von der Schlange völlig getäuscht, in Übertretung. Sie nahm von der Frucht und aß. Dann gab sie auch ihrem Mann davon, der bei ihr war, und Adam aß (1.Mose 3:6). So sündigte Adam, und damit war die Sünde in seiner Welt.

  Durch diese Sünde drang der Tod in die Menschheit ein; Adam und Eva, die sterblich waren, denn sie mussten ja essen, die aber nicht starben, solange sie aßen, insbesondere vom Baum des Lebens, wurden nun zum Sterben hin sterbend. Alle ihre Nachkommen erbten ihre Anfälligkeit für den Tod. So drang der Tod zu allen Menschen durch. Deshalb sind wir das ganze Leben lang auf den Tod hin sterblich. Diese todesbedingte Schwachheit ist der Grund dafür, dass wir sündigen, denn unser Vers 12 sagt, dass der Tod zu allen Menschen durchdrang, worauf  alle sündigten. Da wir ständig mit unserem Tod rechnen müssen, sind wir dauernd mit unserer Lebenssicherung beschäftigt, auch auf Kosten anderer.

  Wir haben also nicht die Sünde geerbt, sondern den Tod. Unsere zum Sterben hinführende Sterblichkeit, diese Schwachheit, hat zur Folge, dass wir sündigen. Keine Sünde wurde auf uns übertragen, sondern der Tod.

 

Der Tod herrscht

 

  Mit den folgenden Versen 13 und 14 beweist der Apostel Paulus, dass der Tod völlig unabhängig von der Sünde des einzelnen Menschen unumschränkt herrscht.

  Römer 5:13,14 lautet: »... denn bis zum Gesetz war schon Sünde in der Welt; Sünde aber wird nicht angerechnet, wenn kein Gesetz da ist. Dennoch herrschte der Tod von Adam bis auf Mose auch über die, die nicht in der gleichen Übertretung wie Adam gesündigt hatten, der ein Vorbild des Zukünftigen ist.« Auch bevor das Gesetz des Mose den erklärten Willen Gottes bekannt machte, sündigten die Menschen, aber es wurde ihnen nicht angerechnet. Wo kein Gesetz ist, gibt es auch keine Übertretung (Röm.4:15). Also konnte auch keine Anklage erhoben und kein Urteil gefällt werden. Die Menschen starben aber. Sogar Säuglinge, die gar keine Sünde tun können, starben. Der Tod ist also nicht eine Strafe für eigene Sünden, sondern nur für die eine Sünde Adams. Welche furchtbaren Folgen doch eine Sünde hat!

  Kann Gott zornig sein über die, die Er von Geburt an als Sünder eingesetzt hat? Nein, Er rechnet ihnen ihre Sünden nicht an. Sein Zorn kann von Rechts wegen nur gegen die Übertreter Seiner Gebote und gegen die Verächter erkannter Wahrheit entbrennen, »die die Wahrheit in Ungerechtigkeit niederhalten«, wie Paulus in Römer 1:18 formuliert.

  Wieso sterben auch Gläubige? Weil Unsterblichkeit und Unvergänglichkeit uns erst für die zukünftigen Äonen verheißen sind. In der gegenwärtigen Verwaltung der Gnade Gottes haben wir alle geistlichen Segnungen in Christus Jesus, aber unser Körper ist von dem Rechtsspruch, in Christi Blut gerechtfertigt zu sein, nicht berührt (Röm.8:10). Der Tod und folglich auch die Sünde wohnen noch in uns. Die Herrschaft der Sünde in uns wird nur gebrochen durch einen Wandel im Geist, das heißt durch eine entschiedene Orientierung auf das Wort Gottes und die Gesinnung Christi Jesu, durch das Weghören von den Begierden des Fleisches und die gehorsame Bereitstellung zum Dienst des Herrn. Wir stehen nur dann nicht mehr unter der Herrschaft der Sünde, wenn wir unser Mitgekreuzigtsein erkannt haben und damit rechnen, der Sünde gegenüber tot zu sein (Röm.6:6,11).

 

Adam, ein Typus auf Christus

 

  Am Ende des Verses 14 wird Adam als ein Vorbild des Zukünftigen bezeichnet. Adam, das Haupt der alten Menschheit, bildet Christus, das Haupt der neuen Menschheit, vorweg ab. Adam ist ein Typus, eine vorausweisend geprägte Gestalt, so wie Paulus in 1. Korinther 15:44-46 ausführt, dass zuerst das Seelische und somit Adam mit einem seelischen Körper kommt und darauf das Geistliche und somit Christus mit einem geistlichen Körper.

 

Sünde, Übertretung, Kränkung

 

  An dieser Stelle seien die Begriffe Sünde, Übertretung und Kränkung kurz erläutert. Die ursprüngliche Bedeutung des Wortes Sünde (griech. hamartia) ist das Verfehlen des Ziels, etwa durch einen Bogenschützen. Sünde ist jedes Verfehlen des Guten, jedes nicht treffliche Verhalten. Eine Übertretung (griech. parabasis) ist eine Sünde, durch die gegen ein Gesetz, ein Ge- oder Verbot, eine Anweisung oder Überlieferung verstoßen wird. Adams Sünde war zugleich eine Übertretung, da er gegen ein Gebot Jewes handelte. Eine Kränkung (griech. paraptōma) ist eine Sünde, die sich gegen jemanden richtet und ihn persönlich verletzt, wie eine Beleidigung, Schmähung, Feindschaft, Untreue oder ein Trotzen. Eine Kränkung ist eine Sünde, durch die das Herz eines anderen verwundet wird. Adams Sünde war zugleich eine Kränkung, denn sie richtete sich gegen Jewe Elohim, der mit ihm in trauter Zwiesprache stand.

  Der Sünder bedarf der Rechtfertigung; der Kränkende aber der Versöhnung.

 

Christi überragende Tat

 

  Die Verse 15 bis 17 nun zeigen, dass Christus Adam weit übertrifft. Ebenso wie Christus persönlich in jeder Hinsicht hoch über Adam hinausragt, so übertreffen auch die Folgen des Gehorsams Christi die des Ungehorsams Adams bei Weitem.

  So heißt es in Römer 5:15: »Jedoch ist es mit der Gnade nicht so wie mit der Kränkung. Denn wenn durch die Kränkung des einen die vielen starben, wieviel mehr fließt die Gnade Gottes und das Geschenk in Gnaden (das von dem einen Menschen Jesus Christus ist) in die vielen Versöhnten über!« Von Adams Kränkung ist die Rede und von einer Gnadengabe. Aber welch ein Gegensatz: Aufgrund der einen Kränkung starben die vielen. Welch eine Dunkelheit! Doch nun das strahlende Licht: Die Gnade Gottes tritt durch den einen Menschen Jesus Christus auf den Plan, und die Gnadengabe, also die Folge der rechtfertigenden und versöhnenden Gnade, fließt über in die vielen Versöhnten. Diese Aussage lässt uns bis in die Zeit der Vollendung nach den Äonen hineinblicken. Die Gnade, die allen Menschen die Versöhnung bringt, ist bereits erschienen. Und wenn die Gnade dann in alle überfließt, dann sind diese Versöhnte. Auch das Geschenk in Gnaden, nämlich die Rechtfertigung, die wir bereits umsonst, das heißt geschenkweise, erhalten haben (Röm.3:24), wird dann allen zuteil.

  »Auch ist nicht - wie durch das Sündigen des einen - die Schenkung; denn das Urteil führte von dem einen aus in die Verurteilung, die Gnadengabe aber von vielen Kränkungen aus in den Rechtsspruch« (V.16). Das Urteil über Adam führte zur Verurteilung aller zum Tode, die Schenkung aber von einer Unzahl von Kränkungen in den Rechtsspruch. Gott sprach Recht. Er verurteilte am Kreuz die Sünde, die Er auf Seinen Sohn gelegt hatte. Und die Rettung kam nicht eher, als bis die Strafe in ihrer ganzen Strenge vollzogen war: bis der Tod vollzogen war, in den unser Herr Jesus Christus Sich Selbst dahingegeben hatte. Weil die Strafe, der Tod, nun vollzogen ist, weil der Gerechtigkeit Genüge getan ist, kann jeder Kränkung mit Gnade begegnet werden.

 

Wir werden im Leben herrschen

 

  »Denn wenn durch die Kränkung des einen der Tod nun durch den einen herrscht, wieviel mehr werden die, die das Übermaß der Gnade und das Geschenk der Gerechtigkeit erhalten, im Leben herrschen durch den Einen, Jesus Christus!« (V.17). Erneut hören wir, dass durch Adams Kränkung der Tod herrscht. Im Gegensatz dazu sagt Paulus aber nicht, dass das Leben herrschen werde, denn das Leben unterwirft sich die Menschen nicht, sondern macht sie zu Herrschern. Wer äonisches Leben hat, ist wie ein König. Diejenigen, die das Übermaß der Gnade in Gestalt der Versöhnung erhalten haben wie auch das Geschenk der Gerechtigkeit in Gestalt der Rechtfertigung, werden im Leben herrschen durch den Einen, Jesus Christus. Es ist hier nicht vom Mitherrschen die Rede, vom Herrschen mit Christus in den künftigen Äonen, vom Verherrlichtwerden mit Christus, wie es denen verheißen ist, die mit Christus leiden und erdulden (Röm.8:17; 2.Tim.2:12), sondern schlicht von dem lebensvollen und mängelfreien Handeln derer, die in Christus verherrlicht sein werden (Röm.8:30).

  Durch Christus ist uns das Übermaß der Gnade erschlossen. Daher rührt das Übermaß der Freude, das zum Beispiel in den herausgerufenen Gemeinden Mazedoniens zu beobachten war (2.Kor.8:2). Wo ein Übermaß ist, kommt es zum Überfließen. Von der überfließenden Gnade lasen wir bereits in Vers 15; der Apostel Paulus verkündigt sie auch in Epheser 1:7,8a: »In Ihm haben wir die Freilösung durch Sein Blut, die Vergebung der Kränkungen nach dem Reichtum Seiner Gnade, die Er in uns überfließen lässt.«

 

Die Rechtfertigung des Lebens

 

  Mit den Versen 18 und 19 kommen wir zur Zusammenfassung der Aussagen dieses Abschnitts und zum ersten Höhepunkt. Der Apostel Paulus schreibt in Römer 5:18: »Demnach nun, wie es durch die eine Kränkung für alle Menschen zur Verurteilung kam, so kommt es auch durch den einen Rechtsspruch für alle Menschen zur Rechtfertigung des Lebens.« Mit den Worten »demnach nun« knüpft Paulus an das Wörtchen »deshalb« in Vers 12 an. Demnach nun, also weil Gottes Gerechtigkeit offenbart ist und die Gnade Gottes überfließt, kommt es für alle Menschen zur Rechtfertigung des Lebens. Auch die anderen Worte aus Vers 12 »ebenso wie durch den einen Menschen die Sünde in die Welt eindrang und durch die Sünde der Tod« finden hier nach der vertiefenden Zwischenargumentation ihre Fortsetzung: »so kommt es auch durch den einen Rechtsspruch für alle Menschen zur Rechtfertigung des Lebens.«

  Was heißt »zur Rechtfertigung des Lebens«? Es muss gerechtfertigt sein, allen Menschen Leben zu geben, unvergängliches Leben. Wir wissen: »Gott ist der Retter aller Menschen, vor allem der Gläubigen« (1.Tim.4:10); dies bedarf jedoch einer gerechten Grundlage. Die gerechte Grundlage dafür ist der Gehorsam Jesu Christi bis zum Kreuzestod und der Rechtsspruch über alles Fleisch und die Sünde am Kreuz. In dem gekreuzigten Herrn Jesus Christus befasste Sich Gott mit der gesamten Sünde des Weltalls in heiliger Liebe, in gerechtem Gericht und erlösender Gnade. Erst von da an können wir Menschen erkennen, dass Gott heilig, gerecht und gnädig ist.

  Übrigens gehorchte Jesus Christus nicht stellvertretend für uns, denn wir sollten unsere Erlösung nicht selbst bewirken und uns darin noch durch Christus vertreten lassen. Er starb für uns, uns zugunsten, aus Liebe zu Seiner Schöpfung.

 

Gott setzt die Menschen zunächst als Sünder und dann als Gerechte ein

 

  Wir lesen weiter: »Denn ebenso wie durch den Ungehorsam des einen Menschen die vielen als Sünder eingesetzt wurden, so werden auch durch den Gehorsam des Einen dieselben vielen als Gerechte eingesetzt werden.«

  Dieser Vers 19 ist die Begründung zu Vers 18.

  Wir wurden aufgrund des Ungehorsams Adams alle als Sünder eingesetzt, ohne unser Zutun, ohne gefragt zu werden; die Menschen können nichts dazu, dass sie Sünder sind. Hiob stellte fest: »Wie könnte ein Reiner von einem Unreinen kommen? Nicht ein einziger!« (Hiob 14:4). Das ist aber keine Ausrede dafür, nun das Tun des Üblen zu wählen. Das Urteil über solche ist berechtigt (Röm.3:8).

  Das soeben geborene Kind ist als Sünder eingesetzt. Deshalb wird es nach einiger Zeit sündigen.

  Es entspricht der Gerechtigkeit Gottes, uns Menschen wiederum ohne unser Zutun als Gerechte einzusetzen. Der Ruhm dafür gebührt allein unserem Herrn Jesus Christus! Die Tat des einen Gerechten, der für die Ungerechten starb, bringt den vielen die Gerechtigkeit Gottes wie auch die Aussöhnung mit Gott und das Leben. Es heißt hier »die vielen«, weil der Gegensatz zu dem Einen betont werden soll. Diese Vielen sind nach Vers 18 alle.

  Die Einsetzung als Gerechte und folglich die Rechtfertigung ihres unvergänglichen Lebens erfolgt in der Vollendung beim Abschluss der Äonen.

 

 

Die neue Menschheit hat Christus zum Haupt

 

  Adam ist das Haupt der alten Menschheit, Christus das Haupt der neuen Menschheit. Nicht nur Adam, sondern auch Christus ist mit der Menschheit verbunden. Christus ist mit Seiner Schöpfung aufs Engste verbunden, denn sie ist in Ihm erschaffen (Kol.1:16), auch wurde Er Fleisch und hatte die Gestalt eines Menschen; deshalb ist Sein Tod so bedeutungsvoll für uns. Er trat für Seine Schöpfung ein.

  Das Elend der Sünde und des Todes ist das große Rätsel unseres Daseins. Warum muss das sein, wenn ein gütiger Gott das All erschuf, fragen viele. Sünde und Tod mussten sein, damit wir nicht nur den Schöpfer-Gott, sondern auch den Retter-Gott und Seine Liebe kennenlernen - eine Liebe, die uns einmal völlig erfüllen wird. Die Sünde Adams musste nach Gottes Vorsatz sein, damit die Rettungstat Christi am Kreuz erfolgen konnte; und das Kreuz musste sein, damit wir die Liebe Gottes erkennen und somit Ihn Selbst, worin unsere Glückseligkeit liegt. Gott hatte nie etwas Geringeres vor als eine neue Schöpfung in Christus, eine neue Menschheit, die Christus zum Haupt hat. Etwas anderes als die Rettung und Aussöhnung und die Vollendung aller in Herrlichkeit würde dem Charakter Gottes, der Liebe ist, nicht entsprechen.

  Unser Lobpreis sei unserem Gott und Vater und der Herrlichkeit Seiner Gnade, die uns in dem geliebten Sohn über alle Maßen begnadet (Eph.1:6)!

 

Die Bedeutung des Gesetzes

 

  Mit Vers 20 a wird eine Nebenfrage gestellt, die sich aber dennoch aufdrängt, denn es war doch das Gesetz des Mose gegeben, das mithin eine Bedeutung haben musste. »Das Gesetz aber kam nebenbei herein, damit die Kränkung zunähme.« »Nebenbei« - es liegt also gar nicht auf der Haupt-Heilslinie. Es war auch nur eine vorübergehende Notwendigkeit. Es sollte die außerordentliche Sündhaftigkeit der Sünde sichtbar machen (Röm.7:13) und damit für die Hauptsache fruchtbar werden, dass es nämlich die Gnade zur vollen Leuchtkraft bringe.

  Das Gesetz sollte den kränkenden Charakter der Sünde vertiefen. »Tue dies und unterlasse jenes« - das ist kein Evangelium für solche, die als Sünder eingesetzt wurden. Jewe Elohim hatte Seinem auserwählten Volk Seinen heiligen, gerechten und guten Willen nahegelegt. Mit jeder Übertretung kränkten sie Ihn; und die Kränkung nahm zu, bis sie sogar Seinen geliebten Sohn kreuzigten. 

 

Überströmende Gnade

 

  Vers 20 b bringt nun die Erlösung: »Wo aber die Sünde zunimmt, da strömt die Gnade über.« Paulus wechselt hier von dem Begriff »Kränkung« zu dem Begriff »Sünde«, um neben den Juden auch die Nationen, die ja das Kränkungen hervorrufende Gesetz nicht haben (Röm.2:14), unter die Aussage des Satzes zu bringen. Die Gnade strömt über! Die Gnade überströmt die Sünde!

  Diese Gnade quillt aus einer glühenden Liebe, die sich zu dem ärgsten Sünder herabneigt, um ihn an Gottes Herz zu ziehen. Uns Gläubigen machte Gott Seine Liebe dadurch deutlich, dass Christus für uns starb, als wie noch Sünder waren (Röm.5:8). In Christi Blut sind wir gerechtfertigt (Röm.5:9). Durch Christi Tod sind wir mit Gott versöhnt (Röm.5:10). Und wenn auch die Sünde der Welt noch so sehr zunehmen wird - in der siebenjährigen Endzeit nimmt sie ja überhand (2.Thes.2) - so wird Gott, der Liebe ist und Gnade übt, doch das All mit Sich aussöhnen, indem Er durch das Blut des Kreuzes Seines Sohnes Frieden mit allen macht (Kol.1:20).

  Das ist der zweite Höhepunkt unseres Abschnittes Römer 5:12 bis 21: Die Gnade strömt über! Anstelle des Todes trat durch Jesu Christi Gehorsam die überströmende Gnade auf den Plan!

 

Nun herrscht die Gnade

 

  Diese Gnade, diese Herrlichkeit Seiner Gnade, hat selbstverständlich bedeutsame Folgen, die in Vers 21 geschildert werden: »... damit, ebenso wie die Sünde im Tode herrscht, also auch die Gnade herrsche durch Gerechtigkeit zu äonischem Leben durch Jesus Christus, unseren Herrn« (V.21).

  Die Sünde herrscht im Tode, das heißt im Machtbereich des Todes waltet sie. Wo der Tod regiert, ist Sünde an der Tagesordnung. Wir Gläubigen sind zwar immer noch dem Tod unterworfen, jedoch nicht mehr der Sünde, denn die Gnade beherrscht jetzt unser Sinnen und Trachten. Die uns zuteil gewordenen Gnade ist durch den Geist Gottes eine Gotteskraft, die stärker ist als die Sünde. In der Gnade stehend, sind wir befreit vom Gesetz der Sünde und des Todes (Röm.8:2). Jetzt herrscht die Gnade, und die Gnade hat unseren Geist für Gott lebendig gemacht in Christus Jesus, sodass wir in Neuheit des Lebens wandeln können, zur Verherrlichung unseres Gottes und Vaters (Röm.6:4,11; 8:11).

  Die rettende Gnade herrscht, desgleichen die erziehende Gnade, wie der Apostel Paulus in Titus 2:11 bis 13 schreibt: »Denn erschienen ist die Gnade Gottes, allen Menschen zur Rettung, sie erzieht uns, die Unfrömmigkeit und die weltlichen Begierden zu verleugnen, damit wir vernünftig, gerecht und fromm in dem jetzigen Äon leben mögen.«

  Die Gnade herrscht durch Gerechtigkeit, das heißt auf der Basis der Gerechtigkeit. Die gerechte Grundlage dafür, dass die Gnade überfließen, ja überströmen kann, ist das Urteil über die Sünde, vollzogen an dem Sohn Gottes.

  In Vers 21 heißt es dann weiter: »... zu äonischem Leben durch Jesus Christus, unseren Herrn.« Er allein ist der Mittler zwischen Gott und Menschen, und Er allein ist der Vermittler aller Segnungen und aller Gnadengaben. Die uns zuteil gewordene Gnadengabe führt zum äonischen Leben, zum Leben in den beiden künftigen Äonen, während die Nichtauserwählten noch tot sind. Auch Römer 6:23 sagt uns das: »... die Gnadengabe Gottes ist äonisches Leben in Christus Jesus, unserem Herrn.« Durch und in Christus Jesus werden wir in den kommenden Äonen leben, denn in der Gnade sind wir Gerettete.

 In der Gnade sind wir Gerettete. Nun kann uns auch klar werden, wozu wir bestimmt sind oder was der Sinn unseres Lebens ist: Wir sind zum Lobpreis der Herrlichkeit Seiner Gnade gesetzt, die uns in dem Geliebten begnadet (Eph.1:6).

  Von vielen Herrschern war in diesem Schriftabschnitt die Rede: Der Tod herrscht noch, und die Sünde herrscht folglich auch noch im Allgemeinen, aber längst auch schon die Gnade, die überströmend ist und eines Tages alle erfassen wird.

  »Was wollen wir nun dazu vorbringen? Wenn Gott für uns ist, wer kann wider uns sein? Er, der doch Seinen eigenen Sohn nicht verschont, sondern Ihn für uns alle dahingegeben hat, wie sollte Er uns nicht auch mit Ihm dies alles in Gnaden gewähren?« (Röm.8:31,32). - Darum sei dem Gott und Vater unseres Herrn Jesus Christus Lobpreis, Dank und Verherrlichung!

 

Wir, die der Sünde starben

(Röm. 6: 1-11)
 
 

In diesem Schriftabschnitt befassen wir uns mit der Lehre, die den Grund für unseren von der Herrschaft der Sünde freien Wandel legt.

Wir Gläubige wollen nicht mehr der Sünde leben, uns ihrer Herrschaft beugen, sondern von ganzem Herzen Gott leben nach Seinem Wohlgefallen und zu Seiner Verherrlichung. Doch wie wird das Wirklichkeit bei uns? Indem wir lernen, und zwar aus dem Römerbrief, was das Sterben und der Tod unseres Herrn Jesus Christus für uns bedeuten - für uns, die wir in Christus Jesus sind und damit aufs Engste mit Ihm verbunden.

Als Er gekreuzigt wurde, wurden wir zusammen mit Ihm gekreuzigt (Gal.2:20) - wir, das heißt unser Fleisch, unsere alte Menschheit; alles, was wir von Adam her sind, hat dort am Kreuz die schmählichste Hinrichtung erlitten. Wie sollten wir noch in diesem alten Menschentum, in der Sünde, leben - in der verurteilten Sünde? Was Gott verurteilt hat, kann Ihm nicht gefallen!

Als Er starb, starben wir mit Ihm. Nun sind wir tot. Das ist eine geistliche Tatsache, mit der wir ständig rechnen sollen. Sie betrifft unseren althergebrachten Zustand als solche, die durch den Ungehorsam Adams als Sünder eingesetzt wurden (Röm.5:19). Der Sünder ist tot; so sieht Gott uns. So sollten auch wir uns sehen, damit wir den Ansprüchen der Sünde in rechter Weise begegnen können. Die Ansprüche der Sünde sind allesamt unberechtigt, denn von Toten darf man nichts mehr verlangen. Zwar hat sie unseren Tod erreicht; doch mehr kann sie nicht einfordern. Wir sind der Sünde gegenüber tot, sagt Gott. Dementsprechend sollten wir uns wie Tote ihr gegenüber verhalten: Tote hören nicht, was sie sagt; Tote gehorchen ihr nicht. Das ist selbstverständlich. Schon Hiob sagte: Sie hören nicht mehr die Stimme des Treibers (Hiob 3:18).

Wir sind nun aber auch zusammen mit Christus auferweckt und lebendig gemacht worden, sodass wir in Neuheit des Lebens wandeln und in der Kraft des Geistes Gottes wirklich für Ihn leben können. Er hat unseren sterbenden Körper durch Seinen uns innewohnenden Geist lebendig gemacht (Röm.8:11); jetzt können wir ein Leben nach dem Willen Gottes führen.

Mit dieser Einleitung ist die Thematik umrissen: Wir sind mitgestorben, um von der Herrschaft der Sünde frei zu werden; wir sind mitauferstanden, um Gott zu leben.

Gnade im Übermaß


 
 

Bevor wir nun das Wort Gottes in Römer 6:1-11 im Einzelnen betrachten, müssen wir uns die in Römer 5:20b und 21 beschriebenen geistlichen Grundtatsachen aneignen.

Römer 5:20b lautet: »Wo aber die Sünde zunimmt, da strömt die Gnade über.« Ja, es ist wahr: Durch den Herrn Jesus Christus fließt die Gnade Gottes in die vielen Versöhnten über (Röm.5:15)! In Römer 5:17 steht vom Übermaß der Gnade geschrieben. Wo ein Übermaß ist, kann es zum Überfließen kommen. Mögen wir angesichts der überströmenden Gnade nie aus dem Staunen und Lobpreisen der Herrlichkeit der Gnade Gottes herauskommen, die uns in dem geliebten Sohn begnadet (Eph.1:6)!

Wir leben heute in der Verwaltung der überströmenden Gnade Gottes. Dem Apostel Paulus wurde sie für uns Glieder des Körpers Christi gegeben (Eph.3:2). Verwaltung steht für das griechische Wort oikonomia, wörtlich Haus-Gesetz, auch zu übersetzen mit Haushaltung oder Verfahrensordnung. Gnadenzeit ist! Gott verfährt nach Seiner Gnade mit uns, »... damit«, so fährt Paulus in Römer 5:21 fort, den Zweck angebend, »ebenso wie die Sünde im Tode herrscht, also auch die Gnade herrsche durch Gerechtigkeit zu äonischem Leben durch Jesus Christus, unseren Herrn.«

»... ebenso wie die Sünde im Tode herrscht... «. Dieser erste Teil eines Vergleichs macht uns mit der Tatsache bekannt, dass die Sünde herrscht und wo sie herrscht. Sie übt Macht aus, sie treibt die Menschen und unterjocht sie. Wo? Im Tode, im Bereich des Todes. Alle Menschen, die im Einflussbereich des Todes sind - und alle haben den Tod in ihren Gliedern -, sind generell der Sünde hörig. Wie auch Römer 5:12 besagt, dass durch Adams eine Sünde der Tod in seine Welt eindrang und zu allen Nachkommen Adams durchdrang, worauf alle sündigten. Schon das Neugeborene ist durch den Ungehorsam Adams als Sünder eingesetzt (Röm.5:19).

Es folgt der zweite Teil des Vergleichs: »... also auch die Gnade herrsche.« Eine neue Herrscherin tritt auf: die Gnade. Wer ist die größere Herrscherin? Wir wissen: die Gnade ist überströmend, sie überströmt die Sünde bei Weitem! Die Gnade ist die stärkere Kraft in unserem Leben.

Wozu strömt die Gnade über? Damit sie herrsche, ist die Antwort. Damit sie uns kräftige zu einem Gott wohlgefälligen Leben. Damit wir nicht mehr sündigen. Damit wir in unserem alltäglichen Leben von der Herrschaft der Sünde frei sind.

In Vers 21 heißt es weiter: »... durch Gerechtigkeit.« Die Herrschaft der Gnade beruht auf der Gerechtigkeit Gottes. Er lässt nicht Gnade vor Recht ergehen. Seine Gerechtigkeit ist offenbar geworden durch den Glauben Jesu Christi bis zum Kreuzestod (Röm.3:21,22). Dort auf Golgatha wurde das gerechte Urteil vollzogen. Durch den Glaubensgehorsam Jesu Christi ist uns Gerechtigkeit widerfahren, die wir ohne unser Zutun als Sünder eingesetzt waren - wir sind frei!

»... zu äonischem Leben«, steht sodann zu lesen. Diejenigen, die Gott glauben, was Er durch Christus tat, werden in den beiden zukünftigen Äonen Leben haben - allein aus Gnaden -, während die Nichtauserwählten noch tot sind.

»... durch Jesus Christus, unseren Herrn«, durch Ihn herrscht heute die Gnade. Mögen wir mithin in Erkenntnis der Gnade Gottes, die Ausdruck Seiner Liebe ist, nicht mehr uns selbst leben, sondern dem, der für uns starb und auferweckt wurde.

Wir Gläubigen, wir aus der Welt Herausgerufenen, wir in die Gemeinschaft mit dem Sohn Gottes Hineinberufenen, sind nun im Bereich des Lebens, und zwar aufgrund der herrschenden Gnade. Wer im Bereich des Lebens ist, muss der Sünde nicht mehr nachgeben, sondern vermag Gott im Alltagswandel zu verherrlichen, denn kraftvoll ist die Gnade.

Soweit der grundlegende Sachverhalt.
 
 

´Der Sünde gestorben


 
 

Die Gnade strömt über! - Und nun stellen wir uns der Frage von Römer 6:1: »Was wollen wir nun vorbringen? Dass wir in der Sünde beharren sollten, damit die Gnade zunehme?« So fragen Ungläubige und fleischlich wandelnde Gläubige. Die Frage hat eine Scheinlogik für sich und zeigt so die Unvernunft des selbstsüchtigen Menschen.

So antwortet der Apostel Paulus sogleich: »Möge das nicht gefolgert werden! Wir, die der Sünde starben, wie sollten wir noch in ihr leben?« (Röm.6:2). Als Jesus Christus starb, starb unsere alte Menschheit mit Ihm. Wir starben, weil wir als Sünder eingesetzt waren; und das war rechtens. Und nun - als Gestorbene - sind wir allem entzogen, gerade auch der Sünde. Wir sind tot für sie. Wir starben dieser herrschsüchtigen Tyrannin weg.

»... wie sollten wir noch in ihr leben?« - In welcher Sphäre leben wir? In der Sünde oder in Christus Jesus? Wer ist unser Herr? Wem gehorcht die neue Menschheit? -

Unsere Taufe, die in Christi Tod


 
 

Nun Vers 3: »Oder erkennt ihr nicht, dass wir alle, die wir in Christus Jesus getauft sind, in Seinen Tod getauft wurden?« Vom Kreuz an sieht Gott uns zusammen mit Christus. Sein Tod ist vor Gottes Augen zugleich der Tod unserer alten Menschheit. Das ist schon ein wesentliches Stück des Evangeliums, der frohmachenden Botschaft.

Wir sind in Christus Jesus hineingetauft. Was ist eine Taufe? Eine Taufe ist eine reinigende Waschung, zeremoniell durch Wasser, bildlich durch Geist oder Feuer. Es ist in der Schrift im Einzelfall zu prüfen, in wen oder was eine Taufe erfolgte. In der gegenwärtigen Verwaltung, in der alles aus Gnade gewährt wird, ist ein in Wasser vollzogener Ritus am Fleisch, das doch gekreuzigt ist, also ein eigenes Tun des Menschen, fehl am Platze. Es gibt heute für uns nur eine Taufe, wie in Epheser 4:5 festgeschrieben: die im Geist. Als Gott uns berief, uns den Glauben schenkend, sind wir in Christus Jesus hineingetauft worden, selbstverständlich im Geist, wie auch 1.Korinther 12:13 sagt: »In dem einen Geist sind wir alle in den einen Körper getauft, ob Juden oder Griechen, ob Sklaven oder Freie: wir sind alle mit dem einen Geist getränkt.«

Ein Wandel als Auferweckte


 
 

Betrachten wir nun Vers 4: »Mit Ihm zusammen wurden wir nun durch die Taufe in den Tod begraben, damit, ebenso wie Christus durch die Herrlichkeit des Vaters aus den Toten auferweckt wurde, also auch wir in Neuheit des Lebens wandeln mögen.« Zu welchem Zweck wurden wir in den Tod begraben? Damit, ebenso wie Christus auferweckt wurde, dies auch an uns geschehe. Nur als mit Christus Auferweckte können wir in Neuheit des Lebens wandeln.

Überaus herrlich ist das Evangelium Gottes über Seinen Sohn schon dadurch, dass wir in dessen Blut von jeder Sünde gerechtfertigt sind; doch ist es nicht geradezu ein Triumph des Evangeliums, dass die mit Christus Verbundenen nunmehr ein Leben in völliger Neuheit zu führen vermögen, darf ich sagen: ein Auferstehungsleben aus dem Geist Gottes heraus, obwohl wir buchstäblich noch nicht auferstanden sind?

Lesen wir jetzt in Vers 5 die Begründung: »Denn wenn wir mit Ihm zur Gleichgestaltung mit Seinem Tod zusammengepflanzt wurden, werden wir es doch auch hinsichtlich der Auferstehung sein.« Was aufs Engste zusammengepflanzt ist, verwächst auch miteinander. Das an uns Geschehene gleicht dem an Christus Geschehenen. Auch hinsichtlich der Auferstehung hat sich Vergleichbares mit uns ereignet. Merken wir uns: Wenn im Tod mit Christus verwachsen, dann auch in der Auferstehung, sodass wir in Neuheit des Lebens zu wandeln vermögen.

Eine Zwischenbemerkung: In Vers 4 lasen wir von der Auferweckung, hier in Vers 5 von der Auferstehung, und außerdem klang der Begriff »Leben« schon an. »Auferweckung« ist auf unsere Seele, sie ist das Bewusstsein, zu beziehen; »Auferstehung« ist mit unserem Körper zu verknüpfen, und »Lebendigmachung« ist gedanklich mit unserem Geist zu verbinden. Die Auferweckung macht uns wach für Gott; die Auferstehung ermöglicht es uns, unseren Körper für Gott bereitzustellen, und der Geist Gottes macht unseren Geist lebendig für Gott. Das Ereignis als solches ist nicht in drei Teile zu trennen, da der Mensch eine Einheit ist, jedoch wird in der heiligen Schrift, je nachdem, welche Seite des Geschehens betont werden soll, der entsprechende Begriff verwendet.

Mitgekreuzigt


 
 

In Vers 6 vertieft der Apostel Paulus die Grundwahrheit unseres Mitgekreuzigtseins und verknüpft sie mit dem herrlichen Ergebnis unserer Befreiung von der Sklaverei der Sünde: »... dies erkennend«, so schreibt er, »dass unsere alte Menschheit zusammen mit Ihm gekreuzigt wurde, damit der Körper der Sünde unwirksam gemacht werde und wir nicht mehr der Sünde versklavt sind.« Die alte Menschheit hat am Kreuz die schändlichste Schmach erlitten; der stolze Mensch alter Prägung, in dem nichts Gutes wohnt (Röm.7:18) und der keine Güte erweist (Röm.3:12), ist zu Tode gebracht worden, damit der Körper der Sünde unwirksam gemacht werde und wir so vom Elend der Sklaverei der Sünde befreit würden. Den Körper der Sünde haben wir noch, doch der ist nicht mehr wirksam, wenn wir uns im Licht des Wortes Gottes als Auferstandene erkennen, denn dann stellen wir ihn für Gott bereit, so wie der Apostel Paulus in Römer 6:13 schreibt: »Stellt eure Glieder nicht als Werkzeuge der Ungerechtigkeit für die Sünde bereit, sondern stellt euch selbst für Gott bereit, als Lebende aus den Toten, und eure Glieder für Gott als Werkzeuge der Gerechtigkeit.« Haben wir das getan, dann wird die Sünde nicht mehr über uns herrschen sagt der Apostel Paulus in Römer 6:14. Auch in Kapitel 12:1,2 spricht uns Paulus zu, unsere Körper für Gott bereitzustellen, und zwar als ein lebendiges, heiliges und Gott wohlgefälliges Opfer (als unseren folgerichtigen Gottesdienst) und uns nicht auf diesen Äon einzustellen, sondern uns umgestalten zu lassen durch die Erneuerung unseres Denksinns, damit wir zu prüfen vermögen, was der Wille Gottes ist - der gute, wohlgefällige und vollkommene. Auf diese Weise sind wir nicht mehr der Sünde versklavt.

Der Bereitstellung unseres Körpers geht allerdings voraus, dass wir die geistliche Tatsache unseres Mitgekreuzigtseins im Glauben erfasst haben und auf sie bauen und mit ihr rechnen. Denn dann rechnen wir auch mit unserem Auferstandensein und stellen uns als Lebende aus den Toten unserem Gott und Vater bereit.

Der Sünde gestorben


 
 

Der Apostel Paulus schreibt in Vers 7 im Zusammenhang mit dem Ende von Vers 6 gelesen: »... und wir nicht mehr der Sünde versklavt sind; denn wer ihr starb, ist von der Sünde gerechtfertigt.« Das heißt: Wir sind nicht mehr der Sünde versklavt, weil wir von ihr gerechtfertigt sind, da wir ihr starben. Anders ausgedrückt: Ein der Sünde Gestorbener und von der Sünde Gerechtfertigter steht normalerweise nicht mehr unter der Sklaverei der Sünde.

Für unsere sündigen Taten haben wir Rechtfertigung durch Glauben (Röm.3:28). Hier jedoch ist von der Rechtfertigung durch Sterben die Rede. Das bezieht sich auf unsere Einsetzung als Sünder von Geburt an, wie es jedem Nachkommen Adams geschah. Hinsichtlich dieser Eigenschaft als Sünder sind wir dadurch gerechtfertigt, dass wir starben - der Sünde starben, als wir zum Glauben berufen wurden. Dementsprechend spricht Gott uns, Seine Auserwählten, Heiligen und Geliebten, nirgendwo als Sünder an. Man durchforsche das uns angehende Wort Gottes - Paulus hat es uns übermittelt-: nie werden wir als Sünder bezeichnet.

Zwar widerstrebt unser Fleisch weiterhin dem Geist Gottes, aber unser mit Christus Zusammengepflanztsein, unser In-Christus-Jesus-Sein, hat die Herrschaft der Sünde gebrochen.

 

Mit Christus leben

Wir kommen zu den Versen 8 und 9: »Wenn wir aber zusammen mit Christus starben, glauben wir, dass wir auch zusammen mit Ihm leben werden, wissend, dass Christus, auferweckt aus den Toten, nicht mehr stirbt. Der Tod ist nicht mehr Herr über Ihn.« Wir werden mit Ihm leben! Welch eine Herrlichkeit wird uns damit verkündigt! Nie endenden Lobpreis sei unserem Gott und Vater im Namen unseres Herrn Jesus Christus! »Glaubwürdig ist das Wort: ... Wenn wir mitstarben, werden wir auch mitleben!« (2.Tim.2:11). Welch eine Kraftquelle ist dieses Wissen, sodass wir hier auf der Erde schon für Gott leben können.

Ein für allemal


 
 

»Der Tod ist nicht mehr Herr über Ihn« - dies wird in Vers 10 begründet: »... denn was Er starb, das starb Er der Sünde ein für allemal.« Der Tod kann seine Herrschaft ausüben, solange die Sünde den Rechtstitel dazu liefert. Ist das Todesurteil aber vollstreckt, so kann die Sünde keine weitere Forderung mehr erheben. Was an Christus im absoluten Sinne geschehen ist, gilt uns in geistlicher Weise und bestimmt zunächst unsere geistliche Wirklichkeit, denn nach Gottes Ratschluss haben wir zur Zeit alle Segnungen nur im Geist, aber noch nicht körperlich. Die Verwandlung unseres Körpers und seine Gleichgestaltung mit dem Herrlichkeitskörper Christi ist noch Zukunft für uns (Phil.3:2l).

Ein für allemal starb Er der Sünde. Ein für allemal - wie wertvoll und herrlich sind diese Worte für uns, die wir noch angefochten werden. Diese Worte sprechen vom Sieg und garantieren die Vollendung und die Aussöhnung des Alls (Kol.1:20). Ebenso kostbar sind uns die Worte, die unser Herr aussprach, als Er in die Welt kam: »Siehe, Ich treffe ein, um Deinen Willen, o Gott, zu tun!« (Heb.10:9) und der nachfolgende Vers: »In diesem Willen sind wir durch die Darbringung des Körpers Christi ein für allemal geheiligt.« Ein für allemal! Ist das nicht ein überaus köstlicher Zuspruch für uns so Geheiligte, die wir im weiteren Verlauf von Römer Sechs angesprochen werden, nun auch als Heilige zu leben.

Für Gott leben

In Vers 10 bringt der Apostel Paulus eine Gegenüberstellung:

»... was Er starb, das starb Er der Sünde ein für allemal, was Er aber lebt, das lebt Er für Gott.« Dass unser Herr Christus Jesus für Gott lebt, das wissen wir. Von ganzem Herzen bejahen wir das. Etwas anderes wäre unvorstellbar für uns.

Für Gott leben - genau das ist auch unser Anliegen.

Und genau dies verheißt uns Gottes Wort, denn in Vers 11 lesen wir: »Also auch ihr!« - Also auch ihr! Das ist zunächst eine Feststellung, dass wir der Sünde gestorben und folglich tot sind. Sodann ist es eine Aufforderung, was wir leben, für Gott zu leben. Doch im Kern ist es eine Verheißung. Denn unser Gott und Vater will Seine Worte in uns erfüllen, in denjenigen, die sie Ihm glauben - auch dieses Wort: Also auch ihr!

Also auch ihr! Eure alte Menschheit starb durch die Kreuzigung zusammen mit Christus, und nun vermögt ihr als neue Schöpfung in Christus Jesus für Gott zu leben. Wie das Haupt, so auch die Glieder.

Das Rechnen des Glaubens


 
 

Den Schlüssel für die Praxis finden wir in dem soeben angeschnittenen Vers 11: »Rechnet damit, dass ihr selbst der Sünde gegenüber tot seid, aber lebend für Gott in Christus Jesus, unserem Herrn!« Rechnet damit! Das ist das Wort, das uns den Zugang zur Verwirklichung eines Lebens mit Gott im Alltag eröffnet, den Zugang in die Heiligung.

Rechnet damit - das besagt: Glaubt, baut felsenfest darauf,

vertraut darauf, geht unabdingbar davon aus. Rechnet damit! Das ist die erste Aufforderung im Römerbrief an den Menschen, etwas zu tun. Rechnet damit! Das ist exakte Mathematik. Der Glaube rechnet mit der geistlichen Wirklichkeit. Der Glaube rechnet mit den Verheißungen unseres Gottes und Vaters.

Wir rechnen damit, dass wir selbst der Sünde gegenüber tot sind. Wir haben dieselbe Beziehung zur Sünde wie Christus, nämlich gar keine. Gestorbene haben keine Beziehungen mehr.

Wir rechnen des Weiteren damit, dass wir lebend sind für Gott in Christus Jesus, unserem Herrn. Zusammengepflanzt mit Christus auch hinsichtlich der Auferstehung, sind wir durch den uns innewohnenden Geist Gottes lebendig für Ihn. Nun können wir zu Seinem Wohlgefallen wandeln! Nun können wir zu Seiner Verherrlichung wirken, unsere Rettung auswirkend, Seinem Einwirken entsprechend.

Wer damit rechnet, dass er lebend ist für Gott, kann in diesem herrlichen Zustand nicht einfach beruhen, sondern stellt sich konsequenterweise unserem Gott und Vater zum Dienst bereit. Die entsprechenden Schriftstellen (Röm.6:13 und Röm.12:1,2) wurden bereits genannt.

Die Herrschaft der Gnade


 
 

Dann wird die Sünde nicht mehr über uns herrschen (Röm.6:12,14). Wer dies alles Gott glaubt und wirklich damit rechnet und sich folglich Gott bereitstellt, wird erfahren, dass die Sünde nicht mehr über ihn herrscht. Er wird die Herrschaft der Gnade erfahren. Sie ist die Herrscherin in der derzeitigen Verwaltung Gottes, die deshalb »Verwaltung der Gnade« genannt wird (Eph.3:2). Mögen wir unser Zusammengepflanztsein mit Christus in Tod und Auferstehung als Ausdruck der Gnade Gottes erkennen und uns darüber freuen; dann nimmt die Gnade weiteren Raum in unserem Herzen ein und entfaltet ihre Kraft zu einem Gott wohlgefälligen Verhalten, zu einem Wandel im Geist und nicht länger im Fleisch.

In Christus Jesus


 
 

In unserem Vers 11 heißt es, dass wir für Gott leben in Christus Jesus, unserem Herrn. Das sagt uns deutlich, dass wir nicht unabhängig oder etwa aus uns selbst für Gott leben können, sondern dass alles Sein Gnadengeschenk ist. Welch ein unbeschreiblich reiches Gnadengeschenk ist es, in Christus Jesus zu sein, durch Seinen Geist mit Ihm aufs Engste verbunden. Darin - in diesem Verbundensein - liegt unsere Kraft; für Gott zu leben; nur in Christus Jesus Selbst sind wir in der Lage, Gott wohlgefällig zu wandeln.

Auch gehorchen wir unserem Herrn gern, denn Er hat unsere

Herzen durch Seine Liebe gewonnen. Seine Liebe hat Er uns darin erwiesen, dass Er für uns starb, als wir noch Sünder und Feinde Gottes waren (Röm.5:8,10). Der Gerechte starb für die Ungerechten.

Diese Liebe des Christus bewegt uns, unseren Gott und Vater zu

verherrlichen, indem wir nicht mehr uns selbst leben, sondern Ihm, der alles für uns tat und dem alle Ehre gebührt.

Ziel unseres Lebens können niemals wir selbst sein. Das würde zu einer Verkrümmung in uns selbst hinein führen. Für Gott leben jedoch führt in die Freiheit und in die Lebenserfüllung. In Christus Jesus wird uns dies in der Gnade geschenkt.

Dem Gott und Vater unseres Herrn Jesus Christus sei Lobpreis, Dank und Verherrlichung dafür, dass Er uns diesen Sieg gibt, indem Er uns teilhaben lässt an Jesu Christi Sieg über die Sünde und an Seiner Lebenskraft, damit wir nach Gottes Willen zu wandeln und zu dienen vermögen.

Von der Herrschaft der Sünde befreit

(Röm.6:12-23)

 

  Wir wissen, dass wir von der Sünde gerechtfertigt sind - wir sind für gerecht erklärt, weit weg von der Sünde, an Schuld ist gar nicht mehr zu denken - umsonst, in Gottes Gnade, durch die Freilösung, die in Christus Jesus ist (Röm.3:24). So ist uns auch keine Sünde zur Verurteilung (Röm.8:1). Wir wissen des Weiteren, dass wir Sünder waren (Röm.5:8).

  Die Tatsache, dass wir trotz unseres gesegneten Gnadenstandes noch sündigen, macht uns nach allgemeinem menschlichen Verständnis zwar zu Sündern, nach dem Evangelium Gottes über Seinen Sohn aber nicht, denn wir sind und bleiben ein für allemal gerechtfertigt und Gott sieht uns in Christus, und in Christus ist kein Makel. Wir sind Geheiligte in Christus Jesus (1.Kor.1:2). Wir sind und bleiben Auserwählte Gottes, Heilige und Geliebte (Kol.3:12). Damit ist klar, dass wir zum Lobpreis der Herrlichkeit dieser Seiner Gnade da sind, die uns in dem Geliebten so überwältigend begnadet (Eph.1:6).

  Und nun möchten wir auch nicht mehr sündigen, wir möchten in der Gesinnung Christi Jesu nur zur Verherrlichung Gottes da sein und nicht mehr fehlen, Ihm geheiligt und wohl brauchbar für Ihn! Wir möchten unsere Heiligkeit in der Furcht Gottes vollenden (2.Kor.7:1).

  »Das erreichen wir nicht«, sagen die einen. »Und wenn wir es auch nicht erreichen«, sagen die anderen, »so wissen wir, dass die Kraft Gottes in denen wirkt, die glauben (Eph.1:19), und jedes Wort Gottes erfüllt werden wird; folglich strecken wir uns nach vorn aus und blicken nicht zurück.« Von einem solchen Wandel wie nach unserer Auferstehung schreibt der Apostel Paulus in Philipper 3:12-14: »Nicht dass ich dies schon erhielt oder hierin schon vollendet sei. Ich jage aber danach, ob ich wohl ergreifen möge, wozu ich auch von Christus Jesus ergriffen worden bin. ... Ich vergesse, was hinter mir liegt und strecke mich nach dem aus, was vor mir ist. So jage ich dem Ziele zu, nach dem Kampfpreis der Berufung Gottes droben in Christus Jesus.«

  Wie erreichen wir, dass wir fortschreiten in der Heiligung? Wie erreichen wir, dass die Sünde nicht mehr über uns herrscht? Zwei Voraussetzungen nennt der Apostel Paulus in Römer Sechs: Das Rechnen als Betätigung des Glaubens, und zwar sollen wir damit rechnen, dass wir der Sünde gegenüber tot sind und nun für Gott leben in Christus Jesus, unserem Herrn (Röm.6:11); und unsere Bereitstellung für Gott, die Bereitstellung unserer Glieder als Werkzeuge der Gerechtigkeit (Röm.6:13). - Dann wird die Sünde nicht über uns herrschen (Röm.6:14).

  Wie Paulus in Römer 6:1-11 ausgeführt hatte, wurde unsere alte Menschheit zusammen mit Christus gekreuzigt, damit der Körper der Sünde unwirksam gemacht werde und wir nicht mehr der Sünde versklavt seien (Röm.6:6). Da wir zusammen mit Christus starben und somit tot sind - wie sollten wir noch der Sünde gehorchen? Tote können doch nicht mehr hören. Tote sind allem und jedem weggestorben, auch der Sünde, sodass Paulus in Römer 6:2 schreiben kann: »Wir, die der Sünde starben, wie sollten wir noch in ihr leben?« - Zusammen mit Christus wurden wir aber auch auferweckt, sodass wir für Gott leben können, ebenso wie unser Herr Jesus Christus für Gott lebt. »Was Er starb, das starb Er der Sünde ein für allemal, was Er aber lebt, das lebt Er für Gott. Also auch ihr! Und rechnet damit, dass ihr selbst der Sünde gegenüber tot seid, aber lebend für Gott in Christus Jesus, unserem Herrn« (Röm.6:10,11).

 

Nicht länger sollen wir den Begierden gehorchen

 

  Wenn wir damit rechnen - wenn wir fest im vom Geist Gottes erneuerten Denksinn haben, dass wir der Sünde tot sind und für Gott leben, dann haben wir die wichtigste Voraussetzung für unsere Heiligung erfüllt. Dann hat dies zur Folge, was Paulus in Vers 12 schreibt: »Folglich soll die Sünde nicht in euren sterblichem Körper herrschen, sodass ihr seinen Begierden gehorcht.« Die Sünde wohnt in uns (Röm.7:17,20); das ist und bleibt auch bei Gläubigen so. Ganz allgemein ist zu sagen: Wo der Tod ist, wo sterbliche Körper sind, da wohnt die Sünde darin, ja da herrscht sie, nicht jedoch dort, wo die Gnade herrscht (Röm.5:21). Wir stehen aber in der Gnade (Röm.3:24; 5:2). Nicht die Sünde ist unser Herr, sondern Christus Jesus, der Sohn Gottes, in welchem wir begnadet sind.

  Zu den Begierden des Körpers oder auch denen des Fleisches, wie es an anderen Stellen heißt, zählt jedes dem seelischen Menschen gemäße Verhalten, wie Eifersucht und Hader, Rechthaberei und Eitelkeit (1.Kor.3:3), des Weiteren Unzucht und Ausschweifung, Ausgelassenheit und Rausch (Röm.13:13). In Römer 13:14 ist dazu zu lesen: »Ziehet den Herrn Jesus Christus an und trefft keine Vorkehrung für Begierden des Fleisches!« - Die Welt dagegen sagt etwas ganz anderes: »Verwirkliche dich, lebe dich aus!« und setzt sich damit für die Herrschaft der Sünde ein.

 

Unsere Bereitstellung für Gott

 

  In Vers 13 kommt der Apostel Paulus nun auf die zweite Voraussetzung zu sprechen: »Stellt auch eure Glieder nicht als Werkzeuge der Ungerechtigkeit für die Sünde bereit, sondern stellt euch selbst für Gott bereit, als Lebende aus den Toten, und eure Glieder für Gott als Werkzeuge der Gerechtigkeit.« Tote sind unbrauchbar für Gott, ebenso wie die Ungläubigen (Röm.3:12). Lebende aber können sich Gott bereitstellen. Als zusammen mit Christus Auferweckte und in Ihm Lebende sollte es selbstverständlich sein, dass wir uns Ihm zur Verfügung stellen zu einem Wandel in Gerechtigkeit zu Seiner Verherrlichung.

  Heiligt euch! Gebt euch Gott völlig hin! Dies wird uns auch mit Römer 12:1,2 gesagt: »Ich spreche euch nun zu, Brüder (im Hinblick auf die Mitleidserweisungen Gottes), eure Körper als ein lebendiges, heiliges und Gott wohlgefälliges Opfer bereitzustellen (als euren folgerichtigen Gottesdienst) und euch nicht auf diesen Äon einzustellen, sondern euch umgestalten zu lassen durch die Erneuerung eures Denksinns, damit ihr zu prüfen vermöget, was der Wille Gottes sei - der gute, wohlgefällige und vollkommene.«

  Der Bereitstellung unseres Körpers und seiner Glieder, von Hand und Fuß und allen Sinnen, geht die von uns selbst voraus. Der entschiedene Entschluss ist nötig, die grundlegende Weichenstellung, für Gott da sein und Ihm von ganzem Herzen dienen zu wollen. Das Herz ist der Sitz der Beweggründe (Mat.5:8), des Verständnisses (Mat.13:15) und der Vernunft (Mark.2:6), das Zentrum und der Kern unseres geistlichen Wesens. Haben wir uns Ihm von ganzem Herzen bereitgestellt, so ist es nur natürlich, dass wir unsere Glieder Tag für Tag einsetzen, nicht für die Sünde, sondern für die Gerechtigkeit.

  Unsere Körper sind Glieder Christi (1.Kor.6:15), und wenn Ihm hingegeben, dann auch wohl brauchbar für Ihn.

 

Dann wird die Sünde nicht über euch herrschen

 

  Haben wir uns Gott zur Verfügung gestellt, uns »selbst zum Dienst verordnet«, wie es in 1. Korinther 16:15 heißt - angesichts Seiner Liebe, Gnade und herrlichen Segnungen selbstverständlich -, so erfahren wir, was in Vers 14 geschrieben steht: »Denn dann wird die Sünde nicht über euch herrschen; denn ihr seid nicht unter Gesetz, sondern unter Gnade.« Dann wird die Sünde uns nicht mehr nötigen; dann sind wir frei; dann quälen wir uns nicht mehr mit der Frage: Darf ich dies oder jenes tun oder nicht? Denn Geist und Fleisch widerstreben einander, damit wir nicht das tun, was wir etwa wollen. Wenn wir jedoch vom Geist geführt werden, so werden wir nicht mehr vom Gesetz geführt, und dann können wir im Geist wandeln und werden die Begierden des Fleisches keinesfalls vollbringen (Gal.5:16-18).

  Denen unter dem Gesetz war die Sünde übermächtig gewesen, denn die Kraft der Sünde liegt im Gesetz (1.Kor.15:56). Paulus schrieb den Juden: »Als wir im Fleisch waren, wirkten die durch das Gesetz erregten Leidenschaften der Sünden in unseren Gliedern, um dem Tod Frucht zu bringen. Nun aber sind wir, als Gestorbene, des Gesetzes enthoben« (Röm.7:5,6). Das Gesetz brachte eine Zunahme der Kränkung Gottes mit sich (Röm.5:20). Doch die Glieder des Körpers Christi, wir, ob Juden oder Griechen, sind überhaupt nicht unter einem Gesetz, sondern unter der Gnade. Wir leben in der Verwaltung der Gnade Gottes (Eph.3:2). Die Gnade herrscht (Röm.5:21).

  Das Gesetz gebietet, reicht aber nicht die Kraft dar, der Sünde zu widerstehen. Die Gnade dagegen hat unsre Herzen gewonnen, sodass die Sünde nicht mehr verlockend ist. Wer die Größe und Herrlichkeit der Gnade in der Auserwählung, Freilösung, Rechtfertigung und Aussöhnung erkannt hat, ist von der Gnade erfüllt und mithin kraftvoll, denn die Gnade kräftigt (2.Tim.2:1). Ein Gekräftigter aber hält nicht nur den Einflüsterungen der Sünde stand, sondern ist allein auf das Auswirken seines Glaubens in der Liebe bedacht.

  Nun gibt es aber auch fleischliche Gläubige; sie denken dem seelischen Menschen gemäß. Deren Argumentation greift Paulus in Vers 15 auf und weist sie in die Schranken: »Was folgt daraus? Sollten wir etwa sündigen, weil wir nicht unter Gesetz, sondern unter Gnade sind? Möge das nicht gefolgert werden!« Trotz dieses Wortes meinen auch heute noch Brüder und Schwestern, angesichts der Sünde dürfe man nicht von der Gnade reden, sondern müsse scharfe Gesetze und Gebote aufstellen, denn die Gnade verleite gewissermaßen zum Sündigen. Kennen sie denn nicht die umwandelnde Kraft der Gnade?

 

Wessen Sklaven sind wir?

 

  Leider gibt es tatsächlich ganz Schlaue, die nichts von der Gnade begriffen haben und sie daher als Freibrief zum Sündigen ansehen. Denen sagt der Apostel Paulus in Vers 16: »Wisst ihr nicht: wem ihr euch als Sklaven zum Gehorsam bereitstellt, dessen Sklaven seid ihr und dem gehorcht ihr, entweder als Sklaven der Sünde zum Tode oder des Gehorsams zur Gerechtigkeit?« Sklaven sind wir immer, entweder der Sünde oder Gottes. Den einen haftet der Todesgeruch an - sie machen vielen das Leben schwer und ruinieren ihr eigenes -, den anderen der Gott verherrlichende Gehorsam und die wohltuende Gerechtigkeit. Glaubensgehorsam (Röm.1:5; 16:26) - nicht Gesetzesgehorsam - führt zu gerechtem Handeln.

  Wie kann sich jemand, der der Sünde gestorben ist, dieser Tyrannin auch nur halbwegs ausliefern? Schluss mit den Halbheiten, seid konsequent! Es gibt nur ein Entweder-Oder! Seid Sklaven Christi Jesu, und ihr steht fest in der Herrlichkeit und seid frei von allem Frondienst!

 

Wir wurden einer Lehre übergeben

 

  »Gott aber sei Dank«, so schreibt Paulus in Vers 17, »dass ihr, die ihr einst Sklaven der Sünde wart, nun von Herzen dem Vorbild der Lehre gehorcht, an die ihr übergeben wurdet.« Paulus hat Grund zum Danken: Die Gläubigen gehorchen dem Vorbild seiner Lehre. Aus der Zeit vor ihrer Berufung und auch als Gläubige, die vormals nicht völlig in der Gnade lebten, kennen sie die Macht der Sünde. Aber jetzt ist das Vergangenheit: Sie waren Sklaven der Sünde. Nun gehorchen sie von Herzen dem, was Paulus ihnen vor Augen malte und was sie bereits vor dem Empfang seines Briefes durch andere Gläubige von ihm gehört und gelernt haben.

  Von Herzen, nicht nur, weil es vernünftig und vorteilhaft ist, sondern aus ihrem Innersten, mit Verständnis, Liebe und Hingabe gehorchen sie dem Vorbild der Lehre des Apostels.

  Die Lehre, an die die Heiligen in Rom übergeben oder der sie untergeordnet wurden, ist das Evangelium des Apostels Paulus. Paulus wurde von den zwölf Aposteln abgesondert (Ap.13:2; Röm.1:1); er erhielt sein Evangelium nicht von Petrus, sondern durch eine Enthüllung Jesus Christi (Gal.1:12); Paulus wurde mit dem Evangelium der Unbeschnittenheit betraut und Petrus mit dem der Beschneidung (Gal.2:7). Paulus empfing sein Aposteltum zur Aufrichtung des Glaubensgehorsams unter allen Nationen (Röm.1:5). Ihm wurde die besondere heilsgeschichtliche Verwaltung der überströmenden Gnade Gottes für die Zeit der Beiseitesetzung Israels anvertraut (Eph.3:2,8,9; Kol.1:25).

Zu dem Begriff »Vorbild« ist zu sagen: Unter dem typos - wie das griechische Wort lautet - der Lehre haben wir nicht eine Fassung oder eine Form der Lehre zu verstehen, als ob es mehrere Fassungen oder Formen des Evangeliums des Apostels Paulus gäbe, sondern das Vorbild der Lehre, also das, was die Lehre als Vorbild herausstellt. - Und was stellt Paulus als vorbildlich heraus? Unser Mitgekreuzigtsein, das Rechnen mit unserem Totsein der Sünde gegenüber, unsere Bereitstellung für Gott und die Herrschaft der Gnade. Diese Lehre lernten die in Rom (Röm.16:17); mögen auch wir uns befleißigen, sie völlig zu erlernen, um ihr von ganzem Herzen zu gehorchen.

 

Der Gerechtigkeit versklavt

 

  Mit den Versen 18 und 19 fährt Paulus nun wie folgt fort: »Denn von der Herrschaft der Sünde befreit, seid ihr jetzt der Gerechtigkeit versklavt. Dies sage ich menschlich gesprochen, um der Schwachheit eures Fleisches willen. Denn ebenso wie ihr als Versklavte der Unreinheit und der Gesetzlosigkeit eure Glieder zur Gesetzlosigkeit bereitstelltet, so stellt nun als Versklavte der Gerechtigkeit eure Glieder zur Heiligung bereit.« Um es ebenso einfach wie Paulus zu sagen: Die Befreiung von der Herrschaft der Sünde versetzt uns nicht in ein Niemandsland. Es gibt keinen herrschaftslosen Raum; den kann es für ein Geschöpf während der Äonen ohnehin nicht geben. Wie ein Sklave, der einen anderen, und zwar einen guten Herrn bekommt, aber immer Sklave bleibt, so haben auch wir stets einen Herrn, nun aber einen gnädigen. Um der Schwachheit des Fleisches willen spricht Paulus so, das heißt um der Schwachen im Glauben willen, die noch zu sehr vom Fleisch, von der alten Menschheit, beeinflusst sind.

  Nochmals wiederholt der Apostel Paulus seine Aufforderung, sich selbst und seine Glieder bereitzustellen, damit es auch ja niemand zu tun versäume, dieses Mal mit den Worten: Stellt als Versklavte der Gerechtigkeit eure Glieder zur Heiligung bereit!

 

Unsere Heiligung

 

  Heiligung - was ist das? Heiligung ist eine Handlung, ein Prozess. Gott hat uns geheiligt; Er hat unsere Heiligung vollzogen, sodass wir nun Geheiligte in Christus Jesus sind (1.Kor.1:2) und mithin Heilige. Wir sind heilig, wir haben Heiligkeit. Heilig sein bedeutet Gott angehören, Ihm geweiht, für Ihn abgesondert sein. Heilig sein und Heiligkeit haben beschreiben einen Zustand. Als Heilige nun sind wir aufgefordert, unsere Heiligkeit in der Furcht Gottes vollenden (2.Kor.7:1). Das ist die Heiligung, die unser Handeln erfordert. »Dies ist der Wille Gottes: eure Heiligung« (1.Thess.4:3); hier sind wir gefordert. In 2. Timotheus 2:22 finde ich unser Mühen um die Heiligung treffend beschrieben: »Jage der Gerechtigkeit nach, dem Glauben, der Liebe und dem Frieden mit allen, die den Herrn aus reinem Herzen anrufen.« Auch Römer 6:11 zeigt uns, wie die Heiligung erfolgt: Lebt für Gott in Christus Jesus, unserem Herrn! So gehen unser Fortschreiten in der Heiligung und damit unser Wachstum in der Heiligkeit vor sich.

  Ein Heiliger - welch eine Wohltat für die Mitmenschen und welch eine Glückseligkeit im Herzen eines solchen Menschen!

 

Die damalige Frucht

 

  In den Versen 20 und 21 erinnert Paulus nochmals an den früheren Zustand und fragt nach dessen Frucht: »Denn als ihr Sklaven der Sünde wart, da wart ihr Freie hinsichtlich der Gerechtigkeit. Folglich, was für Frucht hattet ihr damals? Solche, derer ihr euch nun schämt; denn deren Abschluss ist Tod.« Freie gegenüber der Gerechtigkeit - sie hatte uns nichts zu sagen. Die Frucht jener Freiheit war der Tod, das heißt: alles, was zum Verderben führt. Den Begriff »Tod« dürfen wir in diesem Zusammenhang so verstehen, wie in Römer 8:13 umschrieben: »Wenn ihr dem Fleisch gemäß lebt, seid ihr im Begriff zu sterben.« Und wenn auch das Ende davon in vielen Fällen der buchstäbliche Tod ist, so führten die Dinge, die wir als Sklaven der Sünde taten, nicht zu unserem buchstäblichen Tod. Sterben doch Gläubige und Ungläubige gleichermaßen, und zwar einzig und allein aufgrund der Sünde Adams (Röm.5:12). Doch dies ist hier nicht das Thema. Hier geht es um die zersetzende Wirkung der todesbehafteten Handlungen in unserem Alltag.

  Die Frucht von damals - wir schämen uns ihrer. Wer sich aber schämt, der fragt nicht so dreist: Sollten wir in der Sünde beharren, damit die Gnade zunehme? Sollten wir sündigen, weil wir nicht unter Gesetz, sondern unter Gnade sind? (Röm.6:1,15).

 

Die gegenwärtige Frucht

 

  Wir lesen Vers 22: »Doch nun, von der Herrschaft der Sünde befreit, aber Gott versklavt, habt ihr eure Frucht zur Heiligung und als Abschluss äonisches Leben.« Die Frucht, die wir jetzt bringen, fördert zugleich unsere Heiligung, ja die Frucht unseres Gott Versklavtseins ist die Heiligung. Unserem Herrn Jesus Christus zum Dienst hingegeben, werden wir in Sein Bild umgestaltet von Herrlichkeit zu Herrlichkeit gleichwie von dem lebendig machenden Geist (2.Kor.3:18).

  »... und als Abschluss äonisches Leben.« Das äonische Leben, das Leben in den beiden zukünftigen Äonen, ist die krönende Fortsetzung unseres Lebens und Dienstes für Gott in Christus Jesus, unserem Herrn. In jenen Äonen werden wir ja als die Vervollständigung dessen, der das All in allem vervollständigt, an Seiner Aufgabe der Aussöhnung und Unterordnung des Alls mitwirken (1.Kor.15:27; Eph.1:23; Kol.1:20). Da wir das äonische Leben aber nicht durch unseren Gott verherrlichenden Wandel und hingebungsvollen Dienst erlangen, sondern allein aufgrund unserer Auserwählung, der Rettungstat Jesu Christi und unserer Berufung, besagt diese Schriftstelle, dass wir als Ergebnis unseres heiligen Verhaltens das äonische Leben bereits in unseren Erdentagen genießen, so wie in Galater 6:8 zu lesen: »Wer in sein Fleisch sät, wird aus dem Fleisch Verderben ernten; wer aber in den Geist sät, wird aus dem Geist äonisches Leben ernten.« Hier und heute ernten die geistlich Wandelnden bereits äonisches Leben; diese Ernte kommt der Lebenskraft, der Lebensfreude und der Hingabe zum Dienst ein klein wenig nahe, wie wir sie in den kommenden Äonen haben werden. Zwar haben wir bislang nur ein Angeld des Geistes erhalten, aber es darf dennoch immer mehr und mehr Wirklichkeit werden, was dereinst sein wird. Nicht dass wir das mit unseren Körperkräften vollbringen könnten - diese nehmen ja ab -, sondern die Gesinnung Christi Jesu wird in uns Raum gewinnen, Seine Liebe, Demut, Sanftmut und Geduld. Darin erfahren wir heute das äonische Leben, den Vorgeschmack des äonischen Lebens.

 

Was die Sünde austeilt

 

  Wir kommen zu Vers 23, dem letzten Vers unseres Schriftabschnitts: »Denn die Kostration der Sünde ist Tod; aber die Gnadengabe Gottes ist äonisches Leben in Christus Jesus, unserem Herrn.« Was ist eine Kostration? Der griechische Begriff bezeichnet die tägliche Lebensmittelration eines Sklaven wie auch den Sold und die tägliche Speiseportion eines Kriegers. Da Paulus hier in Bildern des Sklaventums spricht, kommt eine Übersetzung mit »Sold« nicht in Frage. Paulus sieht die Sünde als eine Sklavenhalterin, die Tag für Tag dieselbe magere Ration an ihre Sklaven austeilt. Und welche Kostrationen teilt sie aus? Was ist hier unter Tod zu verstehen? Streit und Ärger, Misstrauen und Rache, Schaden und Verderben, alles, was den Geruch des Todes an sich hat.

  Die Schriftstelle wird oft herangezogen, um irrenderweise zu begründen, dass der Tod der Menschen die rechtmäßige Strafe für ihre Sünden sei. Es geht hier aber um die Konsequenzen des Wandels der Gläubigen im Alltag und in keiner Weise um ein Gericht oder ein Urteil. Unser Tod stellt kein Gericht über unsere Taten dar; wir sterben, weil wir von Adam das Sterbendsein geerbt haben (Röm.5:12). Es wäre auch höchst ungerecht, jeden Menschen vom Säugling, der überhaupt nicht gesündigt hat, bis zum Greis, der viele schlimme Dinge getrieben hat, mit dem Tode und damit ohne Differenzierung in demselben Maß zu bestrafen. Und überhaupt, wenn der Tod die Strafe wäre, was sollte dann noch das Gericht vor dem großen, weißen Thron? Sie wären ja schon gerichtet! Doch unser Herr Jesus Christus verurteilt nach den Werken der Einzelnen und mithin gerecht (Off.20:12,13). Zorn und Grimm, Drangsal und Druck werden über jedes Menschen Seele den Werken angemessen kommen, wenn ihm diese vor Augen geführt werden (Röm.2:9). In dieser seelischen Drangsal besteht die Verurteilung. Das Gericht dient der Zurechtbringung. Die Menschen erkennen endlich, was gut und böse ist, und sie sehen den, der für sie starb und auferweckt wurde, den Herrn Jesus Christus. Was sie sodann in den zweiten Tod bringt, sind nicht ihre Werke, denn diese wurden ja gerichtet, sondern ihr Zustand. Ihr Zustand ist die Sterblichkeit. Sie stehen ja nicht als Lebendiggemachte vor dem großen, weißen Thron, sondern nur als Auferweckte. Sie sind noch keine neue Schöpfung in Christus. Der zweite Tod ist kein Gericht und erfolgt nicht aufgrund eines Urteils; er entspricht ihrem Zustand. Da die Menschen nicht wegen eines Gerichtsurteils im zweiten Tod sind, sondern wegen ihrer Sterblichkeit, für die sie gar nichts können, steht es unserem Gott und Vater frei, ihre Sterblichkeit aufzuheben, wann immer Er will. Er wird es tun, wenn die Zeit gekommen ist, beim Abschluss der Äonen, bei der Vollendung. Dann wird Er den Tod aufheben und alle lebendig machen, das heißt mit Unsterblichkeit ausstatten, und dann wird Gott alles in allen sein (1.Kor.15:20-28).

 

Die heutige Wirksamkeit unseres äonischen Lebens

 

  »Die Kostration der Sünde ist Tod; aber die Gnadengabe Gottes ist äonisches Leben in Christus Jesus, unserem Herr.« Wir werden äonisches Leben haben - in den beiden zukünftigen Äonen leben -, denn Gott gibt es uns in Gnaden. Über alle Maßen sind wir in Seinem geliebten Sohn begnadet. Das äonische Leben ist seit unserer Berufung unser garantierter und unverlierbarer Besitz; dies hat zur Folge, dass es sich durch den heiligen Geist, mit dem wir versiegelt sind, heute schon auswirkt. Diejenigen, die für Gott leben in Christus Jesus, unserem Herrn, handeln aus der Kraft ihres äonischen Leben heraus. Gott dienen in der Kraft der Gnadengabe des äonischen Lebens - dies ist der Schwerpunkt der Aussage. Vers 23 darf man also so erläutern: Die Kostration der Sünde ist Zersetzung; aber die Gnadengabe Gottes ist aus dem äonischen Leben schöpfendes, kraftvolles Leben in Christus Jesus, unserem Herrn.

  Ähnliches lesen wir in Römer 8:10: »Wenn aber Christus in euch ist, so ist der Körper zwar tot der Sünde wegen, der Geist aber ist Leben der Gerechtigkeit wegen.« Unser Körper ist tot, bildlich gesprochen natürlich, denn er reagiert nicht darauf, dass Christus in ihm ist. Unser Geist aber wird immer mehr von Christus belebt, wenn wir Gottes Wort lesen oder hören; dann wird unser Geist von Seinem Geist des Lebens so angeregt, dass wir bereits jetzt einen Wandel im Geist annähern so führen können, wie wir es in den zukünftigen Äonen tun werden, natürlich unter Anlegung des Verkleinerungsmaßstabes, dass wir zur Zeit nur das Angeld des Geistes haben.

  »Denn das Gesetz des Geistes des Lebens in Christus Jesus befreit dich vom Gesetz der Sünde und des Todes« (Röm.8:2). Wir können in Neuheit des Lebens wandeln (Röm.6:4).

  Im Philipperbrief lesen wir wiederum Ähnliches: Paulus bezeugt in Kapitel 3:9-12, dass er nur in Christus befunden werden wolle, »indem ich nicht meinen eigene Gerechtigkeit habe, nämlich die aus dem Gesetz, sondern die durch den Glauben Christi, die Gerechtigkeit aus Gott aufgrund des Glaubens: Um Ihn zu erkennen und die Kraft Seiner Auferstehung und die Gemeinschaft Seiner Leiden, indem ich Seinem Tod gleichgestaltet werde, ob ich etwa zu der Ausauferstehung, der aus den Toten, gelangen könnte. Nicht dass ich dies schon erhielt oder hierin schon vollendet sei. Ich jage aber danach, ob ich wohl ergreifen möge, wozu ich auch von Christus Jesus ergriffen worden bin.« In der Erkenntnis der Gerechtigkeit durch den Glauben Christi nur kann und will Paulus Ihn, Christus, völlig erkennen, die Kraft Seiner Auferstehung erfahren und selbst zur Ausauferstehung gelangen. Mit der Ausauferstehung meint er nicht die buchstäbliche, der niemand nachzujagen braucht, weil sie allen Geretteten sowieso zuteil wird. Der Apostel Paulus, der hingebungsvollste Sklave Christi Jesu, will hier auf Erden bereits ein Leben zu Gottes Verherrlichung führen, wie er es nach seiner Auferstehung tun wird. Das Auferstehungsleben will er im Wandel und Dienst ergreifen, das äonische Leben. Mögen auch wir uns ausstrecken nach dem, was vor uns ist und dem Ziel zujagen, dem Kampfpreis der Berufung Gottes nach droben in Christus Jesus (Phil.3:13,14).

  »Was Er starb, das starb Er der Sünde ein für allemal, was Er aber lebt, das lebt Er für Gott. Also auch ihr! Rechnet damit, dass ihr selbst der Sünde gegenüber tot seid, aber lebend für Gott in Christus Jesus, unserem Herrn« (Röm.6:10,11). Dazu - zum Leben für Gott - ist uns die Gnadengabe des äonischen Lebens gegeben!

 

 

Dem Gesetz gestorben

(Römer 7)

  Das siebente Kapitel des Römerbriefs legt eine besondere Seite der Lektion des sechsten Kapitels dar, und zwar speziell für die Juden. Der Apostel Paulus beschreibt die Bedeutung des Mit-Christus-Gestorbenseins für die, die unter dem Gesetz des Mose gewesen waren.

  Dabei kommt Paulus zu folgenden Hauptaussagen: In unserem Körper wohnt die Sünde. Mit dem Denksinn wollen wir Juden zwar das Gesetz Gottes befolgen, aber die uns innewohnende Sünde ist stärker. Was wird uns aus diesem Elend bergen? Die Gnade nur tut’s. Die Gnade besteht darin, dass wir Gläubigen, also wir Auserwählten und Berufenen, zusammen mit Christus gestorben sind, denn unsere alte Menschheit ist zusammen mit Christus gekreuzigt worden. Wer aber starb, der ist der Sünde weggestorben, der ist der Sünde gegenüber tot. Als zusammen mit Christus aber auch Auferweckte leben wir jetzt für Gott in Christus Jesus, unserem Herrn. Wer gestorben ist, ist aber auch dem Gesetz des Mose weggestorben, er ist auch dem Gesetz gegenüber tot, sofern er Jude ist, denn das Gesetz des Mose ist nur Israel gegeben. Wer auf diese Weise, also als Mitgekreuzigter, des Gesetzes enthoben ist, dient jetzt dem Herrn in der Kraft der Gnade, in Neuheit des Geistes, und bringt Frucht für Gott. »Denn das Gesetz des Geistes des Lebens in Christus Jesus befreit dich vom Gesetz der Sünde und des Todes.«

 

Den Gesetzeskundigen

 

  Der Apostel beginnt dieses Kapitel mit der Frage: »Oder ist euch unbekannt, Brüder (denn zu Kennern des Gesetzes spreche ich), dass das Gesetz Herr über den Menschen ist auf so lange Zeit, wie er lebt?« Paulus wendet sich an die Juden unter den Gläubigen in Rom; sie kennen das Gesetz; kennen, das heißt sie wissen nicht nur etwas über das Gesetz, sondern haben es am eigenen Leibe erfahren.

  Das Gesetz ist nicht Herr über Tote. Mit dem Eintritt des Todes fallen alle Bindungen. Um dies zu illustrieren, führt Paulus in den Versen 2 und 3 als Beispiel den Tod eines Ehegatten an: »Denn die Frau, die einem Mann untersteht, ist durch Gesetz an den lebenden Mann gebunden. Wenn aber der Mann stirbt, ist sie des Gesetzes des Mannes enthoben. Demnach nun wird man sie, solange der Mann lebt, mit Ehebrecherin bezeichnen, wenn sie einem anderen Mann zu eigen wird. Wenn aber ihr Mann stirbt, ist sie frei vom Gesetz der Ehe; sie ist keine Ehebrecherin, wenn sie einem anderen Mann zu eigen wird.«

 

Dem Gesetz gegenüber tot

 

  Mit Vers 4 folgt nun die geistliche Anwendung: »Daher, meine Brüder, wurdet auch ihr dem Gesetz gegenüber durch den Körper des Christus zu Tode gebracht, damit ihr einem anderen zu eigen werdet, dem aus den Toten Auferweckten, auf dass wir für Gott Frucht brächten.« Die Juden, die dem Evangelium des Paulus glauben, haben einen Gewinn aus dem Kreuz Christi, den die dem Evangelium des Petrus Glaubenden nicht haben: Ihre alte Menschheit wurde zusammen mit Christus zu Tode gebracht, und sie wurden zusammen mit Ihm auferweckt zu einem Wandel in Neuheit des Lebens (Röm.6:4-6). Wenn sie sich der Sünde gegenüber mithin für tot rechnen und ihre Körper für Gott bereitstellen, dann herrscht die Sünde nicht mehr über sie (Röm.6:11-14). Auch die Herrschaft des Gesetzes ist für sie zu Ende. Anders ist es bei dem von Petrus verkündigten Evangelium der Beschneidung (Gal.2:7): Das Gesetz - es gilt während der dem Paulus gegebenen, gegenwärtigen heilsgeschichtlichen Verwaltung der Gnade Gottes nicht (Eph.3:2) - es gilt danach wieder, und zwar bis Himmel und Erde vergehen (Mat.5:18), also bis zum Abschluss des tausendjährigen Königreichs Israels, bis zum Ende des nächsten Äons. Das Evangelium der Zwölf kennt das radikale und alles vollendende Urteil des Mitgekreuzigt- und Mitgestorbenseins nicht, worauf unsere Rechtfertigung von den Sünden und unsere Versöhnung mit Gott beruhen. Israel erlangt somit nur Vergebung der Sünden, was nichts Vollkommenes ist. Wir haben Rechtfertigung von den Sünden. Rechtfertigung ist die öffentliche Feststellung der Gerechtigkeit eines Menschen. Diejenigen, die dem von Paulus verkündigten Evangelium der Unbeschnittenheit (Gal.2:7) glauben, bringen als zusammen mit Christus Auferweckte Frucht für Gott. Die Frucht besteht nicht in selbstgewählten Werken, sondern ist das aus der geistlichen Neuschöpfung Erwachsende. Die Gott wohlgefällige Frucht des Geistes ist: Liebe, Freude, Friede, Geduld, Milde, Gutheit, Treue, Sanftmut, Selbstzucht (Gal.5:22).

Der Apostel Paulus schreibt in Vers 5 weiter: »Denn als wir im Fleisch waren, wirkten die durch das Gesetz erregten Leidenschaften der Sünden in unseren Gliedern, um dem Tod Frucht zu bringen.« Als sie im Fleisch waren, der eigensinnigen, eitlen alten Menschheit angehörten und aus eigener Kraft handelten, da riefen die Verbote des Gesetzes geradezu sündhafte Regungen hervor. Und dann log man zum Beispiel und brachte dem Tod Frucht, indem man mithin ein Vertrauensverhältnis zerstört hatte.

 

Dem Gesetz enthoben

 

  »Nun aber sind wir, als Gestorbene«, lesen wir in Vers 6, »des Gesetzes enthoben (in welchem wir festgehalten wurden), sodass wir in Neuheit des Geistes sklaven und nicht in Altheit des Buchstabens.« Gestorbene sind allem enthoben. Der Dienst der Gestorbenen geschieht jetzt nicht mehr in Altheit des Buchstabens, der ihnen sagt, was sie tun sollen, was sie aber nicht tun können, weil ihnen die Kraft dazu fehlt. Der gute Wille ist keine ausreichende Kraft. »Der Buchstabe tötet«, schreibt Paulus in 2. Korinther 3:6, das heißt das Gesetz verurteilt diejenigen, die es nicht in allen Punkten halten, zum Tode (Gal.3:10). »Der Geist aber macht lebendig.« Da Gottes Geist in uns wohnt, sind unsere wenn auch sterbenden Körper dennoch lebendig für Gott (Röm.8:11), sodass wir Ihm in Neuheit des Geistes, in einer neuen, geistlichen Verfassung, sklaven können. Und nicht mehr wir sind es, die da gegen die egoistischen Neigungen in unserem Fleisch kämpfen, sondern ... Halt! Das war falsch gedacht, denn niemand sollte gegen das Fleisch, das alte Menschentum, kämpfen, ist es doch zusammen mit Christus gestorben. Gegen Tote kämpft man nicht, man ignoriert sie.

  Wie ignoriert man das Fleisch? Es wurde ja am Kreuz schmachvoll abgetan. Es hat sein gerechtes Urteil erhalten. Also kümmern wir uns nicht mehr um das Fleisch und seine Begierden. »Wandelt im Geist, und ihr werdet die Begierde des Fleisches keinesfalls vollbringen« (Gal.5:16). Wenn man das eine tut, kann man nicht das andere tun. Wir gehorchen nicht der Sünde, sondern dem Herrn Jesus Christus, der uns liebt und Sich Selbst für uns dahingegeben hat, damit wir nicht mehr länger uns selbst leben, sondern Ihm. Welch eine Gnade, in Christus Jesus zu sein und, von Seinem Geist gekräftigt, auf das eine Ziel zuzulaufen: die Verherrlichung unseres Gottes und Vaters!

  Nach Vers 6 könnte der Apostel Paulus mit Römer 8:2 fortfahren: »Das Gesetz des Geistes des Lebens in Christus Jesus befreit dich vom Gesetz der Sünde und des Todes.« Doch er will die Kernaussagen des Kapitels Sieben - er hat sie in den Versen 4 bis 6 niedergeschrieben - am Beispiel seines persönlichen Erlebens verdeutlichen.

 

War das Gesetz ein Fehler?

 

  Wir lesen Vers 7: »Was wollen wir nun vorbringen? Etwa das Gesetz sei Sünde? Möge das nicht gefolgert werden! Jedoch hätte ich die Sünde nicht erkannt, wenn nicht durch das Gesetz. Denn auch von der Begierde wüsste ich nichts, wenn nicht das Gesetz sagte: Du sollst nicht begehren!« Da das Gesetz solche furchtbaren Auswirkungen hat - es erregt Sünde und bringt Verurteilung und - noch tragischer: Es bessert den Menschen nicht! -, ist die Frage berechtigt, ob es etwa Sünde sei, ein Fehlschlag, eine Zielverfehlung. Möge das nicht gefolgert werden! Nein, Gott erreicht mit dem Gesetz ganz bestimmte und wichtige Ziele: Die Juden gelangten zur Sündenerkenntnis, wie unser Vers 7 sagt; es machte die außerordentliche Sündhaftigkeit der Sünde sichtbar (Vers 13) und es geleitete die Juden zu Christus (Gal.3:24); es nötigte sie, nach dem Messias, dem Retter, zu rufen und bereitete sie für den Empfang der Gnade zu (V.25).

  Vers 8 schließt sich an: »Die Sünde erhielt aber einen Anreiz durch das Gebot und bewirkte in mir allerlei Begierde; denn ohne das Gesetz ist die Sünde tot.« Die Sünde ist zwar auch ohne das Gesetz da, das Gesetz aber macht die Sünde erst so richtig lebendig, denn »die Kraft der Sünde liegt im Gesetz« (1.Kor.15:56), es macht zudem die Sünde zur Übertretung (Röm.4:15) und liefert die Rechtsgrundlage für die Anrechnung der Sünde und die Verurteilung des Sünders (Röm.5:13). 

 

Wie Paulus es erlebte

 

  Paulus erinnert sich an seine Kindheit und schreibt in Vers 9: »Ich aber lebte einst ohne Gesetz; doch als das Gebot kam, lebte die Sünde in mir auf.« Mit 13 Jahren wurde jeder israelitische Knabe ein »Sohn des Gesetzes« und hatte von da an die Pflicht, dreimal im Jahr vor Jewe, dem Elohim Israels, zu erscheinen, und zwar zum Fest der ungesäuerten Brote, zum Fest der Erstlingsernte - das ist das Pfingstfest - und zum Laubhüttenfest (5.Mose 16:16). Von da an nahm Saulus intensiv eine Macht in seinen Gliedern wahr, die sich weigerte, Gott untertan zu sein.

  Paulus fährt mit den Versen 10 und 11 fort: »Ich aber starb, und es fand sich, das Gebot, das mir zum Leben gegeben war, dieses führte in den Tod. Denn die Sünde, durch das Gebot einen Anreiz erhaltend, täuschte mich völlig und tötete mich durch dasselbe.« Jetzt hatte Saulus einen objektiven Maßstab, und der verurteilte ihn. Saulus wurde sich seiner Unvollkommenheit bewusst, seine Zuversicht starb.

  Das Gebot war ihm aber doch zum Leben gegeben, wie Mose zu Israel gesagt hatte: »Siehe, ich habe dir heute vorgelegt das Leben und das Gute, den Tod und das Böse, indem ich dir heute gebiete, Jewe, deinen Elohim, zu lieben, auf Seinen Wegen zu gehen und Seine Gebote zu bewahren, damit du lebst. ... Wähle das Leben, damit du lebst« (5.Mose 30:15,16,19).

  Doch das Gebot tötete ihn; es führte nämlich zum Scheitern aller religiösen Ideale sowie zur Erkenntnis der Wertlosigkeit guter Vorsätze und der Kraftlosigkeit des guten Willens; es führte zum Zerbruch des auf sich selbst gestellten Menschen.

 

Das Gesetz ist heilig

 

  Nun Vers 12: »Daher ist das Gesetz heilig und das Gebot heilig, gerecht und gut.« Ist das Gesetz Sünde (Vers 7)? Nein, denn es zeigt mir die Heiligkeit Gottes und sagt mir, was gerecht und gut ist.

  Dann stellt sich aber die Frage von Vers 13: »Wurde mir das Gute nun zum Tode? Möge das nicht gefolgert werden! Sondern damit die Sünde als Sünde offenbar werde, bewirkt sie mir durch das Gute den Tod, damit durch das Gebot die außerordentliche Sündhaftigkeit der Sünde sichtbar werde.« So richtig es ist zu sagen, das Gesetz tötet, so deutlich wird aber nun, dass die Sünde die eigentliche Ursache ist; das Gesetz ist nur der Mittler oder - um einen Begriff aus der Chemie zu nehmen - der Katalysator. Und da die Sünde so schrecklich ist, dass sie Saulus unter den Fluch des Gesetzes bringt (Gal.3:10; 5.Mose 27:26) und den Tod seines Ichs bewirkt, ist auch offenbar, wie überaus sündhaft sie ist.

 

Im Konflikt

 

  Paulus schreibt in Vers 14 weiter: »Denn wir wissen, dass das Gesetz geistlich ist, ich aber bin fleischlich, unter die Sünde verhandelt.« Fleischlich sein heißt der alten Menschheit angehören und den sittlichen Charakter des Fleisches an sich tragen. Dieser Zustand ist für alle Heiligen inzwischen Vergangenheit, denn Gottes Geist wohnt in uns, sodass wir nicht mehr fleischlich sind, sondern geistlich (Röm.8:9). Das ist die Grundaussage. Leider wandeln viele Geistliche fleischgemäß. Nur Geistliche können das geistliche Gesetz erfüllen. Nur in der Kraft des Geistes Gottes kann man das göttliche Gesetz tun.

  Weiterhin zurückblickend schreibt der Apostel in den Versen 15 bis 17: »Denn was ich treibe, erkenne ich nicht. Denn nicht das, was ich will, setze ich in die Tat um, sondern das, was ich hasse, tue ich. Wenn ich aber das tue, was ich nicht will, bejahe ich, dass das Gesetz trefflich ist. Nun aber bewirke nicht mehr ich es, sondern die mir innewohnende Sünde.«

  Alle Menschen sind von Geburt an als Sünder eingesetzt (Röm.5:19) und stehen unter der Herrschaft der Tyrannin Sünde. Nur wer ihr zusammen mit Christus gestorben ist, kann von ihrer Herrschaft frei werden, und zwar, wie schon gesagt, wenn man sich als Mitgekreuzigter der Sünde gegenüber für tot rechnet und zu einem Leben für Gott in Christus Jesus, unserem Herrn, bereitstellt (Röm.6:11-14). Wenn man aber das Gegenteil von dem tut, was man eigentlich will, nämlich das heilige Gesetz erfüllen, dann ist man nicht Herr seiner selbst, sondern Spielball einer anderen Macht. Diese Macht ist die Sünde.

 

Unserem Fleisch wohnt die Sünde inne

 

  In den Versen 18 bis 20 hören wir dies nochmals: »Denn ich weiß, dass in mir (das heißt in meinem Fleisch) nichts Gutes wohnt; denn das Wollen liegt neben mir, aber das Treffliche auszuführen gelingt mir nicht. Denn nicht das Gute, das ich will, tue ich, sondern das Üble, das ich nicht will, dies setze ich in die Tat um. Wenn ich aber dies tue, was ich nicht will, bewirke nicht mehr ich dasselbe, sondern die mir innewohnende Sünde.«

  Die Sünde ist viel stärker als der Wille, die trefflichen Anweisungen des Gesetzes auszuführen. Welch ein Elend! Es ist einzuräumen, dass der vom Gesetz geformte Wille durchaus etwas Gutes in uns ist, doch dieser hat seinen Sitz in unserem Geist. Die im Fleisch wohnende Sünde sitzt nun einmal tiefer. Nichts Gutes wohnt in unserem Fleisch. Inzwischen ist es ja auch schmählich abgetan worden - am Kreuz. Das Fleisch hat somit keine Verheißung. Das hätten die Juden schon an der Beschneidung, das heißt ihr Abtun des Fleisches, lernen sollen. Um für Gott lebendig zu sein, nützt das Fleisch überhaupt nichts, sondern der Geist Gottes ist es, der uns lebendig macht zu einem Gott verherrlichenden Wandel (Joh.6:63).

  Wir lesen weiter (Verse 21-23): »Bei meinem Wollen, das Treffliche zu tun, finde ich demnach ein Gesetz, nämlich dass das Üble neben mir liegt. Denn dem inneren Menschen nach ist mir das Gesetz Gottes ein Genuss. Aber in meinen Gliedern beobachte ich ein anderes Gesetz, das mit dem Gesetz meines Denksinns im Kriege liegt und mit gefangen führt durch das Gesetz der Sünde, das in meinen Gliedern ist.«

  Den Konflikt des vom Gesetz des Mose geforderten Menschen wie auch heute des moralischen, ethisch hochstehenden und religiösen Menschen schildert Paulus nun, indem er Gesetze gegenüberstellt. Da ist einmal das Gesetz Gottes. Der innere Mensch, das Herz, freut sich darüber. Aber da gibt es noch andere Gesetze, unter denen wir das Festgesetzte, die feststehenden Abläufe verstehen dürfen, nämlich das Gesetz der Sünde und das Gesetz, dass das Üble neben uns liegt - nahe und sprungbereit. Wie kann man gegen diese unerbittlichen Gesetzmäßigkeiten ankommen? Was befreit den Menschen aus diesem Dilemma?

 

Die Gnade

 

  »Ich elender Mensch! Was wird mich aus dem Körper dieses Todes bergen?« So lautet der Schrei des unerlösten Menschen, wie hier in Vers 24 festgehalten. So lautet der Ruf um Rettung im Rückblick auf das vergebliche Bemühen des Paulus, als er ohne den Herrn Jesus Christus wirken wollte.

  Wie befreiend, den Sieg gebend und herrlich klingt die göttliche Antwort: »Gnade!« (Vers 25).

  Gnade! Das ist das Gegenteil eines Todesurteils. Gnade! Völlig umsonst und bedingungslos wird sie uns ehemaligen Sündern und Feinden Gottes gewährt! Gnade! In ihren Herrschaftsbereich und mithin Wirkungsbereich sind wir jetzt gebracht! »Gnade! Ich danke Gott durch Jesus Christus, unseren Herrn« (Vers 25). In Dank überfließen dürfen wir.

  Die Gnade nur hat die Juden aus dem verzweifelten Dienst in der Altheit des Buchstabens herausgenommen und in den Dienst in Neuheit des Geistes hineinversetzt. Das Geschenk der Gnade, verbunden mit dem uns gegebenen Geist Gottes, entwickelt nun seine Kraft in uns. Die Gnade, von Gottes Liebe veranlasst, uns vor Augen führend, dass der Körper des Fleisches, in welchem die Sünde wohnt, mitgekreuzigt und abgetan ist, lässt uns nun den Blick nach vorn richten, uns für Gott bereitstellen und für Ihn leben in Christus Jesus, unserem Herrn. Und dies alles aufgrund des Eintretens Jesu Christi für uns am Kreuz! In dem geliebten Sohn begnadet, entfaltet die Gnade eine Energie in uns, sodass wir Gott wohlgefällig wandeln können. Aus dem Vollen schöpfen wir, gekräftigt in der Gnade, die in Christus Jesus ist. Wer im Glauben damit rechnet, dass er eine neue Schöpfung in Christus Jesus ist, und das Alte und Gestorbene ignoriert, den kräftigt die Gnade auch zu einem hingebungsvollen Dienst, wie der Apostel Paulus in 1. Korinther 15:10 bezeugt: »In der Gnade Gottes aber bin ich, was ich bin; und Seine Gnade, die in mir wirkt, ist nicht vergeblich gewesen; sondern weit mehr als sie alle mühe ich mich, jedoch nicht ich, sondern die Gnade Gottes, die mit mir ist.«

  Es sei kurz angemerkt, dass das Wort »Gnade« in manchen Übersetzungen fehlt. Das liegt daran, dass es schon in mehreren alten Handschriften aufgrund einer teilweisen Buchstabengleichheit mit »ich danke« beim Abschreiben übersehen wurde.

 

Die Gnade befreit von der Herrschaft der Sünde

 

  Kapitel Sechs des Römerbriefs wurde für alle geschrieben, die glauben und somit auch der Sünde gestorben sind, weil sie in Christi Tod eingeschlossen sind (Röm.6:2-4). Kapitel Sieben richtete sich an die, die unter dem Gesetz des Mose standen, und sagte ihnen, dass sie auch dem Gesetz starben. Die Gnade ist der Schlüssel zur Befreiung von der Herrschaft der Sünde, von dem »Du sollst« des Gesetzes und vom fleischlichen Ich. Was das Fleisch der Gläubigen anbelangt, so muss auch heute noch jeder Heilige lernen, sich glaubend allezeit ins Bewusstsein zu rufen, dass er zusammen mit Christus gestorben ist. Jeder, der noch etwas auf sein Fleisch hält, indem er es etwa zu bessern sucht, und jeder, der gesetzlich ist, das heißt der seinen Glaubensweg mit Forderungen oder Bedingungen pflastert, die er meint erfüllen zu müssen, muss die Lektion des Römerbriefs lernen und seinen Sinn auf die Mitkreuzigung seines alten Menschentums richten, damit er von dem schmachvoll verurteilten Fleisch ablasse und allein aus der Gnade lebe.

  Mögen wir Römer 6:5,6 beherzigen: »Denn wenn wir mit Ihm zur Gleichgestaltung mit Seinem Tod zusammengepflanzt wurden, werden wir es doch auch hinsichtlich der Auferstehung sein: dies erkennend, dass unsere alte Menschheit zusammen mit Ihm gekreuzigt wurde, damit der Körper der Sünde unwirksam gemacht werde und wir nicht mehr der Sünde versklavt sind.« ... nicht mehr länger der Sünde versklavt durch die überströmende Gnade Gottes, dem der Lobpreis, der Dank und die Verherrlichung im Namen unseres Herrn Jesus Christus dafür sei!

  Der zweite Teil des Verses 25 ist eine gewisse Zusammenfassung der Ausführungen: »Folglich, auf mich selbst gestellt, sklave ich demnach mit dem Denksinn dem Gesetz Gottes, mit dem Fleisch aber dem Gesetz der Sünde.« Wie herrlich, dass wir nun in Christus Jesus sind und nicht mehr »auf uns selbst gestellt.«

  Auf eine herrliche Folge der Gnade weist das zweite »demnach« in Römer 8:1 hin: »Nichts demnach ist nun denen zur Verurteilung, die in Christus Jesus sind; sie wandeln ja nicht fleischgemäß, sondern geistgemäß.« Ein geistgemäßer Wandel, ein geistliches Verhalten, ist von nun an das Normale. »Denn«, so Römer 8:2, »das Gesetz des Geistes des Lebens in Christus Jesus befreit dich vom Gesetz der Sünde und des Todes.«

 

Die in Christus Jesus wandeln geistgemäß

(Römer 8:1-14)


 
 

Im Kapitel Acht des Römerbriefs laufen alle Linien der vorangehenden Kapitel zusammen. So ist Vers 1 nicht allein unter dem Gesichtspunkt der rechtfertigenden Gnade der Kapitel Drei und Vier und der Gnade der Versöhnung des Kapitels Fünf zu verstehen, sondern auch unter dem Aspekt der sich kraftvoll auswirkenden Gnade, der Gnade eines Wandels in Neuheit des Lebens (Kap.6:4), tot der Sünde gegenüber und lebend für Gott in Christus Jesus, unserem Herrn (Kap.6:11). Die Gnade ist nach Römer 7:25 die Kraft, die uns aus dem Zwiespalt der uns innewohnenden Sünde und unseres Denksinns, der das Gute will, aber nicht die Kraft dazu hat, herausführt. Wer die Lektion des Kapitels Sechs gelernt hat und glaubt, dass unsere alte Menschheit zusammen mit Christus gekreuzigt wurde, damit der Körper der Sünde unwirksam gemacht werde (Vers 6), und wer sich selbst für Gott bereitgestellt hat und seine Glieder zur Heiligung, der hat bereits erfahren, dass die Sünde nicht mehr über ihn herrscht (Verse 13 und 14).

Nichts ist uns zur Verurteilung


 
 

Solchen Gläubigen kann Vers 1 des Kapitels Acht gesagt werden; er lautet: »Nichts demnach ist nun denen zur Verurteilung, die in Christus Jesus sind; sie wandeln ja nicht fleischgemäß, sondern geistgemäß.« Nichts, aber auch absolut nichts, ist demnach, nach all dem vorher Dargelegten, denen zur Verurteilung, die in Christus Jesus sind. Solchen, die in der Gnade stehen, kann nichts zur Verurteilung sein. Es gibt nur entweder Gnade oder Verurteilung; doch kann man einen von allen Sünden Gerechtfertigten verurteilen? Es gibt keine Verurteilung für solche, die in Christus Jesus sind, wie es ja auch für Ihn keine Verurteilung gibt noch geben kann; ebenso undenkbar ist eine Verurteilung für uns.

Mit dem zweiten Teil des Verses 1 müssen wir nun auch den Bereich unseres Alltagswandels einbeziehen: »... sie wandeln ja nicht fleischgemäß, sondern geistgemäß.« (Diesen Satzteil hat übrigens nur der Bearbeiter des Codex Sinaiticus, der als S² bezeichnet wird; wohl der beste alte Text, der uns vorliegt.) Die in Christus Jesus sind, wandeln - und dies ist folgerichtig - nicht fleischgemäß, sondern geistgemäß. Und ein geistgemäßer Wandel kann selbstverständlich nicht verurteilt werden.

»Ja, aber wir sündigen doch immer noch wieder«, höre ich jetzt welche sagen. Das stimmt wohl, ist aber eigentlich nicht das Normale für einen Heiligen, für einen, der der Sünde starb (Röm.6:2). Der geistlichen Gemeinschaft mit dem Herrn Jesus Christus entspringt ein geistlicher Wandel - was denn sonst? -, und daran ist nichts zur Verurteilung. Wer sagt denn, dass wir noch sündigen müssten? Wir sind doch von der Herrschaft der Sünde befreit (Röm.6:18,22)!

Das Gesetz des Geistes


 
 

Wir wandeln - das ist das Normale - geistgemäß, denn - und hiermit folgt in Vers 2 die Begründung dafür -: »... das Gesetz des Geistes des Lebens in Christus Jesus befreit dich vom Gesetz der Sünde und des Todes.« Unter einem Gesetz verstehen wir in diesem Zusammenhang »das Festgesetzte« oder »den festgesetzten Verfahrensablauf«.

Von zwei Gesetzen ist hier die Rede: vom Gesetz des Geistes, und zwar des Geistes Gottes; dieses geistliche Gesetz wird näher beschrieben mit dem Leben in Christus Jesus. Das andere Gesetz ist das der Sünde und des Todes. Auch dieses Gesetz kennen wir alle: Durch Adam drang der Tod zu allen seinen Nachkommen durch, worauf alle sündigten (Röm.5:12), denn die Sünde herrscht in sterblichen Körpern (Röm.6:12). Die Leidenschaften der Sünden bringen dem Tod Frucht (Röm.6:23; 7:5); die uns innewohnende Sünde bewirkt, dass wir nicht das Gute tun, das wir wollen, sondern das Üble, das wir nicht wollen (Röm.7:19,20). Mithin läuft alles auf den Tod zu (Röm.8:13), das heißt auf die Zerstörung von Vertrauensverhältnissen, die Belastung und Bedrückung anderer Menschen, auf Zwietracht und Feindschaft, ja auf Schaden und Verderben jeder Art. Das ist das Gesetz von Saat und Ernte: »Wer in sein Fleisch sät, wird aus dem Fleisch Verderben ernten« (Gal.6:8).

Von diesem Gesetz befreit uns das Gesetz des Geistes, das im Leben in Christus Jesus besteht. Wer sich täglich mit den Worten des Glaubens und der köstlichen Lehre des Apostels Paulus ernährt (1.Tim.4:6), wer alle Gedanken unter den Gehorsam des Christus gefangen nimmt (2.Kor.10:5), wer mit ganzer Seele im Heilsstand der Gemeinschaft mit dem Sohn Gottes lebt und webt, wer die Gemeinschaft mit unserem Gott und Vater im Gebet pflegt, der erfährt das geistliche Gesetz des Lebens in Christus Jesus als die stärkere Kraft. In Galater 5:16 ist zu lesen: »Wandelt im Geist, und ihr werdet die Begierde des Fleisches keinesfalls vollbringen.« Das ist ein klares Wort, das sich bei den Glaubenden als kraftvoll erweist. Wenn wir im Geist wandeln, dann kommt das Fleisch nicht zur Auswirkung! Mögen wir mit Paulus sagen können: »In mir lebt Christus« (Gal.2:20), und zwar nicht nur im Glauben, sondern auch von der Erfahrung her.

Gott vollbrachte alles


 
 

Mit den Versen 3 und 4 folgt nun die Begründung zu Vers 2: »Denn das dem Gesetz Unmögliche, worin es durch das Fleisch schwach war, vollbrachte Gott: Seinen eigenen Sohn in der Gleichgestalt des Fleisches der Sünde und um der Sünde willen sendend, verurteilte Er die Sünde im Fleisch, damit die Rechtsforderung des Gesetzes in uns erfüllt werde, die wir nicht fleischgemäß wandeln, sondern geistgemäß.«

»Denn das dem Gesetz Unmögliche, worin es durch das Fleisch schwach war, vollbrachte Gott.« Hier knüpft Paulus nicht nur wegen der jüdischen Glieder der herausgerufenen Gemeinde an das Gesetz des Mose an, denn das Gesetz stopft aufgrund der Erfahrungen Israels mit ihm jedem den Mund und bringt die gesamte Welt unter den gerechten Spruch Gottes (Röm.3:19). Das dem Gesetz Unmögliche war, den Menschen zu einem geistlichen Wandel zu bringen. Es war dem Gesetz nicht möglich, denn das Fleisch, das heißt die alte Menschheit, gekennzeichnet vom vergänglichen Fleisch und der daraus folgenden egoistischen Gesinnung, war durch das von außen an es herantretende Gesetz kaum zu bewegen. Das Gesetz sagte: »Du sollst!« und »Du sollst nicht!«, aber das Fleisch erwies sich als schwach.

Doch das dem Gesetz Unmögliche vollbrachte Gott! Möge der Fanfarenklang dieses Evangeliums: »Gott vollbrachte es!« einen Lobpreis Gottes in unseren Herzen auslösen!
 
 

Er sandte Seinen Sohn


 
 

Wie vollbrachte Gott unsere Befreiung? »... Seinen eigenen Sohn in der Gleichgestalt des Fleisches der Sünde und um der Sünde willen sendend, verurteilte Er die Sünde im Fleisch ...« Gott vollzog das gerechte Urteil über alle und jede Sünde am Kreuz auf Golgatha vor den Toren Jerusalems. Er verurteilte die Sünde der ganzen Welt im Fleisch Seines Sohnes. Jesus Christus war zum Sündopfer, zu dem einzigen vollkommenen Opfer für die Sünden gemacht worden (2.Kor.5:21). Zugleich hatte Er Sich Selbst für uns als Darbringung und Opfer für Gott dahingegeben, zu einem duftenden Wohlgeruch für Ihn (Eph.5:2).

Hätte unser Herr nicht auch in der Gestalt Gottes kommen können, um die Sünde zu besiegen? Nein, denn das Fleisch, unser Fleisch, ist der Sitz der Sünde. Deshalb musste Er Sich Selbst entäußern und die Gestalt eines Sklaven annehmen. In Seinem Fleisch litt der Sündlose für uns! So errang Er den Sieg. Die Verurteilung Jesu Christi im Fleisch ist unsere Befreiung von jeder Verurteilung wie auch vom Gesetz der Sünde und des Todes. Und wenn die Sünde auch noch in unserem Körper wohnt - die Verurteilung der Sünde garantiert, dass sie, auf alle bezogen, einmal ausgelöscht wird und, auf uns heute bezogen, nicht mehr zum Tragen kommt, sofern wir uns - aufs Kürzeste gesagt - den Kapiteln Sechs und Acht des Römerbriefs gemäß verhalten.

Der in Vers 3 begonnene Satz endet mit Vers 4 unter Angabe des Zweckes der Verurteilung der Sünde: »... damit die Rechtsforderung des Gesetzes in uns erfüllt werde, die wir nicht fleischgemäß wandeln, sondern geistgemäß.« Unter der Rechtsforderung des Gesetzes verstehen wir das, was das Recht, was der geistliche Gehalt des Rechts verlangt. Um ein Beispiel zu nennen, und zwar Matthäus 22:37-40: »Lieben sollst du den Herrn, deinen Gott, mit deinem ganzen Herzen, mit deiner ganzen Seele und mit deiner ganzen Denkart. Dieses ist das große und erste Gebot. Das zweite aber ist ihm gleich: Lieben sollst du deinen Nächsten wie dich selbst! An diesen zwei Geboten hängt das ganze Gesetz und die Propheten.« In denen, die nicht fleischgemäß, sondern geistgemäß wandeln, wird die Rechtsforderung des Gesetzes erfüllt, nicht auf der Ebene des alten Bundes Gottes mit Israel, sondern auf der höheren, geistlichen Ebene, wie der Apostel Paulus in Römer 13:8,10 schreibt: »Seid niemandem irgend etwas schuldig, außer einander zu lieben; denn wer den anderen liebt, hat das Gesetz erfüllt. ... Die Liebe bewirkt dem Nächsten nichts Übles; folglich ist die Liebe nun die Vervollständigung des Gesetzes.«

Bisher konnte nur der Herr Jesus Christus die Rechtsforderung des Gesetzes erfüllen, nun können es alle, in denen Er lebt. Sie verhalten sich nicht fleischgemäß, den Grundsätzen der Ungläubigen entsprechend, sie stellen sich nicht auf diesen Äon ein, sondern handeln der Gesinnung Christi Jesu gemäß, lieben unseren herrlichen Gott und Vater und ihren Nächsten und lassen sich in allem vom Geist Gottes führen.

Fleisch und Geist


 
 

Vers 5 ist die Begründung zum vorangegangenen Halbsatz und lautet: »Denn die fleischgemäß sind, sinnen auf die Dinge des Fleisches, die aber geistgemäß sind, auf die Dinge des Geistes.« Wir wandeln mithin deshalb geistgemäß, weil wir auf die Dinge des Geistes sinnen, was sich in unserem Interesse an Gottes Wort und einem Gott wohl gefälligen Wandel ausdrückt. In Vers 6 werden die verschiedenen Gesinnungen beschrieben: »Denn die Gesinnung des Fleisches ist Tod, die Gesinnung des Geistes aber ist Leben und Friede.« Die Geisteshaltung des Fleisches führt ins Verderben. Unsere Gesinnung dagegen lässt unsere Mitmenschen aufatmen und vermittelt ihnen Leben und Frieden, Zuspruch und Entspannung, Ermutigung und Freude, Dankbarkeit und Zuversicht. Vers 7 definiert nun, was Feindschaft gegen Gott ist: »Deswegen ist die Gesinnung des Fleisches Feindschaft gegen Gott, weil sie sich dem Gesetz Gottes nicht unterordnet; denn sie kann es auch nicht.« Wer sich Gottes Willen nicht unterordnet, ist Ihm feindlich gesonnen. Jede Höhe, die sich gegen Gott erhebt, jeder Stolz eines Menschen auf sich selbst nimmt Gott die Ehre, die Ihm, dem alles Bewirkenden, gebührt, und ist Feindschaft gegen Ihn. Doch das Fleisch, die alte, eigensinnige Menschheit, kann gar nicht anders handeln. »Die aber im Fleisch sind, können Gott nicht gefallen«, wie Vers 8 sagt und allen klar ist.

Wissen wir geistlichen Menschen, was wir tun, wenn wir uns fleischgemäß verhalten, egoistisch? Wir bewegen uns dann auf dem Gebiet der Nichtunterordnung unter Gott, im Bereich der Feindschaft gegen Gott, des Todes und des Verderbens.

Der Geist Gottes wohnt uns inne


 
 

Der Apostel Paulus schreibt in Vers 9 weiter: »Ihr aber seid nicht im Fleisch, sondern im Geist, wenn nämlich Gottes Geist in euch wohnt. Wenn aber jemand Christi Geist nicht hat, so ist dieser nicht Sein.« Wir haben zwar einen Körper aus Fleisch, sind aber - wenn Gottes Geist in uns wohnt - der Gesinnung des Fleisches enthoben, ebenso wie wir als eine neue Schöpfung in Christus Jesus aus dem gegenwärtigen bösen Äon herausgenommen sind (Gal.1:4). Wir zum Glauben Berufenen sind im Geist, im Kraftfeld des heiligen Geistes. Das zeigt sich daran, dass wir die Gesinnung des Geistes haben und zu Gottes Verherrlichung leben. Prüfen wir uns, ob der Geist, der heilige, in uns ist!

Wir haben Christi Geist und sind Sein. Christi Geist und Gottes Geist sind ein und derselbe, denn Christus bekam Seinen Geist von Gott (Luk.1:35; Joh.3:34). Wenn aber jemand Christi Geist nicht hat, so ist dieser nicht Sein, und so wohnt auch Gottes Geist nicht in ihm. Denn Gott wohnt nur dort, wo Christus ist, ist doch Christus der Mittler zwischen Gott und Menschen, der Mittler auch der Wohnstätte Gottes. Gott aber sei Dank, durch den wir zur Gemeinschaft mit Seinem Sohn Jesus Christus, unserem Herrn, berufen wurden (1.Kor.1:9)!

Unser Geist ist Leben


 
 

Es folgt Vers 10: »Wenn aber Christus in euch ist, so ist der Körper zwar tot der Sünde wegen, der Geist aber ist Leben der Gerechtigkeit wegen.« Von unserem Körper und von unserem Geist ist die Rede. Entscheidend ist, dass Christus in uns ist. Der Körper nun merkt nichts davon; der Körper ist wie tot Christus gegenüber; außerdem ist die Sünde als eine Macht darin anwesend. Unser Geist aber reagiert; er ist Leben, weil der Geist Christi eine Verbindung mit ihm eingegangen ist. Wer am Herrn haftet, ist ja ein Geist mit Ihm (1.Kor.6:17). Unser Geist ist nun für Gott lebendig, weil das geistgehauchte Wort in uns wirksam ist, wie unser Herr in Johannes 6:63 sagte: »Der Geist ist es, der lebendig macht; das Fleisch nützt dabei überhaupt nichts. Die Worte, die Ich zu euch gesprochen habe, sind Geist und sind Leben.«

Der Gerechtigkeit wegen, die dem Glaubenden angerechnet wird, geschieht es, dass unser Geist, je mehr wir das Wort Gottes hören und lesen, durch den dem Wort innewohnenden Geist belebt wird, sodass wir einen Wandel im Geist vollführen können, ein Leben im Geist. Der Körper ist sterbend, unser Geist aber darf immer mehr in Christus hineinwachsen. - Wie herrlich handelt doch unser Gott und Vater an uns!

Der lebendig machende Geist


 
 

Es schließt sich Vers 11 an: »Wenn aber der Geist dessen in euch wohnt, der Jesus aus den Toten auferweckt hat, dann wird Er, der Christus Jesus aus den Toten auferweckte, auch eure sterbenden Körper durch Seinen euch innewohnenden Geist lebendig machen.« Kann unser der Sünde wegen Christus gegenüber wie toter Körper nun doch lebendig für Gott und brauchbar für Ihn werden? Ja, durch den uns innewohnenden Geist, durch den mit unserem Geist verbundenen Geist Gottes. Wir wissen ja bereits aus Römer 6:11, dass wir damit rechnen sollen, der Sünde gegenüber tot, aber lebend für Gott zu sein in Christus Jesus, unserem Herrn. Unser festes Rechnen im Glauben steht nicht allein, denn Gottes Geist wirkt zugleich in uns.

Es sei angemerkt, dass hier nicht von unserer zukünftigen Lebendigmachung am Tage Christi die Rede ist, sondern von dem Hier und Heute. Der Geist Gottes hat die Vorherrschaft in uns, sodass unsere sterbenden Körper Gott nun dienen können. Dies, nämlich dass unsere Körper im Dienst für Gott stehen können, ist unter der bildlichen Ausdrucksweise »lebendig machen« in diesem Zusammenhang zu verstehen.

Da der Geist Gottes in uns wohnt, ist unser Geist jetzt Leben. Und dieses Leben ist stärker als die Sterblichkeit des Körpers und hat somit die Macht über den Körper, sofern wir wirklich geistlich gesonnen sind und nicht das Unsere suchen, sondern das, was Christi Jesu ist (Phil.2:21). Dann sind unsere Glieder willige »Werkzeuge der Gerechtigkeit«, wie es in Römer 6:13 heißt.

Nicht mehr länger dem Fleisch gemäß


 
 

So zwingt uns nichts mehr, dem Fleisch zu leben, und der Apostel Paulus kann in Vers 12 schreiben: »Folglich, Brüder, sind wir es demnach nicht dem Fleisch schuldig, fleischgemäß zu leben.« Gern stimmen wir dem zu, denn die Grundhaltung unseres Herzens ist ja bereits eine andere geworden. Sollte das aber nicht der Fall sein, so sei gesagt, dass dies eine Ermahnung ist; wir haben nicht die Wahl, sondern die Pflicht, dem Fleisch, der Gesinnung der alten Menschheit, zu entsagen.

In Vers 13 zeigt der Apostel Paulus die Folgen auf: »Denn wenn ihr dem Fleisch gemäß lebt, seid ihr im Begriff zu sterben; wenn ihr aber im Geist die Handlungen des Körpers zu Tode bringt, werdet ihr leben.« Paulus bringt die Folgen auf den Punkt: Tod oder Leben. Ein fleischgemäßer Wandel führt nur zum Niedergang aller Beziehungen und zum Löschen der Wirksamkeit des Geistes Gottes (1.Thess.5:19). Wer aber im Geist, das heißt geistgeleitet, in der Kraft des heiligen Geistes, die Handlungen des Körpers, das sind die von der egoistischen Gesinnung des Fleisches geforderten Taten, zu Tode bringt, also durch den Körper nicht ausführt, der wird leben.

Leben, das heißt in diesem Zusammenhang, aus dem Geist Gottes heute schon äonisches Leben ernten, ein Leben wie nach unserer buchstäblichen Auferstehung führen, was allen verheißen ist, die in den Geist säen (Gal.6:8); leben, das bedeutet, im Geist unseres Denksinns verjüngt werden (Eph.4:23); leben, das besagt, zur Erkenntnis nach dem Bilde Christi erneuert werden (Kol.3:10); leben, das heißt in das Bild Christi umgestaltet werden von Herrlichkeit zu Herrlichkeit, wie es durch des Herrn lebendig machenden Geist geschieht (2.Kor.3:18).

Mögen wir Gebrauch machen vom Evangelium des Apostels Paulus, von dieser Gotteskraft (Röm.1:16). Mögen wir die Befreiung durch das Gesetz des Geistes, das in dem Leben in Christus Jesus besteht, erfahren.

Mögen unsere Körper nicht Werkzeuge des Fleisches sein, sondern Werkzeuge der Gerechtigkeit (Röm.6:13).
 
 

Gottes Söhne


 
 

Wir kommen zum letzten Vers unserer Betrachtung. Mit Vers 14 folgt die Begründung zu der Aussage »... werdet ihr leben«: »Denn alle, die vom Geist Gottes geführt werden, diese sind Söhne Gottes.« Den Satz auflösend, kann man sagen: ... werdet ihr leben, denn ihr seid Söhne Gottes, weil ihr vom Geist geführt werdet. In dieser Formulierung wird allerdings die Bedingung nicht deutlich; darum sei es anders ausgedrückt: So viele, wie vom Geist geführt werden, sind Söhne Gottes, und diese werden leben.

Um es noch klarer auszudrücken: Nur solche, die nicht fleischgemäß, sondern geistgemäß wandeln, sind Söhne Gottes. - Heißt es aber in Galater 3:26 nicht: »Ihr alle seid Söhne Gottes durch den Glauben an Christus Jesus« und haben wir, weil wir Söhne sind, nicht alle den Geist Gottes (Gal.4:6)? Gewiss - unserem Gnadenstand nach sind alle Gläubigen Söhne und Töchter Gottes, mithin Mündige. Sie sind keine Unmündigen mehr wie damals, als das Gesetz noch ihr Geleiter war, soweit sie Juden waren (Gal.3:24). Sie sind jetzt allesamt Teilhaber des Segens Abrahams durch den Glauben und mithin im Stand der Mündigkeit (Gal.3:14).

Das Thema des Galaterbriefs ist »Gesetz und Glaube«, das unserer Römerbriefstelle dagegen »Fleisch und Geist«. Es geht somit nicht um unseren äußerst gesegneten Stand, sondern um unseren Wandel. Prüfen wir unseren Wandel! Wandeln wir im Geist und vollbringen folglich die Begierde des Fleisches nicht (Gal.5:16)? Kreuzigen wir das Fleisch samt den Leidenschaften und Begierden (Gal.5:24); lassen wir also alles Eigensüchtige nicht zum Zuge kommen? Halten wir das Fleisch wie im Tode? Erweisen wir uns im Alltag als Söhne und Töchter Gottes, sodass die Wesensart unseres Gottes und Vaters in unserem Charakter und unseren Handlungen erkennbar ist? Wandeln wir würdig unserer Berufung (Eph.4:1)? Diese Ermahnung ist nicht unnötig, denn wir können auch unserer überhimmlischen Berufung unwürdig wandeln, indem wir auf das auf Erden sinnen. Haben wir uns von jeder Ungerechtigkeit und Finsternis und jedem Götzen abgewandt und von solchen, die so etwas treiben, abgesondert? Dann sind wir unserem Vater wahre Söhne und Töchter (2.Kor.6:14-18; 2.Tim.2:21). Haben wir uns von jeder Besudelung des Fleisches und auch des Geistes (zum Beispiel durch schlechte Bücher und schlechte Filme) gereinigt und sind wir im Begriff, unsere Heiligkeit in der Furcht Gottes zu vollenden (2.Kor.7:1)?

Alle, die vom Geist Gottes geführt werden, diese sind erkennbar Gottes Söhne und Töchter. Wir werden nicht wie einst Israel von der Wolken- und Feuersäule geleitet, sondern von dem uns innewohnenden Geist Gottes, der uns nicht etwa treibt oder zwingt, sondern betrübt wird, wenn wir widerspenstig sind (Eph.4:30); gehorchen wir aber willig, so erfahren wir, dass er ein Geist der Kraft und der Liebe und der gesunden Vernunft ist (2.Tim.1:7).

Wie führt Gottes Geist uns? Durch Gottes geschriebenes Wort, indem Sein Geist es uns lebendig macht und unseren Gehorsam hervorruft. Wir sind Söhne und Töchter des Wortes. Gottes Wort gibt uns unter der Wirksamkeit Seines Geistes eine sichere Führung. Gott bewirkt durch Seinen Geist in denen, die mit Furcht und Zittern gehorchen und ihre Rettung gemäß Seinem Einwirken auswirken, das Wollen und das Wirken nach Seinem Wohlgefallen (Phil.2:12,13).

Da wir somit völlig auf unseren Gott und Vater angewiesen sind, so lasst uns Ihn, den Geber aller Gaben, darum ersuchen, dass Er uns Vollgewissheit über Seinen Heils- und Vollendungswillen in Christus gebe (Kol.4:12), sodass wir in unserem Dienst davon geleitet werden. Und lasst uns Ihn darum bitten, dass Seine Gnade unsere Herzen so völlig einnehme, dass wir täglich jeden Eigenwillen in den Tod geben, sodass wir zur Verherrlichung unseres Gottes und unseres Herrn Jesus Christus wandeln und dienen können.

Getreu ist Er, der uns berief. Die Ihm alles glauben und gehorchen, werden die Kraft und die Führung Seines Geistes erfahren. Lobpreis, Dank und Verherrlichung sei Ihm im Namen unseres Herrn Jesus Christus dafür!

 

Wir erwarten den Sohnesstand

(Römer 8:15-25)
 
 

Der Geist des Sohnesstandes


 
 

Der Apostel Paulus hatte in Römer 8:14 geschrieben: »Alle, die vom Geist Gottes geführt werden, diese sind Söhne Gottes.« Mit dem ersten Vers des Schriftabschnitts, den wir nun betrachten, Römer 8:15, begründet er, warum wir uns, wenn wir uns von Gottes Geist führen lassen, als Söhne Gottes erweisen können: »Denn ihr erhieltet nicht den Geist der Sklaverei, wiederum zur Furcht, sondern ihr erhieltet den Geist des Sohnesstandes, in welchem wir laut rufen: Abba, Vater!« Weil wir also den Geist des Sohnesstandes haben, deshalb kann unser Wandel bezeugen, dass wir Söhne und Töchter unseres Gottes und Vaters sind, indem wir Seine Wesensart widerspiegeln.

Wann erhielten wir den Geist des Sohnesstandes? Als wir das Wort der Wahrheit, das Evangelium unserer Rettung, hörten und glaubten, erhielten wir den Geist, den heiligen, der uns innewohnt und mit dem wir versiegelt sind (Eph.1:13). Dieser Geist ist von seinem Charakter her, von seinen Eigenschaften her, nicht ein Geist der Sklaverei, der uns in Furcht versetzt. Er ist nicht ein Geist der Verzagtheit, sondern in seiner Art ein Geist der Kraft und der Liebe und der gesunden Vernunft (2.Tim.1:7). Er ist der Geist des Sohnesstandes, der Geist, dessen Kennzeichen es ist, in uns das Bewusstsein und die Gesinnung von Söhnen und Töchtern des Vaters der Herrlichkeit hervorzurufen.

Was ist der Sohnesstand? Im Orient war der Sohnesstand eine besondere Würde. In den Sohnesstand erhoben wurde der zur Mündigkeit gelangte Sohn, der in die Rechte und Pflichten des Vaters eintreten sollte, der sein Vertrauter war und eines Tages den Vater im Wesentlichen beerben sollte. Das war meistens der erstgeborene Sohn, aber auch ein Sklave konnte durch Adoption in den Sohnesstand eingesetzt werden. Es handelte sich also um ein Rechtsverhältnis und nicht vorrangig um eine Sache der Abstammung. Auch wenn man viele Söhne hatte, so bekam doch nur einer den Sohnesstand.

In der Heiligen Schrift zeigt der Sohnesstand die geistliche Verwandtschaft mit dem Vater an. Söhne Gottes tragen die Charakterzüge des Vaters; schließlich wohnt Sein Geist in ihnen. Da der Geist in uns wohnt (Röm.8:9), sind wir alle Söhne Gottes, und zwar allein durch den Glauben an Christus Jesus (Gal.3:26). Möge diese Tatsache im Wandel sichtbar werden.

Durch den Glauben Christi, das heißt auf der Grundlage Seines Glaubensgehorsams bis zum Kreuzestod, haben wir im Geist allezeit Zutritt zum Vater (Eph.2:18); mögen wir mit großem Freimut davon Gebrauch machen und uns Ihm durch den Mittler, Seinen Sohn Jesus Christus, unseren Herrn, mit Vertrauen nahen. In jeder Lebenslage dürfen wir rufen: Abba, Vater! Das Wort »Abba« aus der aramäischen, familiären Umgangssprache der Juden jener Zeit mache uns deutlich, wie vertrauensvoll, ja vertraulich wir Ihn anreden dürfen.

Kinder und Losteilinhaber Gottes


 
 

Paulus schreibt in Vers 16 weiter: »Der Geist selbst bezeugt mit unserem Geist, dass wir Kinder Gottes sind.« Der Begriff »Kind« spricht von leiblicher Abstammung, in der Heiligen Schrift davon, dass wir der Familie Gottes angehören (Eph.2:19). Dies bezeugt uns der heilige Geist zusammen mit unserem Geist, der aufgrund der einschlägigen Bibelstellen zu dieser Gewissheit kommt. Unser Geist steht dabei nicht allein, sondern Gottes Geist festigt uns in diesem Wissen.

»... wenn aber Kinder«, so lautet Vers 17, »dann auch Losteilinhaber, und zwar Losteilinhaber Gottes; Losteilinhaber aber zusammen mit Christus, wenn wir nämlich mit Ihm leiden, damit wir auch mit Ihm verherrlicht werden.« Was ist ein Losteilinhaber? Ein Losteilinhaber ist der Inhaber eines Teiles dessen, was Gott den Seinen insgesamt zugelost hat, in Seiner Gnade zukommen ließ. Hintergrund ist die israelitische Geschichte: Das Land wurde unter den zwölf Stämmen durch das Los verteilt. Auch das Ackerland eines jeden Dorfes wurde jährlich neu verlost. Jeder Dorfbewohner war dann Inhaber eines Teils des gesamten Loslandes. Unser Losteil ist das überhimmlische Königreich Christi (2.Tim.4:18) und unsere Mitwirkung (als die Vervollständigung Christi) an der Vervollständigung des Alls (Eph.1:23). Israels Losteil ist das irdische Königreich und die königliche und priesterliche Herrschaft über alle Nationen der Erde (Mat.28:19; 1.Pet.2:9). Alle Kinder Gottes, auch die unmündigen, unreifen, auch die sich nicht vom Geist Gottes führen lassen, sondern von ihrem Eigensinn, und dem Vater somit keine Ehre machen, sie alle sind Losteilinhaber Gottes und werden aus Gnaden an der Herrlichkeit der beiden zukünftigen Äonen in Christus teilhaben.

Losteilinhaber zusammen mit Christus


 
 

Losteilinhaber aber zusammen mit Christus sind nur die, die auch mit Ihm leiden. Diese bekommen ein zusätzliches und besonderes Losteil: Sie werden mit Ihm verherrlicht werden. Alle Gläubigen, alle Glieder der Körperschaft Christi, werden in Christus verherrlicht werden (Röm.8:30). Mit Ihm verherrlicht werden ist aber etwas anderes; das bedeutet, an Seiner Königsherrschaft teilnehmen. Es ist Christi Jesu Herrlichkeit, in den kommenden Äonen als Haupt des Alls zu herrschen. Er übt die Regierungsgewalt aus, und die mit Ihm litten, werden daran teilhaben. Das sind die Losteilinhaber zusammen mit Christus.

Leiden wegen unseres Glaubens ist eine Gnadengabe und die Verherrlichung mit Christus ein außerordentlicher Gnadenerweis. Möge unser Gott und Vater es uns in Gnaden für Christus gewähren, für Ihn zu leiden, indem wir denselben Ringkampf wie der Apostel Paulus führen und für sein Evangelium eintreten (Phil.1:29,30).

Von dieser Sache ist auch in 2. Timotheus 2:11,12 die Rede: »Glaubwürdig ist das Wort: Denn wenn wir mitstarben, werden wir auch mitleben. Wenn wir erdulden, werden wir auch mitherrschen, wenn wir verleugnen, wird derselbe auch uns verleugnen.« Da wir alle zusammen mit Christus gekreuzigt wurden und starben, ist uns allen das äonische Leben garantiert. Doch nur wer um Christi willen erduldete, wird auch mit Ihm herrschen. Sollten wir dem Erdulden aus dem Wege gegangen sein, muss Er uns im Hinblick auf das Mitherrschen verleugnen, denn mitherrschen können nur Bewährte.

Unsere Leiden


 
 

Paulus fährt fort: »Denn ich rechne damit, dass die Leiden der jetzigen Frist nicht wert sind der Herrlichkeit, die im Begriff steht, in uns enthüllt zu werden« (Vers 18). Auch wir sollen damit rechnen, dass die Leiden der jetzigen Frist so gut wie nichts sind in Anbetracht unserer zukünftigen Herrlichkeit. In Philipper 3:20,21 lesen wir von ihr: »Unser Bürgertum ... ist in den Himmeln, woher wir auch den Retter erwarten, den Herrn Jesus Christus, der den Körper unserer Erniedrigung umwandeln wird, um dem Körper Seiner Herrlichkeit gleichgestaltet zu werden, gemäß der Wirkungskraft, die Ihn befähigt, auch Sich das All unterzuordnen.« In Römer 8:29 wird unsere künftige Herrlichkeit prägnant beschrieben: Wir werden dem Bilde des Sohnes Gottes gleichgestaltet werden. - Niederfallen und anbeten nur können wir angesichts dieser Tatsache! - Wir werden in den beiden kommenden Äonen inmitten der Überhimmlischen niedergesetzt sein in Christus Jesus, und Gott wird den alles übersteigenden Reichtum Seiner Gnade in unbeschreiblicher Güte gegen uns in Christus Jesus zur Schau stellen, bis auch jene Geschöpfe Christus untergeordnet sind (Eph.2:6,7; 1.Kor.15:27).

Die Vorahnung der Schöpfung


 
 

Nun erweitert der Apostel unser Blickfeld. Nicht nur wir, sondern jeder Mensch, ja die gesamte Schöpfung wartet auf unsere Verherrlichung; so schreibt er in Vers 19: »Denn die Vorahnung der Schöpfung wartet auf die Enthüllung der Söhne Gottes.« Auch jedes Tier - es ist doch eine lebende Seele und hat somit Bewusstsein (1.Mose 1:20) - leidet unter der Vergänglichkeit und hat ein instinktives Verlangen nach dem Guten und Bleibenden. Alles Geschaffene wartet auf unsere Enthüllung als Söhne Gottes. Wir sind Söhne Gottes unserem geistlichen Stande nach, doch als solche in Herrlichkeit öffentlich dargestellt werden wir erst dann, wenn Christus Selbst in Herrlichkeit geoffenbart wird, wie wir aus Kolosser 3:3,4 wissen: »Ihr starbet, und euer Leben ist zusammen mit Christus in Gott verborgen. Wenn aber Christus, unser Leben, geoffenbart wird, dann werdet auch ihr zusammen mit Ihm in Herrlichkeit geoffenbart werden.« Das wird geschehen, wenn unser Herr Jesus Christus wiederkommt und Seine Herrschaft über die Erde antritt.

Über die Schöpfung müssen wir wissen, was in den Versen 20 und 21 geschrieben steht: »Denn die Schöpfung wurde der Eitelkeit untergeordnet (nicht freiwillig, sondern um des Unterordners willen) in der Erwartung, dass auch die Schöpfung selbst befreit werden wird von der Sklaverei der Vergänglichkeit zur Freiheit der Herrlichkeit der Kinder Gottes.« Der Eitelkeit wurde die Schöpfung untergeordnet. Eitelkeit ist vermeintliche Größe bei Schwachheit und Vergänglichkeit. Die Schöpfung wurde nicht gefragt; sie hat auch keine Schuld daran, dass unser Gott und Vater sie der Vergänglichkeit unterordnete, sondern es geschah nach Seinem weisen Ratschluss. Denn es musste alles in den Tod, damit sich niemand rühme und damit der Herr Jesus Christus den Tod für alle erleiden konnte und aufgrund dieses Liebesbeweises Leben und Unvergänglichkeit in Christus für alle ans Licht gebracht werde (2.Tim.1:10).

Noch steht die gesamte Schöpfung unter der Sklaverei der Vergänglichkeit; die Vergänglichkeit nötigt alle, die laufend auftretenden Mängel und Verluste aus Furcht vor dem Tode wie Sklaven unter unaufhörlichen Mühen auszugleichen. Diese Verfügung über die Schöpfung aber geschah mit einem Ziel, und zwar in der Erwartung, dass sie davon befreit und an der Freiheit der Herrlichkeit der Kinder Gottes teilnehmen werden wird.

Was für eine Freiheit wird das sein? Befreit vom Dasein in Adam, befreit von allen Merkmalen der alten Schöpfung, gelangen wir in eine Herrlichkeit voller Kraft und Licht als geliebte Kinder Gottes, sodass wir frei atmen und unserem Gott und Vater, ohne dass uns etwas zu hindern vermag, dankerfüllten Herzens überströmende Anbetung darbringen können. Diese herrliche Freiheit, am Ziel, am Vaterherzen zu sein, werden wir von Gott, dem Vater der Herrlichkeit (Eph.1:17), empfangen und in Christus Jesus, dem Herrn der Herrlichkeit (1.Kor.2:8), haben.

Und die gesamte übrige Schöpfung wird vom Tage der Offenbarmachung Christi in Herrlichkeit an (Kol.3:4) in der den jeweiligen Geschöpfen gemäßen Weise daran teilhaben. Während auf uns jedoch bereits die Abschlüsse der Äonen gelangt sind (1.Kor.10:11) und wir somit am Tage Christi die ganze Herrlichkeit in Ihm erhalten werden, wird die übrige Schöpfung dies schrittweise erfahren. Schon im kommenden Äon, dem tausendjährigen Königreich Israels, werden Wolf und Schaf sich gemeinsam lagern, und der Löwe wird Häcksel fressen. Wasser werden hervorquellen, und die Steppe wird blühen und die Wildnis fruchtbar sein (Jes.11:6-8; 35:1-7; 55:12,13). In dem darauf folgenden Äon, der mit der Neuschöpfung von Himmel und Erde beginnt (Off.21:1), kann es nur noch herrlicher sein. Und danach erst, beim Abschluss dieses und damit aller Äonen, folgt die Vollendung (1.Kor.15:24).

Noch ächzt alles


 
 

Wir wenden uns nun den Versen 22 und 23 zu: »Denn wir wissen, dass die gesamte Schöpfung bis nun mit uns ächzt und Wehen leidet. Aber nicht sie allein, sondern auch wir selbst, die wir die Erstlingsgabe des Geistes haben, auch wir selbst ächzen in uns, den Sohnesstand erwartend, die Freilösung unseres Körpers.« Im Geist sind wir schon inmitten der Überhimmlischen in Christus Jesus niedergesetzt (Eph.2:6), aber unser Körper - ja, das ist die Wahrheit, wir ächzen ebenso wie die übrige Schöpfung! Sicherlich empfinden wir die Versklavung unter die Vergänglichkeit noch tiefer als sie aufgrund des großen Gegensatzes zwischen unseren geistlichen Segnungen und unserer herrlichen Zukunft einerseits und unserem sterbenden Körper andererseits. Christus ist in uns, und unser Geist ist Leben der Gerechtigkeit wegen (Röm.8:10), aber unser Körper ist nicht nur schwach, sondern die Sünde wohnt zudem in ihm (Röm.7:17,29).

Der Begriff »Wehen leiden« darf erwartungsvoll stimmen. Wehen deuten auf die Geburt von etwas Neuem hin.

Wir ächzen und seufzen unter allerlei inneren und äußeren Nöten, obwohl wir die Erstlingsgabe des Geistes haben. Der erste Teil der Gaben des heiligen Geistes, das Angeld, schließt eben die Freilösung unseres Körpers nicht ein. All das, was uns am Tag Christi gegeben werden wird, darunter unsere körperliche Gleichgestaltung mit dem Sohn Gottes (Röm.8:19) und die Fülle des Geistes, erwarten wir noch.

Wir entnehmen aus Epheser 1:13,14, dass wir mit dem Geist der Verheißung, dem weitere Gaben verheißenden Geist, versiegelt sind, mithin unverbrüchlich in ihn eingeschlossen. Dieser Geist, der heilige, ist so lange ein Angeld unseres Losteils, bis das uns zugeeignete Losteil freigelöst wird. Unser Losteil liegt im überhimmlischen Bereich, wo wir an den Aufgaben unseres Herrn Christus Jesus mitwirken werden. Dem Fleisch und Blut aber kann das überhimmlische Königreich nicht zugelost werden; darum müssen wir verwandelt werden und einen geistlichen Körper bekommen. An jenem Tag werden die in Christus Entschlafenen in Unvergänglichkeit auferweckt werden (1.Kor.15:44,50-52). Dann ist es vorbei mit dem Ächzen, und die gegenwärtige Betrübnis nach dem Willen Gottes, diese Erniedrigung und Demütigung aufgrund unseres sterbenden Körpers, wird uns den Gewinn der Erkenntnis der völligen Abhängigkeit von Gott und Seinem Christus gebracht haben (vgl. 2.Kor.7:10). Dann ist es vorbei mit der Vergänglichkeit, und die Herrlichkeit hat begonnen. Dann sind unsere Körper freigelöst.

Freilösung


 
 

Freilösung ist das Loskommen aus einer Unfreiheit aufgrund eines Lösegeldes. Zu unserer Freilösung hat Gott uns Christus gemacht, damit es so sei, wie geschrieben steht: Wer sich rühmt, der rühme sich im Herrn (1.Kor.1:30,31). Er trat für uns und für unsere Befreiung ein bis hin zum Kreuzestod.

Die völlige Freilösung, und zwar die durch Christi Blut, haben wir bereits, denn wir sind »umsonst gerechtfertigt in Seiner Gnade durch die Freilösung, die in Christus Jesus ist« (Röm.3:24; 5:9), und wir haben in Ihm »die Vergebung der Kränkungen nach dem Reichtum Seiner Gnade, die Er in uns überfließen lässt« (Eph.1:7); jede unserer Sünden als Gläubige kränkt unseren Vater; hierfür haben wir die Freilösung durch Christi Blut. Auch alle Sünden gegen unseren Herrn als den wahren König, in dessen Königreich wir im Geist sind, sind uns vergeben (Kol.1:13,14); in Christus haben wir die Freilösung dafür. Doch der Tag unserer Freilösung steht noch bevor, an dem durch Seine Macht, durch die Gewalt Seiner Stärke, die in Christus gewirkt hat, als Er Ihn aus den Toten auferweckte, unser überhimmlisches Losteil (Eph.1:14) und unsere Körper freigelöst werden. Bis zum Tag der Freilösung sind wir mit dem Geist Gottes, dem heiligen, versiegelt (Eph.4:30).

Der Sohnesstand


 
 

In unserem Vers 23 wird die Freilösung unseres Körpers mit der Einsetzung in den Sohnesstand gleichgesetzt, heißt es doch: »... den Sohnesstand erwartend, die Freilösung unseres Körpers.« Mit der Freilösung unseres Körpers aus der Erniedrigung und seiner Umgestaltung gleich dem Körper der Herrlichkeit unseres Herrn Jesus Christus sind wir Seinem Bilde gleichgestaltet, sodass wir in jeder Hinsicht als Brüder des Erstgeborenen erkennbar und damit auch Söhne Gottes in vollendeter Weise sind neben dem Einen, Seinem Sohn.

Wir erwarten den Sohnesstand. Haben wir ihn denn noch nicht? Wir haben ihn, jedoch nur im Geist; und es ist sogar so, dass wir uns nur in dem Maße, wie wir von Gottes Geist geführt werden, des Sohnesstandes schon heute erfreuen. Unser gegenwärtiger Körper taugt nicht für unseren herrlichen zukünftigen Stand. Mithin ist unsere Rettung noch nicht vollständig vollzogen. Wir sind aber für den höchsten Stand ausersehen. Hören wir dazu die kostbaren Worte von Epheser 1:5,6: »In Liebe hat Er uns für Sich zum Sohnesstand durch Christus Jesus vorherbestimmt, nach dem Wohlgefallen Seines Willens, zum Lobpreis der Herrlichkeit Seiner Gnade, die uns in dem Geliebten begnadet.« Am Tage Christi, bei Seiner Anwesenheit, wird auch unser Körper an unserem Sohnesstand teilhaben.

Vernehmen wir hierzu den Zuspruch des Apostels Paulus in

1. Thessalonicher 5:23,24: »Er Selbst aber, der Gott des Friedens, heilige euch ganz und gar, und möge euer Geist unversehrt und die Seele und der Körper tadellos bewahrt werden (nicht ununterbrochen, sondern im Ergebnis; vgl. Joh.12:25) in der Anwesenheit unseres Herrn Jesus. Getreu ist, der euch beruft, Er wird es auch tun.« In der Anwesenheit des Herrn für uns, nicht für Israel, also dann, wenn Er vom Himmel herabsteigt und alle die Seinen Sich entgegen in die Luft entrückt (1.Thess.4:16,17), dann wird alles tadellos sein.

In Erwartung


 
 

In Bezug auf den Sohnesstand lesen wir nun in Vers 24: »Denn auf diese Erwartung hin wurden wir gerettet.« Im Grunde ist nur unser Herr Jesus Christus Selbst unsere Erwartung (1.Tim.1:1) und sind uns in Ihm alle Erwartungsgüter erschlossen. Liebe Brüder und Schwestern in Christus Jesus, wie herrlich ist dies: Wir leben auf eine Erwartung hin; unser Alltag ist erleuchtet, weil wir auf ein Ziel ausgerichtet sind, auf die Vollendung, auf die Fülle!

Und diese »Erwartung ... lässt nicht zuschanden werden«, wie wir aus Römer 5:5 wissen, »weil die Liebe Gottes in unseren Herzen ausgegossen ist durch den uns gegebenen heiligen Geist.« Die Liebe Gottes kann gar nicht anders, als alle Erwartungen zu erfüllen! Somit werden wir niemals zuschanden werden.

Wir haben eine lebendige Erwartung, und zwar aufgrund der Auferstehung Jesu Christi aus den Toten. Da Er auferweckt wurde, werden auch wir auferweckt werden.

Wir lesen in Vers 24 weiter: »Erwartung aber, die erblickt wird, ist keine Erwartung; denn das, was jemand erblickt - erwartet er das etwa noch?« Nichts erblicken wir bis jetzt, nichts nehmen wir mit den Augen wahr; »denn wir wandeln hier durch Glauben und nicht durch Wahrnehmung« (2.Kor.5:7). Schon die Definition des Glaubens in Hebräer 11:1 sagt uns dies: »Der Glaube ist die zuversichtliche Annahme dessen, was man erwartet, ein Überführtsein von Tatsachen, die man nicht erblickt.« Schließlich verhält es sich so: »Was erblickt wird, ist kurz befristet; aber was man nicht erblickt, ist äonisch« (2.Kor.4:18).

In Vers 25 schreibt Paulus: »Wenn wir aber erwarten, was wir nicht erblicken, so warten wir mit Ausharren darauf.« Es gilt also auszuharren. Nehmen wir uns darin Timotheus zum Vorbild: Er folgte der Lehre des Apostels Paulus, seinem Beweggrund, Vorsatz und Glauben, seiner Geduld und Liebe, seinen Verfolgungen und Leiden und seinem Ausharren vollends (2.Tim.3:10). Ausharren macht uns zu Bewährten. Unsere Bewährung bestärkt uns in der Erwartung (Röm.5:4). Durch Ausharren unter dem Zuspruch der heiligen Schriften werden wir in der Zuversicht wachsen (Röm.15:4).

Warum können wir das überhaupt - warten und erwarten? Weil jeder von uns die drei in 1. Korinther 13:13 als bleibend bezeichneten Gnadengaben hat: Glaube, Erwartung und Liebe. Die Gnadengabe der Erwartung versetzt uns in die Lage, mit Ausharren zu erwarten.

So darf unser Ächzen nunmehr von der Erwartung überlagert werden. Dank sei unserem Gott und Vater im Namen unseres Herrn Jesus Christus dafür! Mögen wir nun in der Erwartung und damit auch in unserer Zuversicht gekräftigt sein, ja darin überfließen, so wie es uns der Apostel Paulus im Aufblick zu Gott wünscht: »Der Gott der Zuversicht aber erfülle euch mit aller Freude und allem Frieden im Glauben, damit ihr überfließt in der Zuversicht, in der Kraft heiligen Geistes« (Röm.15:13).

 

Gott ist für uns

(Römer 8:26-30)


 
 

Gott ist für uns! Wie herrlich ist doch dieses Wort, das geradezu das Kennzeichen des Evangeliums Gottes über Seinen Sohn ist.

Manchmal erschrickt die herausgerufene Gemeinde Christi angesichts all ihrer Feinde; und doch: Wenn Gott für uns ist, wer kann wider uns sein? (Röm.8:31). Sofern wir Ihm dieses Wort glauben, fassen wir wieder Mut, denn das Evangelium ist eine Gotteskraft für jeden Glaubenden (Röm.1:16). Schon diese Schriftstelle zeigt, wie sehr Gott für uns ist, denn Seine Kraft, die Christus aus den Toten auferweckte, ist für die Glaubenden da.

Wiederholt wird uns bestätigt, dass Gott für uns ist, zum Beispiel in Römer 3:22. Da heißt es, dass die Gerechtigkeit Gottes, die durch den Glauben Jesu Christi offenbar wurde, für alle ist und auf alle Glaubenden kommt. Und wiederum lesen wir in Römer 5:8, dass Gott für uns ist, denn Christus starb für uns, und zwar, als wir noch Sünder waren; so hebt Gott Seine Liebe uns gegenüber hervor.

Wir wollen jetzt aber nicht den gesamten Römerbrief, sondern nur einen kleinen Ausschnitt daraus betrachten, nämlich die Verse 26 bis 32 im achten Kapitel. Wir werden dabei erkennen, dass unser herrlicher Gott und Vater vorbehaltlos und unabdingbar mit hingebungsvoller Liebe für uns ist.

Gottes Geist hilft uns auf


 
 

Der Apostel Paulus schreibt in Vers 26: »In derselben Weise aber hilft auch der Geist unserer Schwachheit auf; denn das, was wir beten sollten (in Übereinstimmung mit dem, was sein muss), wissen wir nicht; sondern der Geist selbst verwendet sich für uns mit unausgesprochenem Ächzen.«

Ist das nicht ernüchternd, was über die Unwissenheit der Gläubigen gesagt wird, nämlich, dass wir nicht wissen, was sein muss, und folglich nicht in Übereinstimmung damit beten können?

Gewiss wissen wir, was wir beten sollen, denn der Apostel Paulus hat uns Gebete hinterlassen, die uns als Muster für unseren unaufhörlichen Dank und den ständigen Lobpreis der Herrlichkeit der Gnade Gottes in Christus Jesus dienen wie auch für unsere Fürbitte. Schauen wir da besonders im Epheser- und im Kolosserbrief nach.

Wir wissen aber nicht, was in unseren persönlichen Angelegenheiten sein muss! Wir wissen nicht, wie der heutige Tag nach dem Ratschluss unseres allein weisen Gottes und Vaters, der Liebe ist, zu Ende gehen soll. Wir kennen den für uns vorgesehenen Lebensweg nicht. Uns ist verborgen, was heute geschehen muss, damit Christus mehr Raum in uns gewinnt und wir zu Ihm hin wachsen. Demzufolge müssen wir als Realisten die Tatsache zur Kenntnis nehmen, dass wir nicht wissen, was wir beten sollten in Übereinstimmung mit dem, was sein muss.

Dieser Tatsache steht nicht entgegen, dass wir uns vertrauensvoll an unseren Gott und Vater wenden und Ihm alles vortragen, was uns bewegt und wir für uns und andere erbitten. Mögen wir jedoch stets in Ehrfurcht bitten, dass Sein Wille geschehe, denn nur Er weiß, was das Gute und Wohlgefällige und Vollkommene für jeden in der gegenwärtigen Schule des Lebens ist. Wir werden ja hier auf Erden zubereitet für unsere zukünftigen Aufgaben inmitten der überhimmlischen Geschöpfe.

Wir wissen nicht, was wir beten sollten in Übereinstimmung mit dem, was sein muss, aber der Geist hilft unserer Schwachheit auf, unserer Unzulänglichkeit, unserer Unwissenheit. Denn Gott ist für uns.

Vers 26 beginnt mit den Worten: »in derselben Weise.« Der Zusammenhang mit Vers 25 zeigt, dass der Geist Christi uns so aufhilft, wie wir mit Ausharren auf den Sohnesstand, die Freilösung unseres Körpers, warten, nämlich mit uns ausharrend auf das Vollendungsziel, das Gott mit uns erreichen will.

Der Geist verwendet sich für uns


 
 

Und sodann beschreibt uns der Apostel Paulus konkret, worin das Aufhelfen besteht (am Ende von Vers 26): »... der Geist selbst verwendet sich für uns mit unausgesprochenem Ächzen.« Der Geist Christi, der zugleich auch der Geist Gottes ist, macht uns nicht plötzlich zu Wissenden, nein, sondern er tritt für uns ein mit unausgesprochenem Ächzen. Es ist schon im Allgemeinen ein großartiges Erlebnis, wenn ein Kollege oder Nachbar sich für uns verwendet, für uns eintritt, für uns vorstellig wird, für uns spricht. Wieviel mehr darf uns dieser Zuspruch erfreuen, dass der Geist Christi dies ständig vor unserem Gott und Vater für uns tut. Er tut es für uns mit Ächzen, also aus tiefstem Herzensgrund und dem Wissen, was die Wehen, in denen die gesamte Schöpfung liegt, für uns an Gewinn erbringen sollen. Ächzen besagt außerdem, dass jemand mitträgt an den Lasten und Bürden.

Warum ist der Geist, der sich für uns verwendet, der Geist Christi? - Weil Paulus in Vers 34 von Christus Jesus schreibt, der zur Rechten Gottes ist, der Sich auch für uns verwendet. Christus verwendet Sich beim Vater für uns, und zwar durch Seinen Geist, und deshalb ist es der Geist Christi. Gott verwendet Sich nicht bei Gott für uns, und Gottes Geist betet nicht zu Gott.

Christi Geist und Gottes Geist sind selten ohne Weiteres zu unterscheiden, denn der Geist Christi ist der Geist, den Er von Gott hat.

Hier aber wird deutlich, dass Christi Geist alle Anliegen vor Gott bringt, denn der Sohn tritt für uns beim Vater ein.

Er aber weiß


 
 

Nun wenden wir uns dem Vers 27 zu: »Der aber die Herzen erforscht, weiß, was die Gesinnung des Geistes ist, weil er sich gottgemäß für Heilige verwendet.« Der aber die Herzen erforscht - wer ist das? Die Antwort finden wir in 1. Korinther 2:10: »Uns aber enthüllt es Gott durch Seinen Geist; denn der Geist erforscht alles, auch die Tiefen Gottes.« Der Geist Gottes also erforscht alles. Für unseren Vers 27 haben wir somit Klarheit, dass der Geist Gottes und damit Gott Selbst unsere Herzen erforscht. Gott Selbst - und jetzt lesen wir in Vers 27 weiter - »weiß, was die Gesinnung des Geistes ist«, und zwar des Geistes Christi ist, »weil er« - der Geist Christi - »sich gottgemäß für Heilige verwendet.« Unserem Gott gemäß kann sich nur ein anderer verhalten. Unser Herr Jesus Christus ist es, der Sich gottgemäß verhält. Außerdem steht hier wieder das Wort »verwendet«. Verwenden kann man sich nur vor einem anderen.

Vers 27 lehrt uns demzufolge: Der Geist Christi verwendet sich gottgemäß für die Heiligen, und Gott, der Vater, der die Herzen erforscht, weiß genau, nimmt genau wahr, was des Sohnes Geist in uns und von Ihm erbittet. Unser Herr Jesus Christus erbittet für uns das Gute, das Wohlgefällige und Vollkommene.

Der Begriff »gottgemäß« umfasst auch die Bedeutung »den Zielen Gottes gemäß.« Gott hat hohe Ziele mit uns, nämlich dass Christus in uns Gestalt gewinne (Gal.4:19) und - um noch ein Beispiel zu nennen - dass wir hier auf Erden und in den beiden zukünftigen Äonen zum Lobpreis Seiner Herrlichkeit daseien (Eph.1:12). Für diese hohen Ziele müssen wir hier in der Schule des Lebens zubereitet werden - oft unter Schmerzen -, indem wir in Situationen kommen, wo die in uns noch verborgenen, der alten Menschheit eigenen Charakterzüge zutagetreten und in der Kraft Gottes abgelegt werden können und zugleich die Gesinnung Christi Jesu eingeübt werden kann. Die Charakterzüge Gottes sollen wir doch ausdrücken und abbilden und Lobpreisen und Danken erlernen.

Unser Herr Jesus Christus tritt den Zielen Gottes gemäß für uns ein. Und Gott, der die Herzen erforscht, erkennt das selbstverständlich und - welch ein Zuspruch für uns! - erfüllt die Bitten Seinem Sohnes, die Er zu unseren Gunsten hat. Niemals versagt der Vater Seinem Sohn eine Bitte - wie gut geht es uns doch!

Der Sohn bringt uns zum Ziel, zu dem Ziel, das der Vater für uns vorgesehen hat, nämlich dass wir dem Bilde Christi Jesu gleichgestaltet werden und Gott alles in uns wird, Gott unser Ein und Alles wird in Christus Jesus, unserem Herrn (1.Kor.15:28).

Wahrhaftig, Gott ist für uns!

Wir aber wissen


 
 

Das wird auch am folgenden Vers 28 deutlich. Der Apostel Paulus schreibt diese köstlichen Worte: »Wir aber wissen, dass Gott denen, die Gott lieben, alles zum Guten zusammenwirkt - denen, die nach Seinem Vorsatz berufen sind.«

»Wir aber wissen ...«. Wieso heißt es »aber«? - Weil gerade zuvor gesagt wurde: Wir wissen nicht, was wir beten sollten in Übereinstimmung mit dem, was sein muss. Und weil jetzt der herrliche Zuspruch erfolgt: Wenn wir auch eben dieses zwar nicht wissen, so wissen wir doch, dass unser treuer Gott und Vater uns alles zum Guten zusammenwirkt! Darüber dürfen wir glücklich sein. Was auch immer wir nicht wissen mögen: Gott fügt uns alles zum idealen Ergebnis zusammen! Das gibt unseren Herzen Frieden und Zuversicht.

Gott führt alles zur Vollendung. Alles, auch alle Not, alle Drangsal, alles Leid, gebraucht Er dazu. Alles gereicht uns zum Guten. Wir müssen ganz von uns selbst los werden - deshalb erleben wir so manche Enttäuschung mit uns selbst. Wir sind so sehr von uns eingenommen - das kann so nicht bleiben, denn Gott soll uns ganz einnehmen. Ja, uns muss sogar unser Körper weggenommen werden, damit wir dankbar werden für den unvergänglichen, geistlichen Körper, den Gott uns geben wird.

Unser herrlicher Gott und Vater wirkt uns alles zum Guten zusammen in Seiner Gnade und Güte. Das ist absolut sicher. Denn Er ist Liebe, und Er ist allmächtig. Verknüpfen wir doch gedanklich diese zwei Tatsachen: Er ist Liebe, und Er ist allmächtig. Er bewirkt alles nach dem Ratschluss Seines Willens (Eph.1:11), und Sein Wille ist gut, wohlgefällig - uns heute und allen Seinen Geschöpfen dermaleinst wohlgefällig - und vollkommen (Röm.12:2). Er, der Liebe ist und allmächtig, bewirkt alles nach Seinem Willen - besser könne wir es nicht haben!

Lieben wir Gott?


 
 

Nun sind in Vers 28 zwei Bedingungen verzeichnet: »... denen, die Gott lieben « und »... denen, die nach Seinem Vorsatz berufen sind.« Fragen wir uns: Erfülle ich diese Bedingungen? Aus uns heraus nicht, doch wir wissen, dass die Liebe Gottes in unseren Herzen ausgegossen ist durch den uns gegebenen heiligen Geist (Röm.5:5). Somit lieben alle Gläubigen Gott im Grunde, wenn auch nicht im gleichen Grade.

Nach Seinem Vorsatz berufen - sind alle Gläubigen. Der Apostel Paulus schreibt in Epheser 1:4, dass Gott uns - und dieses »uns« umfasst alle Heiligen - in Christus vor dem Niederwurf der Welt auserwählt hat. Ebenso schreibt er in 2. Timotheus 1:9, dass Gott uns gerettet und berufen hat mit heiliger Berufung, nicht nach unseren Werken, sondern nach Seinem eigenen Vorsatz und der Gnade, die uns in Christus Jesus vor äonischen Zeiten gegeben ist. Das trifft für alle Heiligen zu. Wenn jemand diese Gnade erkennt, die ihm vor den Äonen zuteil wurde, dann wird er Gott noch tiefer lieben.

Die zwei Bedingungen treffen demnach auf alle Gläubigen zu. Diejenigen, die nach Seinem Vorsatz berufen sind, sind die, die Gott lieben. Somit wissen wir, dass unser Gott und Vater uns allen alles zum Guten fügt.

Wir werden Christus gleichgestaltet


 
 

Der folgende Vers 29 nun gibt eine bezeichnende Begründung dafür an. Und zwar diese: Wir werden dem Bild des Sohnes Gottes gleichgestaltet werden und Brüder des Erstgeborenen sein. Das ist der Höhepunkt des Guten, das Gott uns aus allen Ereignissen unseres Lebens zusammenwirkt. Vers 29 lautet: »Denn die Er zuvor erkannte, die hat Er auch vorherbestimmt, dem Bilde Seines Sohnes gleichgestaltet zu werden, damit Er der Erstgeborene unter vielen Brüdern sei.«

Es ist richtig, dass wir - auf unseren Lebenslauf zurückblickend - heute schon erkennen dürfen, wie gut Gott uns geführt hat. Denn es steht fest, dass Gott denen, die Ihn lieben, gegenwärtig alles zum Guten zusammenwirkt. Ständig tut Er das, immer wieder, hier in dieser Erde Leidenstiegel. Doch dieses tägliche Wirken Gottes für uns hat ein hohes Ziel: dem Bilde Seines Sohnes sollen wir gleichgestaltet werden und Brüder des Erstgeborenen werden.

Es ist des Weiteren richtig, dass unsere Umgestaltung unseren Körper betrifft, wie auch in Philipper 3:21 zu lesen: »Der Herr Jesus Christus wird den Körper unserer Erniedrigung umwandeln, um dem Körper Seiner Herrlichkeit gleichgestaltet zu werden, gemäß der Wirkungskraft, die Ihn befähigt, auch Sich das All unterzuordnen.« Die äußere Umgestaltung kann jedoch nicht für sich alleine stehen, sondern muss der inneren entsprechen, der geistlichen Wesensart und Reife. Der Apostel Paulus schreibt in Galater 4:19: »Meine Kindlein, um die ich nochmals Wehen leide, bis Christus in euch Gestalt gewinne!« Nimmt Christus in uns solchen Raum ein, sodass wir Seinen Charakter ausstrahlen? Wird unser Herz von der Gesinnung Christi geprägt? Dazu, uns innerlich umgestalten zu lassen, werden wir auch durch Römer 12:2 aufgerufen: »Lasst euch umgestalten durch die Erneuerung eures Denksinns!« Hören wir außerdem, was Paulus in 2. Korinther 3:18 mitteilt: »Wir alle aber, mit enthülltem Angesicht die Herrlichkeit des Herrn widerspiegelnd, werden in dasselbe Bild umgestaltet von Herrlichkeit zu Herrlichkeit wie von des Herrn lebendig machendem Geist.« Schrittweise werden unsere Wesenszüge umgestaltet von Herrlichkeit zu Herrlichkeit, wie es uns des Herrn Geist gibt, und zwar durch die zunehmende Erkenntnis Gottes und durch weitere Erfahrungen Seines herrlichen Wirkens bei unserem gehorsamen Dienst. Vergleiche auch Epheser 4:23,24 und Kolosser 3:9,10.

Zu dem Guten, zu dem unser herrlicher Gott und Vater uns alles zusammenwirkt, gehört auch die Gewichtigkeit der Herrlichkeit, die wir in den zukünftigen Äonen haben dürfen, wie Paulus es uns in 2. Korinther 4:17 sagt: »Das augenblickliche Leichte unserer Drangsal bewirkt für uns eine alles überragende und zum Überragenden führende äonische Gewichtigkeit der Herrlichkeit.«

Die Er auserwählte


 
 

Unser Vers 29, der uns eine so herrliche Verheißung gibt, beginnt mit den Worten: »Denn die Er zuvor erkannte, die hat Er auch vorherbestimmt ...« »Die Er zuvor erkannte« heißt »die Er vorher ins Auge fasste«. Die Auserwählung steht dem gleich. Wir wissen ja, dass Gott uns vor dem Niederwurf der Welt auserwählt hat (Eph.1:4). Damals hat Er uns erkannt, ins Auge gefasst, auserwählt und auch vorherbestimmt - zu was? Dem Apostel Paulus war es gegeben, uns die herrliche Antwort in Epheser 1:5,6 zu geben: »In Liebe hat Er uns für Sich zum Sohnesstand durch Christus Jesus vorherbestimmt, nach dem Wohlgefallen Seines Willens, zum Lobpreis der Herrlichkeit Seiner Gnade, die uns in dem Geliebten begnadet.« Unser künftiger Sohnesstand drückt sich nach Römer 8:29 wesentlich darin aus, dass wir in Christi Jesu Gleichgestalt sein werden. Wenn wir die Freilösung unseres Körpers erfahren (Röm.8:23), werden wir den Sohnesstand einnehmen in einem Körper, der dem unseres Herrn gleicht. - Wie bereits früher gesagt, wird dann zwischen unserem Aussehen und unserem Innersten keine Diskrepanz sein.

Christus in allem der Erste


 
 

»Dem Bilde Seines Sohnes gleichgestaltet zu werden ...«, ist mit der göttlichen Absicht verbunden - wie unser Vers sagt -, »damit Er der Erstgeborene unter vielen Brüdern sei.« - Der Erstgeborene ist unser Herr Jesus Christus ohnehin, das Haupt, der Erste in allem. Dies sei mit Kolosser 12:18-20 belegt: »Er ist das Haupt der Körperschaft, der herausgerufenen Gemeinde, deren Anfang Er ist als Erstgeborener aus den Toten, sodass Er in allem der Erste werde, da die gesamte Vervollständigung ihr Wohlgefallen daran hat, in Ihm zu wohnen und durch Ihn das All mit Sich auszusöhnen.« Unser Herr und Haupt soll aber der Erste unter vielen Brüdern und Schwestern werden! - Wer vermag sich diese herrliche Gemeinschaft im Einzelnen vorzustellen, Brüder und Schwestern des Einen und Ersten und damit zugleich Söhne und Töchter Gottes und des Vaters zu sein?! Gott macht uns zu Geschwistern Seines Sohnes - ist das nicht überwältigend?

Lobpreis und Verherrlichung sei dem Gott und Vater unseres Herrn Jesus Christus! Wie beugt uns das, sodass wir es an Unterordnung und Gehorsam nicht fehlen lassen möchten!

Der Apostel Paulus schreibt: »Gott ist getreu, durch den ihr auch zur Gemeinschaft mit Seinem Sohn Jesus Christus, unserem Herrn, berufen wurdet« (1.Kor.1:9). Mögen wir dieser unserer herrlichen Berufung würdig wandeln in diesen Tagen.

Gottes souveränes Gnadenhandeln


 
 

Paulus fährt mit Vers 30 fort: »Die Er aber vorherbestimmt, diese beruft Er auch; und die Er beruft, diese rechtfertigt Er auch; die Er aber rechtfertigt, diese verherrlicht Er auch.«

»Die Er aber vorherbestimmt ...«: Das bezieht sich auf das zuvor Ausgeführte.

»... diese beruft Er auch.« Er rief uns aus der Welt heraus, als Er uns den Glauben schenkte. Als in die Gemeinschaft mit dem Herrn Christus Jesus Berufene sind wir nach droben berufen (Phil.3:14). Wir haben eine überhimmlische Berufung; Christi überhimmlisches Königreich ist unser zukünftiger Dienstbereich (2.Tim.4:18; Eph.2:6,7).

»...diese rechtfertigt Er auch.« Rechtfertigen heißt für gerecht erklären. Als wir zum Glauben berufen wurden, rechtfertigte Gott uns von allen Sünden allein durch Glauben, durch den Glauben, dass Christus für Sünder und Feinde Gottes starb und auferweckt wurde.

»... diese verherrlicht Er auch«. Hier dürfen wir aber auch an jegliche Herrlichkeit denken, die uns verheißen ist. Insbesondere bedeutet die Verherrlichung unsere Umwandlung in das Bild des Sohnes Gottes.

Gott ist für uns


 
 

Die erörterten Verse zusammenfassend, stellen wir fest, dass unser Gott und Vater in überragend herrlicher Weise für uns ist. Wir erkannten das an den

Versen 26 und 27: Der Geist Christi verwendet sich fürbittend für uns; an Vers 28: Gott wirkt uns alles zum Guten zusammen;

an Vers 29: Wir werden in das Bild des Sohnes Gottes umgestaltet;

und an Vers 30: Wir werden in Christus Jesus verherrlicht.

»Was wollen wir nun dazu vorbringen?«, fragt der Apostel Paulus im folgenden Vers 31 staunend und anbetend. »Wenn Gott für uns ist, wer kann wider uns sein?«

Auch in Vers 32 erheben die Worte »für uns« wieder unser Herz: »Er, der doch Seinen eigenen Sohn nicht verschont, sondern Ihn für uns alle dahingegeben hat, wie sollte Er uns nicht auch mit Ihm dies alles in Gnaden gewähren?«

Und nochmals darf das »für uns« in unseren Ohren klingen; möge es, so lange wir auf Erden weilen, nie verklingen. Verse 33 und 34: »Wer wird die Auserwählten Gottes bezichtigen? Etwa Gott, der Rechtfertiger? Wer sollte sie verurteilen? Etwa Christus Jesus, der gestorben, ja vielmehr auferweckt ist, der zur Rechten Gottes ist, der Sich auch für uns verwendet?«

Gott ist für uns, denn so verkündigt es uns der Apostel Paulus in den abschließenden Versen des Kapitels: »Was wird uns von der Liebe Gottes scheiden, die in Christus Jesus ist? Drangsal oder Druck und Verfolgung, Hunger oder Blöße, Gefahr oder Schwert? So wie geschrieben steht: Deinetwegen werden wir den ganzen Tag zu Tode gebracht, wie zu den Schlachtschafen werden wir gerechnet. Jedoch in all diesem sind wir überlegene Sieger durch den, der uns liebt.

Denn ich bin überzeugt, dass weder Tod noch Leben, weder Boten noch Fürstlichkeiten, weder Gegenwärtiges noch Zukünftiges, noch Mächte, weder Höhe noch Tiefe, noch irgendeine andere Schöpfung uns werden scheiden können von der Liebe Gottes, die in Christus Jesus ist, unserem Herrn.« Amen.
 
 

Was wird uns von der Liebe Gottes scheiden?

(Römer 8:31-39)


 
 

Der Schriftabschnitt, den wir betrachten, beginnt mit dem Ausruf: »Was wollen wir nun dazu vorbringen?« (V. 31). Was wollen wir zu all dem in Kapitel Acht, ja in den Kapiteln Eins bis Acht des Römerbriefs Dargelegten vorbringen? Das darin Niedergeschriebene, das Evangelium Gottes über Seinen Sohn, ist so herrlich, dass wir nur jubeln können. Das Evangelium ist eine Gotteskraft zur Rettung für jeden Glaubenden (1:16); Gottes Gerechtigkeit wird darin enthüllt (1:17). Wir sind umsonst gerechtfertigt in Gottes Gnade durch die Freilösung, die in Christus Jesus ist (3:24). Wir sind mit Gott durch den Tod Seines Sohnes versöhnt (Röm.5:10). Wir stehen in der Gnade, sind in der überströmenden Gnade fest verankert und rühmen uns in Erwartung der Herrlichkeit Gottes (5:2). Wir sind zusammen mit Christus gekreuzigt und auferweckt worden, sodass wir uns der Sünde gegenüber für tot halten und Gott leben dürfen in Christus Jesus, unserem Herrn (6:11). Nichts ist uns zur Verurteilung, die wir in Christus Jesus sind (8:1). Im Geist des Sohnesstandes rufen wir den Vater an (8:15). Wir wissen, dass Gott uns, die wir nach Seinem Vorsatz berufen sind und Ihn lieben, alles zum Guten zusammenwirkt (8.28). Er hat uns zuvor erkannt, das heißt ins Auge gefasst, und vorherbestimmt, dem Bilde Seines Sohnes gleichgestaltet zu werden, damit Er der Erstgeborene unter vielen Brüdern und Schwestern sei. Die Er aber dazu vorherbestimmt hat, diese beruft Er auch; und die Er beruft, diese rechtfertigt Er auch; die Er aber rechtfertigt, diese verherrlicht Er auch in Christus Jesus (8:29,30).

Was wollen wir nun dazu vorbringen? Lobpreis, Dank und Verherrlichung von ganzem Herzen! Was der Apostel Paulus dazu vorbringt, kleidet er in vier rhetorische Fragen:

  1. Wer kann wider uns sein (V.31)?
  2. Wer wird die Auserwählten Gottes bezichtigen (V.33)?
  3. Wer sollte sie verurteilen (V.34)?
  4. Was wird uns von der Liebe Gottes scheiden, die in Christus Jesus ist (V.35)?

Zur ersten Frage: Wer kann wider uns sein (V.31)?


 
 

Niemand, denn Gott ist für uns. Weder geistliche Mächte der Bosheit inmitten der Überhimmlischen noch weltliche Fürstlichkeiten und Obrigkeiten, denn unser Gott und Vater wirkt uns alles zum Guten zusammen (8:28). Kann die Sünde wider uns sein? Sie wohnt zwar noch in uns (7:17), aber wir lernen durch sie die Gnade, die in Christus Jesus ist, überaus schätzen und das Gesetz des Geistes des Lebens in Christus Jesus, das stärker ist als das Gesetz der Sünde und des Todes (8:2). Kann der Tod gegen uns sein? Aber nein, denn dem Fleisch und Blut kann das Königreich Gottes nicht zugelost werden (1.Kor.15:50); es ist notwendig, dass wir einen anderen Körper bekommen, nämlich einen geistlichen bei unserer Verwandlung (1.Kor.15:51). Können Drangsale und Leiden gegen uns sein? Ebenfalls nicht, denn Drangsale bewirken Ausharren, das Ausharren Bewährung, und die Bewährung bestärkt uns in der Erwartung (Röm.5:3,4). Außerdem bewirkt das augenblickliche Leichte unserer Drangsal eine alles überragende und zum Überragenden führende äonische Gewichtigkeit der Herrlichkeit für uns (2.Kor.4:17).

Niemand kann wider uns sein, da Gott für uns ist. Der Allgewaltige, der, der alles bewirkt und Liebe ist, ist für uns! Das erkennen wir besonders deutlich an Vers 32: »Er, der doch Seinen eigenen Sohn nicht verschont, sondern Ihn für uns alle dahingegeben hat, wie sollte Er uns nicht auch mit Ihm dies alles in Gnaden gewähren?« Wenn Er schon Sein Liebstes für uns dahingegeben hat, wie sollte Er uns dann nicht auch alles andere in Gnaden schenken? Indem Er Seinen Sohn gab, gab Er uns auch alle geistlichen Schätze, die in Ihm gründen.

Keinen größeren Beweis für Gottes Liebe kann es geben, als Seinen Sohn für Sünder und Feinde an das Fluchholz zu geben. Möge unser Herr unsere Herzen auf diese Liebestat Gottes ausrichten und auf die Liebe des Christus in Seinem Erdulden (2.Thess.3:5). Für uns taten Sie es. Unser Herr Jesus Christus wurde um unserer Kränkungen willen dahingegeben, verlassen, zum Sündopfer und zum Träger des Fluches gemacht (Röm.4:25; 2.Kor.5:21; Gal.3:13).

Wer liebt, der leidet mit dem Geliebten. Das ist bei uns Menschen schon so. Wer aber vermag zu ermessen, wie sehr der Vater mit Seinem Sohn litt? Und uns hat Er in Gnaden vorgezogen, dies erkennen zu dürfen, um in den kommenden Äonen als Auserwählte Gottes inmitten der Überhimmlischen Ausdruck Seiner Liebe und der auf ihr beruhenden überfließenden Gnade zu sein, damit auch diese Geschöpfe von Seiner Liebe überwältigt werden und zur vollen Erkenntnis des Gottes und Vaters unseres Herrn Jesus Christus kommen.

Zur zweiten Frage: Wer wird die Auserwählten Gottes bezichtigen (V.33)?


 
 

Lesen wir die Frage nicht ohne die Antwort: »Wer wird die Auserwählten Gottes bezichtigen? Etwa Gott, der Rechtfertiger?« Wie könnte unser Gott und Vater uns je bezichtigen, uns, Seine Auserwählten und in dem geliebten Sohn Begnadete!

Von den Menschen können wir allerdings beschuldigt werden, sei es grundlos oder weil wir nicht aufrichtig und unanstößig wandelten (Phil.1:10) und auf diese Weise in einen Vorwurf und eine Falle des Widerwirkers hineinfielen (1.Tim.3:7). Wir können auch von Glaubensgeschwistern beschuldigt werden, weil wir ihnen Unrecht taten oder sie benachteiligten (1.Kor.6:8) oder weil wir Zank erzeugten (2.Tim.2:23). Die Ältesten dürfen nach 1.Timotheus 5:19 Anklagen gegen uns annehmen, gegen einen Ältesten jedoch nur auf die Aussage von zwei oder drei Zeugen hin. Das bedeutet mithin, dass Unrecht in der Welt und in der herausgerufenen Gemeinde beordnet werden muss. Mögen wir uns entschuldigen und einander Gnade gewähren, wenn jemand gegen jemand anders einen Tadel hat, so wie der Herr uns Gnade erweist (Kol.3:13).

Und: »Es stehe ab von der Ungerechtigkeit jeder, der den Namen des Herrn nennt« (2.Tim.2:19).

Unser Gott und Vater aber - Er nimmt keine Anklage gegen uns an. Er hat uns von jeder Sünde gerechtfertigt - die Ältesten können das nicht -, Er sieht uns in Christus Jesus, in welchem kein Makel ist. Heilig, makellos und unbeschuldbar sind wir in unserem Gnadenstand vor Gottes Angesicht (Eph.1:4; Kol.1:22). Und wir haben die Verheißung, dass wir auch hinsichtlich unseres praktischen Verhaltens im Alltag bis zum Tage unseres Herrn Jesus Christus unbeschuldbar sein werden (1.Kor.1:8). Mögen wir unserem Herrn glauben, dass Er uns Stetigkeit für einen solchen Wandel verleihen wird bis zur Vollendung, dann wird sich diese Verheißung kraftvoll in uns auswirken. Mögen wir uns auch glaubend danach ausstrecken, was des Paulus Wunsch in 1.Thessalonicher 3:12,13 für uns ist: »Euch aber lasse der Herr zunehmen und überfließen in der Liebe zueinander und zu allen, gleichwie auch wir sie euch gegenüber erweisen, um eure Herzen zu festigen, damit sie vor unserem Gott und Vater untadelig in Heiligkeit seien in der Anwesenheit unseres Herrn Jesus, mit all Seinen Heiligen.«

Zur dritten Frage: Wer sollte sie verurteilen (V.34)?


 
 

»Wer sollte sie verurteilen? Etwa Christus Jesus, der gestorben, ja vielmehr auferweckt ist, der zur Rechten Gottes ist, der Sich auch für uns verwendet?« In Römer 7:25 hebt der Apostel Paulus in triumphierender Weise die Gnade hervor, der er in Kapitel 5:20 als jede Sünde überströmend beschrieben hat, und schreibt dann in Römer 8:1: »Nichts demnach ist nun denen zur Verurteilung, die in Christus Jesus sind.« »Demnach«, das heißt der Gnade nach ist denen nichts zur Verurteilung, die in Christus Jesus sind. Die aber in Ihm sind, deren alte Menschheit wurde zusammen mit Ihm gekreuzigt (Röm.6:6); sie hat ihr Urteil längst erhalten! Was Christus der Sünde starb, das starb Er der Sünde ein für allemal, und wir ebenso. Was Christus lebt, das lebt Er für Gott, und wir ebenso (Röm.6:10,11).

Wer sollte uns verurteilen? Christus ist doch für unsere Sünden gestorben. Somit fehlt jede Rechtsgrundlage, uns zu verurteilen. Und Er wurde auferweckt und verwendet Sich als Mächtigster neben Gott aufgrund Seines allzeit wirksamen Opfers weiterhin für uns in Gott wohlgefälliger Weise. Aus Römer 8:27 wissen wir im Übrigen, dass auch Sein unseren Herzen innewohnender Geist sich gottgemäß und mithin auch Gottes Zielen gemäß für uns verwendet. Die Gebete Seines Sohnes erhört Gott, denn Er betet Gottes Willen gemäß.
 
 

Zur vierten Frage: Was wird uns von der Liebe Gottes scheiden, die in Christus Jesus ist (V.35)?


 
 

Spontan geantwortet: Gar nichts und gar niemand, denn die Liebe, die in Christus Jesus, dem Gekreuzigten, erwiesen ist, in Seiner Dahingabe, gilt ja gerade den von der Sünde und dem Tode Umfangenen, wozu auch die Heiligen gehören, weil die Sünde noch in ihnen wohnt und sie einen sterbenden Körper haben und sie mancherlei Drangsale erfahren und weil sie unter diesen Umständen eventuell nicht geistgemäß, sondern fleischgemäß handelten und ihren Gott und Vater kränkten. Darüber sind sie so betrübt, dass der Gedanke aufkommen kann, ob Gott sie nun noch liebe. Doch nicht auf das, was wir denken, kommt es an, sondern auf das, was Gott sagt. Und Er sagt: Ich bin und bleibe dir immer in Liebe zugewandt. In Christus hast du die Freilösung durch Sein Blut, die Vergebung der Kränkungen nach dem Reichtum Meiner Gnade, die ich in dir überfließen lasse (Eph.1:7).

Wissen wir uns aber auch dann noch geliebt, wenn wir bedrängt und bedrückt werden oder Hunger leiden müssen? In manchen Ländern bedeutet eine Missernte Hunger, und trotz ausländischer Hilfe sterben einige daran. Und wenn uns welche unseres Glaubens wegen als lebensunwürdig ansehen und wie Schlachtschafe achten? Bin ich auch dann noch ein Geliebter Gottes?

Dies ist die Fragestellung des Apostels Paulus in den Versen 35 und 36: »Was wird uns von der Liebe Gottes scheiden, die in Christus Jesus ist? Drangsal oder Druck und Verfolgung, Hunger oder Blöße, Gefahr oder Schwert? So wie geschrieben steht: Deinetwegen werden wir den ganzen Tag zu Tode gebracht, wie zu den Schlachtschafen werden wir gerechnet (Ps.44:23).« Wir haben nicht den Geist der Welt, sondern den Geist aus Gott. Wie schnell kann es geschehen, dass der widergöttliche Geist Europas sich gegen uns Fremdkörper wendet! Wenn sie unseren Herrn ohne Grund hassen (Joh.15:25), dann auch uns.

Und dann kommen Drangsal und Druck über uns. Drangsal ist wohl eher eine äußere Not. Druck dürfte wohl mehr eine innere Not beschreiben. Von übermäßigen Mühen, von vielen Schlägen und Peitschenhieben berichtet Paulus in 2.Korinther 11:23-28. Verfolgung: Wie oft musste Paulus in die nächste Stadt fliehen. Hunger und Blöße: Durchwachte Nächte, Hunger und Durst und Kälte und Blöße waren ihm ebenfalls nicht unbekannt. Gefahr oder Schwert: Allen Gefahren war Paulus ausgesetzt, Gefahren durch die Wegelagerer, durch die Juden, durch die Nationen, in der Stadt, in der Wildnis, auf dem Meer, unter falschen Brüdern. Bei alldem aber zweifelte Paulus nicht an Gottes Liebe. Auch über viele Märtyrer wird berichtet, dass sie bis zum letzten Atemzug Gott lobten.

Der Apostel weiß um den Sinn und Zweck der Drangsale; so schreibt er in 2.Korinther 4:6-11, dass wir den Schatz der Erkenntnis der Herrlichkeit Gottes in irdenen Gefäßen haben, »damit das Außerordentliche der Kraft als sich von Gott und nicht als aus uns erweise: in allem bedrängt, aber nicht eingeengt, ratlos, aber nicht verzweifelt, verfolgt, aber nicht verlassen, niedergeworfen, aber nicht umgekommen. Allezeit tragen wir so die Tötung Jesu in unserem Körper umher, damit auch das Leben Jesu in unserem Körper offenbar werde. Denn wir, die wir leben, werden stets um Jesu willen in den Tod dahingegeben, damit auch das Leben Jesu in unserem sterbenden Fleisch offenbar werde.«

Überlegene Sieger


 
 

»Tag für Tag sterbe ich«, bekennt Paulus in 1.Korinther 15:31. Und dennoch ist er der Sieger, weil er weiß, dass alles dem Liebesratschluss Gottes entspringt. Er ist Sieger durch den, der ihn liebt, der Liebe ist und Seine Liebe in seinem Herzen ausgegossen hat durch den ihm gegebenen heiligen Geist (Röm.5:5). So schreibt er in Vers 37: »Jedoch in all diesem sind wir überlegene Sieger durch den, der uns liebt.« Alle Nöte, alles, was uns niederringen will, gibt uns Gelegenheit zum Siegen. Drangsale sind, wenn wir sie Gottes Willen gemäß, geistgemäß und nicht fleischgemäß, aufnehmen, Rohstoff für den Sieg, denn sie verändern uns, machen uns demütig und werfen uns auf Gott, stärken so unser Vertrauen zu unserem Vater und schenken uns neue Gewissheit Seiner Allgewalt und eine vertiefte Erkenntnis Seiner Liebe. Somit sind auch alle Nöte ein Weg Gottes, um uns in das Bild Christi umzugestalten. Unser Gott wirkt uns wahrhaftig alles zum Gewinn zusammen!

»Vergeltet niemandem Übles mit Üblem« (Röm.12:17). Wenn wir das tun, sind wir Sieger. Ein paar Verse weiter in Römer 12:21 steht: »Werde nicht vom Üblen überwunden, sondern überwinde das Üble mit Gutem!« Auf diese Weise sind wir überlegene Sieger. Wir haben mehr errungen als gerade eben nur den Sieg, sondern haben weit mehr als gesiegt, denn wir haben das Gute auf den Leuchter gestellt und die in uns wirkende Kraft Gottes und Seine Liebe. »Segnet die euch verfolgen, segnet und verfluchet nicht!« (Röm.12:14).

Dem Feind nicht feindlich gesinnt sein, zumal ja Gott mit ihm versöhnt ist und ihm keine Kränkung anrechnet (2.Kor.5:19), ist ein Sieg. Ein überlegener Sieg aber liegt dann vor, wenn jemand seinem Feind im Geist und in der Bereitschaft der Versöhnung begegnet. Überlegener Sieger ist, wer Hass durch die Liebe überwindet. So wird der Hass in den Dienst der Liebe Gottes gestellt. Die Erfahrung Seiner Liebe kann den Hassenden umwandeln, und wir selbst werden die Kraft der Liebe Gottes noch tiefer kennenlernen und somit in der Erkenntnis Gottes Selbst wachsen. Mögen wir deshalb darum bitten und beten, dass unser Herr unsere Herzen auf die Liebe Gottes und auf das Erdulden des Christus ausrichte (2.Thess.3:5).

Überlegener Sieger ist, wer Gott alles glaubt und Ihm in allem gehorcht. Wer nicht glaubt, dass Gott uns alles zum Guten zusammenwirkt (Röm.8:28), dass Er der Allesbewirkende ist (Eph.1:11), dass Ihm alles dient, auch das Üble, dass Er Liebe ist und alle rettet (1.Tim.4:10), Sich mit allen aussöhnt (Kol.1:20) und durch Christus das All in allem in Herrlichkeit vervollständigt (Eph.1:23) - wie sollte ein solcher Gläubiger überhaupt ein Sieger sein? Und wenn ein Heiliger nicht alle Gedanken unter den Gehorsam des Christus gefangennimmt (2.Kor.10:5), das Verhalten der alten Menschheit nicht ablegt und die neue Menschheit nicht anzieht (Eph.4:22-24) und sich nicht von jeder Besudelung des Fleisches und auch des Geistes reinigt und sich nicht ausstreckt, um seine Heiligkeit in der Furcht Gottes zu vollenden (2.Kor.7:1) - wie könnte ein solcher ein Sieger sein?

Siegreich ist, wer das Evangelium des Apostels Paulus kennt und sich in Erwartung der uns verheißenen überhimmlischen Herrlichkeit rühmt (Gal.1:12; Röm.5:2). Wir müssen uns nach den Worten Gottes richten, die an uns, die Glieder der Körperschaft Christi, gerichtet sind und nicht nach denen, die Israel betreffen. Wir leben gegenwärtig in der dem Apostel Paulus gegebenen heilsgeschichtlichen Verwaltung der Gnade Gottes (Eph.3:2) und können nur Sieger sein, wenn wir die diesbezüglichen Anweisungen beachten. Paulus ist der Lehrer der Nationen (1.Tim.2:7). Wer die Botschaft der Paulusbriefe mit Gottes Worten an Israel vermischt, wer also nicht zwischen dem Evangelium der Unbeschnittenheit - Paulus wurde damit betraut - und dem der Beschneidung - Petrus wurde mit jenem beauftragt (Gal.2:7), unterscheidet, der ist dem Diabolos, dem Durcheinanderwerfer, dem Widerwirker, längst erlegen und ist Tag für Tag nur ein Verlierer.

Wir siegen über alle Maßen, wenn wir unserem Gott und Vater danken, und zwar allezeit und in allem und für alles. »Danket in allem! Denn dies ist der Wille Gottes in Christus Jesus für euch« (1.Thess.5:18). »... für alles dem Gott und Vater im Namen unseres Herrn Jesus Christus allezeit dankend...« (Eph.5:20). Der Apostel Paulus spricht Timotheus vor allem anderen zu, »dass Flehen, Gebete, Fürbitten und Danksagung getan werden für alle Menschen« (1.Tim.2:1). Danksagen für alle Menschen, die Gott uns in den Weg schickt, auch die uns Kummer machen, das kann man mit Verständnis nur, wenn man das herrliche Evangelium der Versöhnung Gottes mit allen Menschen kennt und weiß, dass Er aufgrund des Blutes Seines Sohnes, der für alle eintrat und starb, beim Abschluss der Äonen, in der Vollendung, mit allen Frieden machen wird (Kol.1:20). Er kommt mit jedem zum Ziel, und alle werden unserem Herrn Jesus Christus huldigen zur Verherrlichung Gottes, des Vaters (Phil.2:11). In diesem erwartungsvollen Glauben kann man von Herzen für jeden Menschen danken. Dank sei Gott, der uns diesen Sieg gibt, Dank sei Ihm durch unseren Herrn Jesus Christus!

Wovon Paulus überzeugt ist


 
 

Der Apostel Paulus begründet unsere Erfahrung, die wir machen durften oder noch machen werden, nämlich dass wir überlegene Sieger sind, mit der Tatsache, dass Gott uns unverbrüchlich liebt, denn er leitet die beiden letzten Verse 38 und 39 mit einem »denn« ein: »Denn ich bin überzeugt, dass weder Tod noch Leben, weder Boten noch Fürstlichkeiten, weder Gegenwärtiges noch Zukünftiges, noch Mächte, weder Höhe noch Tiefe, noch irgendeine andere Schöpfung uns werden scheiden können von der Liebe Gottes, die in Christus Jesus ist, unserem Herrn.« Eine so gewaltige Überzeugung, ein solches unumstößliches Wissen, kann nicht aus dem Menschen kommen, sondern nur vom Geist Gottes.

Weder Tod noch Leben können uns von der Liebe Gottes scheiden, die in Christus Jesus, dem für alle Gekreuzigten, erwiesen und begründet ist. Was auch immer in unserem Leben geschehen mag, nichts kann einen Keil zwischen Gott und uns treiben. Und wenn wir entschlafen sein werden, wird Gott auch dann unserer gedenken und keinen von uns bei der Auferweckung vergessen. Seine Liebe ist stärker als der Tod.

Weder Boten noch Fürstlichkeiten können uns von der Gottesliebe trennen. Sogar die Boten Gottes dürfen sich nicht zwischen Gott und uns schieben, haben wir doch Zugang zu Gottes Thron nur durch den einen Mittler, Christus Jesus, unseren Herrn (Eph.2:18). Und selbst die Fürstlichkeiten der Finsternis, die geistlichen Mächte der Bosheit inmitten der Überhimmlischen, vermögen Gott nicht umzustimmen, sodass Er Sich etwa von uns abwende. Des Weiteren können sie uns die Liebe Gottes nicht verdunkeln, uns die Überzeugung unseres Geliebtwerdens nicht rauben, wenn wir die gesamte Waffenrüstung, die Gott für uns bereitgelegt hat, angezogen haben (Eph.6:10-17). Der Gürtel der Wahrheit, das Wort Gottes, schützt uns vor Zweifeln an der Liebe Gottes. Da wir zum Dienst inmitten der Überhimmlischen berufen sind, müssen wir uns natürlich mit dem Wort der Wahrheit umgürten, das unser Erwartungsgut beschreibt; das ist das dem Paulus enthüllte Wort Gottes. Der Panzer der Gerechtigkeit schützt uns vor den Einflüsterungen, wir seien nicht von allen Sünden gerechtfertigt und Gottes Liebe hätte somit irgendwo eine Grenze. Die mit der Bereitschaft zur Verkündigung des Friedensevangeliums des Apostels Paulus unterbundenen Füße sprechen immer von der Liebe Gottes, da sie Seiner Versöhnung mit der Welt zugrunde liegt. Und der Langschild des Glaubens lässt uns unserem Gott und Vater stets alles glauben, eben auch, dass uns nichts von Seiner Liebe scheiden kann. Auf diese Weise stehen wir fest in allem, auch in dieser Wahrheit. Der Helm der Rettung, die Freude über unser Heil, und das Schwert des Geistes, ein trefflich angewandtes Wort Gottes, sind weitere Liebesbeweise.

Weder Gegenwärtiges noch Zukünftiges noch Mächte, was auch immer ist und kommen mag und wer auch immer Macht über uns ausübt - wir brauchen uns keine Sorgen zu machen, dass Gott Seine Liebe etwa zurückgezogen hätte.

Weder Höhe noch Tiefe, zu welcher Höhe wir auch hinaufsteigen oder zu welcher Tiefe wir auch erniedrigt werden könnten - Gottes Liebe bleibt uns immer zugeneigt. Und wenn es da noch etwas geben sollte, was noch nicht aufgezählt wurde, etwa irgendeine andere Schöpfung - wir bleiben immer die Geliebten Gottes in Christus Jesus, unserem Herrn.

Gott ist Liebe!


 
 

Wie dürfen unsere Herzen doch erfüllt sein von dem Wissen um die Liebe des Gottes und Vaters unseres Herrn Jesus Christus! In der Liebe des Weltenlenkers dürfen wir ruhen! Dies kann nicht ohne Auswirkungen bleiben. Die Freude darüber drängt uns zu einem Gott verherrlichenden Wandel und Dienst. So ist es unser Begehren, als geliebte Kinder Gottes nun Nachahmer Gottes zu werden, wie der Apostel Paulus in Epheser 5:1,2 schreibt, und in Liebe zu wandeln, so wie auch Christus uns liebt und Sich Selbst für uns als Darbringung und Opfer für Gott dahingegeben hat, zu einem duftenden Wohlgeruch. Es ist unsere Sehnsucht, die Liebe Gottes zu erwidern in Lobpreis, Dank und Verherrlichung und zu tun, was in Kolosser 3:12-14 geschrieben steht: »Ziehet an als Auserwählte Gottes, Heilige und Geliebte: innigstes Mitleid, Güte, Demut, Sanftmut, Geduld; einander ertragend, und euch gegenseitig Gnade erweisend, wenn jemand gegen jemand anders einen Tadel hat. Wie der Herr euch Gnade erweist, so tut auch ihr es. Über dies alles aber ziehet die Liebe an, die das Band der Vollkommenheit ist.«

Da alle Anweisungen Gottes zugleich auch Verheißungen sind, wird Er es auch tun. Der Glaubende wird es erfahren. So sei unserem Gott und Vater der Lobpreis und die Verherrlichung im Namen unseres Herrn Jesus Christus! Amen!
 
 



Israel, das schmerzlich geliebte Volk

(Römer 9:1-18)


 
 

Die Kapitel Neun bis Elf des Römerbriefs sind ein besonderer Abschnitt. Der Apostel Paulus entfaltet hier die Themen der Gerechtigkeit Gottes und der Versöhnung im Hinblick auf Nationen. In den Kapiteln Eins bis Acht ging es um die Rechtfertigung und Versöhnung des einzelnen Menschen. Nun fasst Paulus Israel, die Nation Gottes, und die übrigen Nationen ins Auge. Behandelt Gott auch Völker gerecht? Erbarmt Gott Sich auch der Völker, insbesondere Israels?

In den ersten Versen des Kapitels Neun lesen wir von der großen Betrübnis des Apostels Paulus um seine Stammverwandten. Muss die Liebe Gottes nicht auch das verstockte und verworfene Israel umfassen, die Liebe, von der er gerade am Schluss des Kapitels Acht geschrieben hatte, die in Christus Jesus ist, unserem Herrn, und von der uns gar nichts und gar niemand scheiden kann? Welch ein Schmerz, dass Israel die Liebe Gottes zurückweist!
 
 

Betrübt wegen der Brüder dem Fleische nach


 
 

Der Apostel Paulus schreibt in den Versen 1 bis 3: »Wahrheit rede ich in Christus (ich lüge nicht, mein Gewissen bezeugt es mir in heiligem Geist). Große Betrübnis ist in mir und unablässiger Schmerz in meinem Herzen - denn ich wünschte, selbst von Christus hinweg verbannt zu sein - für meine Brüder, meine Stammverwandten dem Fleische nach ...« Wer liebt, der leidet mit dem Geliebten. Mit Nachdruck beteuert Paulus, dass er Israel liebe und um ihretwillen leide. Es ist nicht so, dass er mit seiner Hinwendung zu den Nationen nun ein Feind Israels geworden wäre, wie manche Juden ihm vorwerfen. Nein, denen unter dem Gesetz wurde er wie einer unter dem Gesetz, wiewohl er selbst nicht unter dem Gesetz war, damit er auch die unter dem Gesetz gewinne (1.Kor.9:20). In fünffacher Weise bekräftigt Paulus seinen Schmerz: Wahrheit rede er, und dies in Christus; er lüge nicht, sein Gewissen bezeuge es ihm, und dieses zusammen mit dem Geist Gottes. Das Gewissen ist die mit der Norm vergleichende Instanz, bei Paulus geschärft durch den heiligen Geist. Paulus redet also in Liebe und in Aufrichtigkeit, aus Gott, vor dem Angesicht Gottes in Christus (2.Kor.2:17).

In Vers 3 finden wir die Zwischenbemerkung vor, im Konkordanten Neuen Testament in Gedankenstriche gesetzt: »- denn ich wünschte, selbst von Christus hinweg verbannt zu sein -.« Paulus wünschte vor seiner Berufung selbst, von Christus getrennt zu sein. Weil er genau dieselbe Haltung wie die anderen Juden hatte, so ungläubig und fanatisch, so selbstbewusst und widerspenstig, weiß er aus dem eigenen Leben, dass Israel nichts mit Jesus Christus zu tun haben will. Paulus war ja zuvor ein Lästerer, ein Verfolger der herausgerufenen Gemeinde und ein Frevler gewesen (1.Tim.1:13). Als das gesamte Volk Pilatus antwortete: »Sein Blut komme über uns und unsere Kinder!« (Mat.27:25), wandte es sich ganz entschieden von seinem Messias ab und verbannte es sich gewissermaßen selbst von Ihm hinweg. Wie schrecklich ist es, im Bann sein zu wollen, getrennt, abgeschieden von Christus! Dann hat man keine Freude und keinen Frieden im Glauben. Welch ein Verlust an göttlichen Segnungen! In welch ein Elend gerät Israel nun! Große Betrübnis bereitet dies dem Apostel. Der unablässige Schmerz im Herzen des Paulus ist für seine Brüder, seine Stammverwandten dem Fleische nach, um ihretwillen, zu ihrem Besten. Der Schmerz verstärkt die Liebe des Paulus, ihnen zurechthelfen zu wollen durch das lebendige und wirksame Wort, durch das Evangelium Gottes über Seinen Sohn, das eine Gotteskraft zur Rettung für jeden Glaubenden ist, ob Jude oder Grieche (Röm.1:16).

Das auserwählte Volk


 
 

In den Versen 4 und 5 nennt Paulus die Segnungen, die dem Volk Israel gegeben sind. Sollte das alles vergeblich gewesen sein, wie denn auch Hebräer 4:2 sagt, dass das Wort der Kunde jenen Zuhörern nichts genützt habe, weil es bei ihnen nicht mit dem Glauben vermengt war? Paulus führt an: »... die Israeliten sind, denen der Sohnesstand und die Herrlichkeit gehören, die Bündnisse und die Gesetzgebung, der Gottesdienst und die Verheißungen, denen die Väter angehören und aus denen Christus dem Fleische nach stammt, der über allen ist, Gott, gesegnet für die Äonen! Amen!«

Israeliten sind sie - ein heiliges Volk Jewe, ihrem Elohim, der sie sich zum Eigentumsvolk aus allen Völkern erwählt hat (5.Mose 7:6).

Und nun kennzeichnet Paulus die Israeliten:

Der Sohnesstand gehört ihnen - denn Jewe Elohim begegnete ihnen wie ein Vater, als Er sprach: »Mein Sohn, Mein Erstgeborener, ist Israel!« (2.Mose 4:22).

Die Herrlichkeit gehört ihnen. - Israel erfuhr viele Wunder und Machttaten sowie sichtbare Darstellungen der göttlichen Herrlichkeit, wie die Wolken- und Feuersäule, bis die Herrlichkeit Jewes den Tempel zur Zeit Hesekiels verließ (Hes.9:3; 10:18; 11:23).

Die Bündnisse sind ihnen - die mit Abraham geschlossenen, darunter dass ihnen das bestimmte Land gegeben werde (1.Mose 15:18), und der Bund am Sinai (2.Mose 19:5; 24:8). Diesen Bund haben sie gebrochen.

Die Gesetzgebung ist ihnen. - Nur dieser Nation wurde das heilige, gerechte und gute Gesetz gegeben; keine andere Nation hat so ein vorzügliches und weises Gesetz.

Der Gottesdienst ist ihnen. - Nur ihnen gehören der Tempel, die Opfer und Darbringungen, das Ritual, die Priester.

Die Verheißungen gelten ihnen. - Sie werden ein königliches Priestertum und eine heilige Nation werden (2.Mose 19:6; 1.Pet.2:9); sie werden in das Feiern, in die Sabbatruhe eingehen (Heb.4:1-11); sie werden, wie Abraham verheißen, zum Segen für alle Familien des Erdbodens werden (1.Mose 12:3).

Die Väter gehören ihnen an - Isaak und Jakob, Mose und David und viele andere Gottesmänner; kein anderes Volk hat solche gesegneten Väter.

Christus stammt dem Fleische nach aus ihnen. - Abraham und David sind Jesu Vorfahren. Er ist der Messias Israels. Nur zu den verlorenen Schafen vom Hause Israel war Er im Fleisch gesandt (Mat.15:24).

Anbetend beendet Paulus den Satz: »... der über allen ist, Gott, gesegnet für die Äonen! Amen!« Möge Israel doch erkennen, dass Jesus der Christus ist und dieser, das Haupt über alles, zu ihnen gekommen war. Christus ist Gott, nicht im absoluten Sinn, denn es ist ja nur ein Gott, der Vater, aus dem das All ist, und nur ein Herr und Mittler, Jesus Christus, durch den das All geworden ist (1.Kor.8:6; 1.Tim.2:5). Christus darf aber Gott genannt werden, weil Er in göttlicher Vollmacht auftritt und wie Gott ist, zumal den Vater sieht, wer Ihn sieht (Joh.14:9).

Er, Christus, sei gesegnet für die Äonen! Wir sind gewiss, dass Er Sich in den kommenden Äonen an Israel herrlich erweisen wird.

Gott wird Sich über Israel verherrlichen


 
 

Wie aber wird das geschehen? Denn das schmerzlich geliebte Volk lehnt nach wie vor Jesus als seinen Christus ab. Im Grunde geht es jedoch nicht um Israels Unglaube und die daraus folgende Verwerfung, sondern um die Glaubwürdigkeit Gottes, denn Er hat Seine Verheißungen für Israel immer noch nicht wahr gemacht. Das ist die wahre Fragestellung. Liebt Gott Sein Volk etwa doch nicht? Sollte Gottes Wort nicht mehr gelten? Eine ähnliche Frage hatte Paulus in Römer 3:3 gestellt: »Wird etwa ihr Unglaube die Glaubwürdigkeit Gottes aufheben?« Die Antwort war: »Möge das nicht gefolgert werden!« Die Antwort der Verse 6 bis 8 unseres Kapitels lautet: »Es ist aber nicht so, als ob das Wort Gottes hinfällig geworden sei; denn nicht alle, die aus Israel stammen, sind Israel; auch sind sie nicht alle Kinder, weil sie Abrahams Same sind; sondern es heißt: In Isaak wird dir Same berufen werden. Dies bedeutet: Nicht die Kinder des Fleisches, nicht diese sind Kinder Gottes, sondern die Kinder der Verheißung rechnet Er als Samen.« Nein, Gottes Wort ist nicht hinfällig geworden; Er wird alles erfüllen, was Er zugesagt hat, und zwar zunächst an den Kindern der Verheißung. Diese sind gegenwärtig Israel, das heißt übersetzt »aufrecht mit El«. Der Apostel Paulus verengte den Begriff »Israel«; es gibt mithin derzeit ein Israel innerhalb Israels. Nicht das Israel dem Fleische nach ist in der Gegenwart Israel, sondern das Israel nach der Verheißung. Diesem erweist Gott zur Zeit Seine Treue. Nur eine Auswahl aus Israel hat die Verheißung erlangt (vgl.Röm.11:7). Die Auswahl erfolgte aus Gnaden, nicht aus Werken (Röm.11:5,6). Die Auserwählten sind nicht besser als die anderen, sie haben kein Verdienst. Diese Tatsache gerade, dass Gott die Verheißungen an den Auserwählten der Vergangenheit und der Gegenwart erfüllt hat, die nichts dazu beigetragen haben - was hätten denn etwa Jakob, der Betrüger, oder Saulus, der Verfolger der Gemeinde, aufzuweisen? -, ist die Garantie dafür, dass Gott Sich auch über Israel als Gesamtheit erbarmen wird. Dann, wenn der Herr Jesus Christus wiederkommt und Er den neuen Bund mit Israel schließt, zu Beginn des Tausendjahrreichs, wird Israel als ganzes Volk gerettet werden, alle dann lebenden auserwählten Juden als Glieder der geheiligten Nation (Mat.8:12; 22:14; Hes.20:38; Heb.6:46; Jer.31:33-34; Röm.11:26; Luk.13:28-30). Und durch das verherrlichte Israel werden in den beiden kommenden Äonen alle anderen Nationen gesegnet werden.

Wer ist Jude?


 
 

Zur Zeit aber gilt, was wir gerade gesagt haben und auch in Römer 2:28,29 lesen: »Nicht der ist Jude, der es sichtbar ist, noch ist das Beschneidung, was sichtbar am Fleisch geschieht; sondern der ist Jude, der es innerlich, im Verborgenen, ist; und Beschneidung des Herzens ist im Geist, nicht im Buchstaben; dem wird Lobpreis zuteil, zwar nicht von Menschen, sondern von Gott.« Diese Juden sind heute Glieder der Körperschaft Christi und haben gemeinsam mit uns, denen aus den Nationen, die überhimmlische Bestimmung. In einer über die Verheißungen für das Volk Israel hinausgehenden Weise sind diese Juden zusammen mit uns Nichtjuden in Christus Jesus mit jedem geistlichen Segen inmitten der Überhimmlischen gesegnet (Eph.1:3; 3:6).

Indem der Apostel Paulus in den Versen 7 und 8 an alle Kinder Abrahams erinnert, an Ismael, Isaak und die Söhne von der Ketura, und dann die Schrift sprechen lässt: »In Isaak wird dir Same berufen werden«, führt er ein Beispiel dafür an, welche Israeliten gegenwärtig Kinder Gottes sind, eben nicht die Kinder des Fleisches, sondern der Verheißung. »Denn«, so fügt Paulus in Vers 9 hinzu, »ein Verheißungswort ist dieses Wort: Zu dieser Frist werde Ich kommen, und Sara wird einen Sohn haben.«

Gottes Vorsatz


 
 

Mit Vers 10 leitet Paulus zu einem weiteren Beispiel der Auserwählung über: »Aber nicht nur ihr, sondern auch der Rebekka wurde Kraft verliehen, ehe sie von einem, unserem Vater Isaak, ihre Niederkunft hatte.« Es folgen die Jakob und Esau betreffenden Verse 11 bis 13: »Denn als sie noch nicht geboren waren, noch etwas Gutes oder Schlechtes verübt hatten (damit Gottes Vorsatz als Auserwählung bleibe, nicht aus Werken, sondern aus Ihm, der beruft), da wurde ihr versichert: Der Größere wird dem Geringeren sklaven. So wie geschrieben steht: Jakob habe Ich geliebt, aber Esau habe Ich gehasst.«

Schon die zu einer menschlich gesehen unmöglichen Frist erfolgte Geburt Isaaks zeigt, dass Gott Seine Verheißungen wahr macht. Was Er Sich vorgesetzt hat, das tut Er auch, und zwar nicht ohne es vorher den Seinen bekanntzugeben (Jes.46:10), damit sie sich darauf verlassen können. Wir haben es bei allen Ereignissen immer mit dem alleinigen und weisen Gott zu tun, der alles nach dem Ratschluss Seines Willens bewirkt (Eph.1:11). Er führt alles entsprechend Seinem Vorsatz für die Äonen durch, den Er in Christus Jesus, unserem Herrn, gefasst hat (Eph.3:11).

Unseres Gottes Vorsatz drückt sich in unserem Beispiel in der Auserwählung des Jakob aus. Noch ehe Jakob und Esau etwas Gutes oder Schlechtes getan hatten, stand fest, wie Gott es der Rebekka versicherte, dass der Ältere dem Jüngeren sklaven werde. Deutlicher kann man es nicht sagen, dass Werke keine Rolle spielen. Auch Ansprüche als Erstgeborener sind nicht ausschlaggebend, sondern allein Gottes Vorsatz.

Da das Tun des Guten oder Schlechten nicht entscheidend ist, darf uns im Hinblick auf Israel zum Zuspruch gereichen, dass dieses Volk, das von Christus hinweg verbannt sein will, das das Gesetz nicht hielt, das die geforderten Werke nicht tat und wenn sie sie taten, dann um ihre eigene Gerechtigkeit aufzustellen (Röm.10:3), nach Gottes Vorsatz und Verheißung gerettet werden wird.

Die Auserwählung geschieht stets aus Gnaden (Röm.11:5). Werke im Dienst des Herrn haben ihren Wert. Werke jedoch, mit denen man bei Gott etwas erreichen will, stehen im schärfsten Gegensatz zur Gnade und zeugen von Unglauben. Es liegt nicht am Menschen, als könne ein Mensch auf irgendeine Weise würdig werden, auserwählt zu werden, sonst wäre es keine Gnadenauserwählung.

Zu Vers 12 stellt sich die Frage, wann denn der Größere dem Jüngeren gedient haben soll. Dieses Wort bezieht sich jedoch nicht auf Jakob und Esau persönlich, sondern nach 1. Mose 25:23 und 2. Samuel 8:14 auf die Volksstämme, die ihre Nachkommen waren, im Falle Esaus also die Edomiter.

Auch das Zitat aus Maleachi 1:2,3 in Vers 13: »Jakob habe Ich geliebt, aber Esau habe Ich gehasst« spricht von den Völkern, wird aber als Vergleich für das Handeln Gottes an den beiden Brüdern herangezogen. Lieben und Hassen sind hier im Zusammenhang mit Gottes Vorsatz zu sehen. Esau wurde in der Weise gehasst, dass Gott ihn nicht auserwählte, wenngleich er der Erstgeborene war. Ebenso besteht die Liebe zu Jakob in seiner Auserwählung, obwohl er ein Betrüger wurde. Auf diese Weise konnte Gott aber Seine uneingeschränkte Liebe darstellen wie auch Seine bedingungslose Gnade. Das ist Gottes Verfahrensweise, und diese ruft Dank hervor und wird auch bei Israel noch Dank hervorbringen.

Große Betrübtheit und unablässiger Schmerz waren im Herzen des Paulus. Nachdem er aber nun in den Versen 6 bis 13 dargelegt hat, dass Gott Seinen Vorsatz in Treue durchführt, dürfen auch wir voller Zuversicht über Israels Rettung sein, ja uns über Gottes Glaubwürdigkeit, um die es im Grunde ging, über alle Maßen freuen.

Die Gerechtigkeit Gottes


 
 

Und wie steht es bei alledem mit der Gerechtigkeit Gottes? Ist es gerecht von Gott, einige auszuerwählen und ihnen Segen zu verheißen und damit Erbarmen zu erzeigen, und den anderen zunächst nicht? Deshalb fragt der Apostel Paulus in Vers 14: »Was wollen wir nun vorbringen?« und antwortet: »Doch nicht, es gebe Ungerechtigkeit bei Gott! Möge das nicht gefolgert werden!« Es ist undenkbar, dass Gott ungerecht sei. Wer Gott das unterstellen sollte, verschließt sich das Verständnis Seiner Wege. Im Lied des Mose lesen wir: »Der Fels: vollkommen ist Sein Tun, denn alle Seine Wege sind recht. Ein El der Treue und ohne Trug, gerecht und gerade ist Er!« (5.Mose 32:4).

Unser Gott und Vater ist gerecht, denn Sein gesamtes Handeln ruht auf dem absolut gerechten Fundament des Kreuzes Christi! Hier muss der Ausgangspunkt unseres Denkens liegen! Am Kreuz wurde jeder Sünder zusammen mit Christus verurteilt; es gibt keinen, der nicht sündigte und hier die gerechte Strafe erhielt; es gibt keinen, der nicht starb, als Christus starb, denn Er starb für alle, und demnach starben alle (2.Kor.5:14). Und wenn das auch noch nicht für alle heilsgeschichtlich wirksam geworden ist, so ist es doch eine geistliche Tatsache. So sieht Gott in Seiner Gerechtigkeit jeden Menschen, nämlich als verurteilt und gestorben. Da Christus das Kreuzesurteil für alle auf Sich nahm, wird es auch allen den herrlichen göttlichen Gewinn bringen, und zwar Erbarmen und Leben und Unvergänglichkeit in der Vollendung nach dem Abschluss der Äonen. Das ist gerecht. Aller wird Er Sich erbarmen, wie Er sie auch alle in Widerspenstigkeit eingeschlossen hatte (Röm.11:32). Dass die Auserwählten nun früher als die anderen Erbarmen erlangen, ist ebenfalls gerecht, denn dies dient allen zur Belehrung über den Wert des Erbarmens einerseits und über die Geduld Gottes andererseits (Röm.9:22,23).

Er erbarmt Sich


 
 

Dies entspricht der Begründung der Gerechtigkeit Gottes, die Paulus in Vers 15 gibt: »Denn zu Mose sagt Er: Erbarmen werde Ich Mich, wessen Ich Mich erbarmen möchte; und Mitleid werde Ich haben, mit wem Ich Mitleid haben möchte« (2.Mose 33:19). Kurz gesagt, lautet der Gedankengang: Gott ist gerecht, denn Er erbarmt Sich. Es ist gerecht von Ihm, dass Er Sich erbarmt, denn das Kreuz Christi hat den Weg dafür frei gemacht. Das Erbarmen ist mithin Ausdruck der Gerechtigkeit Gottes.

Das zitierte Wort erging an Mose im Zusammenhang mit der Versündigung des Volkes durch die Anbetung des goldenen Kalbes. So erfuhr Israel nach Gottes Weisheit Seinen Zorn, aber auch Sein Erbarmen, das es sonst nicht kennengelernt hätte. Selbst wir heute werden dadurch belehrt, was unsere Sünde gerechterweise verdient und dass die uns gewährte Gnade der Gerechtigkeit Gottes entspricht, denn die Gnade erhielten wir aufgrund des Eintretens Jesu Christi für uns; aufgrund Seines Glaubensgehorsams bis zum Kreuzestod aber wurde die Gerechtigkeit Gottes geoffenbart, die zunächst auf alle Glaubenden kommt, die aber für alle ist, die Er von Geburt an, also unveschuldet, als Sünder eingesetzt hatte (Röm.3:22; 5:19). Allen lässt Er somit Gerechtigkeit widerfahren, in den bösen Äonen schon den Glaubenden, den zum Dienst an den Nichtauserwählten Bestimmten.

Der souveräne Gott teilt aus, was Christus erworben hat, wann Er will und wem Er will; Ihm allein steht das zu. »Demnach«, so lesen wir in Vers 16 weiter, »liegt es nun nicht an dem Wollenden noch an dem Rennenden, sondern an dem Sich erbarmenden Gott.« Alles liegt an Gott; es geht nicht nach einem Bemühen oder Verdienst des Menschen. Nur Christus hat einen Verdienst; aufgrund dieses Verdienstes handelt unser Vater unumschränkt als alleiniger Verfüger und erbarmt Sich um Seiner vielen Liebe willen, mit der Er uns wie auch alle Seine Geschöpfe liebt (vgl.Eph.2:4).

Zur Verherrlichung Gottes


 
 

Auch an Pharao sieht man, wer der alles Bewirkende ist; Paulus schreibt in Vers 17: »Denn die Schrift sagt zu Pharao: Ebendeshalb habe Ich dich erweckt, damit Ich an dir Meine Kraft zur Schau stelle und damit Mein Name auf der gesamten Erde kundgemacht werde.« Das führt zu der Erkenntnis des Verses 18: »Demnach erbarmt Er Sich nun, wessen Er will; aber Er verhärtet auch, wen Er will.« Gott hatte das Herz des Pharao verhärtet, sodass Gott durch die zehn Plagen, den Auszug Israels und insbesondere durch die Vernichtung des ägyptischen Heeres im Schilfmeer Seine Kraft offenbar machen konnte (2.Mose 4:21; 7:3; 11:10; 14:8). Heute noch wird der Name Gottes auch unter Hinweis auf dieses Ereignis auf der gesamten Erde bekannt gemacht. Gottes Allgewalt und Freiheit bei der Wahl Seiner Rettungswege schließt auch ein, dass Er welche zu Seinen Gegnern bestimmt. Es ist nicht ungerecht, wenn Er Seine Feinde besiegt und sie Seine Kraft erfahren lässt, ist dies doch eine Vorstufe zu ihrer Rettung. Wenn die Verhärteten eines Tages die Kraft des Evangeliums erfahren, wird diese Liebe Gottes in Christus auch ihre Herzen gewinnen, ja angesichts ihrer früheren Verhaltensweise überwältigen.

Gott ist der Retter aller Menschen. Glaubwürdig ist dieses Wort und jeden Willkommens wert (1.Tim.4:9,10). Mithin ist das Verhärten längst nicht so gewichtig wie Sein Erbarmen, denn es ist nur kurz befristet. Für alle hatte Sich der Sohn Gottes, der Mensch Christus Jesus, anstatt eines Lösegeldes dahingegeben (1.Tim.2:6), so allen das Erbarmen Gottes in gerechter Weise erschließend. Darüber haben wir völlige Gewissheit und sind somit auch voller Zuversicht im Hinblick auf das noch verhärtete Volk Israel.
 
 



Hat der Töpfer nicht Vollmacht über den Ton?

(Röm.9:19-33)


 
 

Der Apostel Paulus hatte in Kapitel Neun dargelegt, dass die Verheißungen für Israel trotz ihres Unglaubens nicht hinfällig geworden sind. Gott wird - und das steht fest - Sich über die von Ihm Auserwählten erbarmen und sie berufen und segnen. Wie Paulus an den Beispielen Jakob und Esau bewiesen hat, richtet Gott Sich dabei nicht nach guten oder schlechten Taten des Menschen, sondern nach Seinem Vorsatz. Wir wissen, dass dies nicht ungerecht ist, denn unser Gott und Vater handelt stets auf der Grundlage des Kreuzes Christi, wo alle ihr gerechtes Urteil empfingen, sodass Er Sich nun aller Sünder erbarmen kann. Er ist der Sich erbarmende Gott; so wird Er in Vers 16 beschrieben. Mithin wird Er Sich allen erbarmen (Röm.11:32). Noch aber ist die Zeit dafür nicht gekommen. An Pharao machte Paulus deutlich, dass Gott die, derer Er Sich noch nicht erbarmt, verstockt. Das trifft gerade für Israel zu. So kam Paulus in Vers 18 zu dem Ergebnis: »Demnach erbarmt Er Sich nun, wessen Er will; aber Er verhärtet auch, wen Er will.«

Die Erwiderung


 
 

»Nun wirst du mir erwidern: Was tadelt Er dann noch? Wer hat denn je Seiner Absicht widerstanden?« So lautet Vers 19. Paulus weist den Einwand in Vers 20 sogleich zurück: »O Mensch, in der Tat, wer bist denn du, Gott gegenüber eine solche Antwort zu geben? Das Gebilde wird doch nicht dem Bilder erwidern: Warum hast Du mich so gemacht?« Es steht dem Menschen nicht zu, mit Gott zu rechten. Gottes Wege sind immer gerecht und - vor allem - sie führen zum Ziel. Er ist der Einzige, der weise ist (Röm.16:27). Sein Handeln ist auch immer von der Liebe geprägt, die Er in der Dahingabe Seines Sohnes für Sünder und Feinde erwiesen hat. Es geziemt dem Menschen aber, die Gedanken Gottes, die viel erhabener sind als unsere (Jes.55:9), durch ein eifriges Studium Seines Wortes immer mehr zu erforschen. Der geistlich gesinnte Mensch kann die Tiefen Gottes erforschen (1.Kor.2:14,15). Mögen wir in der Erkenntnis Gottes wachsen, wie es dem verheißen ist, der darum betet, mit der Erkenntnis Seines Willens in aller geistlichen Weisheit und allem geistlichen Verständnis erfüllt zu werden (Kol.1:9,10).

»Was tadelt Er dann noch?« Damit der verhärtete, stolze, eigensinnige und selbstgerechte Mensch zur Erkenntnis seiner selbst sowie von gut und böse kommt und auf diese Weise zubereitet wird, Gottes Erbarmen in Christus zu empfangen.

»Wer hat denn je Seiner Absicht widerstanden?« Es muss so sein, dass der Mensch sündigt, damit der Kontrast zu Gottes Wesenszügen ihn tief demütige und dazu beitrage, dass er als Geretteter sodann von Gottes Liebe völlig erfüllt ist.

»Das Gebilde wird doch nicht dem Bildner erwidern: Warum hast Du mich so gemacht?« Mögen wir völlig darauf vertrauen, dass unseres Gottes und Vaters Wege immer vollkommen sind. Er schlägt niemals den zweitbesten Weg ein; sonst wäre Er nicht vollkommen.

Der Töpfer


 
 

In Vers 21 zeichnet der Apostel ein eindrucksvolles Bild: »Hat der Töpfer nicht Vollmacht über den Ton, aus derselben Knetmasse das eine Gefäß zur Ehre und das andere zur Unehre zu machen?« Das Bild vom Töpfer vermittelt uns eine Grundaussage über Gottes Größe und Herrlichkeit: Er ist allgewaltig; Er ist der Schöpfer und der Verfüger. Schon Nebukadnezar erkannte: »Seinem Willen gemäß verfährt Er mit der Heerschar der Himmel und mit denen, die auf Erden weilen. Tatsächlich kann niemand Seiner Hand wehren und zu Ihm sagen: Was tust Du?« (Dan.4:32), und in Jesaia 46:10 lesen wir dieses Wort Gottes: »Mein gesamter Ratschluss soll bestätigt werden; und alles, was Mir wohlgefällt, will Ich tun.« Mögen wir darum Gottesfurcht haben und Gott als Gott verherrlichen! Das erwartet Gott nicht nur von uns, sondern von jedem Menschen (Röm.1:21).

Vergessen wir niemals, dass Gott die Gefäße zur Ehre und die zur Unehre aus derselben Knetmasse macht. »Denn da ist kein Unterschied; denn alle sündigten und ermangeln der Herrlichkeit Gottes« (Röm.3:22,23). »Es gibt keinen Gerechten, auch nicht einen! Keiner ist verständig! Es gibt keinen, der Gott ernstlich sucht! Alle meiden sie Ihn und sind zugleich unbrauchbar geworden. Es gibt keinen, der Güte erweist; da ist nicht einmal einer!« (Röm.3:10-12). Wenn aber dann Gottes Ruf die Auserwählten irgendwann in ihrem Leben erreicht, und Er, der so reich an Erbarmen ist - um Seiner vielen Liebe willen -, ihnen den Glauben schenkt und sie in der Gnade rettet (Eph.2:4,5; Phil.1:29), dann sind sie eine neue Schöpfung in Christus und mithin ein Gefäß zu Gottes Ehre. Die anderen aber bleiben in ehrlose Leidenschaften dahingegeben (Röm.1:26).

Gottes Tragkraft


 
 

Der Apostel Paulus fährt fort (Verse 22-24): »Wie aber, wenn Gott (willens, Seinen Zorn zur Schau zu stellen und bekannt zu machen, was Er vermag) die dem Untergang angepassten Gefäße des Zorns mit viel Geduld trägt, um zugleich den Reichtum Seiner Herrlichkeit an den Gefäßen des Erbarmens bekannt zu machen, die Er zur Herrlichkeit vorherbereitet hat - uns, die Er auch beruft, nicht allein aus den Juden, sondern auch aus den Nationen.« Aus diesen Versen erfahren wir, was Gott erreichen will. Bei Ihm hat ja alles einen Sinn und einen Zweck. Beide Arten von Gefäßen dienen Ihm.

Er will Seinen Zorn zur Schau stellen, Seinen Zorn über die Sünde, und zwar am Tag des Zorns, also in der siebenjährigen Endzeit, und am Tag des gerechten Gerichts, mithin vor dem großen weißen Thron (Röm.2:5). Auch wir, die der Zorn nicht betrifft, werden hierdurch darüber belehrt, was unsere Sünde verdiente. Gottes Zorn ist übrigens nach den Werken eines jeden begrenzt (Röm.2:6,8).

Gott will bekannt machen, was Er vermag, und zwar nicht nur gewaltige Machttaten zur Zeit des Zorns, sondern auch Seine Kraft, mit der Er die Sünden der Jahrtausende trug (vgl. Röm.3:25). Und schließlich die Kraft Seines Wortes, Seines Evangeliums über Seinen Sohn, der Gotteskraft zur Rettung für einen jeden Glaubenden (Röm.1:16).

Gott trägt die dem Untergang angepassten Gefäße des Zorns mit viel Geduld. Geduld ist ein Wesenszug unseres Gottes und Vaters. Und welch eine Geduld Er hat! Petrus macht es deutlich: »Dies eine aber entgehe euch nicht, Geliebte, dass ein Tag bei dem Herrn wie tausend Jahre ist, und tausend Jahre wie ein Tag. Der Herr ist nicht säumig mit der Verheißung ..., sondern Er hat Geduld um euretwillen, da Er nicht beabsichtigt, dass einige umkommen, sondern dass alle für die Umsinnung Raum machen« (2.Pet.3:8,9). Gott will, dass alle gerettet werden (1.Tim.2:4). Da Gott Liebe ist und die Liebe geduldig ist (1.Kor.13:4), sehen wir in der Erwähnung der Geduld Gottes einen Hinweis auf Seine Liebe, in der Er in der Vollendung zum Abschluss der Äonen alle retten wird (1.Kor.15:22-28; 1.Tim.4:10). Wenn Gott Seine Liebe gegenüber den Gefäßen des Zorns, die vor dem großen weißen Thron ihren Untergang erleben, den zweiten Tod, noch zurückhält, dann doch zu dem Zweck, dass sie sie erkennen, wenn es für sie am eindrücklichsten ist.

Da Geduld zur Frucht des Geistes Gottes in uns gehört, werden wir, sofern wir vom heiligen Geist geführt werden, unseren Widersachern ebenfalls viel Geduld erweisen (Gal.5:22).

Der Reichtum Seiner Herrlichkeit


 
 

Zugleich mit dem Tragen der Zornesgefäße macht Gott den Reichtum Seiner Herrlichkeit an den Gefäßen des Erbarmens bekannt. Doch nicht nur wir sollen durch den Gegensatz erkennen, wie reich Gott segnet, sondern auch die überhimmlischen Obrigkeiten (Eph.3:10). Außerdem werden die nicht auserwählten Menschen eine Vorahnung bekommen (vgl. Röm.8:19), ja manch einem ist schon so viel von unserem Glaubensgut bekannt geworden, sodass man zu uns sagte: »Ich beneide Sie«.

Er beugt uns tief in den Staub, dass Gott uns in dem geliebten Sohn begnadet und mit jedem geistlichen Segen inmitten der Überhimmlischen gesegnet hat (Eph.1:3). Dank und Anbetung und Verherrlichung sei Ihm dafür ohne Ende - von uns, die Er berufen hat und noch berufen wird, nicht allein aus den Juden, sondern auch aus den Nationen.

Die Gnadenauswahl


 
 

Zur Zeit beruft Gott nur die Auswahl, also welche aus den Juden und aus den Nationen. Sie hat kein Anrecht darauf, ebenso wenig wie Ephraim. So werden die zehn Nordstämme Israels genannt, die abtrünnig waren und wirklich keinen Anspruch auf ihre Annahme durch Gott haben. Paulus vergleicht nun uns, die Auserwählten, mit Ephraim und beginnt deshalb den Vers 25 mit dem Wort »wie«: »Wie Er auch in Hosea sagt: Was nicht Mein Volk war, werde Ich >Mein Volk< heißen, und die Nichtgeliebte werde Ich >Geliebte< nennen. Und es wird so sein: An dem Ort, wo man ihnen angesagt hatte: Ihr seid nicht Mein Volk, dort wird man sie >Söhne des lebendigen Gottes< heißen« (Verse 25+26). Vergleiche Hosea 1:9 und 2:25. Gott wird Sich über Ephraim erbarmen, wie Er Sich über uns erbarmt hat.

Und nicht nur das, sondern über Israel als Gesamtheit wird Er Sich erbarmen und es zum äonischen Leben im tausendjährigen Königreich der Himmel retten (Röm.11:26). Der nach der großen Drangsal verbleibende Überrest von einem Drittel der Juden (Sach.13:8,9) wird dann die Gnadenauswahl sein (Mat.8:123; 22:14). Um dies zu betonen, führt Paulus in den Versen 27 bis 29 Jesaia 1:9 und 10:22,23 an: »Jesaia aber ruft laut über Israel aus: Wenn auch die Zahl der Söhne Israels wie Sand am Meer wäre, so wird doch nur der Überrest gerettet werden; denn abschließend und abkürzend wird der Herr auf Erden Abrechnung halten. So wie Jesaia auch vorher angesagt hatte: Wenn nicht der Herr Zebaoth uns Samen übrig ließe, wären wir wie Sodom geworden und hätten Gomorra geglichen.«

Heute ist nicht die Zeit der Rettung aller, sondern der Herausrufung der Auserwählten, der Geringen dieser Welt. »Seht doch nur eure Berufung an, Brüder«, lesen wir in 1. Korinther 1:26-31, »da sind nicht viele Weise dem Fleische nach, nicht viele Mächtige, nicht viele Vornehme; sondern das Törichte der Welt erwählt Gott, damit Er die Weisen zuschanden mache; und das Schwache der Welt erwählt Gott, damit Er das Starke zuschanden mache. Das Niedriggeborene der Welt und das von ihr Verschmähte erwählt Gott, ja das, was bei ihr nichts gilt, um das abzutun, was bei ihr etwas gilt, damit sich überhaupt kein Fleisch vor den Augen Gottes rühmen könne. Aus Ihm aber seid ihr in Christus Jesus, der uns von Gott her zur Weisheit gemacht worden ist, wie auch zur Gerechtigkeit, Heiligung und Freilösung, damit es so sei, wie geschrieben steht: Wer sich rühmt, der rühme sich im Herrn!«

Die Tatsache der Auserwählung einer kleinen Zahl von Menschen - was Israel anbelangt, ist dadurch ein gläubiger Überrest aus diesem Volk vorhanden - bezeugt die Glaubwürdigkeit Gottes in unserer Zeit. Die Berufung der Auswahl aufgrund reinen Erbarmens erschließt uns, dass Gott Sich über alle erbarmen wird.

Der Überrest aber, der die große Drangsal überleben wird und in das tausendjährige Königreich der Himmel eingeht (Hes.20:38; Luk.13:22-30), bildet dann zusammen mit den auferstandenen Israeliten das als Gesamtheit gerettete Israel entsprechend den in Römer 11:26,27 zitierten Verheißungsworten aus Jesaia 59:20,21 und Jeremia 31:33,34: »Eintreffen wird der Bergende aus Zion; abwenden wird Er die Unfrömmigkeit von Jakob. Und dies ist Mein Bund mit ihnen, wenn Ich ihre Sünden wegnehme.«

Nebenbei sei die Abrechnung angesprochen, die der Herr abschließend und abkürzend auf Erden halten wird. Das erinnert uns an Matthäus 24:22: »Wenn jene Tage nicht verkürzt wären, so würde keinerlei Fleisch gerettet werden; jedoch um der Auserwählten willen werden jene Tage verkürzt werden.« So dürfen wir wissen, dass unser Herr Jesus Christus auch im Zorn voll Mitleid sein wird, indem Er die Tage weniger als 24 Stunden dauern lässt.

Wer die Gerechtigkeit Gottes erlangt

»Was wollen wir nun vorbringen?«, fragt der Apostel Paulus und antwortet in den Versen 30 und 31: »Dass die Nationen, die nicht der Gerechtigkeit nachjagten, Gerechtigkeit ergriffen haben, nämlich die Gerechtigkeit aus Glauben. Israel aber, das einem Gesetz der Gerechtigkeit nachjagt, läuft nicht, jene überholend, ins Gesetz der Gerechtigkeit ein.«

Befassen wir uns zuerst mit den Nationen. Jesaia sagte in Bezug auf sie: »Gefunden wurde Ich von denen, die Mich nicht suchen; offenbar wurde Ich denen, die nicht nach Mir fragen« (Jes.65:1; Röm.10:20). Israel war sehr bemüht, Gerechtigkeit zu erlangen, die Menschen aus den Nationen im Allgemeinen nicht; und selbst wenn da einige waren, die gerecht leben wollten, so niemals nach dem erhabenen Maßstab des Gesetzes des Mose. Keinesfalls suchten sie das hohe Ziel zu erreichen: »Du sollst Jewe, deinen Elohim, lieben mit deinem ganzen Herzen und mit deiner ganzen Seele und mit deiner ganzen Kraft« (5.Mose 6:5) und: »Du sollst deinen Nächsten lieben wie dich selbst« (3.Mose 19:18). Im Gegenteil: Die aus den Nationen standen beladen mit Sünden und im Übrigen mit leeren Händen vor Gott. Wenn sie das Evangelium der Rettung von den Sünden aufgrund des Kreuzes Jesu Christi hörten, hatten sie nichts zu bieten. Doch genau das ist die richtige Voraussetzung, um sich von Gott beschenken zu lassen. Er, der Sich erbarmende Gott, der allein weise, hatte sie zubereitet, sodass sie die Gnade anzunehmen bereit waren. Und so erhielten sie, die glaubten, das Geschenk der Gerechtigkeit (Röm.5:17), sie bekamen die Gerechtigkeit als Geschenk.

Die Nationen, repräsentiert durch die Gläubigen unter ihnen, hatten die Gerechtigkeit ergriffen. Das konnte nur eine Gerechtigkeit aus Glauben sein, Werke hatten sie so gut wie nicht aufzuweisen. Indem sie aus Gottes Händen nahmen, was Er ihnen in Gnaden gewährte, nämlich die Gerechtigkeit aus Gott aufgrund des Glaubens, die Gerechtigkeit durch den Glauben Christi, gewannen sie zugleich Ihn Selbst, Christus, und wurden in Ihm befunden (Phil.3:8,9). Sie glaubten, dass Gott den Herrn Jesus Christus um ihrer Kränkungen willen dahingegeben und um ihrer Rechtfertigung willen auferweckt hat (Röm.4:25). So gründete ihr Glaube in dem Glauben Jesu Christi, in Seinem Glaubensgehorsam bis zum Kreuzestod. Durch den Glauben an diesen Rechtsspruch Gottes hatten sie Anteil an der Gerechtigkeit Gottes. Sie waren gerechtfertigt von all ihren Sünden.

Israels verfehltes Tun


 
 

Israel jedoch jagte zwar einem Gesetz der Gerechtigkeit nach, lief aber nicht in das Gesetz der Gerechtigkeit ein. Die Nationen hatten Israel weit überholt; viel mehr aus den Nationen als aus Israel glaubten, dass Jesus der Christus ist. Israel bemühte sich, den Worten des Mose zu folgen, so auch dem Gebot in 5. Mose 16:20: »Der Gerechtigkeit und nur der Gerechtigkeit sollst du nachjagen, damit du lebst und das Land in Besitz nimmst, das Jewe, dein Elohim, dir gibt.« Auch die Sprüche Salomos legten es ihnen nahe: »Ein Greuel für Jewe ist der Weg des Gottlosen; wer aber der Gerechtigkeit nachjagt, den liebt Er« (Spr.15:9). In Psalm 11:7 lasen sie: »Jewe ist gerecht, Er liebt gerechte Taten. Der Aufrichtige wird Sein Angesicht gewahren.« Paulus bezeugt ihnen in Römer 10:2, dass sie Eifer für Gott haben, muss aber leider hinzufügen: »jedoch nicht in rechter Erkenntnis.« Welchem Gesetz der Gerechtigkeit jagen sie nach? Dem der Gerechtigkeit aufgrund eigener Leistungen. Diese Gerechtigkeit macht allerdings unempfänglich für das Erbarmen Gottes. Paulus dagegen bekennt: »Ich lehne die Gnade Gottes nicht ab; denn wenn Gerechtigkeit durch das Gesetz käme, wäre ja Christus ohne Grund gestorben« (Gal.2:21). Wer meint, gerecht zu sein, meint natürlich auch, Christus und Sein Sterben nicht zu brauchen. Mithin läuft Israel nicht in das Gesetz der Gerechtigkeit ein.

Der Stein des Anstoßes


 
 

»Weshalb?«, fragt Paulus und führt in den Versen 32 und 33 dazu aus: »Da es nicht aus Glauben, sondern aus Gesetzeswerken geschieht, stoßen sie sich an dem Stein des Anstoßes, so wie geschrieben steht: Siehe, Ich lege in Zion einen Stein des Anstoßes und einen Felsen des Strauchelns; und wer an Ihn glaubt, wird nicht zuschanden werden.«

»Nicht aus Glauben«; das musst du dir vorhalten lassen, o Israel! Weißt du denn nicht, dass es ohne Glauben unmöglich ist, Gott wohl zu gefallen (Heb.11:6)? Hast du nie gelesen: »Der Gerechte wird aus Glauben leben« (Hab.2:4) und: »Abram glaubte Jewe, und Er rechnete es ihm zur Gerechtigkeit an« (1.Mose 15:6)? Willst du nicht glauben, dass Gott dir die Gerechtigkeit schenken will, und zwar aufgrund des vollkommenen Werkes Jesu Christi für dich?

Die gläubigen Juden konnten von Herzen aussprechen, was Paulus in Galater 2:15,16 niedergeschrieben hat: »Wir sind von Natur Juden und nicht Sünder aus den Nationen; weil wir aber wissen, dass der Mensch nicht aus Gesetzeswerken gerechtfertigt wird, sondern nur durch den Glauben Christi Jesu, so glauben auch wir an Christus Jesus, damit wir aus dem Glauben Christi und nicht aus Gesetzeswerken gerechtfertigt werden; denn aus Gesetzeswerken wird von allem Fleisch niemand gerechtfertigt werden.« Warum aber glaubt die überwältigende Mehrheit der Juden nicht, dass Christus die Vollendung des Gesetzes ist, zur Gerechtigkeit für jeden, der glaubt (Röm.10:4)? Weil Gott Selbst ihnen Christus als einen Stein in den Weg gelegt hat, den Glaubenden zwar zum Segen, den Ungläubigen aber zum Fluch, wie Petrus die Aussagen der Schrift zusammengestellt hat: »Deswegen ist in der Schrift enthalten: Siehe, Ich lege in Zion einen auserwählten und wertgeachteten Schlussstein der Ecke; und wer an ihn glaubt, wird keinesfalls zuschanden werden (Jes.28:16). Euch nun, die ihr glaubt, wird die Ehre zuteil, den Ungläubigen aber gilt: Der Stein, den die Bauleute verworfen haben, der wurde zum Hauptstein der Ecke (Ps.118:22) und damit ein Stein des Anstoßes und ein Fels des Strauchelns (Jes.8:14) denen, die sich auch an dem Wort stoßen, weil sie widerspenstig sind, wozu sie auch gesetzt wurden« (1.Pet.2:6-8).

Das Gesetz als Geleiter


 
 

Normalerweise hätte das Gesetz der Geleiter der Juden zu Christus hin sein sollen (Gal.3:24). Sie hätten erkennen sollen, dass alle, die aus Gesetzeswerken sind, unter einem Fluch stehen, denn es ist geschrieben: »Verflucht ist jeder, der nicht bei allen in der Rolle des Gesetzes geschriebenen Geboten bleibt, um sie zu erfüllen« (5.Mose 27:26; Gal.3:10). Wären sie aufrichtig gewesen, so hätten sie zugegeben, dass sie nicht alle Gebote erfüllen konnten; daraufhin hätten sie sich an Christus gewandt und um den Segen aus Seinem Werk gefleht, um das Erbarmen aufgrund des von Christus erfüllten Gesetzes. Selbstgerechte aber sind in ihrem Stolz verletzt und stoßen sich daran, wenn sie hören, dass Christus alles für sie vollbracht hat. Wären sie wahrhaftig gewesen, so hätten sie die ihnen innewohnende Sünde erkannt. Und dann hätten sie wie Paulus in Römer 7:22-25 gesagt: »Dem inneren Menschen nach ist mir das Gesetz Gottes ein Genuss. Aber in meinen Gliedern beobachte ich ein anderes Gesetz, das mit dem Gesetz meines Denksinns im Kriege liegt und mich gefangenführt durch das Gesetz der Sünde, das in meinen Gliedern ist. - Ich elender Mensch! Was wird mich aus dem Körper dieses Todes bergen? Gnade! Ich danke Gott durch Jesus Christus, unseren Herrn.« Wer aber der Wahrheit der in sterbenden Körpern wohnenden Sünde ausweicht, und wer nicht wahrhaben will, dass die Gesinnung des Fleisches Feindschaft gegen Gott ist und das Fleisch, die alte Menschheit, sich dem Willen Gottes gar nicht unterordnen kann (Röm.8:7), der versucht weiterhin das Unmögliche, nämlich seine eigene Gerechtigkeit aufzustellen. Wer in solcher Verblendung immer noch meint, es aus eigener Kraft zu schaffen, dem ist Christus ein Stein des Anstoßes, ein Ärgernis. Wer lässt sich schon gern - so verdreht der Gedanke auch ist - von Christus einen Strich durch die eigene Rechnung machen?

Die Verse in Römer 11:7,8 werfen weiteres Licht auf unsere Thematik: »Was Israel sucht, das hat es nicht erlangt; aber die Auswahl hat es erlangt. Die Übrigen dagegen wurden verstockt, wie geschrieben steht: Gott gibt ihnen einen Geist der Betäubung, Augen, die nicht erblicken, und Ohren, die nicht hören, bis auf den heutigen Tag (5.Mose 29:3; Jes.6:10; 29:10).« Die Gläubigen, der Überrest nach der Gnadenauswahl, haben die Gerechtigkeit erlangt, die aus Gott, die Gerechtigkeit durch den Glauben Christi. Und damit verherrlichen sie unseren Herrn Jesus Christus, der ihnen diesen Segen erwarb, als Er den Fluch des Gesetzes auf Sich nahm und ihre Sünden sühnte (Gal.3:13; 1.Joh.2:2).

Voller Zuversicht

Von ganzem Herzen freuen wir uns über jeden gläubigen Juden. Zusammen mit uns bilden sie die herausgerufene Gemeinde, die Körperschaft Christi. Gemeinsam mit uns erwarten sie die Versetzung in das überhimmlische Königreich Christi (2.Tim.4:18). Zugleich sind wir aber auch getrost und voller Zuversicht im Hinblick auf die von unserem Gott und Vater verhärteten Juden, denn Er hält Seinem Volk die Treue, sodass auch sie sich eines Tages in Ihm rühmen werden und nicht mehr länger ihrer selbst. Wird unser Herr Jesus Christus doch bei Seiner Anwesenheit ganz Israel retten (Röm.11:26) und beim Abschluss der Äonen alle Menschen überhaupt, wenn Er den Tod aufhebt und alle lebendig macht. In der Vollendung wird Gott, nachdem Er Frieden gemacht hat durch das Blut des Kreuzes, alles in allen sein (1.Kor.15:22-28). Unser Gott und Vater sei gesegnet für die Äonen!

Das Wort des Glaubens

(Römer 10)

  In Kapitel Neun hatte der Apostel Paulus zum Ausdruck gebracht, dass unablässiger Schmerz in seinem Herzen ist wegen des Unglaubens des auserwählten Volkes, seiner Stammverwandten. Doch er durfte darlegen, dass Gottes Wort in Bezug auf Israel nicht hinfällig geworden ist, denn Gott hat Seine Verheißungen immer erfüllt: Die Auserwählten haben die Rettung stets erlangt. Wenn Gott Sich über die einzelnen Auserwählten erbarmt, die ebensolche Sünder waren wie die Übrigen, so wird Er Sich auch über Israel als Gesamtheit erbarmen, über Israel als Volk. Zur Zeit aber ist Israel, als Volk gesehen, verstockt. Es glaubt nicht; somit erlangt es auch nicht die Gerechtigkeit aus Glauben und wird nicht gerettet, jedoch eben bis Gott Sich über es erbarmt.

Paulus fleht um die Rettung Israels

Paulus schreibt in Kapitel 10, Vers 1: »Brüder, meines Herzens Wunsch und mein Flehen zu Gott für sie ist um Rettung.« Um die Rettung seines Volkes geht es dem Apostel. Dabei wendet er sich nicht mit mahnenden Worten an Israel, das den ganzen Tag widerspenstige und widersprechende Volk (Vers 21), sondern er fleht zu Gott für sie. Unser Gott und Vater, der alles bewirkende, alle liebende und Sich aller erbarmende, ist immer der richtige Adressat für unsere Wünsche. Unsere Erwartung wird dann auf Gott gerichtet, was uns mit Frieden und Zuversicht erfüllt. Mögen unsere Wünsche nur keine seelischen sein, sondern geistliche, mit dem Willen Gottes übereinstimmend. Da Gott will, dass alle Menschen gerettet werden (1.Tim.2:4), und Er es auch tut (1.Tim.4:10), ist es auch richtig, dass Paulus für die Rettung Israels betet. Nicht nur, dass er darum betet, er verherrlicht seinen Dienst als Apostel der Nationen auch im Hinblick darauf, ob er etwa seine Stammverwandten zur Eifersucht reizen und so einige aus ihnen retten könnte (Röm.11:14).

Eifer bei falscher Erkenntnis

  In Vers 2 sagt Paulus: »Denn ich bezeuge ihnen, dass sie Eifer für Gott haben, jedoch nicht in rechter Erkenntnis.« Eiferer waren sie, Eiferer für das Gesetz, nicht nur die Pharisäer, die es mit dem Ritual am Genauesten nahmen, und nicht nur die gläubig gewordenen mehreren Zehntausend unter den Juden. Nebenbei bemerkt: Auch wir sollen Eiferer sein, Eiferer für edle Werke, von der Gnade dazu erzogen und gekräftigt (Tit.2:14). Israel hatte jedoch nicht die rechte Erkenntnis und setzte sich deshalb - obwohl sie es meinten - gerade nicht für Gott ein, in Seinem Sinne, zu Seiner Verherrlichung. Sie handelten nämlich nicht aus Glauben (Röm.9:32), und das kann Gott nicht gefallen. Sie wollten Gott ihre eigenen Leistungen darbringen, ignorierten auf diese Weise Christus und empfanden Ihn als Stein des Anstoßes, denn solange sie meinten, dass ihre Gerechtigkeit durch das Gesetz käme, mussten sie Christus als ohne Grund gestorben ansehen (vgl. Gal.2:21).

  Rechte Erkenntnis ist immer eine Gabe Gottes. »Kein Mensch kann sich etwas nehmen, wenn es ihm nicht vom Himmel gegeben ist« (Joh.3:27). Niemand erkennt den Sohn Gottes und Seine Bedeutung für uns, außer wem Er es zu enthüllen beschließt (Mat.11:27). Angesichts der Stadt Jerusalem sagte unser Herr: »Wenn doch auch du, und zwar an diesem Tage erkennen würdest, was zu deinem Frieden dient! Nun aber wurde es vor deinen Augen verborgen« (Luk.19:42). Wir wissen: Gott gab ihnen »einen Geist der Betäubung, Augen, die nicht erblicken, und Ohren, die nicht hören, bis auf den heutigen Tag« (Röm.11:8; Jes.29:10; 5.Mose 29:3).

Christus nur kann die Gerechtigkeit Israels sein

  Gibt es, bedingt durch diesen tieferen Grund, einen weiteren, etwa offensichtlichen Grund für die Unkenntnis Israels? Ja, der Apostel Paulus nennt ihn in den Versen 3 und 4: »Denn, da sie die Gerechtigkeit Gottes nicht kennen und die eigene Gerechtigkeit aufzustellen suchen, wurden sie der Gerechtigkeit Gottes nicht untergeordnet. Denn die Vollendung des Gesetzes ist Christus, zur Gerechtigkeit für jeden, der glaubt«. Ihr Eifer bestand darin, ihre eigene Gerechtigkeit aufzustellen, mit der sie Gott verherrlichen wollten. Eigene Werke meint jedoch derjenige wirken zu müssen, der nicht an Gottes Werk in Christus glaubt; ein solcher hat folglich nicht teil an Gottes Geschenk der Gerechtigkeit. Die eigene Gerechtigkeit ist im Grunde gegen Gott gerichtet; sie ist eine stolze Höhe, die sich gegen die Erkenntnis Gottes erhebt (vgl.2.Kor.10:5). Wer die Gnade, die Gott mit der geschenkten Gerechtigkeit erweisen will, ablehnt, hat nicht die rechte Erkenntnis und kann auch Gott Selbst nicht erkennen. Welch ein Verlust! An Seinem Erbarmen aber hätten sie Sein Herz erkannt.

  Was könnte ein Sünder denn Gott überhaupt darbringen? Die vom Gesetz des Mose gebotenen Tieropfer? Gott hasste sie, wenn man nicht über die unserem Körper innewohnende Sünde betrübt war. Kannten sie denn nicht Davids Worte aus Psalm 34:19: »Nahe ist Jewe denen, die zerbrochenen Herzens sind, und die zerschlagenen Geistes sind, wird Er retten.« Da sie aber keine Sündenerkenntnis hatten und nicht demütig waren, erachteten sie sich des Erbarmens Gottes nicht für bedürftig. Da sie an die Notwendigkeit der Sendung Christi um der Sünder willen nicht glaubten, konnten sie nicht der Gerechtigkeit Gottes untergeordnet werden.

  Worin besteht die Gerechtigkeit Gottes? Sie hat Christus zum Inhalt und wird jedem Glaubenden geschenkt. Sie gründet sich auf den Glauben Jesu Christi. Er hat Sich für alle dahingegeben, nicht nur um die Sünden aller zu sühnen, sondern auch zur Verurteilung der Sünde im Fleisch (Röm.8:3). Auf dieser gerechten Grundlage der Kreuzigung allen Fleisches überhaupt kann unser Gott und Vater Sich nun aller erbarmen, im Verlauf der Äonen eines jeden in seiner eigenen Abteilung, und alle zum Leben in Christus führen. Gottes Gerechtigkeit besteht darin, dass Er, der alle Menschen durch den Ungehorsam Adams als Sünder eingesetzt hat, sie alle durch den Glaubensgehorsam Christi als Gerechte einsetzt (Röm.5:19).

  Christus ist die Vollendung des Gesetzes. Was das Gesetz forderte, war zwar gerecht, doch aufgrund der Schwachheit des Fleisches konnten die Rechtsforderungen des Gesetzes nicht erfüllt werden (Röm.8:3,4). So konnte das Gesetz nichts vollenden (Heb.7:19). Christus nun und nur Er hat das Gesetz in der Kraft des Geistes Gottes erfüllt. Jetzt ist es in vollendeter Weise getan, einschließlich der Darbringungen und Opfer für Gott. Und jetzt spricht Gott jeden gerecht, der glaubt, dass Christus uns zur Gerechtigkeit gemacht worden ist.

Das Gesetz ist nicht aus Glauben

  In den folgenden Versen begründet Paulus dies im Einzelnen. Vers 5 lautet: »Denn Mose schreibt von der Gerechtigkeit aus Gesetz, dass der Mensch, der sie alle tut, in ihr Leben haben wird.« In Galater 3:12 bezieht sich Paulus ein weiteres Mal auf die dieser Aussage zugrunde liegende Schriftstelle in 3.Mose 18:5, indem er schreibt: »Das Gesetz aber ist nicht aus Glauben; sondern wer alle Gebote erfüllt, wird in ihnen leben.« Damit hat er das Gesetz in elementarer Weise gekennzeichnet: Es ist nicht aus Glauben. Paulus selbst war ein Mann gewesen, der hinsichtlich der im Gesetz geforderten Gerechtigkeit im Begriff war, untadelig zu werden. Doch nun erachtet er dies um der Erkenntnis Christi willen als verwirkt; er will allein in Christus befunden werden, indem er nicht seine eigene Gerechtigkeit habe, sondern die durch den Glauben Christi, die Gerechtigkeit aus Gott aufgrund des Glaubens Christi (Phil.3:6-9).

Die Gerechtigkeit aus Glauben

  Die Verse 6 und 7 unseres Schriftabschnitts führen uns in den Gegensatz der Gerechtigkeit aus Gesetz ein: »Aber die Gerechtigkeit aus Glauben sagt so: Sprich nicht in deinem Herzen: Wer wird in den Himmel hinaufsteigen (das heißt, um Christus herabzuführen)? Oder: Wer wird in den Abgrund hinabsteigen (das heißt, um Christus aus den Toten heraufzuführen)?« Wer glaubt, wird nicht so sprechen, wie aus 5.Mose 30:12,13 zitiert. Der Unglaube aber sagt: Die Sache mit Christus ist unbegreiflich. Man muss Ihn erst aus dem Himmel herabholen und aus dem Abgrund heraufführen. Das ist uns zu schwierig. Der Unglaube leugnet, dass Christus bereits aus dem Himmel herabgestiegen und aus den Toten auferweckt worden ist. Der Ungläubige verwirft Christus somit und muss seine Rettung folglich selber schaffen.

  Was die Gerechtigkeit aus Glauben sagt, erfahren wir aus den Versen 8 und 9: »Sondern was sagt sie: Nahe ist dir der Ausspruch, in deinem Mund und in deinem Herzen; dies ist das Wort des Glaubens, den wir herolden: Wenn du mit deinem Mund bekennst, dass Jesus Herr ist, und in deinem Herzen glaubst, dass Gott Ihn aus den Toten auferweckt hat, so wirst du gerettet werden.« Schon Mose hatte in 5.Mose 30:11+14 betont: »Dieses Gebot, das ich dir heute gebiete« - nach dem Zusammenhang und dem Licht von Römer Zehn das Gebot der Umkehr aus Glauben oder, auf den Punkt gebracht, das Wort des Glaubens -, »ist nicht zu wunderbar für dich und ist dir nicht fern. Sondern ganz nahe ist dir das Wort, in deinem Mund und in deinem Herzen, um es zu tun.«

  Die Beweisführung des Paulus zielt auf den Glauben an Christus. Das Zeugnis des Christus ist Israel überaus nahe. Das Gesetz und die Propheten zeugen von Ihm. Und sollte in Israel ein Mensch sein, der nichts über Jesus aus Nazareth, den Gekreuzigten und Auferstandenen, gehört und auch von dem Zeugnis der Apostel in der Kraft heiligen Geistes nichts vernommen hat? Dein Ohr, o Israel, kennt diesen Ausspruch Gottes, diese Bekundung Gottes über Seinen Sohn, und sie liegt dir fast auf der Zunge - und nun, Israel, glaube. Erfasse, dass dies das Wort des Glaubens ist, das Wort, das dir zum Glauben gegeben ist, das lebendige, das zu dir gesprochene, das dir nahe gebrachte: »Wenn du mit deinem Mund bekennst, dass Jesus Herr ist, und in deinem Herzen glaubst, dass Gott Ihn aus den Toten auferweckt hat, so wirst du gerettet werden.«

  Das mündliche Bekenntnis ist vom Glauben im Herzen nicht zu trennen. Das Bekenntnis ist Ausdruck des Glaubens, denn »aus der Überfülle des Herzens spricht der Mund« (Mat.12:34). Das hörbare Bekenntnis ist ein Erkennungsmerkmal des Glaubens. Und dieser Glaube ist nicht irgendeiner, sondern hat konkrete inhaltliche Substanz: dass Jesus Herr ist, der Gott gleichende Herr, der Sohn des lebendigen Gottes, der Herr über alle und alles; und dass Er aus den Toten auferweckt wurde. Die Auferstehung der Toten ist ein Prüfstein des Glaubens; hier erweist sich, ob jemand Gott glaubt.

  Nach dem Evangelium der Beschneidung, das die zwölf Apostel verkündigten, ist das mündliche Bekenntnis heilsnotwendig, wie unser Herr sagte: »Jeder nun, der sich vor den Menschen zu Mir bekennen wird, zu dem werde auch Ich Mich vor Meinem Vater in den Himmeln bekennen. Wer Mich aber vor den Menschen verleugnen wird, den werde auch Ich vor Meinem Vater in den Himmeln verleugnen« (Mat.10:32,33). Heute, in der heilsgeschichtlichen Verwaltung, die dem Apostel Paulus gegeben ist (Eph. 3:2) und in der wir leben, werden wir allein durch Glauben gerechtfertigt.

Gerechtigkeit und Rettung

  Anknüpfend an den Schluss von Vers 9: »... so wirst du gerettet werden«, schreibt Paulus in Vers 10: »Denn im Herzen glaubt man zur Gerechtigkeit, mit dem Mund aber bekennt man zur Rettung.« Es geht um die Rettung zum äonischen Leben, zum Leben in den beiden zukünftigen Äonen. Da die Rettung Israels etwas öffentlich Sichtbares ist, erfordert sie das öffentliche Bekenntnis. Zur Rettung ist zuerst der Glaube im Herzen nötig; dieser Glaube bewirkt Gerechtigkeit. Gott schenkt nun aber Seinen Auserwählten nicht nur die Glaubensgerechtigkeit - Er rechtfertigt sie nicht nur -, sondern Er bewirkt auch die Kundgabe, damit sie gerettet werden. Gott erfüllt an den Seinen das Psalmwort: »Ich glaube, darum spreche ich« (Ps.116:10) und macht ihren Glauben auf diese Weise durch das Werk des Mundes vollkommen (Jak.2:22). Angesichts des Allesbewirkens Gottes sind Glaube und Bekenntnis keine Forderungen, sondern Kennzeichen der Menschen Gottes; und diese Schriftworte insgesamt sind eine Verheißung, die Gott zur Rettung Israels als Volk erfüllen wird. Wenn der Glaube im Herzen von Gott gewirkt und nicht eine menschliche Meinung ist, dann ist das Bekenntnis unausbleiblich, und daraufhin rettet Gott die von Ihm Gerechtfertigten. Die mündliche Äußerung ist zugleich eine Darstellung der Gerechtigkeit aus Glauben, ja eine Verherrlichung des Wortes des Glaubens und damit Gottes Selbst.

Der aus Glauben den Herrn Anrufende wird leben

  Der Apostel Paulus fährt in Vers 11 fort, die Rettung mit einem Wort aus Jesaia 28:16 begründend: »Denn die Schrift sagt: Jeder, der an Ihn glaubt, wird nicht zuschanden werden.« Ja, das ist ganz gewiss: Die Heiligen werden nicht zuschanden werden, nicht beschämt dastehen, nicht umkommen; und wenn sie umkommen, so werden sie ihre Seele im Ergebnis doch zum äonischen Leben bewahren (Joh.12:25).

  Es folgen die Verse 12 und 13: »Denn es ist kein Unterschied zwischen einem Juden und einem Griechen; denn alle haben denselben Herrn, der Sich an allen reich erweist, die Ihn anrufen. Denn jeder, der den Namen des Herrn anrufen sollte, wird gerettet werden.« Unser Blickfeld weitet sich: Da ist kein Unterschied zwischen einem Juden und einem Griechen, und zwar in dem Punkt des Wortes des Glaubens und zu jener Zeit, in der es um die Rettung des auserwählten Volkes geht, in der siebenjährigen Endzeit, der Zeit des Zorngerichts Gottes über die Welt und der dreieinhalbjährigen Drangsal der Heiligen. Dann erweist Sich der Herr allen, die Ihn anrufen, als reich an Erbarmen. Jeder, der dann glaubt, dass Jesus der Herr ist und aus den Toten auferweckt wurde, und Ihn anruft, gerade auch in der Not, wird errettet werden. »Nahe ist Jewe allen, die Ihn anrufen, allen, die Ihn in Wahrheit anrufen«, sagte David in Psalm 145:18.

  Als den Herrn darf jeder Mensch Ihn anrufen, denn Er ist der Herr über alle (Ap.10:36); als Sohn Davids zum Beispiel aber gehört Er Israel allein. Im Hause des Hauptmanns Kornelius sagte Petrus: »In Wahrheit erfasse ich es nun, dass Gott nicht die Person ansieht, sondern dass Ihm in jeder Nation der annehmbar ist, der Ihn fürchtet und Gerechtigkeit wirkt« (Ap.10:34,35). Die von Petrus genannten Bedingungen der Gottesfurcht und der Gerechtigkeit entsprechen dem Evangelium der Beschneidung. Eine Teilnahme am Königreich Israels wird also auch Menschen aus den Nationen gewährt, wenn sie im Herzen glauben und mit dem Munde bekennen. Solche werden sich im tausendjährigen Königreich der Himmel mit den Auserwählten aus Israel zu Tisch lagern, wie unser Herr sagte: »Viele« (die Rede ist von welchen aus den Nationen) »werden vom Osten und Westen eintreffen und sich mit Abraham, Isaak und Jakob im Königreich der Himmel zu Tisch lagern. Die Söhne des Königreichs aber« (gemeint sind die dazu berufenen, aber nicht auserwählten Israeliten) »wird man hinauswerfen in die Finsternis, die draußen ist. Dort wird Jammern und Zähneknirschen sein« (Mat.8:11,12).

  Unser Vers 13 ist ein Zitat aus Joel 3:5. Der Prophet sagt in den Versen 3 bis 5: »Ich werde Wunderzeichen geben am Himmel und auf der Erde. Blut und Feuer und Rauchsäulen. Die Sonne wird sich in Finsternis verwandeln und der Mond in Blut, ehe der Tag Jewes kommt, der große und furchtbare. Und es wird geschehen: Jeder, der den Namen Jewes anruft, wird errettet werden. Denn auf dem Berg Zion und in Jerusalem wird Errettung sein, wie Jewe gesprochen hat, und unter den Übriggebliebenen, die Jewe berufen wird.« Römer Zehn, Vers 13, ist mithin unter dem Blickpunkt der Endzeit geschrieben, wie es ja überhaupt in den Kapiteln Neun bis Elf um die Wiederannahme und endliche Rettung Israels geht, was dann geschehen wird, wenn die Nationen aus dem Ölbaum ausgehauen werden und Israel wieder eingepfropft wird. Die Endzeit - das ist der siebzigste der siebzig Jahrsiebener, die allesamt für Israel »abgetrennt« (Dan.9:24) und somit von der gegenwärtigen heilsgeschichtlichen Verwaltung der Gnade Gottes zu unterscheiden sind. Zu jener Zeit - wir sind dann bereits entrückt und vor dem Zorn geborgen (1.Thess.1:10; 4:17) - wird der Herr Sein Volk in der Drangsal läutern und für die Rettung zubereiten. Und wer Ihn dann anruft, wer sich dann auf Seinen Namen beruft, wird gerettet werden.

  Der Apostel Petrus stellte fest: »In keinem anderen« (als in Jesus) »ist die Rettung; denn es ist auch kein anderer Name unter dem Himmel, der unter Menschen gegeben worden ist, in welchem wir gerettet werden müssen« (Ap.4:12). Entsprechend dem Wort in Hebräer 11:6, wonach Gott denen, die Ihn ernstlich suchen, ein Belohner sein wird, wird Sich unser Herr allen als ein reicher Belohner erweisen, die Ihn anrufen.

Ist Israel vielleicht nicht informiert?

  Mit den Versen 14 und 15 sind nun jedoch mehrere Fragen zu stellen: »Wie sollten sie nun Ihn anrufen, an den sie nicht glauben? Wie aber sollten sie an den glauben, über den sie nichts hören? Wie aber sollten sie von Ihm hören ohne einen, der heroldet? Wie aber sollten sie herolden, wenn sie nicht beauftragt werden? So wie geschrieben steht: Wie lieblich sind die Füße derer, die ein Evangelium des Guten verkündigen!« Diese folgerichtigen Fragen sehen fast wie eine Entschuldigung für Israel aus. Doch das Gegenteil ist der Fall; sie müssten im Hinblick auf Israel gar nicht gestellt werden, denn sie haben gehört und ihnen wurde Evangelium verkündigt. Genau das will Paulus in aller Schärfe deutlich machen.

  Israel glaubt nicht und gehorcht nicht, von den Vätern an bis in die Zeit der zwölf Apostel. Es verhält sich so, wie in Vers 16 festgehalten: »Jedoch nicht alle gehorchen dem Evangelium; denn Jesaia sagt: Herr, wer glaubt unserer Kunde?« Der Apostel Paulus merkt in Vers 17 an: »Demnach kommt der Glaube aus der Kunde, die Kunde aber durch einen Ausspruch Christi.« Um zu glauben, bedarf es der Kunde. Die Kunde, die Botschaft, die Aussprüche Christi - sie haben sie gehört. Die Worte der Propheten und Apostel - nicht Menschenworte sind es, sondern allesamt geisterfüllte und lebendige Aussprüche Christi. Doch es war immer so wie schon bei denen, die unter Mose aus Ägypten ausgezogen waren, von denen der Verfasser des Hebräerbriefs schreibt: »Jedoch hat das Wort der Kunde jenen nicht genützt, weil es bei den Zuhörern nicht mit dem Glauben vermengt war« (Heb.4:2).

  In Vers 18 fasst Paulus nochmals nach: »Jedoch frage ich: Haben sie überhaupt nichts gehört? In der Tat! In das gesamte Land ging ihr Schall aus und bis zu den Enden der Wohnerde ihre Aussprüche.« Das ist ein Zitat aus Psalm 19; es heißt dort: »Die Himmel erzählen die Herrlichkeit El’s, und die Luftschicht kündet von Seiner Hände Werk. Tag für Tag strömt Wahrheit aus, und Nacht für Nacht zeigt sich Erkenntnis an. ... In das gesamte Land geht ihr Schall aus, und bis zum Ende des Wohnlands ihre Aussprüche.« Paulus bezieht nun das Zeugnis der Schöpfung in seine Beweisführung ein. Dieses Zeugnis haben auch die Nationen vernommen. Für Israel gilt: So wie die Himmel, die Luftschicht, der Tag und die Nacht die Wahrheit allgegenwärtig bezeugen, so haben sie auch das Zeugnis des Wortes gehört. Und nicht nur sie, wie unser Herr gegenüber den Schriftgelehrten und Pharisäern feststellte: »Ihr zieht über das Meer und das Trockene, um einen Proselyten zu machen« (Mat.23:15).

Konnte Israel vielleicht nichts erkennen?

Paulus geht der Sache weiter nach (V.19): »Jedoch frage ich: Hat Israel etwa überhaupt nichts erkannt? Als erster sagt Mose: Ich werde euch zur Eifersucht auf die reizen, die keine Nation sind; über eine unverständige Nation werde Ich euch erzürnen.« Israels Eifersucht ist ein weiterer Beweis dafür, dass sie gehört haben. Aber auch Nationen haben gehört, wie zum Beispiel Assyrien mit seiner Hauptstadt Ninive durch den Propheten Jona, der - wie bezeichnend für Israel! - sehr zornig über die Umsinnung der Niniviter wurde. Und wie überaus eifersüchtig waren die Juden darüber, dass unverständige, zum Teil aus den Völkervermischungen der römischen Städte stammende Menschen zum Glauben kamen. So lesen wir in Römer 11:11 und 14: »Um sie zur Eifersucht zu reizen, wurde durch ihre Kränkung den Nationen die Rettung zuteil. ... Insofern ich nun der Apostel der Nationen bin, verherrliche ich meinen Dienst, ob etwa ich die von meinem Fleisch zur Eifersucht reizen und einige aus ihnen retten könnte.« Hat Israel etwa überhaupt nichts erkannt? Israel hat erkannt, Israel hat verstanden, sie wissen, worüber sie erzürnt sind.

Das widerspenstige Volk

  Mit den Versen 20 und 21 kommt der Apostel zum Ende seiner Darstellung der Wahrheit über Israel: »Jesaia aber wagt es und sagt: Gefunden wurde Ich von denen, die Mich nicht suchen; offenbar wurde Ich denen, die nicht nach Mir fragen. Zu Israel aber sagt Er: Den ganzen Tag breite ich meine Hände aus zu einem widerspenstigen und widersprechenden Volk.« Die Nationen haben Gott nicht gesucht, nun aber glauben sie. In Kapitel 9, Vers 30, lasen wir schon darüber: »Was wollen wir nun vorbringen? Dass die Nationen, die nicht der Gerechtigkeit nachjagten, Gerechtigkeit ergriffen haben, nämlich die Gerechtigkeit aus Glauben.« Lukas berichtet in der Apostelgeschichte: »Als die aus den Nationen das hörten, freuten sie sich und verherrlichten das Wort des Herrn« (13:48). Von den Juden im pisidischen Antiochien aber schreibt er: »Als die Juden die Scharen gewahrten, wurden sie mit Eifersucht erfüllt, widersprachen dem, was Paulus sagte, und lästerten« (13:45).

  Israel ist hartnäckig widerspenstig und widerspricht ständig. Paulus erwähnt in 1.Thessalonicher 2:14-16, dass die gläubigen Juden in Judäa durch ihre Stammesgenossen zu leiden haben, »die sowohl den Herrn Jesus wie die Propheten töteten und uns verjagen. Sie können Gott nicht gefallen und sind allen Menschen entgegen. Uns verwehren sie, zu den Nationen zu sprechen, dass diese gerettet werden, und machen so allezeit ihr Sündenmaß voll. Es kommt aber der Zorn, der zum Abschluss führt, schon im Voraus über sie.« Stephanus rief ihnen zu: »Ihr Halsstarrigen, ihr an Herzen und Ohren Unbeschnittenen, stets prallt ihr mit dem Geist, dem heiligen, zusammen!« (Ap.7:51).

  Wie ist Israels Widerstand zu erklären? Nur mit unseres Gottes weisem Vorsatz. Und deshalb wird auch der Zeitpunkt kommen, wenn Er Sich ihrer erbarmen und sie wieder annehmen wird. Aus dem folgenden Kapitel wissen wir: »Verstockung ist Israel zum Teil widerfahren, bis die Vervollständigung der Nationen eingehe. Und sodann wird Israel als Gesamtheit gerettet werden, so wie geschrieben steht: Eintreffen wird der Bergende aus Zion; abwenden wird Er die Unfrömmigkeit von Jakob. Und dies ist Mein Bund mit ihnen, wenn Ich ihre Sünden wegnehme« (11:25-27). »Denn Gott schließt alle zusammen in Widerspenstigkeit ein, damit Er Sich aller erbarme« (11:32). »Denn aus Ihm und durch Ihn und zu Ihm hin ist das All! Ihm sei die Verherrlichung für die Äonen! Amen!« (11:36).

 

Gott verstößt doch nicht Sein Volk?

(Röm.11:1-24)

 

Große Betrübnis und unablässiger Schmerz sind in dem Herzen des Paulus wegen des Unglaubens seines Volkes. Nun richtet er in den Kapiteln Neun und Zehn des Römerbriefs seinen Blick aber im Glauben auf unseren Gott und Vater und darf darlegen, dass die Verheißungen Gottes nicht hinfällig geworden sind und Er Sein Wort an den Auserwählten immer erfüllt hat, denn Er ist der Sich erbarmende Gott. Der Apostel nennt auch den Grund, warum Israel den Herrn Jesus Christus ablehnt: Sie wollen ihre eigene Gerechtigkeit aufstellen, die aus Werken; somit glauben sie nicht, dass Gott ihnen die Gerechtigkeit aus Glauben schenken will. Selbstgerechte meinen des Erbarmens Gottes nicht zu bedürfen. Leider muss Paulus feststellen, dass Israel das Evangelium sehr wohl gehört und erkannt hat; umso schlimmer ist die Wahrheit über Israel, die Paulus am Ende von Kapitel Zehn mit einem Wort Gottes aus Jesaia 65:2 beschreibt: »Den ganzen Tag breite Ich Meine Hände aus zu einem widerspenstigen und widersprechenden Volk.«

Gott verstößt doch nicht Sein Volk?

 

Nach diesem niederschmetternden Befund kann man zu der Meinung gelangen, dass Gott mit Seinem Volk nun wohl Schluss machen werde. Deshalb schreibt Paulus in Römer 11:1: »Ich frage nun: Gott verstößt doch nicht Sein Volk?« Aufgrund der Treue und Herrlichkeit Gottes und der Dahingabe Seines Sohnes für Sünder und Feinde Gottes kann die Antwort nur lauten: »Möge das nicht gefolgert werden!« Wie auch die Schrift sagt: »Jewe wird Sein Volk um Seines großen Namens willen nicht verstoßen. Denn es hat Jewe gefallen, euch zu Seinem Volk zu machen« (1.Sam.12:22) und »Nicht wird Jewe Sein Volk aufgeben und nicht verlassen Sein Losteil« (Ps.94:14).

Gott gibt Sein Volk nicht auf. Paulus führt sich selbst als Beweis dafür an: »Denn auch ich bin Israelit, aus dem Samen Abrahams, dem Stamm Benjamin.« Paulus hatte sich einst genauso verhalten wie Israel jetzt: Er war widerspenstig und voll Hass auf den Nazarener. Paulus war in seinem übermäßigen Eifer ein Lästerer, Verfolger und Frevler gewesen. Er war der größte Feind Jesu Christi, maßlos hatte er gegen die herausgerufene Gemeinde gewütet. Mithin war zu erwarten, dass er aus seinem Volk ausgerottet werden würde. Gott aber ist reich an Erbarmen, und Er hielt damit nicht zurück. Überwältigend ist die Gnade Gottes. Da Er Sich des Ärgsten von allen erbarmt hat, dürfen wir auch für die Übrigen Seines Volkes voll Zuversicht sein.

Daher kann Paulus in Vers 2 voller Überzeugung sagen: »Gott verstößt Sein Volk nicht, das Er zuvor erkannte.« Nur dieses eine Volk hatte Gott zuvor erkannt, das heißt ins Auge gefasst und damit ausgewählt, ihre Gesinnung wohl kennend, ist Er doch der Bildner aller ihrer Herzen (Ps.33:15).

Ein Überrest nach der Gnadenauswahl

 

In den Versen 2b bis 5 führt Paulus einen Schriftbeweis an: »Wisst ihr nicht, was die Schrift bei Elia sagt, wie er bei Gott gegen Israel vorstellig wird? - Herr, Deine Propheten töten sie, Deine Altäre schaufeln sie herunter; nun bin ich allein übriggeblieben, und sie suchen nach meiner Seele. Jedoch was sagt ihm die göttliche Weisung? - Ich habe Mir siebentausend Männer übrigbehalten, die ihre Knie nicht vor Baal gebeugt haben. So ist folglich auch in der jetzigen Frist ein Überrest nach der Gnadenauswahl vorhanden.« Von irgendwelchen Vorzügen oder guten Taten der Siebentausend ist keine Rede; sie dokumentieren dagegen die Macht und Herrlichkeit Gottes, Sich eine Gnadenauswahl übrigzubehalten, und sind ein Muster für Gottes zukünftiges Handeln mit dem ganzen Israel der Auswahl.

In Vers 6 betont Paulus: »Wenn aber in Gnaden, dann nicht mehr aus Werken; sonst wäre die Gnade nicht mehr Gnade. Wenn aber aus Werken, dann ist es nicht mehr Gnade; sonst ist das Werk nicht mehr Werk.« Werke sind also eindeutig nicht der Maßstab für die Erwählung, sondern die Gnade. Die Bedeutung der guten Werke - falls jemand danach fragen sollte - liegt darin, dass sie die Folge der Wirksamkeit der Gnade in den Gläubigen sind und mithin die Gnade Gottes verherrlichen.

Der Apostel Paulus fährt fort: »Was folgt nun daraus? Was Israel sucht, das hat es nicht erlangt; aber die Auswahl hat es erlangt. Die Übrigen dagegen wurden verstockt, wie geschrieben steht: Gott gibt ihnen einen Geist der Betäubung, Augen, die nicht erblicken, und Ohren, die nicht hören, bis auf den heutigen Tag« (Verse 7 und 8). Es liegt also nicht an dem Wollenden noch an dem Rennenden, sondern an dem Sich erbarmenden Gott, dass Er welche auserwählt hat. Überhaupt alles geschieht nach Gottes Ratschluss. Er hat Israel den Geist der Betäubung gegeben. Ihre Verstockung, ihr Jagen nach der Gerechtigkeit aus Werken, ihr Unglaube - auch dies alles erfolgt aber nach Gottes Weisheit und Liebe, denn dies alles führt zu dem Ziel der herrlichen Vollendung in Christus. Israel wird nämlich deshalb jedes eigenen Ruhms entleert, damit es erkennt, dass es alles, was es dereinst als gesegnetes Volk einmal haben und sein wird, nur durch Christi Sühneopfer erlangt und nur Gott zu verdanken hat. Dann werden sie sich ihrer Gerechtigkeit aus dem Glauben Christi erfreuen.

Wir lesen weiter: »Und David sagt: Ihr Tisch werde ihnen zur Falle und zum Jagdnetz, zum Fallstrick und zur Vergeltung. Ihre Augen sollen verfinstert werden, damit sie nicht erblicken. Und den Rücken beuge ihnen allezeit!« (Verse 9 und 10). Ihr Tisch, ihre Vorrechte, wie zum Beispiel die Bündnisse und die Gesetzgebung, werde ihnen zur Falle, zur Last und zur Verstrickung, weil sie nicht in rechter Erkenntnis damit umgehen, sondern dem Fleisch nach, aus eigenem Bemühen, ohne Einsicht in die Sündhaftigkeit des Fleisches, ohne Glauben an die Barmherzigkeit Gottes. Deshalb beugt Gott ihnen den Rücken, wie es dem Evangelium der Beschneidung eigen ist, das von Gerichts- und Fluchandrohungen flankiert wird.

Israel strauchelte

 

Mit Vers 11 stellt der Apostel Paulus nochmals klar, dass Israel nicht verstoßen wird: »Ich frage nun: Sie straucheln doch nicht, damit sie fallen sollten? Möge das nicht gefolgert werden! Sondern um sie zur Eifersucht zu reizen, wurde durch ihre Kränkung den Nationen die Rettung zuteil.« Straucheln oder stolpern heißt nicht fallen, obwohl die Gefahr hinzufallen dabei sehr groß ist. Es geht hier um die Frage, ob die Verstockung Israels dazu führen sollte, dass sie für immer fallen. Nein, ihre Blindheit soll den Nationen zum Segen dienen, was Israel wiederum anreizen soll, ebenfalls Gott zu glauben. Welch eine Weisheit Gottes!

Als eine Kränkung wird in unserem Vers der Unglaube Israels bezeichnet, lehnen sie doch mit ihrem Trachten nach der Gerechtigkeit aus Gesetzeswerken ihren Messias ab. Sie hörten nicht auf den Herrn Jesus, als Er unter ihnen weilte, und ließen Ihn kreuzigen; sie hörten auch nicht auf das Zeugnis des heiligen Geistes durch den Dienst der zwölf Apostel und des Apostels Paulus. Diese ihre Kränkung Gottes aber ist die Voraussetzung zur Rettung der Nationen in der gegenwärtigen heilsgeschichtlichen Verwaltung der Gnade Gottes. O Tiefe des Reichtums, der Weisheit und der Erkenntnis Gottes! Nun ist die Rettung für die Menschen aus den Nationen ohne die Vermittlung Israels als des zu diesem priesterlichen Dienst bestimmten Volkes möglich.

Der Welt Reichtum

 

Eines Tages aber wird Israel wieder angenommen werden. Wer vermag diese herrliche Zukunft zu beschreiben? In Vers 12 verkündigt Paulus: »Wenn aber schon ihre Kränkung der Welt Reichtum ist und ihr Niedergang der Reichtum der Nationen, wieviel mehr wird es ihre Vervollständigung werden!« Die Nationen stehen heute bei Gott in der Gnade, und jeder geistliche Segen steht während der gegenwärtigen Fristen der Nationen (Luk.21:24) für sie bereit. Versöhnt ist Gott mit der Welt; kein Gericht übt Er über sie aus, sondern hält Seinen Zorn über ihre Sünden zurück. Nicht etwa nur ein bisschen Licht haben die Nationen, sondern sie können aufgrund des von Paulus vervollständigten Wortes Gottes zur vollen Erkenntnis Gottes gelangen.

Anders wird der Reichtum der Nationen sein, wenn Israel vervollständigt worden ist, denn in den beiden kommenden Äonen, dem tausendjährigen Königreich der Himmel und der neuen Erde, werden die Nationen auf Erden sichtbar und unverkennbar gesegnet sein, nicht nur für Gläubige fassbar.

Wie sieht die Vervollständigung Israels aus? Da ist nicht nur an eine zahlenmäßige Vervollständigung zum gesamten Volk der Auswahl zu denken, auch durch die Söhne der Auferstehung (Luk.20:36), sondern vor allem an die innere Erneuerung durch den Geist Gottes, sodass sie sagen werden, wie zum Beispiel bei dem Propheten Hosea in Kapitel 6:1-3 verzeichnet: »Kommt und lasst uns umkehren zu Jewe! Denn Er hat zerrissen, Er wird uns auch heilen; Er hat geschlagen, Er wird uns auch verbinden. Er wird uns nach zwei Tagen neu beleben, am dritten Tag uns aufrichten, dass wir vor Seinem Angesicht leben. So lasst uns Ihn erkennen, lasst uns nachjagen der Erkenntnis des Herrn!«

Paulus fährt fort (Verse 13 und 14): »Euch Nationen aber sage ich: Insofern ich nun der Apostel der Nationen bin, verherrliche ich meinen Dienst, ob ich etwa die von meinem Fleisch zur Eifersucht reizen und einige aus ihnen retten könnte.« Verherrlichen auch wir unseren Dienst, indem wir ihn mit ganzer Hingabe zum Lobpreis unseres Gottes und Vaters tun? Verherrlichen wir unseren Dienst, indem wir den Reichtum der Gnade, die viele Liebe Gottes und die herrlichen geistlichen Segnungen herausstellen, die wir in Christus Jesus inmitten der Überhimmlischen haben? Verherrlichen wir Gott, indem wir die Aufhauptung des Alls in Christus und die Aussöhnung des Alls durch Sein Blut hervorheben?

Die Eifersucht Israels auf die so gesegneten Nationen vermögen wir uns gar nicht so recht vorzustellen. Paulus aber kannte seine Stammverwandten. Da Israel die führende Nation auf Erden sein soll, werden sie regelrecht umgetrieben von dem Gedanken, dass die Nationen bevorzugt sind und ohne ihre Vermittlung bei Gott in der Gnade stehen.

Diejenigen, die Paulus aus seinem Volk zu retten hofft, würden der Körperschaft Christi einverleibt werden und in derselben Weise wie wir gesegnet.

Der Welt Versöhnung

 

Mit Vers 15 bringt Paulus den Gedankengang zu Ende: »Denn wenn ihre jetzige Verwerfung der Welt Versöhnung ist, was wird ihre Wiederannahme sein, wenn nicht Leben aus den Toten?« Verworfen sind sie gegenwärtig, vorübergehend beiseitegestellt. Ihre Verwerfung ist der Welt Versöhnung. Welch ein herrliches Evangelium dürfen wir somit verkündigen! Hören wir hierzu 2.Korinther 5:18,19: »Das alles aber ist aus Gott, der uns durch Christus mit Sich Selbst versöhnt und uns den Dienst der Versöhnung gegeben hat. Denn Gott war in Christus, die Welt mit Sich versöhnend: Er rechnet ihnen ihre Kränkungen nicht an und hat in uns das Wort der Versöhnung niedergelegt.« Alle aus den Nationen, die zum äonischen Leben verordnet sind, kommen in dieser wohlannehmbaren Frist zum Glauben (Ap.13:48) und dürfen sich der herrlichen Versöhnung in Christus Jesus, unserem Herrn, erfreuen.

Anders ist der herrliche Zustand, der von der Wiederannahme Israels an auf Erden herrschen wird. »Leben aus den Toten« kann man da sehr wohl sagen, nicht nur, weil die gläubigen Toten aus Israel wieder leben werden, sondern weil nach den bösen Äonen des Hasses und des Krieges dann Gerechtigkeit und Frieden herrschen und Israel das wiedergeborene königliche und priesterliche Volk sein wird, das aus der Finsternis zum Licht berufen ist.

Der edle Ölbaum

 

Mit dem folgenden Abschnitt begründet der Apostel Paulus weiterhin, dass Israel wieder angenommen wird. Wir lesen in Vers 16: »Wenn aber das Erstlingsbrot heilig ist, dann auch die Teigmasse, und wenn die Wurzel heilig ist, dann sind es auch die Zweige.« Das besagt: War Israel in der Vergangenheit heilig, so wird es auch in der Zukunft heilig sein. Unter dem Erstlingsbrot ist das Israel der ersten Tage zu verstehen. Israel war eine heilige Nation, das bedeutet eine für Gott abgesonderte Nation, wie Jewe sagte: Ihr sollt Mir unter allen Völkern zum besonderen Eigentum sein (2.Mose 19:6). Auch als »Nicht-Mein-Volk«, als verworfenes Volk, ist Israel heilig in dem Sinne, dass Gott die Juden unter ihren Gastvölkern gesondert hält und sie selbst in ihrer Widerspenstigkeit noch an das Wort Gottes erinnern. Und Israel wird ein heiliges Volk sein.

Auch der Vergleich der Wurzel und der Zweige bringt zum Ausdruck, dass Israel in der früheren Phase seiner Geschichte heilig war und somit auch in der späteren Phase für Gott da sein wird. Damit leitet der Apostel zugleich über zu dem Vergleich des Volkes Israel mit dem edlen Ölbaum. Er schreibt in den Versen 17 und 18: »Wenn nun einige Zweige herausgebrochen wurden und du als wilder Ölbaumzweig unter sie eingepfropft und Mitteilnehmer an der Wurzel und der Fettigkeit des Ölbaums geworden bist, so prahle nicht gegen die anderen Zweige! Wenn du aber prahlst, bedenke, nicht du trägst die Wurzel, sondern die Wurzel trägt dich.«

Welch ein herrliches Bild! Der edle Ölbaum ist Israel. Einen üppigen Ölbaum von schöner Fruchtgestalt nannte Jewe Sein Volk (Jer.11:16). Israels Pracht ist wie der Ölbaum, steht in Hosea 14:7 geschrieben. Öl ist ein Symbol für das Licht (2.Mose 27:20) und den Geist Gottes (Sach.4). Der Ölbaum ist mithin der Baum, der das Licht des Wortes Gottes ausstrahlt.

Einige Zweige wurden ausgebrochen; das ist der verstockte und widerspenstige Teil des Volkes. Die gläubige Auswahl aus Israel aber befindet sich als die verbliebenen Zweige im Baum, die Nation repräsentierend. Diese Gläubigen aus Israel bilden zusammen mit den Gläubigen aus den Nationen eine gemeinsame Körperschaft (Eph.3:6), aber darum geht es hier nicht, sondern darum, dass Israel unter den Zweigen vertreten ist, dass also welche da sind, die ihr Volk darstellen, so wie ein Sportler bei den Olympischen Spielen seine Nation vertritt. Wenn er gesiegt hat, hat sein Land gewonnen. In dieser Kategorie müssen wir hier denken.

Wilde Zweige wurden eingepfropft. Das sind die Nationen, die in der gegenwärtigen heilsgeschichtlichen Verwaltung der Gnade Gottes das Licht des Wortes Gottes im Inland und Ausland verbreiten. Sie stammen vom wilden Ölbaum, also aus den Nationen. Nicht alle Nationen sind in den edlen Ölbaum eingepfropft; so gibt es Nationen, in denen das Evangelium Gottes über Seinen Sohn so gut wie unbekannt und eine Verkündigung bei Strafe verboten ist.

Um es noch einmal zu sagen: Nicht der einzelne Heilige ist hier angesprochen, sondern die einzelnen Nationen als solche. Nehmen wir ein Beispiel: Deutschland ist ein in den Ölbaum eingepfropfter wilder Zweig. Deutschland verbreitet durch den Druck und Versand von Bibeln und durch die Wortverkündigung, unter anderem auch durch den Rundfunk, das Wort Gottes ins In- und Ausland. Wie viele Deutsche nun gläubig sind - das ist hier nicht die Frage. Für einen Menschen zum Beispiel im Iran, der die Frage hat: Woher bekomme ich eine Bibel?, und erfährt: Aus Deutschland!, ist völlig klar: Von Deutschland geht das Wort des Lebens aus, von diesem Zweig des Ölbaums! Voller Freude wissen wir, dass noch viele andere Nationen Lichtträger sind.

Alle diese eingepfropften, wilden Zweige zehren von der Wurzel und der Fettigkeit des edlen Ölbaums. Die fette Wurzel ist Israel, denn das Heil kommt von den Juden (Joh.4:22)! Christus stammt aus dem Samen Davids. Mögest du - die Gesamtheit der Eingepfropften wird damit angesprochen - darum nicht gegen Israel prahlen, wie es leider im Verlauf der europäischen Geschichte geschehen ist, als man meinte, man selbst sei an die Stelle Israels getreten, und die Juden verachtete.

Sei nicht hochmütig gesonnen

 

Was wird die Gesamtheit der wilden Zweige nun denken und was ist ihnen zu antworten? Lesen wir die Verse 19 bis 22: »Du wirst nun erwidern: Die Zweige wurden herausgebrochen, damit ich eingepfropft würde. Schön; infolge ihres Unglaubens wurden sie herausgebrochen, du aber stehst durch den Glauben. Sei nicht hochmütig gesonnen, sondern fürchte dich! Denn wenn Gott die naturgemäßen Zweige nicht verschont hat, wird Er auch dich nicht verschonen. Gewahre nun die Güte und die Strenge Gottes: an denen, die fallen, zwar die Strenge Gottes, an dir aber die Güte Gottes, wenn du in der Güte beharrst; sonst wirst auch du ausgehauen werden." Solange des Zeugnis des Glaubens von den eingepfropften Nationen ausgeht, stehen sie. Wenn sie aber die Güte und Gnade Gottes nicht mehr für wertvoll erachten, werden sie auch die Strenge Gottes zu spüren bekommen: Sie werden ausgehauen werden wie seinerzeit der ungläubige Teil Israels. Falls die Beobachtung richtig ist, dass der Unglaube unter ihnen zunimmt, so rückt der Zeitpunkt des Aushauens immer näher. Und sie werden ausgehauen werden, denn die Fristen der Nationen werden zu Ende gehen (Luk.21:24) und das vierte der vier gewaltigen Tiere, das westliche, das schreckliche, das glaubenslose Christentum, wird vernichtet werden (Dan.7:11); schließlich muss die Zeit Israels einmal wieder anbrechen.

 

Israel wird wieder eingepfropft werden

 

Mit den Versen 23 und 24 lenkt der Apostel Paulus unseren Blick auf Israel: »Aber auch jene, wenn sie nicht im Unglauben beharren, werden wieder eingepfropft werden; denn Gott ist imstande, sie wieder einzupfropfen. Denn wenn du aus dem naturgemäßen wilden Ölbaum ausgehauen und gegen die Natur in den edlen Ölbaum eingepfropft wurdest, wieviel mehr werden diese naturgemäßen Zweige in den eigenen Ölbaum wieder eingepfropft werden!« Israel wird wieder eingesetzt werden und seine Aufgabe als königliches und priesterliches Volk zum Segen aller Nationen wahrnehmen. Gott versetzt sie aus dem Stand des Unglaubens in den des Glaubens. Gott ist dazu imstande. Kein Heiliger wird daran zweifeln.

Und dann wird erfüllt sein, was der Prophet Jesaia sagte: »Leuchte! Leuchte, Jerusalem! Denn gekommen ist dein Licht, und die Herrlichkeit Jewes strahlt auf über dir. Denn siehe! Finsternis bedeckt die Erde und Wetterdunkel die Völkerstämme. Doch Jewe strahlt auf über dir, und Seine Herrlichkeit erscheint über dir. Es kommen die Nationen zu deinem Licht und Könige zu dem Glanz, der über dir erstrahlt« (Jes.60:1-3). »Viele Völker gehen und sagen: Kommt und lasst uns aufsteigen zum Berge Jewes und zum Hause von Jakobs Elohim, dass Er uns unterweise in Seinen Wegen und wir wandeln in Seinen Pfaden. Denn von Zion geht hervor das Gesetz und das Wort Jewes von Jerusalem« (Jes.2:3).

Und später dann, nach dem Millennium, auf der neuen Erde, wird die Quelle des Lichts uneingeschränkt zu erkennen sein, denn es heißt von dem neuen Jerusalem: »Die Stadt bedarf weder der Sonne noch des Mondes, um in ihr zu scheinen; denn die Herrlichkeit Gottes erleuchtet sie, und ihre Leuchte ist das Lämmlein. So werden die Nationen durch ihr Licht wandeln« (Off.21:23,24).

Gott verstößt doch nicht Sein Volk? Nein, »denn wie zu einer jugendlichen Gattin, wenn sie verstoßen ist, sagt Jewe, dein Elohim: Für einen kleinen Augenblick habe Ich dich verlassen, aber mit großem Erbarmen will Ich dich sammeln. Mit aufschäumendem Grimm habe Ich Mein Angesicht einen Augenblick vor dir verborgen, aber mit äonischer Huld erbarme Ich Mich deiner, sagt dein Erlöser, Jewe« (Jes.54:6-8). Der Gott und Vater unseres Herrn Jesus Christus wird Sein Volk retten und ihm alle Verheißungen erfüllen. Er schloss es in Widerspenstigkeit ein, damit Er Sich ihrer erbarme. Denn aus Ihm und durch Ihn und zu Ihm hin ist dies alles! Ihm sei die Verherrlichung für die Äonen!

Damit Er Sich aller erbarme

(Röm.11:25-36)

 

Gott verstößt doch nicht Sein Volk? Nein, es wird wieder angenommen werden. So wie bislang eine Auswahl aus Israel stets gerettet wurde, so wird am Tag des Herrn Israel auch als ganzes Volk gerettet werden. Die herausgebrochenen Zweige des edlen Ölbaums werden wieder eingepfropft werden. Dann wird die wiedergeborene, gläubige und heilige Nation, das von Gott auserwählte Volk in seiner Gesamtheit, als vervollständigter Ölbaum allen Nationen auf Erden das Licht des Wortes Gottes bringen.

Das Geheimnis der Dauer der Verstockung Israels

 

»Denn ich will euch, meine Brüder«, so schreibt der Apostel Paulus in Vers 25, »über dieses Geheimnis nicht in Unkenntnis lassen (damit ihr nicht bei euch selbst als besonnen geltet): Verstockung ist Israel zum Teil widerfahren, bis die Vervollständigung der Nationen eingehe.« Wenn Paulus seine Brüder in Christus Jesus eigens anspricht (die Schwestern sind in diese Anrede mit eingeschlossen), dürfen wir etwas Besonderes erwarten, sei es einen kraftvollen Zuspruch, eine ernste Ermahnung oder gar die Enthüllung eines Geheimnisses. Dies alles liegt hier vor. Wir sollen ein bestimmtes Geheimnis kennen, damit wir uns nicht selbst für besonnen halten. Besonnenheit ist gewiss etwas Gutes, doch wenn man bei sich selbst besonnen ist, aufgrund eigener Erfahrungen und Überlegungen, dann ist das sehr oft eine Verfehlung, denn man dürfte der Weisheit der Welt gefolgt sein und sich im Stolz auf die Schlussfolgerungen gegen Gott erhoben haben. Wer wahrnimmt, dass Israel ungläubig ist und daraus schließt, dass es mit diesem Volk nichts mehr werden wird, ist dem Geist der Welt erlegen. Wir aber haben den Geist aus Gott, damit wir Ihm glauben. Er ist imstande, die Verstockung von Israel zu nehmen. Mögen wir mithin unsere Besonnenheit, unsere Vernunft und unsere Weisheit, auf das Wort Gottes gründen!

Paulus enthüllt ein Geheimnis. Viele Geheimnisse macht er in seinen Briefen bekannt. Das entspricht seiner Aufgabe, denn der Apostel ist der Verwalter der Geheimnisse Gottes für die gegenwärtige heilsgeschichtliche Verwaltung (1.Kor.4:1). Ein Geheimnis ist nicht etwas, was geheim bleiben soll, sondern was früheren Generationen nicht bekannt gemacht, nun aber offenbart wurde (vgl.Eph.3:5).

Um es vorwegzunehmen: Das Geheimnis ist nicht die Verstockung Israels oder die zukünftige Rettung, denn das sagten schon die alten Propheten, sondern die Antwort auf die Fragen: Wie lange währt die Verstockung? Wann wird Israel wieder angenommen? Was muss eingetreten sein, damit es gerettet werden kann?

Israel ist verstockt, unempfindlich für Gottes Wort, verhärtet, so wie geschrieben steht: »Gott gibt ihnen einen Geist der Betäubung, Augen, die nicht erblicken, und Ohren, die nicht hören, bis auf den heutigen Tag« (Röm.11:8). Das betrübte bereits die Propheten, dann auch unseren Herrn Jesus (Mark.3:5) und Paulus (Röm.9:2) und macht auch uns traurig. Aber nur ein Teil ist verstockt, denn eine Auswahl von einzelnen Israeliten glaubte zu allen Zeiten. Da Gott Sich immer einen Überrest nach Seiner Gnadenauswahl übrig ließ, darf uns große Zuversicht und Vorfreude erfüllen, da Er - wie wir daran erkennen dürfen - auch imstande ist, dem ganzen Volk Gnade zu schenken. Schon nachdem Jesaia die Verstockung ausgesprochen hatte, fragte er: »Bis wann, Jewe?« (Jes.6:11).

Wie lange?

 

Wie lange wird Israel verstockt sein? »... bis die Vervollständigung der Nationen eingehe.« Bis die volle Zahl der Nationen erreicht ist, die in den Ölbaum eingehen soll. Bis die zum Lichtgeben bestimmten Nationen in den Ölbaum eingegangen sind. Wenn Gott Sein für die Fristen der Nationen vorgesehenes Ziel erreicht hat, dass nämlich die vollständige Auswahl aus den Nationen zusammen mit den restlichen Zweigen Israels das Licht der Wahrheit des Wortes Gottes in der Welt verbreitet, dann wird Er auch mit Israel zum Ziel kommen.

Es ist also übrigens nicht nur so, dass Gott Sich während der Fristen der Nationen eine heilige Körperschaft von einzelnen Menschen in Gnaden beruft, sondern auch eine Anzahl von Nationen als solche für Seine Zwecke einsetzt.

Die Einpfropfung der Nationen begann, als Paulus sein Aposteltum zur Aufrichtung des Glaubensgehorsams unter allen Nationen erhielt (Röm.1:5). Von vielen Nationen geht heute der Lichtglanz der Herrlichkeit des Evangeliums Gottes über Seinen Sohn, unseren Herrn Jesus Christus, aus. Ist ihre Zahl jetzt vollständig? - Oder ist längst schon die Zeit gekommen, dass die Nationen, die wilden Zweige, wegen ihres zunehmenden Unglaubens ausgehauen werden und Israel, den edlen Zweigen, Platz machen, sodass der Ölbaum in seiner Gesamtheit wieder Israel darstellt, die heilige Nation, das königliche Priestertum, das Licht der Welt? Das Wort unseres Herrn: »Ihr seid das Licht der Welt« (Mat.5:14) wird sich dann erfüllen.

Das gesamte Israel der Auswahl wird gerettet werden

 

»Und sodann«, so erfahren wir aus Vers 26, »wird Israel als Gesamtheit gerettet werden, so wie geschrieben steht: Eintreffen wird der Bergende aus Zion; abwenden wird Er die Unfrömmigkeit von Jakob. Und dies ist Mein Bund mit ihnen, wenn Ich ihre Sünden wegnehme.« Was bedeutet »Israel als Gesamtheit«? Israel als ganzes Volk! Wer aber gehört am Tage der Rettung zu dem heiligen Volk? Alle Israeliten aller Zeiten?

Wir müssen wissen, dass die Erwählung und Rettung eines Volkes nichts darüber aussagt, welche Menschen daraus und welche Generationen davon an dem Segen teilhaben.

Generell ist zu beachten, dass nicht alle, die aus Israel stammen, Israel sind, sondern nur die Auswahl, nur die Kinder der Verheißung (Röm.9:8).

Was die verstorbenen Israeliten anbelangt, so »werden hervorgehen, die das Gute getan haben, zur Auferstehung des Lebens, die aber das Schlechte verübt haben, zur Auferstehung des Gerichts« (Joh.5:29). Als Johannes der Täufer viele Pharisäer und Sadduzäer gewahrte, die zu seiner Taufe kamen, nannte er wichtige Kriterien: die Umsinnung und das Fruchtbringen. Er sagte zu ihnen: »Otternbrut! Wer hat euch zu verstehen gegeben, vor dem zukünftigen Zorn fliehen zu können? Bringt daher Frucht, würdig der Umsinnung!« (Mat.3:7,8). Unser Herr Jesus sagte: »Die aber für würdig geachtet werden, jenes Äons und der Auferstehung aus den Toten teilhaftig zu werden, heiraten dann weder, noch werden sie verheiratet. Sie können doch auch nicht mehr sterben; denn sie sind wie die Boten und sind Söhne Gottes, weil sie Söhne der Auferstehung sind« (Luk.20:35,36).

Von den am Tage des Zorns lebenden Juden wird nur ein Drittel übrigbleiben, wie in Sacharja 13:8,9 zu lesen: »Und es wird im ganzen Land geschehen, spricht Jewe, zwei Teile davon werden ausgerottet und verscheiden, und nur der dritte Teil davon bleibt übrig. Und Ich bringe den dritten Teil ins Feuer« (das ist die dreieinhalbjährige große Drangsal), »läutere sie, wie man das Silber läutert, und prüfe sie, wie man das Gold prüft. Der dritte Teil wird Meinen Namen anrufen [vgl.Röm.10:13], und Ich werde ihm antworten, Ich werde sagen: Er ist Mein Volk. Und er wird sagen: Jewe ist mein Elohim.« Und dann wird sich auch dieses Wort erfüllen: »Und es geschieht, dass die Überlebenden in Zion und der Überrest in Jerusalem heilig geheißen werden für Ihn, alle, die da angeschrieben sind zum Leben in Jerusalem« (Jes.4:3).

Die ungläubigen Juden sind nicht in der Rolle des Lebens angeschrieben. Dazu gehören auch die, von denen Hesekiel im Kapitel 20:37,38 spricht: »Ich werde euch unter dem Hirtenstab hindurchziehen lassen und euch abgezählt hineinbringen. Und Ich werde die unter euch ausscheiden, die sich empörten und mit Mir brachen; Ich werde sie aus dem Land ihrer Fremdlingschaft herausführen, aber in das Land Israel sollen sie nicht hineinkommen.« Dem gleicht, was unser Herr dem Hauptmann von Kapernaum sagte: »Viele« (aus den Nationen) »werden vom Osten und Westen eintreffen und sich mit Abraham, Isaak und Jakob im Königreich der Himmel zu Tisch lagern; die Söhne des Königreichs aber wird man hinauswerfen in die Finsternis, die draußen ist« (die nach Jesaia 60:2 die Völker bedeckt). »Dort wird Jammern und Zähneknirschen sein« (Mat.8:11,12).

Kurz gesagt: Nur die Auserwählten werden die heilige Nation bilden, das gerettete Israel in seiner Gesamtheit, denn es heißt in Matthäus 24:31: »Alsdann wird Er Seine Boten mit lautem Posaunenton aussenden, und sie werden Seine Auserwählten von den vier Winden her versammeln, vom äußersten Ende der Himmel an bis wieder zu ihrem äußersten Ende.«

Ihr Retter wird kommen

 

Was der Apostel Paulus in den Versen 26 und 27 anführt, sind zusammengefasste und auf das Wesentliche gekürzte Zitate aus Jesaia 59:20,21 und Jeremia 31:33,34: Eintreffen wird der Bergende aus Zion - der Messias, ihr Erlöser, wird kommen; abwenden wird Er die Unfrömmigkeit von Jakob - die Umkehr von ihren Übertretungen wird Er ihnen schenken; und dies ist Mein Bund mit ihnen, wenn Ich ihre Sünden wegnehme - Ich werde Mein Gesetz in ihr Inneres legen und werde es auf ihr Herz schreiben; Ich werde ihr Gott sein, und sie werden Mein Volk sein; Mein Geist wird auf dir sein, und Mein Wort soll nicht von deinem Mund weichen.

Ja, so herrlich wird es mit dem Volk Israel werden: »Das Haus Israel wird Meinen heiligen Namen nicht mehr unrein machen« (Hes.43:7).

Es sei noch angemerkt, dass sich der neue Bund ebenso wie der alte, der gebrochene, auf ein und dasselbe Volk und ein und dasselbe Land bezieht. »Siehe, es kommen Tage, spricht Jewe, da schließe Ich mit dem Haus Israel und mit dem Haus Juda einen neuen Bund« (Jer.31:31).

Wenn jedoch in Bezug auf uns, die Glieder des Körpers Christi, vom neuen Bund die Rede ist, dann nur in Form eines Vergleichs. Unsere Gemeinschaft mit unserem Herrn Jesus Christus kann mit dem neuen Bund verglichen werden, jedoch nicht mit dem buchstäblichen, sondern mit einem geistlichen Bund, wie Paulus in 2.Korinther 3:5,6 schreibt: »Unsere Tauglichkeit ist von Gott, der uns auch tauglich macht zu Dienern eines neuen Bundes, nicht des Buchstabens, sondern des Geistes.«

Feinde und doch Geliebte

 

Mit den Versen 28 bis 32 kommt der Apostel Paulus nun zum Höhepunkt seiner Ausführungen in den Kapiteln Neun bis Elf. Er schreibt: »Nach dem Evangelium sind sie zwar Feinde um euretwillen, nach der Auserwählung aber Geliebte um der Väter willen« (Vers 28). Die Juden sind Feinde des Evangeliums Gottes über Seinen Sohn, unseren Herrn Jesus Christus, denn sie suchen ihre eigene Gerechtigkeit aufzustellen und sind zudem eifersüchtig darauf, dass die Rettung durch Christus auch den Nationen gelten soll.

Feinde des Evangeliums sind sie aber um unsertwillen, und zwar damit Gott, der doch Seine Segensströme nicht zurückhält, sich nun die auserwählte Heilskörperschaft Christi zum Dienst inmitten der Überhimmlischen aus den Nationen berufe und sie in bedingungsloser Gnade rette und mit jedem geistlichen Segen in Christus segne. - Welch eine Weisheit unseres Gottes!

So feindlich Israel aber Gott gegenüber auch ist - nach der Auserwählung sind sie Geliebte um der Väter willen (5.Mose 10:15). Hoch erhaben ist Gottes Handeln an Seinen Feinden: Sie sind und bleiben Seine Geliebten, und Sein zwischenzeitlicher Ratschluss, die Liebe zurückzuhalten und sie zu verwerfen, wird Seine Liebe zu ihnen nur noch größer werden lassen. - Welch eine Liebe ihres Gottes!

Gottes Verheißungen sind nicht hinfällig geworden

 

»Denn unbereubar sind die Gnadengaben und die Berufung Gottes« (Vers 29). All die Gnadengaben, die Israel erhielt, der Sohnesstand und die Herrlichkeit, die Bündnisse und die Gesetzgebung und damit das Wort Gottes, der Gottesdienst und die Verheißungen, die Väter und vor allem Jesus Christus, ihr Herr und König, und die Berufung Israels zum königlichen Priestertum und zur heiligen Nation, zum Volk Gottes - all das gereut Gott angesichts ihres Unglaubens nicht, im Gegenteil, Er wird ihnen dies alles in den beiden zukünftigen Äonen aufs Herrlichste erfüllen und völlig entfalten. Gott bringt sie zu dem Ziel, dass sie allen Nationen der Erde zum Segen und Ihm zur Verherrlichung sind.

Was Gott Sich vorgesetzt hat, das tut Er auch. Dabei hat Gott nie etwas zu bereuen, denn Er ist vollkommen, und Seine Wege sind vollkommen. Hätte es einen besseren Weg gegeben, so wäre Gott nicht vollkommen. Wenn wir an anderen Bibelstellen von der Reue Gottes lesen, so ist dies eine Redefigur, die uns das Mitleiden Gottes in einer dem Menschen angepassten Weise umschreibt. Gott ist auch niemals vom Menschen enttäuscht, weiß Er doch, was im Menschen ist (Joh.2:25) und hat Er Selbst ihm doch das Herz gebildet (Ps.33:15).

»Nicht ein Mensch ist Gott, dass Er lüge, noch der Sohn eines Menschen, dass Er bereue. Sollte Er gesprochen haben und es nicht tun und geredet haben und es nicht aufrechterhalten?« (4.Mose 23:19). Durch Seinen Sohn erfüllt Er Seine Verheißungen, wie in Römer 15:8 geschrieben steht: »Denn ich sage, Christus ist der Diener der Beschneidung geworden für die Wahrhaftigkeit Gottes, um die Verheißungen der Väter zu bestätigen.«

Allen gilt Gottes Erbarmen

 

Paulus fährt in den Versen 30 und 31 fort: »Denn ebenso wie ihr einst gegen Gott widerspenstig wart, nun aber bei deren Widerspenstigkeit Erbarmen erlangtet, so sind auch diese nun dem euch gewährten Erbarmen gegenüber widerspenstig geworden, damit auch sie von nun an Erbarmen erlangen können.« Unser Gott und Vater ist wahrhaft Gott, der alles Verfügende, der allen den Platz Zuweisende, der alle Sich Unterordnende. Seine Liebe und Weisheit, Sein Allesbewirken und Erbarmen werden alle zur Demut, Dankbarkeit und Anbetung bringen.

Wir, die aus den Nationen, waren gegen Gott widerspenstig und erlangten Erbarmen, und zwar auf eine Art und Weise, wie es an dem Musterbeispiel des Paulus deutlich zu erkennen ist (1.Tim.1:16). Nun ist Israel widerspenstig und widerspricht Gott allezeit (Röm.10:21). »Ihr Halsstarrigen, ihr an Herzen und Ohren Unbeschnittenen, stets prallt ihr mit dem Geist, dem heiligen, zusammen! Wie eure Väter, so auch ihr«, sagte Stephanus vor dem Hohen Rat. Doch ihr Ungehorsam ist ein Bestandteil des Planes Gottes, denn nur durch ihre Verwerfung ist der Welt die Versöhnung Gottes zuteil geworden (Röm.11:15; 2.Kor.5:19). So wie wir die Versöhnung persönlich erlangt haben, so wird auch Israel die Versöhnung als Nation erfahren.

Alle waren widerspenstig; da ist kein Unterschied, denn alle sündigten (Röm.3:23). Diese Tatsache hat aber ihren Sinn und Zweck, nämlich dass alle Seine Barmherzigkeit kennen lernen werden, wie Vers 32 betont: »Denn Gott schließt alle zusammen in Widerspenstigkeit ein, damit Er Sich aller erbarme.« Alle - die gesamte Menschheit ist da einbezogen. Alle sind unter der Sünde (Röm.3:9). Die Schrift schließt alle unter die Sünde ein (Gal.3:22). Und wer ist der Handelnde, wer schließt ein? Gott schließt ein. Er weiß, was Er tut. Im Zuge der Durchführung Seines Willens gebraucht Er zwar auch Seine wider Ihn wirkenden Geschöpfe; das berührt aber nicht die Tatsache, dass es keine Kraft außerhalb der Wirksamkeit Gottes gibt. Alles aber dient Ihm und führt zu Ihm hin. Derzeit wirkt Er uns, die wir nach Seinem Vorsatz berufen sind und Ihn lieben, alles zum Guten zusammen (Röm.8:28); dereinst wird Er allen alles zum Guten zusammenführen. Welch eine herrliche Verheißung! Welch eine Liebe, die dahinter steht!

»Jewe ist gut gegen alle, und Sein Erbarmen geht über alle Seine Werke« (Ps.145:9). Der Sich erbarmende Gott ist damit der Retter aller Menschen (1.Tim.4:10). Angesichts Seines Erbarmens über alle, wenn auch zu unterschiedlichen Zeiten, lösen sich alle Probleme und alle Sorgen der Menschheit. Hier lösen sich alle Rätsel: Die Widerspenstigkeit besteht deshalb, damit Gottes Erbarmen alle ergreife!

Bereits im Millennium, zu dessen Beginn Jewe Elohim Sich Seines Volkes mit äonischer Huld erbarmt haben wird (Jes.54:8), werden die Nationen der Erde in ähnlicher Weise mitgesegnet sein. Paulus weist in Römer 15:9-12 auf entsprechende Schriftstellen hin: »Die Nationen aber werden Gott für Sein Erbarmen verherrlichen, so wie geschrieben steht: Deshalb werde ich Dir huldigen unter den Nationen und Deinem Namen zum Saitenspiel lobsingen. Anderswo wieder heißt es: Seid fröhlich, ihr Nationen, mit Seinem Volk! Und wieder heißt es: Lobet den Herrn, alle Nationen! Lobpreisen sollen Ihn alle Völker! Jesaia wiederum sagt: Es wird sein an jenem Tage: Die Wurzel Isais, der da aufsteht als Fürst der Nationen, auf Ihn werden sich die Nationen verlassen.«

Die Grundlage des Erbarmens Gottes ist die Liebe des Christus, der für alle starb, zu ihren Gunsten, und dessen Sterben das Sterben des alten Wesens aller Menschen bedeutet (2.Kor.5:14). Aufgrund dieses gerechten Urteils, vollzogen am Herrn Jesus Christus am Kreuz, aber alle einbeziehend, kann Gott allen Erbarmen erweisen. So sei dem Gott und Vater unseres Herrn Jesus Christus von ganzem Herzen unser Lobpreis und unsere Verherrlichung!

Niemand wird sich nunmehr noch selbst rühmen mögen, denn alles ist ja nun erkanntermaßen aus Gott und durch Ihn und zu Ihm hin, sondern im Namen Jesu wird sich jedes Knie beugen und jede Zunge huldigen: Herr ist Jesus Christus, zur Verherrlichung Gottes, des Vaters (Phil.2:10,11)!

Ihm sei die Verherrlichung für die Äonen!

 

Den Lobpreis des Apostels Paulus nach seinen Ausführungen über die weisen und herrlichen Wege Gottes mit Israel wie auch mit den Nationen lesen wir in den Versen 33 bis 36: »O Tiefe des Reichtums, der Weisheit und der Erkenntnis Gottes! Wie unausforschlich sind Seine Urteile und wie unausspürbar Seine Wege! Denn wer hat den Sinn des Herrn erkannt, oder wer wurde Sein Ratgeber? Wer hat Ihm etwas zuerst gegeben, damit es Ihm vergolten werden wird? Denn aus Ihm und durch Ihn und zu Ihm hin ist das All! Ihm sei die Verherrlichung für die Äonen! Amen!«

O Tiefe des Reichtums Gottes! Eine Tiefe ist etwas schwer oder gar nicht zu Ergründendes. Uns aber hat Gott in den vorangegangenen Kapiteln des Römerbriefs sehr viel durch Seinen Geist enthüllt, denn der Geist erforscht alles, auch die Tiefen Gottes (1.Kor.2:10). Und ist uns nicht sogar die tiefste Tiefe, der Urgrund Gottes, enthüllt, da wir wissen, dass Er Liebe ist, was wir besonders daran erkennen, dass Er Seinen geliebten Sohn für alle ans Kreuz dahingab?

Wer vermag Gottes Reichtum zu ermessen? Den Reichtum Seiner Herrlichkeit, den Reichtum Seiner Gnade, den Reichtum an sichtbaren und unsichtbaren Geschöpfen und an materiellen und geistlichen Schätzen, den Reichtum Seiner Liebe? Hat irgendjemand Ihm etwas zuerst gegeben? Ist Er nicht der Geber aller Gaben? Ist Er nicht reich für alle, die Ihn anrufen, sei es aus Israel oder den Nationen? Kommt nicht das gesamte All und alles, was darin ist, aus Ihm? Er ist die Quelle von allem, Er ist der den Lauf aller Dinge Bewirkende, und Er ist das Vollendungsziel von allem! Dient nicht alles zu Seiner Verherrlichung? - Welch eine Tiefe des Reichtums Gottes!

O Tiefe der Weisheit Gottes! Er ist der einzige, der absolut weise ist (Röm.16:27). Wir benötigen Ratgeber, Er aber doch nicht. Wer hat den Sinn des Herrn erkannt? Die unter uns, die den Sinn des Christus haben (1.Kor.2:16), dürften etwas davon erfasst haben, liegt Gottes Weisheit doch in Christus als dem Gekreuzigten. Wer Gottes Weisheit in dem Gekreuzigten erkannt hat, der ja zur Rettung und Aussöhnung aller das Kreuz erlitt, dürfte auch von Gottes Weisheit im Handeln an Israel und den Nationen sowie in seinem persönlichen Leben überzeugt sein. Zwar sind Gottes weisen Wege unausspürbar - die Vielzahl der zusammenwirkenden Kräfte und Umstände können wir gar nicht ermitteln -, und doch dürfen wir wissen, dass Er alles sinnvoll anwendet und all Seine Wege zum Guten führen, ja zur Freude, Erfüllung und Glückseligkeit all Seiner Geschöpfe. - Welch eine Tiefe der Weisheit Gottes!

O Tiefe der Erkenntnis Gottes! Wir wissen nicht, was sein muss, und unser Erkennen ist mangelhaft. Er aber weiß alles und erkennt alles. Er weiß genau, was Er tut und warum. Für uns sind Seine Urteile und Entscheidungen unausforschlich; wir können davon nur das erkennen, was Er uns offenbart. Alle Erkenntnis ist bei Ihm und nur durch Ihn. Der Prophet Daniel pries Ihn: »Gesegnet sei der Name des Elah von dem Äon an und bis zu dem Äon! Denn Weisheit und Allmacht, sie sind Sein. Er ändert Zeiten und Fristen, lässt Könige vergehen und lässt Könige aufstehen, gewährt den Weisen Weisheit und Erkenntnis den im Verständnis Erfahrenen. Er enthüllt die tiefen und verborgenen Dinge, Er weiß, was in der Finsternis ist, und der Strom des Lichts wohnt bei Ihm« (Dan.2:20-22).

Aus Ihm ist das All und überhaupt alles, was geschieht. Auch die Auserwählung Israels und der Körperschaft Christi ist aus dem, der beruft (Röm.9:11).

Durch Ihn ist das All wie auch alles. Nicht an dem Wollenden und an dem Rennenden liegt es, sondern an dem Sich erbarmenden Gott (Röm.9:16). Insbesondere handelt Er durch Seinen Sohn, unseren Herrn Jesus Christus, den Mittler.

Zu Ihm hin ist das All, zu Ihm hin führt alles. Alle werden sich Ihm unterordnen, alle werden Ihn lobpreisen. Im Namen Jesu Christi werden sich alle Geschöpfe zur Verherrlichung Gottes, des Vaters, anbetend beugen (Phil.2:9-11).

Als in der Gnade Gerettete und Vorgezogene und als solche, denen Gott einen Einblick in die Tiefe Seines Reichtums, Seiner Weisheit und Seiner Erkenntnis gewährt hat, dürfen wir Ihn derzeit schon gerade auch mit den Worten von Vers 36 preisen: »Aus Ihm und durch Ihn und zu Ihm hin ist das All! Ihm sei die Verherrlichung für die Äonen! Amen!«

denke an die Preisrichterbühne!

 

Wir lesen die Verse 10 und 11: »Du aber, was richtest du deinen Bruder? Werden wir doch alle vor der Preisrichterbühne Gottes dargestellt werden; denn es steht geschrieben: So wahr Ich lebe, spricht der Herr: Vor Mir wird jedes Knie sich beugen, und jede Zunge wird Gott huldigen.« Nachdem wir dem Bilde des Sohnes Gottes gleichgestaltet und zu unserem geliebten Herrn Christus Jesus hin entrückt worden sind, werden wir vor der Preisrichterbühne Christi und Gottes dargestellt werden. Diese Bühne ist kein Gericht, haben wir unser Urteil doch längst erhalten, als wir zusammen mit Christus starben, und ist denen, die in Christus Jesus sind, absolut nichts zur Verurteilung. Diese Bühne ist eine Stätte unserer Auszeichnung mit Preisen. Jeder von uns wird dort vom Herrn das wiederbekommen, was er durch den Körper verübte, es sei gut oder schlecht, mithin Lob und Lohn für unsere Mühe und das rechte Handeln sowie andererseits Verlust an Lohn und Lob für das, was schlecht war (2.Kor.5:10). Dort vor der Preisrichterbühne wird alles klargestellt werden; sie ist die einzige kompetente Instanz. Im Licht Seiner Heiligkeit wird alles zurechtgerückt und jeder in Herrlichkeit dargestellt werden. »Richtet daher nichts vor der gebührenden Zeit, bis der Herr kommt, der auch das Verborgene der Finsternis ans Licht bringen und die Ratschläge der Herzen offenbaren wird. Dann wird jedem der Lobpreis von Gott zuteil werden« (1.Kor.4:5). Mögen wir Gott keinesfalls vorgreifen. Wir können sowieso nicht recht urteilen, weil wir den Reifegrad des Bruders, seine Motive und Ziele, seine Einengungen und Nöte und die besonderen Umstände des Einzelfalls gar nicht oder nicht ausreichend kennen. Nur einer ist Richter und richtet gerecht, und vor Ihm werden sich alle beugen, Ihn werden alle verherrlichen! Jedes abfällige Reden über andere unterbleibe daher!

»Demnach nun«, so fährt Paulus fort, »wird jeder von uns für sich selbst Gott Rechenschaft geben« (Vers 12). Ja, jeder für sich selbst und jeder unserem Gott und Vater und keinem anderen. Rechenschaft geben bedeutet, sein Handeln zu begründen. Welchen Grund sollten wir angeben, wenn uns der Herr wegen des Richtens eines Bruders fragt? -

Gebt keinen Anstoß!

 

»Folglich lasst uns nicht länger einander richten«, so schließt der Apostel den ersten Teil seiner Thematik ab und eröffnet mit den folgenden Worten sogleich den zweiten Teil: »... sondern achtet vielmehr darauf, dem Bruder keinen Anstoß oder Fallstrick zu geben« (Vers 13). Dies richtet sich an die Kraftvollen; sie sollen sorgsam Handlungen vermeiden, woran ein Schwacher Anstoß nehmen kann oder die ihm, weil er sich geärgert hat, zum Fallstrick werden können, sodass er sich zu unbedachten Reaktionen hinreißen lässt.

In Vers 14 trifft Paulus zunächst eine allgemeine Feststellung: »Ich weiß und bin im Herrn Jesus überzeugt, dass nichts an sich gemein ist, wenn nicht dem, der etwas als gemein einschätzt; für jenen ist es gemein.« Auch in 1.Timotheus 4:4 ist zu lesen: »... dass jedes Geschöpf Gottes ausgezeichnet ist, und nichts ist verwerflich, wenn es mit Dank genommen wird.« Nichts ist gemein, auch nicht ein Fernsehgerät oder ein Internet-Anschluss. Wer solches jedoch als verwerflich einschätzt, dem ist es gemein.

Die Liebe ist der Maßstab

 

Nun folgt die ernste Ermahnung (Vers 15): »Denn wenn um einer Speise willen dein Bruder betrübt wird, wandelst du nicht mehr der Liebe gemäß. Mach durch deine Speise nicht denjenigen zunichte, für den Christus starb.« Nicht die Überzeugung des Kraftvollen, dass nichts an sich gemein ist, hat den Vorrang, sondern die Liebe zu den schwachen Geschwistern in Christus Jesus. Wir werden also bei einem gemeinsamen Mahl um ihretwillen auf Speisen verzichten, an denen sie sich stoßen würden, und ihnen gegenüber nichts vom Internet-Anschluss erzählen. Unsere Freiheit, alles zu gebrauchen, darf nicht dazu führen, dass der Schwache sich brüskiert fühlt. Möge unsere Liebe zu ihnen in allem Feingefühl dazu überfließen, dass wir sie tragen, auch ertragen, und ihnen aufbauend dienen, das heißt so wie Gott uns Gelegenheit schenkt, sie behutsam und geduldig in den herrlichen Wahrheiten des uns angehenden Evangeliums unterweisen.

Der Charakter des Königreichs Gottes

 

Paulus schreibt in den Versen 16 bis 18 weiter: »Das Gut, das euer ist, soll nun nicht gelästert werden, weil das Königreich Gottes nämlich nicht Speise und Trank, sondern Gerechtigkeit, Friede und Freude in heiligem Geist ist; denn wer in diesem dem Christus als Sklave dient, ist Gott wohlgefällig und bei den Menschen bewährt.« Das herrliche Glaubens- und Segensgut, das dem Apostel Paulus für uns enthüllt wurde, das in Gerechtigkeit, Friede und Freude besteht, in der Rechtfertigung durch Glauben, in der Versöhnung mit Gott und in allen anderen frohmachenden Schätzen der Weisheit und Erkenntnis in Christus, dieses Gut soll von denen draußen nicht gelästert werden, wenn sie nämlich von dem innergemeindlichen Gezänk über Speise und Trank hören sollten.

Das hier angesprochene Königreich Gottes ist nicht äußerlich sichtbar, sondern bedeutet die Herrschaft Gottes in unserem Inneren (Luk.17:21). Zugleich sind wir ja auch in das Königreich des Sohnes der Liebe Gottes hineinversetzt (Kol.1:13). Dies ist unser Lebensraum, dieser geistliche Herrschaftsbereich Christi. Und der ist geprägt von geistlichen Gütern. In diesen gibt es zu dienen. In Gottes Geist bringen wir den rechten Gottesdienst dar (Phil.3:3). Somit sind wir auf das Edle vorbedacht, nicht nur vor den Augen des Herrn, sondern auch vor den Augen der Menschen (2.Kor.8:21). Dies ist Gott wohlgefällig und wird von den Menschen, insbesondere von den Glaubensgeschwistern, als wohlgetan angesehen. Wer im Geist wandelt, wandelt in der Liebe, so wie auch Christus uns alle liebt und Sich Selbst für uns als Darbringung und Opfer für Gott dahingegeben hat, zu einem duftenden Wohlgeruch (Eph.5:2). Steht es um unsere Hingabe an die Schwachen ebenso? Sind wir ihnen ein Wohlgeruch?

Vernehmen wir im Zusammenhang der Verse 16 bis 18 den Gebetswunsch des Apostels Paulus in Römer 15:13 sicherlich nicht nur für die Schwachen im Glauben: »Der Gott der Zuversicht aber erfülle euch mit aller Freude und allem Frieden im Glauben, damit ihr überfließt in der Zuversicht, in der Kraft heiligen Geistes.«

Frieden und Auferbauung

 

Weil das Königreich Gottes Gerechtigkeit, Friede und Freude in heiligem Geist ist, folgt daraus, was in Vers 19 niedergeschrieben ist: »Demnach jagen wir nun den Dingen des Friedens und denen der Auferbauung untereinander nach.« Wir halten Frieden miteinander und suchen, dem Nächsten zu gefallen, ihm zum Guten, zu seiner Auferbauung (Röm.15:2). Bedenken wir dabei, was uns in 1.Korinther 10:23,24 gesagt ist: »Alles ist mir erlaubt, jedoch nicht alles ist förderlich. Alles ist mir erlaubt, jedoch nicht alles baut auf. Niemand suche das Seine, sondern das des anderen.« Nachjagen sollen wir diesen Dingen. Da sind Anstrengungen zu unternehmen. Da ist nachzudenken, was der andere wirklich braucht: das Wissen, angenommen zu sein, Zuspruch und aufbauende Belehrung in aller Geduld und Zuversicht.

In den Versen 20 und 21 warnt Paulus nochmals die Starken im Glauben: »Zerstöre nicht einer Speise wegen das Werk Gottes! Zwar ist alles rein, jedoch übel für den Menschen, der mit Anstoß isst. Edel ist es, kein Fleisch zu essen, noch Wein zu trinken, noch sonst etwas zu tun, an dem dein Bruder sich stößt, worin er strauchelt oder schwach ist.« An die Korinther hatte Paulus in diesem Zusammenhang geschrieben: »Doch hütet euch, dass diese eure Vollmacht den Schwachen nicht etwa zum Anstoß werde! ... So wird denn das Gewissen des Schwachen durch deine Erkenntnis zunichte gemacht, des Bruders, um dessentwillen Christus starb. Wenn ihr so an den Brüdern sündigt und ihr Gewissen, das an sich schwach ist, erschlagt, sündigt ihr an Christus! Deswegen mag ich, wenn eine Speise meinem Bruder zum Fallstrick wird, lieber für den Äon überhaupt kein Fleisch mehr essen, damit ich meinem Bruder keinen Anstoß gebe« (1.Kor.8:9-13).

 

Handle aus Glauben!

Durch die letzten beiden Verse des Kapitels werden nun die Schwachen im Glauben ermahnt, sich Gewissheit zu verschaffen über ihre Glaubenshandlungen, damit sie darin feststehen und nicht zu einem unglücklichen schwankenden Rohr werden: »Habe du den Glauben, den du hast, für dich selbst angesichts Gottes! Glückselig, wer nicht sich selbst zu richten braucht in dem, was er für bewährt hält. Wer aber Bedenken hat, wenn er isst, der ist verurteilt, weil er nicht aus Glauben handelt; alles aber, was nicht aus Glauben geschieht, ist Sünde.«

Jedermann soll also in Übereinstimmung mit seiner Erkenntnis handeln. Selbstverständlich ist zuerst zu prüfen, was dem Herrn wohlgefällig ist. Wer aber gegen seine Überzeugung handelt, etwa um nicht aufzufallen, der hat sich selbst verurteilt.

»Alles aber, was nicht aus Glauben geschieht, ist Sünde.« Das ist keine Definition der Sünde. Man kann aber durchaus generell sagen, dass alles, was die Menschen nicht aus Glauben tun, Sünde ist, denn wo immer ein Mensch Gott nicht glaubt, verfehlt er das Ziel, das er hätte erreichen sollen. Doch belassen wir es hier im Zusammenhang und stellen fest, dass ein Schwacher sündigt, wenn er nicht die Gewissheit hat, dass er seinem Erkenntnisstand entsprechend handelt.

Mögen die Kraftvollen unter uns mithin die Schwachen im Glauben nicht überfordern, sondern den Grad ihrer Reife wohlwollend berücksichtigen.

Wir schließen mit den Versen 1 bis 3 des 15. Kapitels: »Wir aber, die Kraftvollen, sind verpflichtet, die Schwächen der Kraftlosen zu tragen und nicht uns selbst zu gefallen. Ein jeder von uns suche, dem Nächsten zu gefallen, ihm zum Guten, zu seiner Auferbauung. Denn auch der Christus hat nicht Sich Selbst zu Gefallen gelebt.«


 Fortsetzung siehe: Ausführungen zum Römerbrief (Kap. 12-16)